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August 2018

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Der Abschied von Røyrvik und dem Limingen Gjestegård fällt etwas schwer, so wohl haben wir uns hier gefühlt. Das ganze Team hilft einem hier bei allen möglichen Dingen, jeder Gast und Norge på langs Wanderer kann sich so nur wohlfühlen. Ein ganz großes Dankeschön an Hilde und ihren schwedischen Koch Sören für die wunderbare Zeit, wir kommen ganz sicher wieder!

Nun aber steht mit dem Børgefjell ein ganz besonderer Abschnitt auf dem Programm, denn wieder heißt es sich weglos durchs Gelände zu bewegen. Mit Verpflegung für 10 Tage und neuen Schuhen brechen wir auf und bringen die 15 Kilometer auf der Straße zum Namsvatnet rasch hinter uns. Wir haben uns entschieden, das tägliche Boot über den großen See zu nehmen. Es gibt zwar auch Routen drumherum herum, allerdings sind die lang und bedeuten wohl 2 Tage extra. Die Bootsführerin begrüßt mich wie einen alten Bekannten als sich herausstellt, dass in den letzten 2 Jahren wohl signifikant mehr Leute aus Deutschland hier auftauchen und ich daran wohl mit meinem Buch nicht ganz unschuldig zu sein scheine. Schön zu hören, schon im Limigen Gjestegård bin ich vom Koch mit den Worten begrüßt worden „You are Simon? German guests are talking about you for weeks!“ und die Verwunderung über die plötzlich so zahlreich kommenden deutschen Wanderer wird uns noch weiter begleiten, einen der Gründe scheine ich zu kennen 😉

Das wilde Børgefjell ruft

Das kleine Boot legt ab, der Bug erhebt sich aus dem Wasser und mit 225 Pferdestärken im Rücken fliegen wir beinahe über den See hin zur Viermahytta, wo sich der Anleger befindet, von dem die meisten Wanderer aus ins Børgefjell starten. In der Viermahytta treffen wir dann auch Åste und Myra wieder, die schon etwas eher aufgebrochen waren.

Zusammen mit Åste und ihrem Hund Bison machen wir uns dann auf, es ist schon 15 Uhr, aber wir wollen noch ein gutes Stück das Tal hinaufgehen, die Fylkesgrenze von Trøndelag nach Nordland ist dabei unser Ziel.

Wir kommen mit dem weglosen Gelände gut zurecht, nur ganz am Ende zieht eine Regenfront das Tal hinauf und ergießt sich über uns. Nur 150 Meter von der Fylkesgrenze entfernt schlagen wir unsere Zelte auf. Es hat sich nun richtig eingemeimelt und man kann den kleinen Bächen dabei zusehen, wie sich der Wasserstand beinahe minütlich erhöht. Wir sind froh, als der Kocher im Zelt läuft und wir es uns im Schlafsack mit einem Heißgetränk gemütlich machen können.

Der Morgen beginnt ohne Regen, aber über den Tag ist fast 40 mm Niederschlag angekündigt. Der Bach neben den Zelten ist merklich gestiegen, mal sehen, wie dann die großen Fluss-Furten werden, die heute anstehen. Wir packen die Zelte halbwegs trocken ein und brechen auf. Die Orientierung ist kinderleicht und wir kommen gut voran.

Der Store Kjukkelvatnet weist uns den Weg, an seinem Nordufer bei einer Sami-Hütte legen wir eine Pause ein und stärken uns mit einer warmen Suppe. Dann weiter hinein ins Børgefjell, wir haben uns für eine direkte Durchquerung entschieden, so sind es 40 Kilometer immer nordwärts, man kann sich eigentlich nicht verlaufen.

Bald schon steht die erste große Furt bei, Storskavlbekken an, puh, das sieht ziemlich frisch aus.

