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Bevor ich Jerome Blösser das erste Mal traf, hatte ich schon so viel von ihm gehört. Egal ob es Martin Hülle war, mit dem ich einigen Touren unternommen habe und der Jerome super gut kennt, oder auch mein Kumpel Rene, der früher bei Helsport gearbeitet hat und da auch mit Jerome in Kontakt war, alle sprachen in den höchsten Tönen von ihm! Immer wieder war ich über Jerome gestolpert, wenn es um spektakuläre Touren, vornehmlich in den Wüstenregionen, ging. Wer ist also dieser Typ, der so gern in den Wüsten dieser Erde unterwegs zu sein scheint?

Jerome ist bekannt für seine Expeditionen und Abenteuer in sowohl heißen wie auch kalten Gegenden, egal ob Sahara oder Grönland, er fühlt sich überall pudelwohl. Aus seiner Leidenschaft erwuchs irgendwann der Wunsch, sein Hobby zum Beruf zu machen und so gründete er die Firma Puretreks und fing an, Reisen in kleinen Gruppen in spektakuläre Ecken dieses Planeten anzubieten.

Einer, der seinen Traum wirklich konsequent lebt

Über die Jahre hat sich Jerome eine enorme Reputation erarbeitet und seine Touren und Reisen genießen einen exzellenten Ruf. Das ist vermutlich vor allem dadurch begründet, dass Jerome nahezu sämtliche Touren selbst als Guide begleitet und natürlich auch durch seine enorm coole Persönlichkeit.

Wenn man ihn unterwegs erlebt, hat man nicht das Gefühl, dass dort jemand einfach seinem Job nachgeht, nein, bei Jerome merkt man stets die Leidenschaft für das, was er tut. Klar, er ist der Guide und sagt wo es lang geht, aber ansonsten fügt er sich ganz normal in die Gruppe ein, wie ein Kumpel mit dem man auf Tour geht. Seine zupackende Art und ein stets flotter Spruch auf den Lippen machen ihn zu einem ganz besonderen Menschen, mit dem ich sofort auf einer Wellenlänge lag.

Ein echter Kumpel und Abenteurer

Wir trafen uns dann per Zufall das erste Mal im Büro meines ehemaligen Arbeitgebers, als er mit meinem damaligen Helsport Kontakt unterwegs war und Jerome war mir auf Anhieb total sympathisch. Dann trafen wir uns auf der Outdoor-Messe wieder und irgendwann klopfte er bei mir an, ob er nicht ein Interview für seinen Blog mit mir machen dürfte. Wir kamen ins Gespräch und blieben in Kontakt, irgendwann kam dann die Anfrage, ob ich nicht bei einer von Puretreks und Jerome angebotenen Touren mit dabei sein wolle! Und ob ich wollte, denn es sollte auf eine Winterdurchquerung des isländischen Hochlandes gehen.

Am Ende ging es dann nicht nach Island, sondern in den Sarek, aber das tat der Begeisterung keinen Abbruch. Die Wintertour dort war der absolute Hammer und ich hab mich während der Tour richtig mit Jerome angefreundet. Ich habe ihn dort als absolut positiven und reflektierten Menschen erlebt, mit dem man viel Spaß haben, aber auch große Abenteuer bestehen kann! Wir haben auf dieser Tour viel gelacht und viel gemeinsam erlebt, uns gegenseitig viele Geschichten erzählt. Nur eine Sache, die fiel mir dann doch auf und rief in mir wenig Begeisterung hervor: Jerome ist doch tatsächlich ein großer Fan von den Blauen aus der verbotenen Stadt – also von Schalke.

Im Sarek lief er doch das ein oder andere Mal hinter mir her, als ich dran war die Spur im Schnee zu treten. Seine Sprüche ob des BVB-Aufklebers auf meiner Pulka kann ich bis heute nicht nachvollziehen 😉

Auf dieser Reise kreisten unsere Gespräche auch immer wieder darum, dass Jerome seine Erlebnisse gerne einmal niederschreiben und ein Buch daraus machen würde. Wir sprachen viel darüber und nun ist es wirklich soweit, Jerome hat tatsächlich im Verlag Frederking & Thaler ein Buch veröffentlicht! Vor wenigen Tagen durfte ich es endlich in Händen halten und ich bin rundherum begeistert! Die Mischung aus einzelnen Episoden in verschiedenen Wüstenregionen, Wissenswertem zu den Gebieten und Tipps passt perfekt, man geht sofort mit Jerome auf Reisen. Und die Bilder, nun, die laden direkt zum Träumen ein!

In seinem Buch Freiheit unterm Wüstenhimmel erfährt man auf 186 Seiten viel über Jerome, was ihn antreibt und was ihn bewegt. Man spürt förmlich seine Begeisterung für das, was er tut und was er auf seinen Reisen erlebt (hat). Wenn man genau das macht, woran man Freude hat, dann kommt am Ende ein selbstbestimmtes und erfolgreiches Leben dabei herum – und manchmal auch solch ein wunderbares Buch!

Du hast schon so viele spannende Reisen unternommen, aber erst jetzt erscheint ein Buch darüber. Wie kam es dazu?

Die Idee, ein Buch zu machen, war eigentlich schon lange in der Schublade. Doch wie es halt immer so im Alltag ist, hat man zu viele Projekte auf dem Tisch oder – wie bei mir – ist mehrere Monate pro Jahr auf Touren unterwegs. Irgendwann hab ich zu mir gesagt: „Jetzt mach endlich mal ein Exposé fertig und nimm Dir eine Woche Zeit, um die Buch-Idee aufs Papier zu bringen!“ Dann habe ich einige große Verlage angeschrieben… und einige Monate später bekam ich positive Antwort von einem Münchner Verlag, dass sie mein Projekt verwirklichen wollen.

So ein Buch bedeutet ja viel Arbeit – wie konntest du das neben deinem normalen Job als selbständiger Reiseveranstalter stemmen?

Das ging nur mit absoluter Zeitplanung und perfekter Selbstorganisation. Der Vorteil war ja, dass bei Verlagen generell in längeren Zeiträumen für eine Buchproduktion gedacht wird. Ich wusste ein gutes Jahr vorher, wann es erscheinen soll und konnte so ein gutes Zeitfenster planen, in dem ich nicht auf Tour bin und auch mein normales Office-Leben auf ein Minimum reduziere, um jeden Tag einige Stunden am Buch schreiben zu können.

