Seit Freitag haben wir nun frei und es geht in die letzten Tage vor der Tour. Daheim stapeln sich unglaubliche Mengen an Lebensmitteln und Ausrüstung, die es nun aufzuteilen und vorzubereiten gilt. Gestern haben wir schon den ganzen Tag damit verbracht und es wird noch bis Weihnachten dauern, bis alles komplett verpackt und fertig für den Start ist.
Die letzten Wochen waren zudem ganz schön turbulent, viele Dinge mussten noch besorgt und erledigt werden. Dabei kreisten unsere Gedanken immer wieder um den Winter in Norwegen, der sich, wie auch in den Alpen, stellenweise viel Zeit lässt. Gerade im Süden Norwegens, der für uns eigentlich zu Beginn auf dem Programm stünde und mit der Setesdalsheiane und der Hardangervidda gleich zwei anspruchsvolle Herausforderungen für uns bereit hält, kommt der Winter erst langsam in die Gänge. Schnee liegt mittlerweile reichlich, aber die größte Gefahr lauert darunter.
Die Winterrouten, die der norwegische Wanderverband DNT ausweist, führen eigentlich immer direkt über viele Seen und Flüsse. Das ist recht praktisch, man gelangt so schnell voran und muss nicht um diese Hindernisse herum laufen. Gerade bei den großen Seen ist das einfach bequem. Wenn man sich den großen Gjende See zum Beispiel anschaut, so gleitet man im Winter einfach über den beinahe 20 Kilometer langen See hinweg. Und die Sommerrouten mit Ski und Pulka zu bewältigen, das schaffen nicht einmal die Norweger. Den Bessegen zum Beispiel mit Ski und Pulka zu erklimmen, stellen wir uns eher schwierig wenn nicht gar unmöglich vor.
Mit der Pulka gilt es die Route so ökonomisch wie möglich durch die Tallagen zu legen, so dass man große Anstiege am besten umgeht oder vermeidet. Wer möchte schon eine 40 Kilogramm schwere Pulka über Hunderte von Höhenmeter und steile Hänge hinauf wuchten?
Die Eisvorhersage
Wenn man sich nun aber einmal die Eisvorhersage oder die Webcam der DNT Hytte in Gjendesheim anschaut, dann treibt uns das bereits seit geraumer Zeit einige Schweißperlen auf die Stirn. Die Flüsse, Bäche und Seen im Süden liegen größtenteils noch offen oder bieten noch keine sicheren Eisverhältnisse. Es ist eher eine Art Lotterie, ob die kleineren Gewässer schon mit tragfähigem Eis bedeckt sind, von den großen Seen wollen wir gar nicht erst sprechen.
Die Verhältnisse werden erst ganz, ganz langsam besser und vor allem sicherer. Selbst tiefe Temperaturen im zweistelligen Minusbereich über eine längere Periode, die die Eisbildung rascher vorantreiben würden, sind nicht in Sicht. Und nun stellt man sich einmal vor, man steht auf einem See, der vielleicht einen Kilometer groß ist, man ist mit Karabinerhaken an einen schweren Pulkaschlitten gekoppelt, trägt einen großen Rucksack auf dem Rücken, Stöcke an den Händen und Ski an den Füßen, die über eine Bindung gesichert sind, die nur mit einem kräftigen Riegel per Hand geöffnet werden kann – und dann beginnt es um einen herum zu knacken…
Da Glücksspiel und russisches Roulette nicht unbedingt die Beschäftigungen sind, mit denen wir unsere Freizeit verbringen, werden wir auf Nummer sicher gehen. Wir scheuen das große Risiko und wollen auch gerne heile wieder nach Hause kommen. Die Tour soll vor allem Spaß machen und nicht aufgrund unkalkulierbarer Risiken in einem Fiasko enden.
Von daher haben wir schon vor einiger Zeit begonnen, einen Plan B oder mittlerweile sogar Plan C vorzubereiten. Da unsere Tour an ein fixes Zeitfenster gebunden ist, können wir den Start nicht einfach um ein paar Wochen verschieben, so wie es schon einige andere Winter NPLer gemacht haben.