Also raus aus den Stiefeln und rein in die Crocs. Das Wasser ist eiskalte und kommt direkt von den Gletschern oberhalb, kurz bleibt mir die Luft weg, dann aber geht es rein ins Vergnügen und ich schaue gebannt zu, wie Anni, Åste und Bison sicher über den Fluss kommen. Kaum sind die Füße wieder trocken und warm, steht auch die nächste große Furt durch den Simskardelva an. Diesmal ist das Wasser nicht so tief, dafür ist der Fluss breiter. Aber auch das schaffen wir gut und laufen weiter, am Ovre Båttjønna vorbei und bis zum nächsten großen Bach.

Noch Sommer oder schon Herbst?

Bald öffnet der Himmel seine Schleusen und es regnet so richtig. Wir finden eine gute Stelle für unsere beiden Zelte und verkriechen uns im Trockenen. Allerdings ist so langsam wirklich alles feucht, gut das wir alle unsere Sachen in wasserdichten Beuteln verpackt haben. Als es draußen auch noch anfängt zu stürmen, liegen wir längst in unseren gemütlichen Schlafsäcken und träumen von trockenerem Wetter.

Der nächste Morgen begrüßt uns dann auch tatsächlich ohne Regen, nur Åste ist ziemlich gerädert, der nächtliche Sturm hat ihr komplett den Schlaf geraubt, wir dagegen haben eigentlich ziemlich gut geschlafen. So ein Zelt ist einfach stabiler als man denkt, auf das dünne Syl-Nylon Material kann man sich da schon verlassen.

Nur die viel gepriesene Tierwelt des Børgefjell haben Regen und Sturm wohl ebenso verschreckt, bis auf die Rentiere, die sich nicht verkriechen können, ist niemand zu sehen, und die Lemminge haben sich wohl alle in die Fluten gestürzt, schon lange haben wir keine mehr gesehen. Aber wenn es aus Kübeln schüttet, sind meine Gedanken auch weniger bei der possierlichen Tierwelt als in einer gemütlichen Hütte mit einem heißen Kaffee und einem bollernden Ofen.

Der letzte Tag im Børgefjell ist schnell erzählt, nach ein paar Kilometern finden wir die angepeilte ATV-Fahrspur, der wir relativ problemlos bis hinab ins Susendal folgen, wo wir um kurz nach 14 Uhr auf die Straße treffen. Somit hätten wir das Børgefjell ohne größere Probleme hinter uns gebracht, wir machen einen Haken dran und laufen nach Furuheim, wo wir schon im voraus eine Unterkunft gebucht haben.

Die Norge på langs – Herzkammer

Dieses stellt sich als riesiges Haus heraus, das wir sofort in beschlag nehmen und alles zum trocknen aufhängen.

Kurz darauf schlagen wir uns den Bauch mit Käse-Broten und Spiegeleiern voll, gegen Abend gibt es dann noch Pizza für uns, die Trine und Morten, die Besitzer von Furuheim Gård, für uns eingekauft haben. Auch diese Leute hier tun alles und helfen einem bei wirklich allem, was man braucht. Es ist schön, dass es solche Orte entlang der „NPL-Route“ gibt. Blickt man hier ins Gästebuch, liest man von vielen, vielen bekannten NPL-Gesichtern.

Über die Straße im Susendalen gelangen wir nach Harvasstua, es hat sich wieder richtig eingemeimelt, so dass wir den Tag am Danningen See beschließen, nachdem wir dort noch die Bootspassage mit der Seilkonstruktion hinter uns gebracht haben.

Der Tag nach Grannes ist echt fies, es regnet und stürmt beinahe den ganzen Tag, die Böhen schmeißen einen des öfteren fast zu Boden. In einer kleinen offenen Hütte machen wir kurz Pause und treffen dort per Zufall wieder auf Myra.