Ursprünglich kommst du ja aus Berlin, wie hast du den Weg aus diesem urbanen Moloch hinaus in die Wüsten dieser Welt gefunden?

Das Komische ist, dass ich – obwohl ich ja in der Großstadt geboren wurde – immer gern draußen war. Im Sommer war ich nur im Stadtpark, auf Inlinern oder mit dem Bike unterwegs und maximal zum Essen mal zu Hause. Außerdem haben mich Wüsten schon als Kind fasziniert. Wenn ich Bilder von Dünen gesehen habe, wollte ich da unbedingt mal hin. Dann kam die erste Tour, mit dem Motorrad einmal durch die Sahara. Ein großartiges Erlebnis, und trotzdem waren die schönsten Momente die am Abend, wenn das Motorrad abgestellt war und ich auf einer Düne saß und die Stille wie Weite erst so richtig gespürt habe. Da war schon klar, dass die nächste Tour zu Fuß sein wird. Nicht schneller reisen, als der Geist folgen kann, sozusagen.

Und wie kam es dann, dass du dein Hobby zum Beruf gemacht hast?

Ich habe schon früh beruflich viel Verantwortung gehabt, gutes Geld verdient und so dieses klassische Managerding gemacht: Viel arbeiten, Dienstwagen und satt Kohle. Aber ich hatte auch immer dieses Gefühl, wenn ich im Büro aus dem Fenster schaute: Mensch, da draußen zieht irgendwie das wirkliche Leben an dir vorbei. Meine kompletten Jahresurlaube und den Leerlauf zwischen Jobwechseln hatte ich schon länger in Wüsten verbracht und mir sehr viel Wissen und Erfahrung angeeignet. Dann war ein Job irgendwann so furchtbar, dass ich mir geschworen hab: Raus hier! Nie wieder einen Anzug tragen und endlich das machen, wo mein Herz wirklich dran hängt.

Du bist in Wüstenregionen unterwegs und liebst sowohl die Wärme als auch die Kälte. Die meisten Leute sind entweder für das eine oder für das andere gemacht – wie bekommst du beides hin?

Bis auf die Temperaturen findet man in den heißen, meist sandigen, Wüsten sehr viele Parallelen zu den Eiswüsten. Die klassische aride Wüste ist sicher einfacher zu bereisen. Wenn man auf einige Dinge achtet, kann eigentlich nicht viel schiefgehen und man hat viele sehr entspannte Momente. In den Eiswüsten ist die Kälte 24 Stunden dein Feind. Es hat lange gebraucht, bis ich Frieden geschlossen habe mit den Eiswüsten. Aber es ist natürlich auch eine einzigartige Landschaftsform und mit gutem Equipment sowie Erfahrung ein tolles Abenteuer. Die Eiswüste verzeiht aber keine Fehler. Ich rate auch wirklich niemanden, allein ohne Erfahrung auf eine Wintertour zu gehen. Das endet ganz schnell in einer Katastrophe.

Wie ist es eigentlich, wenn man beruflich so viel wie du reist? Ist das nicht irgendwann auch langweilig?

Nee, unterwegs zu sein ist wie eine Droge. Wahrscheinlich ist es aber auch eine Typfrage. Ich bin, glaube ich, ein Nomade im Herzen und brauche es, regelmäßig unterwegs zu sein und neue Eindrücke in der Welt zu sammeln. Langweilig wird es nie, das Einzige, was mich wirklich ankotzt mittlerweile, ist das Packen für jede Tour. Hundert Mal gemacht und sicherlich voll routiniert, geht es mir aber immer mehr auf den Geist.

Auf was muss ich besonders achten, wenn ich in der heißen Wüste unterwegs bin?

In jedem Fall, genügend Wasser mitzunehmen und Sonnenschutz zu tragen. Ohne Essen kann der Mensch schon mal eine Zeit auskommen, aber ohne Wasser geht es schnell dem Ende zu.

Hast du unterwegs auf all deinen Reisen auch schon mal richtig brenzlige Situationen erlebt?

Ja schon, wobei ich denke, dass man auch wenn man 25 Jahre hübsch zu Hause bleibt, einem auch dort brenzlige Situationen passieren können. Die schlimmsten Sachen waren Unfälle mit dem Jeep oder Motorrad und einmal habe ich eine Giftschlange am Lagerfeuer totgeschlagen, bevor sie uns Probleme bereitet. Die Menschen, die mir und meinen Gruppen begegnet sind, waren wirklich alle 100% super freundlich. Ein Wochenende in jeder europäischen Hauptstadt ist da sicher reicher an Gefahren!

Politik spielt ja in einigen Gegenden, in denen du unterwegs bist, ein große Rolle – was bedeutet das für dich als Reisenden?

Ja, das spielt eine immer größere Rolle. Die Globalisierung spürt man auch in den entlegensten Winkeln der Erde. Klar, es geht oft um multinationale Interessen, um Gas und Öl und andere Rohstoffe. Da merkst du schon, wie über Jahre sich selbst das Leben der Nomaden verändert. Auch Terrorismus ist ein globales Problem geworden und praktisch überall zu finden. Heute kann man aber viel schneller Informationen bekommen als vor 25 Jahren und für mich ist es immer wichtig, gute Kontakte mit den Einheimischen zu haben. Wenn du da gut vernetzt bist, bist du auch immer gut informiert, wenn irgendwo der Druck auf dem Kessel zu hoch wird und irgendwas Ungutes bevorsteht.

Bisher war ich immer im eher kühlen Norden unterwegs, wie machst du mir die heißen Wüsten schmackhaft, in denen du so gerne unterwegs bist?

Ich sage mal: Du musst dich auf die Hitze mental einstellen und eigentlich nur die Stunden von Mittag bis spätem Nachmittag überstehen, dann verwöhnt dich die heiße Wüste mit total angenehmem Klima. Ganz selten mal Regen, man kann entspannt im T-Shirt ums Lagerfeuer sitzen, braucht meist nur einen dünnen Schlafsack und ist vor allem einmal wirklich weg von allen Zivilisationsdingen. Keine Termine, 100% offline und befindet sich in einer sensationellen, menschenleeren Landschaft, fast wie auf einem fernen Planeten.

