Als am Samstag Morgen um 5 der Wecker klingelt, schälen wir uns mit kleinen Augen aus dem Bett, packen unsere sieben Sachen – Routine haben wir darin – und machen uns auf zum Hurtigrutenkai im überschaubaren, hübschen Hafen von Honningsvåg.

Es ist merklich milder als die letzten Tage und eine frische Brise möchte die Mütze vom Kopf pusten. Na wenn das mal nicht ordentlich Seegang verspricht. Die MS Spitsbergen läuft ein, die Vorfreude steigt.

Wie die meisten NPL-Wanderer sind wir in den vergangenen Monaten fast gar nicht in den Genuss von Norwegens Küstenregionen gekommen – klar, das hätte den zeitlichen Rahmen ohne Frage gesprengt. Umso glücklicher sind wir, auf so entspannte Art und Weise jetzt noch ganz viel davon bewundern zu können! Außerdem sehen wir die Schiffsreise als eine Art Belohnung für unsere Tour an, eine bessere können wir uns wohl kaum vorstellen!

Tag 1 – die Leichtmatrosen gehen an Bord

Als zwei von drei neuen Gästen gehen wir also an Bord und beziehen unsere hyggelig Kabine mit Blick nach draußen auf’s Deck zu den Rettungsbooten, machen uns erstmal mit dem Schiff vertraut und genießen wie Gott in Frankreich das reichhaltige Frühstücksbuffet. Bei der Auswahl ist es unmöglich, alles zu probieren, es gibt hier einfach alles, was man sich vorstellen kann! Hurtigruten bezieht viele Zutaten von kleineren Lieferanten längs Norwegens Küste, so kommt man in den Genuss von Speisen, für die man sonst wohl eher größeren Aufwand betreiben müsste.

Bereits vor ein paar Tagen erkundigten wir uns, ob Interesse an einem ersten kleinen Vortrag an Bord über unsere Tour besteht. Genauso hatte es Simon vor fünf Jahren gemacht, einfach improvisiert vor kleinem Publikum, mit Bildern direkt aus dem Blog. Tatsächlich findet sich gleich heute Nachmittag ein Zeitfenster. Mir fällt es nicht schwer, hier Simon das „Rampenlicht“ zu überlassen, denn von uns beiden ist er ganz klar der Profi und schüttelt den Vortrag einfach mal zweisprachig aus dem Ärmel.

Was wir machen, scheint bei unseren Mitreisenden auf großes Interesse zu stoßen, auch in den folgenden Tagen werden wir immer wieder darauf angesprochen und ausgequetscht. Es ist surreal, aber auch toll, so eine positive Resonanz auf die Reise zu erleben!

Die Route unseres Schiffs führt uns zunächst weg von Magerøya über den Nordkapptunnel, den wir erst vor wenigen Tagen durchlaufen haben, in Richtung Hammerfest. Ein seltsames Gefühl, wieder nach Süden zu fahren, zu tief stecken wir noch im Modus des Unterwegsseins, des ewigen Strebens nach Norden. Immer wieder überlegen wir, wann denn wohl der Abschied von unserer Tour beginnt, wann sie in unseren Köpfen wohl endgültig vorbei sein wird. Mit dem ersten Schritt herunter vom Sockel des Nordkapp-Globus‘? Mit dem Ablegen unseres Schiffs? Mit dem Überqueren der deutschen Grenze? Mit der ersten Umarmung unserer Eltern? Ich habe jedenfalls das Gefühl, wahrscheinlich noch sehr lange von all den Erlebnissen der vergangenen Monate zu zehren und dass – wie Simon mal gesagt hat – eine solche Tour niemals zu Ende ist. Was das genau heißt, kann ich zu diesem Zeitpunkt als NPL-Debutantin nur erahnen.

In Hammerfest gehen wir von Bord für einen kurzen Streifzug durch die Gegend, wobei uns der Wind fast von der Straße fegt!

Wir haben sowas selten erlebt, doch die Locals scheinen wenig beeindruckt davon zu sein. Vor dem Rathaus machen wir schnell ein Foto für unsere Lieblings-Hammerfesterin Åste, besuchen das Museum des Eisbärenclubs und weiter geht’s.

