Endlich geht’s los! Bis zum Schluss haben wir überlegt, was noch mit und noch erledigt werden muss. Das Auto ist randvoll mit Ausrüstung und Verpflegung, es hätte nicht ein Karton oder ein Rucksack mehr sein dürfen.
Und auch das Wetter spielt blendend mit, auf dem Weg gen Norden herrscht strahlender Sonnenschein. Weder Schnee noch Glatteis wie im Süden Deutschlands behindern das Vorankommen. Für den Notfall oder Superstau hätten wir allerdings Lebensmittel für über 75 Tage und warme Klamotten für 30 Grad Minus im Wagen gehabt, Sicherheit geht schließlich vor 😉
Die Fähre in Kiel erreichen wir pünktlich nach einer sehr entspannen Autofahrt. Der Check-In ist schnell erledigt, die wenigsten Passagiere nutzen das Schiff zu dieser Jahreszeit als Autofähre, es ist eher ein Kreuzfahrtschiff mit Autodeck. Die gemütliche Kabine bietet mit ihrem großen Bullauge einen wunderbaren Blick auf die Kielerförde. Wir gehen auf das Sonnendeck und genießen das Ablegemanöver bei bestem Wetter, blauer Himmel und Sonnenschein verabschieden uns gen Norden. Der Sonnenuntergang bietet hoffentlich einen ersten Vorgeschmack auf das, was uns in der nächsten Zeit erwartet. Bei Sauna, einem Dosenbier und dem letzten „Tatort“ für längere Zeit beschließen wir den ersten Tag der sehr entspannten Anreise.
Der Morgen beginnt mit Dunkelheit vor dem Bullauge, man merkt deutlich, dass wir uns bereits ein gutes Stück weiter im Norden befinden. Nach dem Frühstück genießen wir die Einfahrt in den Oslofjord, der noch in der Dämmerung vor uns liegt. Ein Weichzeichner aus Schnee und Morgennebel hat sich über die Landschaft gelegt.
Wir verlassen das Schiff und tauchen ein in den morgendlichen Trubel Oslos. Wir statten dem DNT in der Storgata einen kurzen Besuch ab und treffen prompt auf Ida, die dort arbeitet und vor zwei Jahren NPL im Winter gegangen ist.
Anschließend fahren wir mit dem Auto durch das winterliche und heute leider ziemlich graue Norwegen nach Hokksund in die Zentrale von Bergans of Norway, wo uns Christoph, der uns dort hilft und betreut, schon erwartet. Bei Bergans im Lager warten schon einige Kartons mit über 200 Fertiggerichten darauf, in unsere Pakete mit den Lebensmittel für die einzelnen Depots zu wandern. Das Verpacken und Verteilen dauert eine ganze Weile, aber wir sind ja gut vorbereitet.
Jetzt warten die Pakete im Lager darauf, dass diese uns dann netterweise von Zeit zu Zeit zugesandt werden. Nun sitzen wir im Hotelzimmer in Hønefoss und morgen früh geht es dann weiter nach Fagernes, wo wir die letzten Besorgungen erledigen und unsere Ausrüstung vorbereiten werden.
Seit Freitag haben wir nun frei und es geht in die letzten Tage vor der Tour. Daheim stapeln sich unglaubliche Mengen an Lebensmitteln und Ausrüstung, die es nun aufzuteilen und vorzubereiten gilt. Gestern haben wir schon den ganzen Tag damit verbracht und es wird noch bis Weihnachten dauern, bis alles komplett verpackt und fertig für den Start ist.

Die letzten Wochen waren zudem ganz schön turbulent, viele Dinge mussten noch besorgt und erledigt werden. Dabei kreisten unsere Gedanken immer wieder um den Winter in Norwegen, der sich, wie auch in den Alpen, stellenweise viel Zeit lässt. Gerade im Süden Norwegens, der für uns eigentlich zu Beginn auf dem Programm stünde und mit der Setesdalsheiane und der Hardangervidda gleich zwei anspruchsvolle Herausforderungen für uns bereit hält, kommt der Winter erst langsam in die Gänge. Schnee liegt mittlerweile reichlich, aber die größte Gefahr lauert darunter.