Doofe Frage zum Schluss: Dein Lieblingserlebnis auf all diesen Reisen?

Oh, da gibt es so viele schöne Erlebnisse, dass man keins so richtig hervorheben kann. Absolut magisch ist natürlich jeden Tag die Stunde um den Sonnenuntergang herum. Wenn die Dünen in warme, rötliche Töne getaucht sind und die Landschaft etwas total friedliches ausstrahlt.

Vielen lieben Dank Jerome für die Eindrücke zu dir und deinem Weg, den du ja schon seit geraumer Zeit so konsequent und erfolgreich gehst. Ich kann jedem, der sich in welcher Form auch immer fürs Draußensein und insbesondere für die Wüsten dieser Erde interessiert, Jeromes Buch wärmstens ans Herz legen. Man spürt darin sofort die Leidenschaft und Begeisterung, mit der Jerome seine Reisen angeht. Wer gerne einmal mit ihm gemeinsam auf Tour gehen möchte, kann sich auf www.puretreks.de direkt an ihn wenden! Es lohnt sich, versprochen!

Das Buch Freiheit unterm Wüstenhimmel von Jerome Blösser ist in jeder Buchhandlung erhältlich oder direkt bei Jerome bestellbar.

 

Jeder der mein Buch gelesen hat, jeder der schon mal auf einem Vortrag von mir war, hat schon von ihm gehört und gelesen: Martin Kettler aus der Schweiz. Mit ihm verbindet mich seit 2013 das freundschaftliche Norge på langs Band weit über unsere beiden Touren durch Norwegen hinaus, die wir damals antraten.

Wir waren beide auf der Suche nach dem Weg zum Nordkap und haben ihn letztendlich auf unterschiedliche Art und Weise gefunden. Während meiner Tour damals war ich total betrübt, als ich in Kalhovd in der Hardangervidda von Martins Abbruch erfuhr. Er war so gut unterwegs gewesen, hatte sich so gut und über Jahre hinweg vorbereitet und so viel investiert – und dann das!

Ein Schweizer Hansdampf mit vielen Talenten

Wenn ich an Martin denke, bin ich immer wieder erstaunt, über welche Talente dieser bescheidene Schweizer aus dem Haslital verfügt. Ich würde vieles darum geben, wenn ich Hubschrauber fliegen oder mit einer Band über Jahre hinweg erfolgreich auf der Bühne stehen könnte – Martin macht dies schon lange und macht vor allem nicht viel Aufhebens darum.

 

#meiringen #haslital #schweiz #wetterhorn #norgepålangs #simonpåtur #norgepålangs2013

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Gerne denke ich auch daran, als ich nach meiner Tour im November 2013 in die Schweiz kam, um Martin zu treffen und unsere Touren Revue passieren zu lassen. Da hatten wir uns schon so viel geschrieben, so viel ausgetauscht und so viel gegenseitig geholfen, da war dann das persönliche Kennenlernen lange überfällig gewesen. Und es war so cool, sich gegenseitig die Erlebnisse zu erzählen und auch ein wenig zu fachsimpeln. Denn wenn ich ehrlich bin, außer Martin gab es damals nicht viele Leute, mit denen ich mich über Norge på langs so richtig unterhalten konnte.

Ein Buch zum träumen, das Fernweh weckt

Und nun liegt ein Buch bei mir auf dem Tisch, das ich beinahe in einem Zug durchgelesen habe. Lange hatte Martin sich etwas geziert, seine Norge på langs Erlebnisse niederzuschreiben. Er hatte ja schon viele Vorträge gehalten und auch schon in seinem Blog ausführlich darüber berichtet, aber wie viele Leute sprachen ihm zu, sich an den Schreibtisch zu begeben. Denn es gibt noch so viele kleine Geschichten am Rande, die es wert sind erzählt zu werden.

Aus eigener Erfahrung weiß ich ja auch, dass es ein ganz anderer Schnack ist, ein Buch zu schreiben. Damit kann kein Vortrag und kein Blogbeitrag mithalten, denn in der Dichte ist ein Buch immer noch etwas ganz Besonderes. Und zwar nicht nur beim Lesen, sondern auch beim Schreiben. Man betrachtet seine Erlebnisse beim Schreiben aus einer ganz andere Perspektive, muss die richtige Balance finden zwischen Erzählungen und Vorankommen. Man kann nur schwerlich ausschweifen und muss direkt auf den Punkt kommen, jedes Wort bekommt eine Bedeutung. Ist das Buch dann erstmal gedruckt, gibt es auch kein Zurück mehr. Da muss dann alles stimmen. Einen Blogbeitrag kann man unendlich oft editieren, ergänzen und erweitern. Beim Buch sind die Vorgaben da sehr viel enger, aber das macht auch den besonderen Reiz aus. Umso vielfältiger vor allem die elektronischen Medien werden, umso besonderer werden in meinen Augen Bücher. Denn wenn man ein Buch liest, gibt es nichts außer dem Lesen. Kein Klicken, kein Scrollen – es fällt einem sehr viel einfacher, komplett in die Geschichte des Autors einzutauchen.

Det ordner seg – auch wenn man zwei Anläufe benötigt

Dieses Eintauchen und Mitnehmen auf seine Reise gelingt Martin mit seinem Buch ganz hervorragend. Man merkt, da geht einer ganz auf in der Sache, die er sich vorgenommen hat. Ich jedenfalls habe es sehr genossen, mit Martin durch Norwegen zu wandern, mehr über ihn und seine Tour zu erfahren. Dabei bleibt er sich immer treu, verliert nie das Ziel aus den Augen und geht die Sache doch oft auch mit der nötigen Prise Humor an. Ich kann „Schritt für Schritt nordwärts: 3000 km durch Norwegen vom Südkap zum Nordkap“ nur jedem empfehlen, der gerne im Norden auf Tour geht. Man muss sich ja nicht gleich eine solch lange Wanderung vornehmen, aber nach der Lektüre von Martins Buch bekommt man ganz sicher Lust darauf, sich vielleicht auch irgendwann einmal an das Schild am Kap Lindesnes zu stellen, um seinen ganz persönlichen Norwegen der Länge nach Traum in Angriff zu nehmen.