Bald schon sind wir in Troms und das Wetter verschlechtert sich zusehends. Dicke Regenwolken hängen an den schroffen, steilen Bergen der Küste und der Wind tut sein übriges. Mein Magen meldet leichten Protest an, doch noch geht es. In Skjervøy haben wir uns mit Marcus verabredet, einem deutschen Auswanderer, der seit einigen Jahren auf der Nachbarinsel lebt. Als er uns einen liebevoll befüllten Präsentkorb überreicht, können wir unser Glück kaum fassen.

Leider hat unser Schiff durch den starken Wind Verspätung und es bleibt lediglich Zeit für einen ganz kurzen Schwatz auf der Gangway. Tusen takk Marcus! Das werden wir dir so schnell nicht vergessen!

Tag 2 – Home of Ussel

Über Tromsø, Harstad und die Vesterålen geht es am zweiten Tag Richtung Lofoten. Von der atemberaubenden Küstenlandschaft ist in dieser Waschküche leider einfach mal gar nichts zu sehen, und als wir Svolvær anlaufen, ist es bereits dunkel.

Auch von der beeindruckenden Engstelle Risøysundet sehen wir nicht so viel, wie wir eigentlich wollen. Und auch der Trollfjord kann wegen des starken Windes der Stärke 9 nicht besucht werden. Schade, aber irgendwann werde auch ich mir eine ordentliche Lofoten-Experience gönnen, das ist sicher.

Tag 3 – Wiedersehen mit dem Polarkreis

An unserem dritten Tag an Bord steht die Überquerung des nördlichen Polarkreises an. Der Gedanke, dass wir für das bisher gefahrene Stück allein fast zwei Monate zu Fuß gebraucht haben, ist reichlich abgefahren.

Während der kleine Globus passiert wird, gibt es eine Zeremonie an Bord. Feierlich wird jedem, der will, ein Löffel Fischtran kredenzt. Mein persönliches Fazit: braucht man definitiv nicht jeden Tag, ja, vielleicht sogar nie mehr, aber soll ja gesund sein 😉 Zum Vergessen nutzen wir endlich den Whirlpool am Heck des Schiffs, just als wir in Sandnessjøen ablegen.

Es ist einfach herrlich, untätig im Pool zu fläzen und auch den immer noch verspannten Muskeln tut die Wärme gut. Als Sahnehäubchen kommt nun auch die spektakuläre Bergkette „Die Sieben Schwestern“ in Sicht – einfach zum genießen!

In Brønnøysund, einem der scheinbar zahlreichen Mittelpunkte Norwegens, vertreten wir uns kurz die Beine, bevor wir uns das herrliche Fünf-Gänge-Abendmenü munden lassen.

Tag 4 – Großstadtluft schnuppern

Am vierten Tag klingelt der Wecker früh, denn wir sind in Trondheim mit Alex verabredet, der Bärenforscher ist und bis vor kurzem noch in Pasvik gelebt hat, bisher kannten wir uns nur virtuell. Wir beginnen unseren Streifzug durch die gerade erwachende Stadt mit einem Spaziergang zum Nidarosdom.

Auf der Gamle Bybro genießen wir den Blick auf die alten Häuschen am Wasser und den Morgenimmel, der alles rosa einfärbt.

Mittlerweile ist Rushhour, die Menschen strahlen eiligen Schrittes zur Arbeit oder in die Uni, man muss aufpassen, nicht von einem der vielen Fahrräder umgenietet zu werden. Alles wieder reichlich ungewohnt für uns, dieses „Großstadtleben“. Das Kaffeekränzchen mit Alex fällt leider viel zu kurz aus, aber wir werden bestimmt wiederkommen, versprochen!

Endlich ist uns das Wetter hold, sodass wir die liebliche Küste Mittelnorwegens so richtig genießen können. Hier wechselt sich viel Nadelwald mit Fels, Wiesen und Bauerngehöften ab – genau wie wir Trøndelag in Erinnerung haben. Wir merken, dass man zwischendurch schon relativ viel im Kopf vergraben hat, zu viele neue Eindrücke prasseln auf so einer langen Tour ständig auf einen ein und überlagern sich gegenseitig.