Der Plan C
Wir haben uns daher dazu entschlossen, die Tour ab dem Punkt zu beginnen, von dem wir ausgehen, dass die Eisverhältnisse sicher sind. Mit heißer Nadel haben wir nun unseren Plan umgestrickt, die Logistik umgeplant und mit Hilfe von Julia, die mir auf der letzten Tour die Versorgungspakete zugeschickt hat, einen neuen Dauer-Parkplatz für unser Auto gefunden.
Der neue Plan sieht vor, mit dem Auto bis nach Fagernes in Valdres zu fahren, es dort abzustellen und dann mit dem Bus nach Beitostølen zu gelangen, wo wir am 31. Dezember starten werden. Sind wir am Ziel im Norden angelangt, werden wir nach Beitostølen zurückkehren und von dort aus unsere Reise südwärts fortsetzen.
Für uns ist das der einzige praktikable Weg, ohne die Tour zu verschieben oder über einige hundert Kilometer die winterlichen Hauptstraßen ohne Pulka nur mit einem Trekkingrucksack entlang zu laufen. Auf den langen Fernwanderwegen in Nordamerika ist diese Vorgehensweise der Aufteilung zum Beispiel ganz normal, da wird häufig so vorgegangen, um das Wetter innerhalb einer Saison optimal auszunutzen.
Unser Motto: Det ordner seg!
Wie dem auch sei, es zeigt sich, dass in der Natur nie alles nach Fahrplan läuft. Man kann ein halbes Jahr lang planen und dann kommt es doch ganz anders. Wenn man draußen unterwegs sein möchte, muss man sich der Natur anpassen und nicht umgekehrt. Man kann nicht einfach versuchen seinen Plan durchzuboxen, das endet schnell im Unglück.
Schnell einen Plan B, C oder D zu entwickeln ist genau nach unserem Geschmack und eine unserer großen Stärken. Wir wollen Spaß mit der Natur haben und nicht die Natur bezwingen. Unsere Herausforderung besteht darin, die Verhältnisse anzunehmen und mit Flexibilität und Einfallsreichtum eine möglichst schöne Norge på langs Tour zu haben. Und das bekommen wir auf alle Fälle hin!
Gleich morgen geht es weiter mit den Vorbereitungen, wir müssen die Ausrüstung und Bekleidung auswählen und bereit für die Tour machen. Was brauchen wir wirklich? Was kann hier bleiben? Was dürfen wir auf gar keinen Fall vergessen? Es bleibt spannend und bevor wir uns unter dem Weihnachtsbaum erholen können, gilt es noch eine ganze Reihe von Dingen zu erledigen!
10 Kommentare
Hallo Simon !
Schade….. aber es ist nun mal Mutter Natur welche hier das Sagen hat. Aber, Hut ab für die Entscheidung !! Es ist im Moment sicher enttäuschend, auch frustrierend, etwas über den Haufen zu werfen was man nun lange geplant und daran gedacht hat. Wer könnte das nach 2013 besser nachvollziehen als ich 😉 Doch es ist das einzig richtige und auch vernünftige. Ihr hättet es sicher mit Ach und Krach irgendwie über die Bühne gebracht, Freude hättet ihr aber mit Sicherheit nicht daran gehabt.
Nun könnt ihr euch aber voll und ganz auf die verbleibende Tour konzentrieren, und habt erst noch mehr Zeit dafür. Klasse dass ihr das nun so durchzieht !! Ich freue mich eure Tour mitverfolgen zu können, und wünsche euch alles Gute und immer eine Handbreit Schnee unter den Skiern. Bleibt gesund und vorallem, habt viel Spass bei NPL 2015 🙂
God Tur
Hilsen fra Sveits
Martin
Hei Martin,
danke für deine Zeilen! Es geht schon, das gehört halt dazu und war eine ganze Weile absehbar! Vernunft sollte man immer walten lassen, wenn man draußen unterwegs ist! Wir haben es halt angepasst und etwas umgemodelt. Wenn es dann wieder südwärts geht, sollten die Bedingungen perfekt sein und wir auch richtig fit, könnte eine gute Kombination sein. Dann laufen wir halt erst zum Nordkap und hinterher dann von Beitostølen aus zum Kap Lindesnes – so kommen wir zweimal am Ziel an, das hat auch etwas 😉
Det ordner seg! Wir freuen uns auch schon auf deine Erlebnisse und deine NPL Tour, dann werden wir mit Chips und Bier vor dem Rechner sitzen und deinem Weg folgen, wir sind so darauf gespannt!