Nachdem ich Martins Buch gelesen, was sage ich, verschlungen habe, durfte ich ihm ein paar Fragen dazu stellen.

Du wolltest ja eigentlich gar nicht ein Buch schreiben – warum nun doch?

Es waren die vielen tollen Reaktionen auf meine Reiseberichte in meinem Blog norgepalangs2013.com die mich dazu motiviert haben, mal alles in irgend einer Form niederzuschreiben. Aber ein Buch herauszugeben war mit Sicherheit noch nicht der Plan, davor hatte ich grossen Respekt. Nicht ganz unschuldig am Entscheid es dann doch zu tun, ist ein gewisser Simon Michalowicz, der mich in mehreren Mails dazu ganz sanft ermutigt hat.

Warum hast du dein Buch bei Tredition herausgebracht?

Überraschend schnell hatte ich zwei Angebote von größeren Verlagen für die Herausgabe des Buches erhalten. Doch nach Prüfung der Angebote hat mir irgendwie die gestalterische Freiheit gefehlt. Ich hatte nach der Fertigstellung des Manuskripts ein Buch vor Augen und dies war bei beiden Verlagen nicht machbar. Tredition konzentriert sich vollständig auf Self Publishing und lässt dem Autoren alle Freiheiten, das Buch nach seinen Wünschen zu gestalten und zu planen. Hinzu kommt ein hervorragender Support, der in allen Bereichen jegliche Hilfestellung bietet und zu jeder Zeit mit Rat und Tat an der Seite steht. Self Publishing bedeutet aber auch eine gewisse Mehrarbeit im Marketing und „Klinken putzen“ gehört zum Geschäft dazu, was keinerlei Nachteil ist, da man so jederzeit persönlich mit den Interessenten zu tun hat.

Wie war es, wieder in die Tour(en) einzutauchen?

Ein absolut unglaubliches Flashback. Allein 200 Seiten entstanden 2017 in Südschweden in einem kleinen Ferienhaus am See. In solch einer Atmosphäre zu „arbeiten“ und tief ins Erlebte einzutauchen, das war schon sehr emotional und hat mich manchmal auch an meine Grenzen gebracht. Das Manuskript zu schreiben, war aber wohl die genialste Art der Verarbeitung dieser Tour überhaupt und hat mich sehr bewegt, und vielleicht auch ein klein wenig stolzer über die Leistung gemacht.

Hand auf Herz, manchmal auch keinen Bock mehr auf die ganze Arbeit gehabt?

Kein Gedanke! Im Vorfeld hätte ich 1:1000 gewettet, dass ich das nie schaffen würde. Ich bin von Natur aus überhaupt kein Schreiberling und das ganze Projekt „Buch“ schien mir ein unüberwindbares Abenteuer. Doch als ich begann und mich in meine Geschichte wieder hineinlebte, konnte ich streckenweise kaum mehr aufhören und Unterbrechungen wurden beinahe zur Qual.

Hattest du unterwegs ein Tagebuch geschrieben?

2013 und 2015 hatte ich begonnen damit. Ich glaube auf beiden Etappen dauerte es gerade mal 3-4 Tage und es wurde mir schon wieder zu Last. Wie schon gesagt ist schreiben für mich kein Wellness-Urlaub und ich tue mich sehr schwer damit. Hingegen verfüge ich über ein enorm gutes Erinnerungsvermögen und kann die Informationen und Erlebnisse über lange Zeit immer wieder gut abrufen. Das einzige was ich aber schon fast akribisch gemacht habe, war das Daten sammeln. Am Abend habe ich die Kilometer nachgemessen, die Art des Weges bestimmt, das Wetter aufgeschrieben und irgendwelche Besonderheiten vermerkt.

Hat dir jemand beim Schreiben geholfen?

Beim Schreiben nicht, hingegen wurde das Buch lektoriert. Als ich das Manuskript mit über 360 Seiten fertiggestellt hatte, informierte ich mich über ein Lektorat und die Korrektur. Leider hatten sich mögliche Optionen gerade selber in einer Buchherstellung befunden und so kam mir das pure Glück in Form meiner Stiefmutter zur Hilfe. Sie hat über viele Jahre lektoriert und sie bot mir an, sich mal hinter mein Werk zu machen. Wir kannten uns noch nicht allzu lange und auch noch nicht besonders gut, was sich aber nun mit dem Lektorieren extrem änderte. Ein solch unglaublicher Glücksfall ist eigentlich unmöglich und doch ereilte mich dieser. Die Zusammenarbeit und die vielen Gespräche mit ihr waren unendlich wertvoll und hat uns zusätzlich menschlich sehr viel näher gebracht.

Wie muss man sich das vorstellen, wenn du schreibst?

Pro Wort einen gelaufenen Kilometer! Ungefähr so kam es mir vor. Das schreiben fiel mir eigentlich viel leichter als ich vermutet hatte: Laptop auf und rein in die Tastatur. Sobald sich ein gewisser Schreibstau bemerkbar machte, schloss ich den Laptop und zog meine Schuhe an und lief einfach los. Ich bin ein extremer Gedankenmensch und sobald ich loslaufe, läuft auch gleich mein Gehirn los. Es rattert wie von selbst und all die Erinnerungen stehen plötzlich vor mir, wie wenn es erst gestern gewesen wäre.

Wie war es für dich, persönliche Dinge im Buch preiszugeben?

Ich bin in „Schritt für Schritt nordwärts“ sehr viel weiter ins Persönliche reingegangen als mir manchmal lieb war. Im Lektorat musste ich mich doch ab und zu dazu entschließen, etwas mehr zurückzustehen. Doch es war auch mein Plan, nicht „nur“ einen Reisebericht zu schreiben, sondern auch tiefer hineinzugehen in das Thema Fernwandern. Oftmals habe ich Bücher gelesen, in denen mir jegliche Persönlichkeit gefehlt hat. Oder dann waren wahre Offenbarungen wiedergegeben worden, denen ein Nichtbeteiligter kaum folgen kann. Ich wollte meinem Buch den Touch Persönlichkeit geben, über den man vielleicht nicht gerne schreibt oder den man auch eher als belanglos ansieht. Doch die Tour besteht nicht nur aus Highlights und Wundern, oftmals ist die „harte“ Realität nicht so romantisch wie man sich das vielleicht vorstellen mag. Die überaus herzlichen und positiven Reaktionen auf diese Schreibweise zeigen mir, dass es der richtige Weg war.

