Wir verlassen die MS Spitsbergen der Hurtigruten und freuen uns auf die alte Hansestadt Bergen, gut anderthalb Tage hier liegen vor uns. Die Großstadt ist schon ein kleiner Schock, auch wenn Bergen nicht das riesige vor Urbanität tropfende Moloch ist, so merkt man aber direkt, das hier die Uhren schneller ticken. Das ist überhaupt nicht negativ gemeint, im Gegenteil, aber alles läuft hier einfach zügiger, anonymer und größer ab. Es fällt uns schwer, sich in dieser Quirligkeit einzufinden, der Unterschied zwischen Honningsvåg und Bergen ist halt doch schon gewaltig. Aber bevor es dann anschließend nach Oslo geht, ist Bergen vielleicht genau die richtige Zwischenstufe, bevor wir uns dann wirklich in die große Metropole stürzen.

Wiedereingliederung in die Großstadt
Wir finden rasch den Weg zum Hotel, sind auf dem Weg dorthin aber ein gutes Verkehrshindernis für all die Menschen, die gerade auf dem Weg in den wohlverdienten Feierabend sind. Im ruhigen Hotelzimmer können wir dann kurz durchatmen, bevor wir noch kurz in die Stadt gehen, wir sind mit Linn von Visit Bergen, der offiziellen Touristen-Information hier, verabredet. Sie nimmt uns mit auf eine kurzweilige kleine Mat-Safari, sie zeigt uns den Fischmarkt und nimmt uns im Anschluss mit in ein wirklich wunderbares Restaurant, in dem köstliche norwegische „Tapas“ serviert werden. Aber vorher geht es auf den Fischmarkt, wo wir an einem Stand einige der ausschließlich in der Umgebung gefangenen Fischköstlichkeiten probieren dürfen. Wir beide lieben Fisch und Meresfrüchte, so ist dies natürlich klasse und wir lernen einige neue Sachen, die uns so nicht bewusst waren.

Anschließend lassen wir dann den kurzen gemeinsamen Ausflug in besagtem Restaurant ausklingen. Und ja, es ist wirklich empfehlenswert! Allein das selbstgebackene Brot, dass es zum Essen dazu gibt, wäre schon mehr als nur ein guter Grund, sich dort einmal einzufinden! Vielen lieben Dank an Linn und Vist Bergen, für diese Einladung!
Nach dem Abendessen fahren wir hoch auf den Fløyen, einen der Aussichtsberge der Stadt. Die Fløibanen hinauf ist gut 100 Jahre alt und läuft über Schienen, der Antrieb aber erfolgt über ein gezogenes Siel, an dem zwei Wagen wie ein Pendel abwechselnd hinauf und hinab fahren. fährt die eine Bahn hoch, muss die andere Bahn gleichzeitig hinab fahren und umgekehrt. Ein einfaches aber ziemlich praktisches System.
Oben angekommen genießen wir den Ausblick über das nächtliche Bergen, hier ist alles schön ruhig, der Pulsschlag der hell erleuchteten Schlagadern der Stadt ist nur ganz schwach zu hören, wenn überhaupt.
Am nächsten Tag tun wir uns schwer damit, ein richtiges Programm für den Tag auf die Beine zu stellen. Es gibt so viel zu sehen und so viel zu besichtigen, aber wir merken beide, dass sich unsere Aufnahmekapazität für neue Dinge und Eindrücke langsam dem Ende entgegen neigt. Die Festplatte ist einfach übervoll, man kommt kaum noch nach, alles irgendwie einzuordnen und zu verarbeiten, tut sich schwer, noch viel mehr in den Speicher zu laden.









Und so entscheiden wir uns für ein einfaches Programm, streunen durch die Stadt, gewöhnen uns so an die nun wieder schnellere Gangart im „richtigen“ Leben. Bisweilen überfordert einen das, im Einkaufszentrum zum Beispiel bin ich kurz davor, einfach schreiend wegzurennen oder mich auf einem stillen Örtchen einzusperren um meine Ruhe zu haben. Wie soll das bloß in Oslo werden?
So viele Eindrücke auf einmal
Am Nachmittag statten wir den Locals, den Einheimischen einen Besuch ab. So wirbt das örtliche Aquarium mit heimischen Fischen um Besucher, und für uns ist es eine gute Gelegenheit, sich einmal die Fische aus der Nähe im Aquarium anzusehen. Das Aquarium liegt zudem etwas abseits vom trubeligen Zentrum, also ruhiger und entspannter. Und genau so ist es auch, wir sehen die Fütterung der Seelöwen, schauen uns die Pinguine an und beobachten Fische, die vielleicht lecker schmecken aber nicht unbedingt so aussehen.
Durch kleine ruhige Gassen streunen wir wieder zurück in Richtung Fischmarkt, entscheiden uns dann spontan dazu, noch einmal dem Fløyen einen Besuch abzustatten. Es zeichnet sich ein wunderbarer Sonnenuntergang ab, so dass wir beileibe nicht die einzigen sind, die auf die Idee gekommen sind, hoch über der Stadt den Tag ausklingen zu lassen.
Am nächsten Morgen sind wir schon früh auf den Beinen und gehen den kurzen Weg zum Bahnhof durch die erwachende Stadt. Im Morgengrau besteigen wir den Zug in die Hauptstadt, es geht weiter südwärts, immer weiter südwärts. Wir machen es uns bequem und schon bald rollt der Zug der Bergensbanen aus dem Bahnhof hinaus immer den Bergen der Hardangervidda entgegen, die die Bahnstrecke auf dem Weg nach Oslo überwindet.
In Finse und den umliegenden Bergen ist schon einiges an Schnee gefallen, auch hier so weit im „Süden“ klopft mittlerweile der Winter kräftig an die Tür.