Der Abstieg nach Grannes hat über 500 Höhenmeter, die beinahe komplett ein einziger schlammiger Bach sind. Etwas entnervt beschließen wir den Tag auf dem Campingplatz in Grannes. Wir hatten schon viel von diesem Ort gehört. Mitten im Nirgendwo betreibt ein älterer Herr diesen Platz. Die letzte Renovierung liegt schon einige Jahrzehnte zurück, aber als wir eine größere Hütte mit Blick auf den See ergattern können und bald schon der Ofen bollert, ist es dann das Paradies auf Erden für uns hier.

Am nächsten Tag erreichen wir Tverelvnes, einem Gehöft nahe der Grenze zu Schweden und auch weit weg vom nächsten Ort. Aber dieser Platz ist besonders für alle Wanderer, die Norge på langs gehen.

Seit etwa 15 Jahren lädt die dort lebenden Familie Garsmark NPL-Wanderer zu Kaffee und Bollern (Brötchen) ein. Auch uns wird diese Einladung zu Teil, nachdem wir unsere Unterkunft bezogen haben sitzen wir lange im Wohnzimmer und unterhalten uns ganz wunderbar mit Elisabeth und Gundar über unsere Touren.

Auch Myra aus Holland ist dabei und auch Nici aus Deutschland, der den E1-Wanderweg von Norden aus gen Süden läuft, stößt später mit einem Kumpel der ihn derzeit begleitet dazu. Man hört das NPL-Herz hier im Wohnzimmer förmlich schlagen! Und auch die Garsmarks hatten sich schon etwas über diese Zunahme deutscher Wanderer gewundert.

Man gewöhnt sich an alles, sogar an den Regen

Das Wetter ist weiterhin ziemlich durchwachsen, Åste hat sich eine Erkältung eingefangen und bleibt noch einen Tag länger in Tverelvnes und Myra läuft heute nach Hattfelldal. So machen wir uns wieder alleine auf, und erleben heute eine großartige Fjelllandschaft, ganz so, wie sie uns am besten gefällt: Weit, rau und etwas herbstlich.

In einer alten Rentierwächter-Hütte legen wir eine kurze Pause ein, draußen gießt es mal wieder in Strömen, da kommt so ein Dach über dem Kopf gerade recht. Die Aussichten kurz darauf am Brundreinvatnet sind einfach fantastisch! Zwischen zwei Regenfronten schießen wir einige Photos und genießen einfach den Moment!

Der Abstieg zum Krutvatnet ist dann wieder von Regen und Sumpf geprägt, so dass wir echt froh sind, als der Ofen in der frei zugänglichen und kostenlosen Krutvasshytta hyggelige Wärme in der einfachen Unterkunft verbreitet.

Am Famvatnet finden wir dann bei Randi und Åke in Valen Unterschlupf, erneut trocknen wir wieder all unsere Sache, eine gewisse Routine darin ist nun nicht mehr zu leugnen. Und wer hier alles im Gästebuch steht, echt cool! Sogar Odd Vinje war hier, der mittlerweile die inoffizielle NPL-Liste im Internet führt.

Der Okstindan – das Tor zum Norden

Vom Famvatnet geht es dann zum Rossvatnet, dem zweitgrößten See in Norwegen. Langsam rückt das gewaltige Okstindan-Gebirgsmassiv in unseren Fokus, wenn es sich aber mit seinen bis zu 1900 Metern Höhe ordentlich in Regenwolken hüllt.

Immer wieder erhaschen wir Ausblicke darauf, nur um kurz darauf rein gar nichts mehr zu sehen. Der Weg ist zwischendurch ein einziger Sumpf, dann ein Dschungel. Aber Anni hat unfassbares Glück, als ihr ein schlohweißes Rentier über deswegen läuft.

Der Tag war heute nicht lang, aber anstrengend und so sind wir unedlich froh, als wir in Stekvasselv bei Kari und Håkon ankommen und das gemütliche Haus beziehen. Eigentlich jeder, der NPL läuft kehrt hier ein. Und auch hier wird einem eine Hilfe und Wertschätzung zu Teil, für die man als Wanderer einfach nur dankbar ist! Das Gästebuch überschlägt sich fast vor Dankbarkeit, und das können wir nur bestätigen!

