Der Abschied von Røyrvik und dem Limingen Gjestegård fällt etwas schwer, so wohl haben wir uns hier gefühlt. Das ganze Team hilft einem hier bei allen möglichen Dingen, jeder Gast und Norge på langs Wanderer kann sich so nur wohlfühlen. Ein ganz großes Dankeschön an Hilde und ihren schwedischen Koch Sören für die wunderbare Zeit, wir kommen ganz sicher wieder!

Nun aber steht mit dem Børgefjell ein ganz besonderer Abschnitt auf dem Programm, denn wieder heißt es sich weglos durchs Gelände zu bewegen. Mit Verpflegung für 10 Tage und neuen Schuhen brechen wir auf und bringen die 15 Kilometer auf der Straße zum Namsvatnet rasch hinter uns. Wir haben uns entschieden, das tägliche Boot über den großen See zu nehmen. Es gibt zwar auch Routen drumherum herum, allerdings sind die lang und bedeuten wohl 2 Tage extra. Die Bootsführerin begrüßt mich wie einen alten Bekannten als sich herausstellt, dass in den letzten 2 Jahren wohl signifikant mehr Leute aus Deutschland hier auftauchen und ich daran wohl mit meinem Buch nicht ganz unschuldig zu sein scheine. Schön zu hören, schon im Limigen Gjestegård bin ich vom Koch mit den Worten begrüßt worden „You are Simon? German guests are talking about you for weeks!“ und die Verwunderung über die plötzlich so zahlreich kommenden deutschen Wanderer wird uns noch weiter begleiten, einen der Gründe scheine ich zu kennen 😉

Das wilde Børgefjell ruft

Das kleine Boot legt ab, der Bug erhebt sich aus dem Wasser und mit 225 Pferdestärken im Rücken fliegen wir beinahe über den See hin zur Viermahytta, wo sich der Anleger befindet, von dem die meisten Wanderer aus ins Børgefjell starten. In der Viermahytta treffen wir dann auch Åste und Myra wieder, die schon etwas eher aufgebrochen waren.

Zusammen mit Åste und ihrem Hund Bison machen wir uns dann auf, es ist schon 15 Uhr, aber wir wollen noch ein gutes Stück das Tal hinaufgehen, die Fylkesgrenze von Trøndelag nach Nordland ist dabei unser Ziel.

Wir kommen mit dem weglosen Gelände gut zurecht, nur ganz am Ende zieht eine Regenfront das Tal hinauf und ergießt sich über uns. Nur 150 Meter von der Fylkesgrenze entfernt schlagen wir unsere Zelte auf. Es hat sich nun richtig eingemeimelt und man kann den kleinen Bächen dabei zusehen, wie sich der Wasserstand beinahe minütlich erhöht. Wir sind froh, als der Kocher im Zelt läuft und wir es uns im Schlafsack mit einem Heißgetränk gemütlich machen können.

Der Morgen beginnt ohne Regen, aber über den Tag ist fast 40 mm Niederschlag angekündigt. Der Bach neben den Zelten ist merklich gestiegen, mal sehen, wie dann die großen Fluss-Furten werden, die heute anstehen. Wir packen die Zelte halbwegs trocken ein und brechen auf. Die Orientierung ist kinderleicht und wir kommen gut voran.

Der Store Kjukkelvatnet weist uns den Weg, an seinem Nordufer bei einer Sami-Hütte legen wir eine Pause ein und stärken uns mit einer warmen Suppe. Dann weiter hinein ins Børgefjell, wir haben uns für eine direkte Durchquerung entschieden, so sind es 40 Kilometer immer nordwärts, man kann sich eigentlich nicht verlaufen.

Bald schon steht die erste große Furt bei, Storskavlbekken an, puh, das sieht ziemlich frisch aus.

Also raus aus den Stiefeln und rein in die Crocs. Das Wasser ist eiskalte und kommt direkt von den Gletschern oberhalb, kurz bleibt mir die Luft weg, dann aber geht es rein ins Vergnügen und ich schaue gebannt zu, wie Anni, Åste und Bison sicher über den Fluss kommen. Kaum sind die Füße wieder trocken und warm, steht auch die nächste große Furt durch den Simskardelva an. Diesmal ist das Wasser nicht so tief, dafür ist der Fluss breiter. Aber auch das schaffen wir gut und laufen weiter, am Ovre Båttjønna vorbei und bis zum nächsten großen Bach.

Noch Sommer oder schon Herbst?

Bald öffnet der Himmel seine Schleusen und es regnet so richtig. Wir finden eine gute Stelle für unsere beiden Zelte und verkriechen uns im Trockenen. Allerdings ist so langsam wirklich alles feucht, gut das wir alle unsere Sachen in wasserdichten Beuteln verpackt haben. Als es draußen auch noch anfängt zu stürmen, liegen wir längst in unseren gemütlichen Schlafsäcken und träumen von trockenerem Wetter.