Die Winterrouten, die der norwegische Wanderverband DNT ausweist, führen eigentlich immer direkt über viele Seen und Flüsse. Das ist recht praktisch, man gelangt so schnell voran und muss nicht um diese Hindernisse herum laufen. Gerade bei den großen Seen ist das einfach bequem. Wenn man sich den großen Gjende See zum Beispiel anschaut, so gleitet man im Winter einfach über den beinahe 20 Kilometer langen See hinweg. Und die Sommerrouten mit Ski und Pulka zu bewältigen, das schaffen nicht einmal die Norweger. Den Bessegen zum Beispiel mit Ski und Pulka zu erklimmen, stellen wir uns eher schwierig wenn nicht gar unmöglich vor.
Mit der Pulka gilt es die Route so ökonomisch wie möglich durch die Tallagen zu legen, so dass man große Anstiege am besten umgeht oder vermeidet. Wer möchte schon eine 40 Kilogramm schwere Pulka über Hunderte von Höhenmeter und steile Hänge hinauf wuchten?
Die Eisvorhersage
Wenn man sich nun aber einmal die Eisvorhersage oder die Webcam der DNT Hytte in Gjendesheim anschaut, dann treibt uns das bereits seit geraumer Zeit einige Schweißperlen auf die Stirn. Die Flüsse, Bäche und Seen im Süden liegen größtenteils noch offen oder bieten noch keine sicheren Eisverhältnisse. Es ist eher eine Art Lotterie, ob die kleineren Gewässer schon mit tragfähigem Eis bedeckt sind, von den großen Seen wollen wir gar nicht erst sprechen.

Die Verhältnisse werden erst ganz, ganz langsam besser und vor allem sicherer. Selbst tiefe Temperaturen im zweistelligen Minusbereich über eine längere Periode, die die Eisbildung rascher vorantreiben würden, sind nicht in Sicht. Und nun stellt man sich einmal vor, man steht auf einem See, der vielleicht einen Kilometer groß ist, man ist mit Karabinerhaken an einen schweren Pulkaschlitten gekoppelt, trägt einen großen Rucksack auf dem Rücken, Stöcke an den Händen und Ski an den Füßen, die über eine Bindung gesichert sind, die nur mit einem kräftigen Riegel per Hand geöffnet werden kann – und dann beginnt es um einen herum zu knacken…
Da Glücksspiel und russisches Roulette nicht unbedingt die Beschäftigungen sind, mit denen wir unsere Freizeit verbringen, werden wir auf Nummer sicher gehen. Wir scheuen das große Risiko und wollen auch gerne heile wieder nach Hause kommen. Die Tour soll vor allem Spaß machen und nicht aufgrund unkalkulierbarer Risiken in einem Fiasko enden.
Von daher haben wir schon vor einiger Zeit begonnen, einen Plan B oder mittlerweile sogar Plan C vorzubereiten. Da unsere Tour an ein fixes Zeitfenster gebunden ist, können wir den Start nicht einfach um ein paar Wochen verschieben, so wie es schon einige andere Winter NPLer gemacht haben.
Der Plan C
Wir haben uns daher dazu entschlossen, die Tour ab dem Punkt zu beginnen, von dem wir ausgehen, dass die Eisverhältnisse sicher sind. Mit heißer Nadel haben wir nun unseren Plan umgestrickt, die Logistik umgeplant und mit Hilfe von Julia, die mir auf der letzten Tour die Versorgungspakete zugeschickt hat, einen neuen Dauer-Parkplatz für unser Auto gefunden.
Der neue Plan sieht vor, mit dem Auto bis nach Fagernes in Valdres zu fahren, es dort abzustellen und dann mit dem Bus nach Beitostølen zu gelangen, wo wir am 31. Dezember starten werden. Sind wir am Ziel im Norden angelangt, werden wir nach Beitostølen zurückkehren und von dort aus unsere Reise südwärts fortsetzen.

Für uns ist das der einzige praktikable Weg, ohne die Tour zu verschieben oder über einige hundert Kilometer die winterlichen Hauptstraßen ohne Pulka nur mit einem Trekkingrucksack entlang zu laufen. Auf den langen Fernwanderwegen in Nordamerika ist diese Vorgehensweise der Aufteilung zum Beispiel ganz normal, da wird häufig so vorgegangen, um das Wetter innerhalb einer Saison optimal auszunutzen.
Unser Motto: Det ordner seg!
Wie dem auch sei, es zeigt sich, dass in der Natur nie alles nach Fahrplan läuft. Man kann ein halbes Jahr lang planen und dann kommt es doch ganz anders. Wenn man draußen unterwegs sein möchte, muss man sich der Natur anpassen und nicht umgekehrt. Man kann nicht einfach versuchen seinen Plan durchzuboxen, das endet schnell im Unglück.
Schnell einen Plan B, C oder D zu entwickeln ist genau nach unserem Geschmack und eine unserer großen Stärken. Wir wollen Spaß mit der Natur haben und nicht die Natur bezwingen. Unsere Herausforderung besteht darin, die Verhältnisse anzunehmen und mit Flexibilität und Einfallsreichtum eine möglichst schöne Norge på langs Tour zu haben. Und das bekommen wir auf alle Fälle hin!
Gleich morgen geht es weiter mit den Vorbereitungen, wir müssen die Ausrüstung und Bekleidung auswählen und bereit für die Tour machen. Was brauchen wir wirklich? Was kann hier bleiben? Was dürfen wir auf gar keinen Fall vergessen? Es bleibt spannend und bevor wir uns unter dem Weihnachtsbaum erholen können, gilt es noch eine ganze Reihe von Dingen zu erledigen!