God tur også!
Vi sankkes!
Simon
Hi Martin,
ach nee, der Frust hält sich arg in Grenzen. Was letztendlich zählt, sind 90 Tage auf Tour in diesem wunderschönen Land.
Und da ich vorhabe, auch in den nächsten Jahren in Norwegen zu reisen, hat Sicherheit halt Vorrang. Simon hat die Gefahr des unsicheren Eises sehr plastisch beschrieben und davor hab ich wirklich einen gewaltigen Respekt.
Obwohl, Simon, NPL in der Variante „swim and ski“ wäre eine echte Innovation und eine ideale Vorbereitung für unsere geplante Nordpol-Tour. 😉
Nach „jahrelanger“ Träumerei geht es am nächsten Wochenende endlich los. Ich bin zuversichtlich,
dass wir es schaffen werden, die 3 Monate in grandioser Landschaft, mit tollen Begegnungen und viel Bewegung zu genießen.
Ob wir es schaffen werden, die beiden Punkte Kap Lindesnes und Nordkapp zu Fuß zu verbinden, ist von vielen Faktoren abhängig und liegt nur zum Teil in unserer Hand. Aufmunternde und motivierende Kommentare („2 500 km in 90 Tagen – dass schafft ihr nie“) haben zumindest den verschütteten triathletischen Ehrgeiz bei mir geweckt.
Naja, ob wir es schaffen werden, uns gegenseitig über so lange Zeit zu ertragen, müssen wir auch erst noch herausfinden. Die vergangenen gemeinsamen Touren geben zumindest Grund zur Hoffnung.
Aber bevor wir schon das Bier an den beiden Zielpunkten kaltstellen, sollten wir erst mal darauf achten, dass wir uns in Beitostölen beim Aussteigen aus dem Bus nicht die Haksen am Bordstein brechen. (Kommentar meines Sohnes:“da hätten wir dann aber viele Süßigkeiten zu essen.“)
Ich freu mich!!!
Gruß
Ulrich
P.S.: Sag mal Simon, gilt Dein Lieblingsspruch „Det ordner seg“ auch für die 60 qm Chaos auf dem Dachboden oder müssen wir da gleich selber ran?
Hallo Ulrich,
Super Einstellung!
Und der Simon…………ich denke das wird kein Problem sein mit ihm….ansonsten, Pizza und Cola helfen immer 😉
Auch Dir alles Gute und viel Glück !!
Gruss aus Helvetien
Martin
Hei Simon,
das klingt wahrlich nach einer logistischen Meisterleistung! Eine tolle Tour und vor allem jede Menge Eis wünsche ich Euch.
Viele Grüße
Kathrin (Fräulein Draußen)
Hallo Simon und Ulrich
Die Tour dem Wetter anzupassen ist auf jeden Fall die beste, und einzig vernünftige, Lösung. Geniesst die Zeit dort oben und lasst mir für den März noch etwas Schnee im Narvikfjell. 🙂
Ha det bra
Henning
Hi Simon,
Danke für diesen wunderbaren Bericht und immer gut Blankeis unterm Schlitten! Gud tur!
Ich merke, ihr lasst Euch die Freude nicht verderben. Das ist die richtige Einstellung.
Wir sind am 31.12. irgendwo im Ringebufjell (falls wir es im Schnodderschnee von Lillehammer bis dahin schaffen). Wir werden ein Fläschchen köpfen, an euch denken auf einen guten Tourstart anstoßen.
Liebe Grüße
Barbara
Hallo Ulrich!
Da habt ihr euch ja ewas ganz tolles vorgenommen.
Als Jakobspilger wünsche ich euch dazu ein herzliches
Buen Camino
Hallo Karl-Heinz,
vielen Dank für die guten Wünsche. Bei mir ist der Olafsweg-Pin immer dabei.
Gruß an die Familie
Ulrich