Der nächste Morgen begrüßt uns dann auch tatsächlich ohne Regen, nur Åste ist ziemlich gerädert, der nächtliche Sturm hat ihr komplett den Schlaf geraubt, wir dagegen haben eigentlich ziemlich gut geschlafen. So ein Zelt ist einfach stabiler als man denkt, auf das dünne Syl-Nylon Material kann man sich da schon verlassen.

Nur die viel gepriesene Tierwelt des Børgefjell haben Regen und Sturm wohl ebenso verschreckt, bis auf die Rentiere, die sich nicht verkriechen können, ist niemand zu sehen, und die Lemminge haben sich wohl alle in die Fluten gestürzt, schon lange haben wir keine mehr gesehen. Aber wenn es aus Kübeln schüttet, sind meine Gedanken auch weniger bei der possierlichen Tierwelt als in einer gemütlichen Hütte mit einem heißen Kaffee und einem bollernden Ofen.

Der letzte Tag im Børgefjell ist schnell erzählt, nach ein paar Kilometern finden wir die angepeilte ATV-Fahrspur, der wir relativ problemlos bis hinab ins Susendal folgen, wo wir um kurz nach 14 Uhr auf die Straße treffen. Somit hätten wir das Børgefjell ohne größere Probleme hinter uns gebracht, wir machen einen Haken dran und laufen nach Furuheim, wo wir schon im voraus eine Unterkunft gebucht haben.

Die Norge på langs – Herzkammer

Dieses stellt sich als riesiges Haus heraus, das wir sofort in beschlag nehmen und alles zum trocknen aufhängen.

Kurz darauf schlagen wir uns den Bauch mit Käse-Broten und Spiegeleiern voll, gegen Abend gibt es dann noch Pizza für uns, die Trine und Morten, die Besitzer von Furuheim Gård, für uns eingekauft haben. Auch diese Leute hier tun alles und helfen einem bei wirklich allem, was man braucht. Es ist schön, dass es solche Orte entlang der „NPL-Route“ gibt. Blickt man hier ins Gästebuch, liest man von vielen, vielen bekannten NPL-Gesichtern.

Über die Straße im Susendalen gelangen wir nach Harvasstua, es hat sich wieder richtig eingemeimelt, so dass wir den Tag am Danningen See beschließen, nachdem wir dort noch die Bootspassage mit der Seilkonstruktion hinter uns gebracht haben.

Der Tag nach Grannes ist echt fies, es regnet und stürmt beinahe den ganzen Tag, die Böhen schmeißen einen des öfteren fast zu Boden. In einer kleinen offenen Hütte machen wir kurz Pause und treffen dort per Zufall wieder auf Myra.

Der Abstieg nach Grannes hat über 500 Höhenmeter, die beinahe komplett ein einziger schlammiger Bach sind. Etwas entnervt beschließen wir den Tag auf dem Campingplatz in Grannes. Wir hatten schon viel von diesem Ort gehört. Mitten im Nirgendwo betreibt ein älterer Herr diesen Platz. Die letzte Renovierung liegt schon einige Jahrzehnte zurück, aber als wir eine größere Hütte mit Blick auf den See ergattern können und bald schon der Ofen bollert, ist es dann das Paradies auf Erden für uns hier.

Am nächsten Tag erreichen wir Tverelvnes, einem Gehöft nahe der Grenze zu Schweden und auch weit weg vom nächsten Ort. Aber dieser Platz ist besonders für alle Wanderer, die Norge på langs gehen.

Seit etwa 15 Jahren lädt die dort lebenden Familie Garsmark NPL-Wanderer zu Kaffee und Bollern (Brötchen) ein. Auch uns wird diese Einladung zu Teil, nachdem wir unsere Unterkunft bezogen haben sitzen wir lange im Wohnzimmer und unterhalten uns ganz wunderbar mit Elisabeth und Gundar über unsere Touren.

Auch Myra aus Holland ist dabei und auch Nici aus Deutschland, der den E1-Wanderweg von Norden aus gen Süden läuft, stößt später mit einem Kumpel der ihn derzeit begleitet dazu. Man hört das NPL-Herz hier im Wohnzimmer förmlich schlagen! Und auch die Garsmarks hatten sich schon etwas über diese Zunahme deutscher Wanderer gewundert.

Man gewöhnt sich an alles, sogar an den Regen

Das Wetter ist weiterhin ziemlich durchwachsen, Åste hat sich eine Erkältung eingefangen und bleibt noch einen Tag länger in Tverelvnes und Myra läuft heute nach Hattfelldal. So machen wir uns wieder alleine auf, und erleben heute eine großartige Fjelllandschaft, ganz so, wie sie uns am besten gefällt: Weit, rau und etwas herbstlich.

In einer alten Rentierwächter-Hütte legen wir eine kurze Pause ein, draußen gießt es mal wieder in Strömen, da kommt so ein Dach über dem Kopf gerade recht. Die Aussichten kurz darauf am Brundreinvatnet sind einfach fantastisch! Zwischen zwei Regenfronten schießen wir einige Photos und genießen einfach den Moment!