Der Endspurt nach Umbukta steht nun an, leider hüllt sich der Okstindan weiter in Regenwolken und für den Weg wären nun eigentlich Wathose und Gummistiefel die erste Wahl.

Aber hei, auch mit normaler Regenkleidung und Wanderstiefeln ist es kein Problem die Gressvasshytte zu erreichen.

Die Hütte ist groß und von der Tür aus kann man den Gletscherabbruch des Okstinbreen sehen. Gegen Abend kommen noch zwei Frauen auf „Husmorstur“ vorbei. Sie freuen sich, dass wir die Hütte bereits aufgewärmt haben und revanchieren sich dafür mit einem Glas Rotwein für uns, perfekt!

Der Endspurt nach umbukta hat noch einmal alles zu bieten, was man sich in Norwegen nur vorstellen kann.

Der Weg ist lang, man hat einen Ausblick auf den Gletscher, läuft durch ein wunderbares Hochtal nur um dann auf den letzten Kilometern noch reichlich Höhenmeter und Sumpf zu sammeln. Da hat man sich dann den Hamburger, den Besuch beim Matbussen-Supermarkt an der schwedischen Grenze und den Ruhetag auch wirklich verdient!

In Kooperation mit Visit Norway

Nachdem wir also einen entspannten Ruhetag in Teveltunet verbrachten, geht es am 1. August Richtung Angeltjønnhytta, den wir zusammen mit Åste bei bestem Wetter und mit guter Laune bestreiten.

Wieder kommt uns das extrem trockene Wetter der vergangenen Wochen zu Gute, denn die eigentlich ziemlich sumpfigen Wege sind allesamt staubtrocken. Nach 22 km lassen wir es uns in der urgemütlichen Hytte gutgehen.

Der nächste Tag Richtung Ferslia beginnt mit einem saftigen Anstieg, bald schon sind wir komplett nassgeschwitzt.

Startet der Tag noch mit den sommerlichen Temperaturen, die wir seit Lindesnes gewohnt sind, so leitet ein Regenschauer am Mittag das Ende der Trocken- und Hitzeperiode ein, von nun an sollen frische Temperaturen, wechselhaftes Wetter und Regenbekleidung unsere stetigen Begleiter sein. Bald schon kommt der grosse Feren See in Sicht, an dem sich die Ferslia Hytte befindet.

Wir steigen ab und machen nach ca. 16 km eine lange, vierstündige Mittagspause in der Hytte, lassen uns Pfannkuchen und Heissgetränke schmecken, während es draussen wie aus Eimern schüttet. Wir beschliessen, heute noch zu einer kleinen Schutzhuette zu gelangen, um die morgige Etappe zur Bellingstua, ca. 30 km, etwas zu entschaerfen. Staendig muss ich an Martin Kettler denken, der ja vor ein paar Jahren auf seiner NPL-Tour hier im Sumpf schier versunken ist.

Wir stimmen uns aufs Blåfjell ein

Trotz des starken Regens ist bei uns aber die Aufnahmefaehigkeit des Untergrunds noch lange nicht ausgereizt, alles ist noch super zu gehen. Nur das nasse, kniehohe Gras sorgt dafuer, dass bei Simon und mir das Wasser regelrecht in den Schuhen steht. Selber Schuld, wenn man zu lang mit neuen Schuhen wartet… jetzt freuen wir uns so richtig auf das bevorstehende Blåfjell, das quasi aus Sumpf besteht.

Unser Plan mit der Schutzhuette geht perfekt auf, denn der Tag zur Bellingstua ist fuer uns alle anstrengend und lang, gepraegt von unzaehligen kleinen An- und Abstiegen und einem Stueck Asphalt am Ende.