Was hast du beim Buchschreiben über dich selbst bzw. auch über deine Touren noch gelernt?

Eine ganze Menge, beiderseits. Für mich persönlich bedeutet die absolvierte Norge på langs-Tour einen gewaltigen Schritt in meiner Lebenseinstellung. Auch wenn ich vorher keineswegs ein Griesgram oder Pessimist war, gibt es für mich heute halbvolle Gläser und keine halbleeren mehr. Ich wurde bei meinen Vorträgen immer wieder gefragt „bist Du nun ein anderer, neuer Mensch geworden?“. Meine Antwort war so lakonisch wie ehrlich „wenn ihr einen anderen wolltet, habt ihr Pech gehabt. Falls ihr mit dem Gleichen zufrieden seid, so habt ihr wohl Glück gehabt“! Die Sichtweise auf mein Leben wurde vielfältiger und der Horizont viel weiter und offener. Ich glaube sogar, dass ich heute viel demütiger geworden bin.

Wie waren die bisherigen Reaktionen auf das Buch?

Schlicht unglaublich positiv! Meine Erwartungen wurden um ein Vielfaches übertroffen und die Reaktionen gehen mir oft sehr ans Herz. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass die Menschen so mitgehen mit der Geschichte, das freut mich unheimlich und gibt mir viel zurück! Und es gibt auch die absolut amüsanten Reaktionen wie jene, welche Dein Buch zuerst gelesen haben und „diesen Martin“ aus der Schweiz aus Deiner Sicht etwas kennengelernt haben und nun „den Simon“ aus meinem Buch von einer anderen Seite kennenlernen

Und was kommt jetzt? Gehst du auf große Lesereise?

Die Anfragen häufen sich tatsächlich. Geplant sind schon einige und es werden wohl noch viele dazukommen. Nach den 18 Live-Reportagen 2016 ohne das Buch, freue ich mich nun auf die folgenden mit dem Buch und dem Einbau von gelesenen Passagen. Neu wird es an ausgewählten Orten 2018 auch von mir Live eingespielte Musik zu den Bildserien geben, dies wird eine zusätzliche Challenge geben. Die große Herausforderung werden aber sicher die zum Teil kleinen Vortragsorte sein. Waren es 2016 die großen Säle, möchte ich auf der neuen Tour näher an das Publikum herankommen und auch genügend Zeit haben, um nach dem Vortrag persönliche Fragen zu beantworten.

Das Buch „Schritt für Schritt nordwärts: 3000 km durch Norwegen vom Südkap zum Nordkap“ von Martin Kettler ist in jeder gut sortierten Buchhandlung erhältlich oder direkt beim Tredition Verlag.

Mehr zu Martin und seinen Touren findet ihr auch auf seinem Blog www.norgepalangs2013.com


Während meiner Norge på langs Tour stieß ich beim Surfen im Internet auf den Bericht eines gewissen Martin Hülle, er beschrieb darin, wie er alleine durch den Sarek lief und auch in Padjelanta unterwegs war. Es war kurz vor Sulitjelma und ich schrieb ihm einfach, wie inspirierend ich seinen Bericht fand. Als ich dann wieder zurück von meiner großen Wanderung war, besuchte ich den Fotografen, Autor und Abenteurer in Wuppertal und wir sprachen den halben Tag lang bei ihm in der Küche bei reichlich Kaffee über unsere Touren und lernten uns so kennen.

Es war cool, denn schnell war klar, dass wir beide mit den Reisen in den Norden eine gemeinsame Leidenschaft haben. Wir verstanden uns auf Anhieb gut und verabredeten, bei Gelegenheit vielleicht einmal zusammen auf Tour zu gehen. Das war im Spätherbst 2013 und bald darauf war es dann auch soweit, wir flogen gemeinsam nach Norwegen. Martin hatte mir sehr geholfen, die Ausrüstung zusammenzubekommen und vermittelte mir in diesem Zuge auch erste Kontakte zu Partnern aus der Outdoorbranche, mit denen ich bis heute zusammenarbeite.

Es sollte eine Wintertour werden, meine erste Tour dieser Art. Mit dem Zug fuhren wir nach Hjerkinn und brachen auf in die Berge Rondanes. Ich hatte so unglaublich viel Respekt vor einer Wintertour und lernte in den Tagen dort viel von Martin. Wir hatten eine richtig gute Zeit, wenn ich mich auch manchmal auf den Ski ziemlich dämlich anstellte und nicht mehr weiß, wie viele hundert Male ich mich dabei auf die Klappe legte.

Auch nach der Tour blieben wir stets in Kontakt und schmiedeten alsbald neue gemeinsame Tourpläne. Schon damals waren die Touren Teil von Martins Buchprojekt „Mein Norden“ – und nun liegt das Ergebnis dieser 11 Touren sommers wie winters innerhalb von vier Jahren vor mir auf dem Tisch: Die Essenz aus Martins Leidenschaft für den Norden.


Und ich kann einfach nur sagen, dass Martins Buch unglaublich gut geworden ist. Da ich ihn mittlerweile wirklich gut kennenlernen durfte, wir verbrachten zum Beispiel zusammen drei sehr stürmische Tage im kleinen Zelt eingeschneit auf dem Jostedalsbreen, habe ich auch die Entstehung des Buches stets begleiten dürfen. Ich glaube sagen zu können, dass ich wirklich weiß, wie viel akribische Arbeit Martin investiert hat, um dahin zu kommen, wo das Buch nun ist.

Mit viel Geduld, Ausdauer und vielen Stunden auf Tour hat er darauf hin gearbeitet. Auch die finalen Meter waren dabei sicher nicht einfach für ihn, es gab da einige Hindernisse wie einen fehlerhaften Druck der Bücher, die einem wirklich den Spaß an der ganzen Arbeit hätten rauben können. Aber nein, Martin hat sich nicht beirren lassen, weiter gemacht und mit „Mein Norden“ sein Meisterstück abgeliefert.

Mir gefällt Martins unaufgeregter Stil sehr, und das sage ich nicht als Freund oder jemand, der sich viel von ihm abgeschaut hat. Nein, das sage ich als jemand, der den Norden ebenso sehr liebt und diesen genau so kennengelernt hat, wie Martin ihn in seinen Bildern zeigt. Er ist nicht auf Effekthascherei aus, sondern fängt seine Touren so ein, dass ich mich sofort in die Umgebung vor Ort hinein versetzen kann.