In Drammen steigen wir um in den Zug nach Hokksund. Und nun fühle ich mich auf einmal wirklich elend. Keine Ahnung warum, aber zwischen den Pendlern im Vorortzug mit dem steten Ein- und Aussteigen und der entsprechenden Hektik will ich plötzlich einfach ganz woanders sein. Wie schön wäre es jetzt in der Finnmark, ganz weit weg von diesem Trubel, der mich gerade so herunter zieht. Ein Mann spricht mich an, ob wir auf dem Weg ins Fjell sind. „Nee“ antworte ich, wir kommen gerade vom Nordkapp, sind zu Fuß dorthin gelaufen. Man kann dabei zusehen, wie seine Kinnlade herunter klappt. Er zollt uns seinen großen Respekt, wie groß solch eine Tour in den Augen der anderen Leute ist, erfahren wir auf diese Weise immer wieder. Das ist dann ein gutes Gefühl und ich verlasse mit etwas besserer Laune den Zug.
Wir haben wieder ein Auto
Wir laufen zu Fuß die wenigen Meter zu Bergans of Norway, wo wir unser Auto abholen wollen. Es ist Freitagnachmittag, so ist kaum noch jemand im Büro, wir holen lediglich am Empfang den Schlüssel ab. Christoph, der dort arbeitet und uns dabei geholfen hat, die Versorgungspakete von dort aus zuzuschicken, hat freundlicherweise alles was noch dort lag oder wir ihm zurück geschickt hatten, ins Auto gelegt. So schlendern wir zum Auto und mir wird beim Gedanken daran, gleich direkt nach Oslo in die große Stadt zu fahren, etwas mulmig. Komisch wieder einen Schlüssel in der Hand zu halten, zwar nur vom Auto, aber einen eigenen Schlüssel für ein Zuhause oder ein Auto hatten wir ja die letzten Monate nicht in der Tasche. Im Auto liegt ein Zettel bei dessen Anblick wir schmunzeln müssen.

Irgendjemand hat wohl gedacht, dass irgendwelche Touristen hier auf dem Privat-Parkplatz der Firma ihr Auto günstig abstellen wollten, sogar bei der Polizei haben sie wohl schon nachgefragt, ob das Auto als gestohlen gemeldet ist. Ist es aber nicht, meint die Polizei. Bei Bergans jedenfalls war unser Auto wohl im Sommer eines der Top-Gesprächsthemen, Christoph hatte uns schon vorgewarnt und alle mussten am Ende köstlich lachen, als er es aufgeklärt hat. Es hatten wohl nicht alle mitbekommen, dass wir zu Bergans gehören.
Wir ziehen nach über vier Monaten das erste Mal etwas anderes an, als das was wir im Rucksack dabei hatten, es ist ziemlich ungewohnt. Und dann schlägt die Stunde der Wahrheit, wir fahren nach Oslo. Ich klemme mich hinters Steuer und schon geht es los. Die Abläufe sitzen noch, es ist wie Fahrradfahren. Nur die ständige Konzentration und Aufmerksamkeit machen mir am Anfang noch etwas zu schaffen, aber rasch gewöhne ich mich auch daran wieder.
Zu Gast bei Freunden
Ohne Unfall gelangen wir in die Stadt, aber es geht zum Glück nicht ganz so tief ins Zentrum. Nach einem kurzen Abstecher zum Holmenkollen treffen wir unsere Freundin Astrid. Wir wollten uns schon auf dem Weg zum Start unserer Wanderung treffen, aber da war sie selbst am Nordkap unterwegs. Auf das Treffen mit Astrid freuen wir uns sehr, denn sie ist in diesem Jahr als erste Frau auf der Route von Amundsen zum Südpol gelaufen. Sie hat über vier Jahre jede freie Minuten in das Projekt gesteckt, dass sie per Crowdfounding auf die Beine gestellt hat, um dann letztendlich am 17. Januar diesen Jahres an ihrem großen Ziel zu stehen. Und so quatschen wir bis spät in den Abend über unsere Touren, bis wir irgendwann todmüde ins Bett fallen.