Die Bellingstua ist ein vom DNT aufgekauftes privates Sommerhaus, die Einrichtung ist dementsprechend supergemuetlich, aber ziemlich untypisch. Es gibt sogar einen CD-Player und eine grosse geschlossene Veranda. Zudem gehoeren von nun an Trockenraeume zum Standardinventar der Huetten – wer hier geht, weiss warum.

Am Abend erreicht noch ein anderer NPLer die Huette, der am Nordkapp gestartet ist. Wir machen grosse Augen, denn der ist wirklich Hardcore unterwegs, hat noch keinen einzigen Ruhetag gemacht und geht ausschliesslich auf der norwegischen Seite. Wer schon mal in der Gegend um Hellemobottn und dem Narvikfjell war, weiss was das bedeutet… energisch betont er, dass jeder, der die norwegische Grenze uebertritt, kein richtiges NPL laeuft. Immer wieder diskutieren Simon und ich nun untereinander oder mit anderen ueber die Definition von NPL. Was ist ueberhaupt das „richtige“ NPL und gibt es das ueberhaupt? Wann greift der Begriff NPL nicht mehr und ab wann doch? Wieso steht diese Diskussion denn eigentlich im Raum, wenn es uns allen (meistens, oft?) doch darum geht, Spass in der Natur zu haben? Diese Fragen muss wohl jeder Wanderer fuer sich beantworten…Zum Glück gibt es für Norge på langs keine Regeln, die macht sich jeder selbst, so individuell wie jeder diese Herausforderung für sich annimmt und den Anspruch, den jeder Wanderer an sich und diese Tour stellt.

Das Fruehstueck in der Bellingstua ist vorerst das letzte mit Åste, sie folgt von nun an den DNT-Wegen Richtung Skjækerdalshytta, wæhrend wir das Blåfjell etwas oestlicher weglos ueber Gaundalen, Holden und Gjefsjøen durchqueren wollen.

Ein entspannter, recht kurzer Wandertag zur Veresstua hebt die Stimmung und maskiert erstmal den Schiss, den ich vorm Weiterweg in der Hose habe. Die Huette ist der Wahnsinn! Erst diesen Winter eingeweiht, ist sie brandneu, modern und einfach herrlich. Da bietet sich ein Ruhetag am naechsten Tag geradezu an. Als wir es uns gemuetlich machen, schlaegt eine 8-koepfige Wandertruppe des DNT auf und bringt Schwung in die Bude.

Der Ruhetag entspannt zwar den Koerper, doch das Blåfjell haengt wie ein Damoklesschwert ueber uns. Ein ums andere mal bin ich extrem dankbar, dass ich jemanden an meiner Seite habe, der in genau dieser Situation schon war und mich zu 100% versteht. Aber laufen muss jeder selber, die Herausforderung annehmen ebenso. Das kann einem einfach niemand abnehmen, und genau deshalb ist es fuer mich nicht viel einfacher als fuer andere NPLer, nur weil Simon und ich Lebens- und Wanderpartner sind.

Im Blåfjell muss man sich seinen Weg selbst suchen, es gibt keine markierten Wege, nur Wildnis, Sumpf und ein paar Einoed-Bauernhoefe ohne direkte Strassenanbindung – wohl einer der mental und koerperlich anspruchsvollsten Abschnitte unserer ganzen Tour. Mir geht richtig die Muffe, als wir Richtung Gaundalen aufbrechen.

Wir können hier nicht anhalten – das ist Bärenland

Nur ein kleines Stueck auf dem markierten Weg legen wir zurueck, bis wir diesen in oestliche Richtung verlassen, um auf die beiden Bergruecken des Hitre und Nordre Seterfjellet zu gelangen. Wir schlagen uns durch dichten Wald, natuerlich steht wieder das Wasser in den Schuhen. Es fuehlt sich an, als steckten die Fuesse in zwei Wasserbomben, die oben zugeschnuert sind, in den wenigen regenfreien Pausen wringen wir die Socken und Innensohlen aus. Bald schon erreichen wir die Baumgrenze, kommen erstaunlich gut voran!