Da ich ihn unterwegs schon einige Male erleben durfte, weiß ich ja auch ein wenig, wie er arbeitet. Und da ist kein großes Team am Start und auch keine Materialschlacht mit unendlich viel Photoequipment. Was ich damit sagen will, Martin hat einfach viel Erfahrung und genau den richtigen Blick für den Norden, um solch einen fantastischen Bildband vorzulegen. Da bin ich immer wieder erstaunt über die Bilder, die er von seinen Touren mitbringt. Ich kann ja meine Bilder von gemeinsamen Touren mit seinen Ergebnissen vergleichen, und da sieht man dann den Unterschied zwischen erfahrenem Profi und einem Laien.

Was diesen Bildband so besonders macht, ist vor allem das Herzblut, mit dem Martin an die Sache heran geht. Absichtlich verzichtet er auf einen großen Verlag im Rücken, denn er möchte dieses Buch genau nach seinen Vorstellungen gestalten. Diese Freiheit erlaubt es ihm, keine Rücksicht auf Befindlichkeiten nehmen zu müssen und geradeaus konsequent seinen Weg zu gehen.

Er geht dabei bewusst ein großes Risiko ein, aber am Ende gibt ihm das Ergebnis schlicht und einfach recht. Ich bewundere Martin sehr für seinen Mut, sein Engagement und sein Können – das alles zeichnet „Mein Norden“ so sehr aus. Es macht mich stolz, dass ich ihn auf einigen Touren, die sich nun im Buch wiederfinden, begleiten durfte. Jeder, der den Norden liebt, sollte sich diesen Bildband einmal näher ansehen und wird begeistert sein!

Das Buch ist erhältlich direkt bei Martin Hülle in seinem Online-Shop

Wie kamst Du auf die Idee zu dem Foto- und Buchprojekt „Mein Norden“ bzw. was war der Startschuss?

Im Frühjahr 2012 rissen mich zwei Krampfanfälle aus heiterem Himmel zu Boden, die Diagnose Epilepsie wurde gestellt und mein Wandererleben geriet aus den Fugen. Doch in den Tagen im Krankenhaus und den Wochen danach, die es brauchte, um wieder so richtig auf die Beine zu kommen, ließ ich mich nicht unterkriegen und fasste den Entschluss zu dem Projekt „Mein Norden“.

Nachdem ich im Sommer 1991 erstmals in Schweden unterwegs war und sich die nordische Einsamkeit sogleich tief in mir eingebrannt hatte, wollte ich jetzt erneut alles noch einmal träumen und aufbrechen zu den wundervollen Orten, die mir von früher so viel bedeuteten – aber gleichzeitig auch Neuland aufspüren, in dem ich zuvor noch nie war, jedoch schon immer einmal hinwollte. Das Nordlandfieber und der Arktis Bazillus sind alte Bekannte, die ich sicherlich nie mehr loswerde – und „Mein Norden“ sollte nun zu einer Liebeserklärung an die rauen Landschaften, kargen Regionen und eine intensive Art des Unterwegsseins werden.

Und wie hast Du die entsprechenden Reisen ausgewählt?

Ich wollte dorthin aufbrechen, wo meine Passion ihren Anfang genommen hatte. Also führte mich die erste Reise zurück nach Schwedisch Lappland. Genauso war es mein Ziel, mir bis dahin unbekannte Ecken zu erschließen. Daher zog es mich auch auf die Färöer-Inseln und nach Svalbard. An einer Winter-Durchquerung Islands war ich früher schon mal gescheitert – jetzt wollte ich einen zweiten Versuch unternehmen. Wichtig war es mir, den ganzen (europäischen) Norden abzudecken und zu allen Jahreszeiten unterwegs zu sein.

Schließlich habe ich 13 Reisen unternommen, von denen es elf ins Buch geschafft haben. Vier Jahre war ich dafür unterwegs. Oftmals allein, aber auch mit Freunden oder meiner Frau und unserer kleinen Tochter. Vielfalt war mir wichtig. Berge, Gletscher, Wald, Küsten. Zur letzten Reise – nach Grönland – konnte ich erst ein Jahr später aufbrechen als ursprünglich geplant. Aber ohne die „grüne Insel“ wäre das Projekt nicht rund gewesen, daher nahm ich auch einige Rückschläge und Verzögerungen in Kauf, um das zu erreichen, was ich mir ausgetüftelt hatte. Zum Glück trat in all der Zeit die Epilepsie völlig in den Hintergrund und ich blieb anfallsfrei.

Was war spannender, die Suche nach Sponsoren und Unterstützung für das Projekt oder gigantische Gletscher in Grönland zu überqueren?

Eindeutig die Zeit in der Natur! Zum Glück habe ich einige langfristige Partner, die mich in vielen Bereichen materiell unterstützen, was eine große Hilfe und sehr viel wert ist. Aber ohne eine riesige Portion Leidenschaft und die Unterstützung meiner Familie, hätte ich das Projekt nicht stemmen können. All die Reisen sind größtenteils komplett selbst finanziert und über Reportagen in Magazinen, Vorträge und den Verkauf des Buches (von den Druckkosten ganz zu schweigen) muss ich versuchen, die Ausgaben wieder reinzubekommen. Aber draußen in der Wildnis ist all das bürokratische Tohuwabohu, welches ein Projekt solchen Umfangs im Hintergrund immer begleitet, schnell vergessen. Also, das Unterwegssein ist voller Spannung, das Drumherum hingegen oftmals eher stressig, aber es ist auch ein Teil des Spiels.

Welches war der Moment auf den Touren, der Dir am eindrücklichsten in Erinnerung geblieben ist?

Als ich im südgrönländischen Johan Dahl Land am Hullet ankam und den ersten Blick auf diese Wahnsinnsszenerie warf. Umgeben von Ausläufern des Inlandeises lagen dort auf einer Fläche mehrerer Quadratkilometer haushohe Eisgebilde auf Grund. Dieser Ort zog mich so sehr in seinen Bann, dass ich mich nur schwer davon lossagen konnte. Die Stimmung war mystisch, und inmitten all der Gletscher fühlte ich mich angekommen in einer eisigen Oase in wilder Einsamkeit.