Auf dieser Rückreise haben wir also die Gelegenheit, im mentalen Fotoalbum ein bisschen zurückzublättern und dann zu merken wie unglaublich viel man erlebt hat. Wie reich man sich fühlt!

Besonders angetan sind wir vom Küstenstädtchen Kristiansund. Die süßen Häuschen, verteilt auf kleinen Inseln, sind einfach richtig schön anzuschauen. In der Nacht wird es nochmal schön wackelig, als wir südlich von Ålesund ums Westkapp fahren, das für seine Wetterkapriolen berüchtigt ist. Daher soll hier in der Nähe der erste Schiffstunnel der Welt gebaut werden, um das Westkapp notfalls meiden zu können.

Tag 5 – Tschüss Spitsbergen, hallo Bergen!

Auch unser letzter halber Tag begrüßt uns mit Regen, im großen und ganzen war uns Thor leider nicht wirklich hold, aber das ist eben Norwegen und tut dem Genuss für uns eigentlich keinen Abbruch. Uns kommt es auf eine entspannte, langsame Rückreise mit ganz viel Norwegen-Liebe an, und die haben wir definitiv!

Aber auch, wenn man vorher keine Tour wie unsere bewältigt hat, ist eine Reise mit dem Postschiff sehr zu empfehlen! Man kann wunderbar entspannen und dennoch sieht man enorm viel Norwegen. Das Essen ist fantastisch und die Crew freundlich und zuvorkommend. Wir kommen wieder 🙂 !

Einen Tag werden wir uns noch Bergen ansehen, dann geht es mit dem Zug weiter in Richtung Oslo, wo wir unser Auto wieder einsammeln werden.

In Kooperation mit Hurtigruten

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6 Kommentare

  1. Karen Herrmann-Groß Antwort

    Ich bewundere euren Mut diese lange Strecke zu wandern mit so viel Gepäck. Dafür bin ich zu alt. Eine Postschiffreise ist definitiv wundervoll, wenn man viel in kurzer Zeit entspannt sehen möchte. Ich denke gerne an unsere Reise zurück.
    Das war vor 17 Jahren. Danach haben wir unendlich viele Autotouren nach Norwegen unternommen und haben viel, viel erlebt.
    Euer Blog ist krass. Freue mich auf weitere.

    • Egal ob mit dem Rucksack, mit Schiff oder Auto, Norwegen ist einfach immer toll! Herzlichen Dank für’s Mitlesen 🙂

  2. Hallo ihr Lieben, es ist eine Riesenfreude eure Tur zu begleiten und mit euren Augen das wunderbare Land Norwegen zu durchwandern. Ich nehme bewusst die Gegenwartsform, denn ich hoffe euch immer mal wieder begleiten zu dürfen. Wir sind in den letzten 6 Wochen auch beinahe täglich in den Alpen oder im Jura gewandert. Natürlich sind wir am Abend wieder im eigenen Bett gelandet. Ich habe oft an euch gedacht, wie ihr das mit 20 Kilo Gepäck schafft mit Zelt und Sack und Pack. Das könnte ich nicht mehr. Aber egal hauptsache wir bleiben unterwegs. Ich bin einfach glücklich beim Unterwegssein und besonders in diesen Herbstfarben. Eine wunderschöne Ankunft bei euren Lieben wünsche ich euch und wer weiss vileicht sehen wir uns ja mal life, an einem Vortrag oder gar in der Schweiz….. Ruth

    • Vielen Dank! Genau, Hauptsache draußen sein, und da findet jeder seinen eigenen Weg zum Genuss 🙂 die Schweiz ist auf jeden Fall wunderschön!

  3. Evelyne Lambers Antwort

    Hallo, ich hatte das große Glück, euch auf der MS Spitsbergen zu erleben. Danke für eure Lebensfreude und eure Dankbarkeit den Menschen und der Natur gegenüber.Eure Bilder vom Schiff aus sind sehr schön. Alles Gute für die Zukunft. Grüße aus Rheine im tiefen Münsterland.

    • Es war uns ein großes Vergnügen, dabei und an Bord sein zu dürfen! Vielen Dank für die Wünsche!

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