Ueber nasse Wiesen umrunden wir den Lakavassklumpen auf seiner westlichen Seite und steuern das Stigådalen an, ein breites, langes Flusstal, welches es komplett zu durchlaufen gilt. Wir wollen es so weit wie moeglich Richtung Gaundalen schaffen, die 30 km von der Veresstua dorthin an einem Tag zu gehen, ist fuer uns nicht drin.

Wir kommen weit und freuen uns, als wir am Ende des Tals, wo mehrere Gebirgsbaeche mäandernd zusammenfliessen und eine malerische Wasser- und Wiesenlandschaft zaubern, unser Zelt aufschlagen.

Immer wieder entladen sich die Regenwolken, die Nacht verspricht mit 6 Grad relativ frisch zu werden. Der abgelegene Hof Gaundalen ist am naechsten Tag innerhalb 3 Stunden erreicht, nur leider treffen wir Steinar Gaundalen nicht persoenlich an. Vielleicht ist er mit seinem kleinen Flugzeug auf Spritztour, man weiss es nicht. Beim Blick ins Gaestebuch staunen wir, dass im Sommer fast taeglich Leute hier zum Angeln, Jagen etc aufschlagen! Ueber Langweile kann sich der Herr Gaundalen sicher nicht beklagen.

Nach einer ausgiebigen Pause gilt es nun, bis Gjefsjøen der alten Telegrafenleitung zu folgen, die fuer die Wanderer eine ziemlich idiotensichere Markierung darstellt. Wir kriegen hier nichts geschenkt, das Gelaende ist nicht einfach zu gehen und durch viele Aufs und Abs gepraegt, ich pumpe wie ein Maikaefer.

Simon ergreift die Chance, krallt sich einen der alten Keramik-Isolatoren als kleines Blåfjell-Souvenir („cooler Briefbeschwerer“), beschwert damit aber statt Briefen erstmal seinen Rucksack um gut 1 kg. Wir erreichen Holden gut fertig und fangen als erstes an, Wasser abzukochen, denn den fast ausgetrockneten Bach teilen wir uns mit Kuehen und Schafen, ausserdem wissen wir, dass sich unsere NPL-Kollegen Martin und Thomas hier vor 2 Wochen gruendlich das Verdauungssystem zerschossen haben – sicher ist sicher. Die huebsche DNT-Huette liegt an einem riesigen See, die Aussicht geniessen wir am Abend.

Wer will fleissige Tough Mudder sehen? Der muss zu uns ins Blåfjell gehen

Der 8. August ist von Bauchschmerzen nicht nur aufgrund der langen, weglosen Etappe nach Berglia gepraegt, nein, ich darf mich heute auch ueber meine Periode freuen. Perfektes Timing, denn dann ist mit mir eigentlich gar nichts mehr los und das Bett mit Waermflasche the place to be. Tablette einschmeissen, irgendwie ignorieren und durchziehen. Am Ende der Telegrafenleitung liegt der Hof Gjefsjøen, wo uns Nils Christian Gjefsjø begruesst.

Nach einer Pause geht es aber weiter, denn schliesslich muessen wir uns die verbleibenden 29 km nach Berglia sinnvoll einteilen, um morgen dort anzukommen. Wir folgen erst Nils Christians Quadspur Richtung Nordre Gjevsjøhatten, dann sind wir erneut ueber der Baumgrenze. Ein Unwetter rollt ueber die Berge heran und ich bekomme Angst, wir beschliessen das Zelt zum Abwettern an einer halbwegs geschuetzten Stelle aufzubauen. Lange muessen wir nicht warten, schon öffnet der Himmel seine Schleusen und der Wind ruettelt ordentlich am Zelt, aber das eigentliche Gewitter zieht zum Glueck an uns vorbei. Danach packen wir zusammen und laufen noch weitere 2 Stunden oberhalb eines weiten, mit kleineren Seen durchzogenen Tals Richtung Ingeltjønna. In dem zerkluefteten, wasserreichen Gelaende schlagen wir das Zelt auf und freuen uns ueber den trotz Schwierigkeiten gelungenen Tag – unser Plan, das Blåfjell in 4 Tagen zu durchqueren, scheint perfekt aufzugehen!