Und auf welchen Moment hättest Du gut und gerne verzichten können?

Auf die höllischen Schmerzen auf Svalbard. Zu zweit waren wir im Winter auf der Insel Spitzbergen unterwegs, als mir wie aus dem Nichts vom Nacken über die Schulter bis in den linken Oberarm plötzlich alles weh tat. Es war wohl ein eingeklemmter Nerv. Anfangs hatte ich noch Hoffnung und wir hielten erst mal an unserem Plan fest und wanderten weiter. So schafften wir es bis ins Sabine-Land. Doch dann kam der Tag, an dem wir unterhalb des schroffen Moskushornet über den Klauvbreen stiegen.

Der Nerv im Arm schrie immer lauter auf, und ich krümmte mich immer mehr. Uns weiter von der Zivilisation zu entfernen, war sinnlos. Auf kürzestem Weg zurückzukehren nach Longyearbyen, war die letzte Herausforderung der Tour. In zwei langen Tagen liefen wir wieder zurück zum Ausgangspunkt. Aber trotz der qualvollen Zeit habe ich die Skitour durch die hohe Arktis genossen und die darüber entstandene Bilderserie gehört sicherlich zu den stärksten im Buch.

Du kannst ja nicht haufenweise Ausrüstung mit Dir herumschleppen, wenn Du wochenlang draußen unterwegs bist. Welche Fotoausrüstung hast Du auf solchen Touren mit dabei?

Das stimmt, die Ausrüstung ist in allen Bereichen genauestens ausgewählt und auf das Minimum abgespeckt. Und da die Fotoausrüstung nicht essbar ist oder sonst wie zum Überleben beitragen kann, ist sie zudem ein Luxusgut. Für mich als Fotografen aber natürlich zwingend notwendig, dennoch versuche ich, nur das Nötigste mitzunehmen. Seit vielen Jahren fotografiere ich mit dem X System von Fujifilm – spiegellosen Systemkameras. Mein aktueller Liebling ist die X-Pro2.

Dazu habe ich mehrere Objektive dabei – je nach Reise sind das mal Zooms oder auch nur wenige Festbrennweiten, mit denen ich lieber fotografiere. All das trage ich in einer Hüftfototasche vor dem Bauch. Stativ, Filter, Reinigungsmittel kommen dann natürlich auch noch mit. Ein weiteres Gehäuse steckt gut verpackt als Backup im Rucksack (momentan eine X-T2).

Machst Du dir bereits vor der eigentlichen Tour Gedanken, welche Bilder Du gerne wieder mit nach Hause bringen möchtest?

Teils, teils. Wenn ich in eine Region reise, die ich noch nicht kenne, schaue ich mir vorab schon Bilder von dort an, um zu sehen, was mich erwartet und welche Flecken fotogen und besonders lohnend sein könnten. Auch habe ich ab und an schon bestimmte Motive im Kopf, die ich gerne einfangen würde. Vieles geschieht unterwegs aber auch spontan. Meine Landschaftsaufnahmen haben ja etwas „reportagehaftes“. Da sie fast durchweg bei Wanderungen und Skitouren entstehen, die mich über viele Tage von A nach B führen, kann ich z. B. an den meisten Stellen nicht lange auf das beste Licht warten.

Aber das ist auch gar nicht mein Ziel – ich bin nicht aus auf das ultimative Foto, das die Szenerie „ideal“ darstellt. Ich nehme, was kommt, und bin darauf aus, den Charakter der Landschaften einzufangen. Ich mag es gerne etwas schmuddelig. Und reduziert auf die Essenz der Landschaft. Geplant ist dabei deshalb eher wenig. Ich mache mich einfach auf die Jagd nach den Stimmungen. Denen in der Landschaft und denen in mir.

Wie hast Du die Auswahl der Bilder für Dein Buch getroffen?

Das war ein langwieriger Prozess, bei dem ich von meinem genialen Kurator Sebastian H. Schroeder unterstützt wurde. Ein Fotobuch ist ja ein komplexes Ding. Es unterscheidet sich vom schnöden Bildband, der nur eine Ansammlung schöner Fotos vereint. Es ging auch um eine künstlerische Aussage. Daher war auch nicht nur die Auswahl und die Reihenfolge der Bilder wichtig, sondern zudem deren Größe und Anordnung. Ebenso wichtig ist die gesamtheitliche Kombination von Schrift, Papier, Bindung und dem Umschlag.

Ich habe in dem ganzen Prozess sehr viel über meine Bilder gelernt. Auch musste ich schmerzvoll mit ansehen, dass auch Aufnahmen, die mir etwas bedeuten, es nicht ins Buch schafften, weil sie einfach ins Gesamtwerk nicht gepasst haben. Es war wichtig, jedes Kapitel auf den Punkt zu bringen. Für mich ist das ganze Fotobuch wie ein Musikalbum und die Reisen sind die einzelnen Songs.

Wie war es dann, die Pakete mit den fertigen Büchern vor der Haustür stehen zu haben?

Aufregend! Über 450 Kilo auf einer Palette. Und nichts konnte mehr geändert werden. Aber gleichzeitig ein tolles Gefühl, jetzt endlich an all jene ein Buch verschicken zu können, die bis dahin schon ein Exemplar vorbestellt hatten. Ein langes Projekt war nach vielen Höhen und auch Tiefen zu einem Ende gekommen.

Der Bildband ist wirklich der Hammer! Wie fällt Dein persönliches Fazit dazu aus?

Auf sein eigenes Baby schaut man natürlich mit besonderen Augen. Auch mit Stolz. Ich bin sehr froh darüber, es gewagt zu haben, dieses Buch im „Selbstverlag“ zu veröffentlichen. Es ist der krönende Abschluss dieses sehr persönlichen Projekts „Mein Norden“. Und wenn es mir gelingt, so viele Menschen wie möglich anhand der Bilder und Geschichten in den Norden zu entführen und ihnen damit Freude zu bereiten, sie vielleicht anzuregen, selbst aufzubrechen und Träume zu leben, dann hätte ich das erreicht, was ich wollte.

Stichwort unerfüllte Träume: Was ist Deine Non-Plus-Ultra Reisetraum-Herausforderung?