Nach dem Frühstück fahren wir mit der T-Bahn in die Stadt, wir sind verabredet mit dem German-Norwegian Network in dem ich seit einiger Zeit Mitglied bin. Eines der zwei jährlichen Treffen findet zufällig gerade hier in Oslo statt und wir nehmen am letzten Tag des Programms an einer Führung hinter die Kulissen der Oper teil. Die Freude weitere bekannte Gesichter zu sehen ist groß, auch hier werden wir herzlich empfangen und zu unserer Tour beglückwünscht. Und dann bekommen wir einen großartigen Blick hinter die Kulissen dieses Kulturbetriebes, man macht sich ja keine Gedanken, wie viele Menschen hinter den Kulissen arbeiten, um alles am Laufen zu halten und die Leute auf der Bühne gut aussehen zu lassen.

Zum Abschluss der Führung lernen wir sogar etwas darüber, wie man richtig singt. Meine Stimme ist ja eher fürs Stadion gemacht, aber spannend ist es schon, was man alles mit einer guten Singtechnik erreichen kann. Nach der Führung sitzen wir noch beim Essen zusammen und reden über alles Mögliche. Wir schlendern noch kurz durch die Stadt, doch der Trubel ist heute nichts für uns.

Wir fahren wieder zum Auto und fahren aus der Stadt zurück nach Hokksund zu Christoph, er ist heute Nacht von einer Dienstreise zurückgekommen und wir reden noch lange über unsere Tour. Ohne persönlich Danke zu sagen für seine Hilfe und Unterstützung wollten wir nicht zurück. Es macht Spaß zu erzählen, aber von der Tour jetzt schon in der Vergangenheit zu berichten fühlt sich schon etwas komisch an.
Farvel Norge & Rolling Home
Der Abschied am nächsten Morgen fällt schwer, jetzt geht es wirklich wieder heimwärts. In Langesund wartet am Nachmittag die Fjord Line Fähre auf uns. Es ist Sonntag, die Straßen und Autobahnen sind leer und wir kommen pünktlich am Fährkai an. Der Check-In geht flott von der Hand und kurz darauf rollen wir auch schon an Bord der Fähre. Zu unserer Überraschung ist das Schiff gut ausgelastet, aber uns dämmert bald schon, warum. Uns begegnen immer mehr Cowboys – und girls als wir uns einen Sitzplatz suchen – an diesem Wochenende ist „CountryCruise“. Scheinbar fahren die Teilnehmer das ganze Wochenende zwischen Norwegen und Dänemark hin und her und feiern dabei ordentlich.

Uns zieht es zum Auslaufen an Deck. Als das Schiff ablegt, übermannen mich kurz die Gefühle, die eine oder andere Träne wird verdrückt. So lange haben wir an dieser Tour gerabreitet, alles vorbereitet und uns das Nordkapp zu Fuß erwandert. Und nun ist es irgendwie vorbei.

Die Überfahrt ist rasch erzählt. Wir decken uns mit einer Wagenladung Walters Mandler Schokolade ein und sind am frühen Abend in Hirtshals. Dort quartieren wir uns in der ehemaligen Jugendherberge ein, die nun von Rikke und Dorthe übernommen wurde und nach und nach renoviert wird. Und so können wir das Bed & Breakfast wirklich empfehlen, falls man in Hirtshals übernachten möchte. Schon oft war ich bzw. waren wir schon hier. Auch zum Abschluss unserer ersten gemeinsamen Tour damals war das so, und so kommen wir hier immer irgendwie nach Hause, genießen die wunderbare Aussicht aufs Meer und hören dem aufkommenden Sturm draußen vor dem Fenster beim Heulen zu.
Die Autofahrt von Hirtshals in Richtung Heimat gestaltet sich kurzweilig, in Dänemark ist es doch immer recht entspannt auf der Autobahn. Sobald aber dann die Grenze überquert ist und Hamburg in Sicht kommt, ist es ganz schnell vorbei mit der Entspannung. Aber das wussten wir ja vorher, schon als wir den ersten Schritt aus der Haustür gemacht haben war klar, dass es irgendwann so kommen wird, das wir wieder nach Hause kommen werden. Aber umso vertrauter die Straßenschilder der Heimat wieder werden, desto mehr wird uns klar, unsere Tour ist gleich zu Ende. Oder auch nicht, sie hat gerade erst angefangen.

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