Unser GPS-Track fuehrt uns weiter durch den Sumpf Richtung Berglia und der Fjellheim Farm der deutschen Auswandererfamilie Hartmann. Unsere Schuhe sind seit mittlerweile einer Woche so nass, dass uns alles egal ist und wir den grossen Fluss Ingeldøla einfach mit Schuhen furten. Nasser gehts irgendwann eh nicht mehr.

Als wir nach ca. 6 anstrengenden Stunden endlich auf der Schotterpiste nach Berglia stehen, zerschneiden unsere Freudenschreie die Luft. Wir haben es echt geschafft! Wir haben das Blåfjell bezwungen!

Jetzt muessen wir auch nicht mehr verdraengen, dass hier die hoechste Baerendichte in ganz Norwegen herrscht. Doch nein, eigentlich kann man sich SEHR gluecklich schaetzen, wenn man Meister Petz hier zu sehen bekommt, denn die Tiere sind extrem scheu. Im warmherzigen und sehr gastfreundlichen Haus der Hartmanns werden wir supernett empfangen, bekommen ein leckeres Abendessen aus frischem Elch-Hack und schlagen unser Lager in der Grillhuette auf. Es ist schon echt überaus beeindruckend, was sie sich hier mit viel harter Arbeit aufgebaut haben und zu sehen, wie sie alle als Familie gemeinsam an einem Strang ziehen. Nur dass Papa Hartmann mitten in der Nacht unsere Schuhe aus dem Trockenraum entfernen musste, damit seine Hunde nicht ausflippen, tut uns echt total leid und zeigt dass unsere Treter in der letzten Woche in punkto Geruch leicht eskaliert sind. Tschuldigung 😉

Asphalt, Strasse und Bitumen nach Røyrvik

Nun stehen als harter Kontrast zur weglosen Wildnis noch ca. 110 km und 4 Tage Asphalt bis Røyrvik auf dem Programm. Auch in diesen Tagen erfahren wir norwegische Grosszuegigkeit und Gastfreundlichkeit, die ihresgleichen sucht! Dass hier viele NPLer vorbeikommen, merkt man ganz deutlich, denn man wird meist direkt als solcher erkannt. Dank einer Abkuerzung ueber den Berg reissen wir die 36 km von Berglia Richtung Sandvika ab und verbringen eine muckelige Nacht im Lierne Gjestegård.

In Kvelia bekommen wir, wie jeder Norge på langs-Laeufer, Woll-Einlegesocken geschenkt und koennen lebenswichtige Dinge wie Cola, Chips, Nudeln und Kaese einkaufen sowie in der einzigartigen und urgemuetlichen Kaffeeecke herumhaengen. Das Gaestebuch strotzt nur so vor Eintraegen anderer NPLer – so cool, sich da mit einreihen zu koennen!

Als wir in Røyrvik einlaufen, schmerzen die Fuesse durch das mittlerweile kaum noch vorhandene Schuhprofil enorm. Ich trage immer noch mein erstes Paar seit Lindesnes. Das nun das Zeitliche segnen wird – als wir im Limingen Gjestegård ankommen, warten bereits einige Pakete mit neuer Ausruestung auf uns, das Auspacken zelebrieren wir wie unterm Weihnachtsbaum!

Was fuer eine coole Belohnung fuer diese enorm herausfordernde und anstregende Etappe, die oft ein Kampf war und die wir stolz wie Oskar hinter uns gelassen haben! Auch das Wiedersehen mit Åste sowie Myra, einer Niederländerin, die Norge på langs in Etappen geht, genießen wir sehr.

In den naechsten Tagen werden wir die Haelfte der Tour erreichen – ein unglaublicher Meilenstein fuer uns!