Der Abstieg zum Krutvatnet ist dann wieder von Regen und Sumpf geprägt, so dass wir echt froh sind, als der Ofen in der frei zugänglichen und kostenlosen Krutvasshytta hyggelige Wärme in der einfachen Unterkunft verbreitet.

Am Famvatnet finden wir dann bei Randi und Åke in Valen Unterschlupf, erneut trocknen wir wieder all unsere Sache, eine gewisse Routine darin ist nun nicht mehr zu leugnen. Und wer hier alles im Gästebuch steht, echt cool! Sogar Odd Vinje war hier, der mittlerweile die inoffizielle NPL-Liste im Internet führt.

Der Okstindan – das Tor zum Norden

Vom Famvatnet geht es dann zum Rossvatnet, dem zweitgrößten See in Norwegen. Langsam rückt das gewaltige Okstindan-Gebirgsmassiv in unseren Fokus, wenn es sich aber mit seinen bis zu 1900 Metern Höhe ordentlich in Regenwolken hüllt.

Immer wieder erhaschen wir Ausblicke darauf, nur um kurz darauf rein gar nichts mehr zu sehen. Der Weg ist zwischendurch ein einziger Sumpf, dann ein Dschungel. Aber Anni hat unfassbares Glück, als ihr ein schlohweißes Rentier über deswegen läuft.

Der Tag war heute nicht lang, aber anstrengend und so sind wir unedlich froh, als wir in Stekvasselv bei Kari und Håkon ankommen und das gemütliche Haus beziehen. Eigentlich jeder, der NPL läuft kehrt hier ein. Und auch hier wird einem eine Hilfe und Wertschätzung zu Teil, für die man als Wanderer einfach nur dankbar ist! Das Gästebuch überschlägt sich fast vor Dankbarkeit, und das können wir nur bestätigen!

Der Endspurt nach Umbukta steht nun an, leider hüllt sich der Okstindan weiter in Regenwolken und für den Weg wären nun eigentlich Wathose und Gummistiefel die erste Wahl.

Aber hei, auch mit normaler Regenkleidung und Wanderstiefeln ist es kein Problem die Gressvasshytte zu erreichen.

Die Hütte ist groß und von der Tür aus kann man den Gletscherabbruch des Okstinbreen sehen. Gegen Abend kommen noch zwei Frauen auf „Husmorstur“ vorbei. Sie freuen sich, dass wir die Hütte bereits aufgewärmt haben und revanchieren sich dafür mit einem Glas Rotwein für uns, perfekt!

Der Endspurt nach umbukta hat noch einmal alles zu bieten, was man sich in Norwegen nur vorstellen kann.

Der Weg ist lang, man hat einen Ausblick auf den Gletscher, läuft durch ein wunderbares Hochtal nur um dann auf den letzten Kilometern noch reichlich Höhenmeter und Sumpf zu sammeln. Da hat man sich dann den Hamburger, den Besuch beim Matbussen-Supermarkt an der schwedischen Grenze und den Ruhetag auch wirklich verdient!

In Kooperation mit Visit Norway

3 Kommentare

  1. Ihr Lieben,
    vielen herzlichen Dank für den unglaublich ausführlichen Bericht! Ihr macht euch wirklich viel Arbeit, um alle Interessierten auf dem Laufenden zu halten und es macht weiter unglaublich viel Spaß, eure Aufzeichnungen zu lesen und die vielen Bilder zu bestaunen. Wie schön, dass es euch anscheinend gut geht, denn ihr habt ja mal wieder so einiges erlebt. In der Tat stellen sich beim Lesen mehr und mehr Herbstgefühle ein und man kann sich kaum noch vorstellen, dass ihr noch vor wenigen Wochen unter Hitze und Trockenheit gelitten habt. Nun ist es ja eher andersrum… Nach dem Furten der Flüsse im Boergefjell hatte ich mich gefragt, was ihr wohl macht, wenn die Flüsse zu tief sind. Aber die Antwort habt ihr kurz danach prompt geliefert und es ist sicher spannend, über wackelige Hängebrücken zu laufen oder sich im Boot sitzend an einem Seil über den See zu ziehen.
    Schön, dass es weiter tolle Begegnungen mit netten Menschen gibt und dass ihr „NPL-Wanderer“ so viel Wertschätzung und Unterstützung erfahrt. Die habt ihr euch redlich verdient!
    Ich wünsche euch nun weiter von Herzen alles Gute für die nächsten Abenteuer und hoffe, dass es euch immer gelingt, alle Sachen wieder einigermaßen trocken zu bekommen. Bleibt behütet! Liebe Grüße Helge

    • Vielen vielen Dank Helge! Es ist toll solche „Fans“ zu haben, dafür macht man sich die Mühe alles aufzuschreiben 🙂 Das Wetter für die nächsten Tage sieht super aus, das gibt auf jeden Fall wieder Stoff für neue Abenteuer.

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