Da gibt es noch einige Flecken, wo ich unbedingt noch hin möchte. Nach Patagonien oder Baffin Island. In die Mongolei oder auf die Gletscher Garden Of Eden und Garden Of Allah in Neuseeland. Aber die größte Herausforderung wäre sicherlich eine Ski-Expedition zum Drygalskigebirge im Königin-Maud-Land in der Antarktis.

Vielen lieben Dank Martin, dass du uns einen Einblick in die Entstehung deines Bildbandes „Mein Norden“ gewährt hast! Der Erfolg und die bisherigen Rückmeldungen dazu sprechen ja einfach für sich. Ich hoffe sehr, dass wir noch einige spannende Touren gemeinsam erleben dürfen. Wer von Martins Erfahrung und fotografischem Können auch einmal profitieren bzw. vielleicht ja auch etwas dazu lernen möchte, dem kann ich neben Martins Buch auch empfehlen, mit ihm gemeinsam auf Reisen zu gehen! Es lohnt sich!

Das Buch ist erhältlich direkt bei Martin Hülle in seinem Online-Shop

Vor ein paar Tagen zog ich eine Postsendung von der Geobuchhandlung in Kiel aus meinem Briefkasten. Darin waren zwei gerade erst erschienene Bücher, in denen jeweils eine Werbeanzeige abgedruckt war, die ein Bild von mir ziert. Als ich dann durch das kleine Büchlein aus dem Conrad Stein Verlag zum E1 zwischen Kautokeino und dem Nordkap blättere, entdecke ich darin meinen Namen!

„Wie cool ist das denn!“ entfährt es mir, als ich lese, dass die Autorin des Buches Sara Danielsson mein Buch Norwegen der Länge nach an erster Stelle als Leseempfehlung zum E1 nennt. Und als ich dann das Autorenbild von Sara entdecke und auf ihrem Blog vorbeischaue, fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Wir haben uns sogar einmal persönlich getroffen, ohne voneinander zu wissen. Als wir im März aus dem Sarek kamen, traf ich Sara in der STF Station von Ritsem und wir sprachen kurz über ihre Ausrüstung, ohne uns richtig einander vorzustellen. Nun fallen die Puzzleteile an ihre Position und wieder einmal zeigt sich, wie klein die Skandinavien-Gemeinde ist!

Nun also liegt das Buch von Sara vor mir und ich bin echt begeistert. Der E1 gewinnt ja gerade rasant an Popularität, auch im Norden. Es gibt zwar gute Infos im Internet, aber ein kompaktes Büchlein dazu, gerade für den letzten Abschnitt hin zum Nordkap, wäre schon echt cool.

Und genau dieses Buch hat Sara nun geschrieben. In dem Büchlein aus dem weithin für seine guten Wanderführer bekannten Conrad Stein Verlag beschreibt sie den E1 von Kautokeino bis hoch hinauf zum Nordkap. Wie gewohnt findet man in dem Buch alles, was man zu der Wanderung wissen muss und wissen sollte. Man muss sich jetzt bloß noch die entsprechenden Landkarten besorgen und schon kann es losgehen.

Wenn ich nun also das neue Buch einer so profunden Kennerin des hohen Nordens vor mir liegen habe dachte ich mir, dass ich ihr doch auch gleich ein paar Fragen rund um das Buch und ihren Nordlandvirus stellen kann. Gesagt, getan!

Hallo Sara, ich erreiche dich in Ritsem, erzähl doch mal, wie du dahin kommst und was du da machst?

Ich arbeite in Ritsem beim Schwedischen Tourismus Verbund (STF). Die Anlage in Ritsem kann man als Jugendherberge beschreiben: einfacher Standard aber es gibt alles was man in den Bergen braucht. Ich war schon häufiger auf Wanderungen oder Skitouren hier und mir hat es immer sehr gefallen. Dann habe ich irgendwann beschlossen mich einfach mal um eine Stelle zu bewerben – und es hat ja funktioniert! 🙂

Und wie lebt es sich so weit ab vom Schuss?

Ritsem ist rund 200 km vom nächsten Supermarkt und der nächsten Tankstelle entfernt, da ist gute Planung gefragt! Ich bin aber mit dem Auto hier und konnte deswegen alles auf Vorrat mitbringen. Lebensmittel, ein Benzinkanister und auch ein paar Bierchen 😉

Mir gefällt die Abgelegenheit, die Menschen kommen einander näher und man ist weniger anonym. Ich komme aus Hamburg, also ein riesen Unterschied zu einem klitzekleinen Dorf am Ende der längsten Sackgasse Schwedens.

Was fasziniert dich so sehr am Norden?

Die Weite und die Freiheit sich in der Natur zu bewegen. Zelten, Angeln und Beeren sammeln, Sonnenschein rund um die Uhr oder Nordlichter. Die Natur bietet so unglaublich ausgeprägte Jahreszeiten. Im Sommer mit Glück 30 Grad und strahlende Sonne, im Winter oft -40 und totale Dunkelheit. Die Kontraste ziehen mich an, viel schöner als der ewige Nieselregen in Norddeutschland!

Von Deutschland nach Schweden, war das eine große Umstellung?

Ich empfinde Deutschland und Schweden nicht als so extrem unterschiedlich, aber das liegt sicher daran, dass ich fünf Jahre in Portugal gewohnt habe. Der Kulturschock von Portugal nach Schweden zu ziehen war schon enorm: wenig Wärme, keine drei Restaurantbesuche die Woche mehr, nicht mehr jeden Abend surfen gehen…

Aber ich bin sehr glücklich in Schweden, die Leute sind freundlich und behandeln mich nicht als Aussenstehende, in Portugal war das oft ganz anders. Egal wie lange ich dort gewohnt habe, so wurde ich meistens doch auf meine Nationalität reduziert. Gerade auch weil ich so bleich bin und wirklich nicht als Portugiesin durchgehe. Auch auf dem Arbeitsmarkt und was die soziale Absicherung angeht, sieht es in Portugal sehr düster aus. Solche Aspekte haben mir früher nichts bedeutet, da kam es nur auf das Surfen an. Aber wenn man auf die 30 zugeht… 😉

Wie kam es, dass du dir ausgerechnet den E1 für dein erstes Buch vorgenommen hast?

Ich bin mir ehrlich gesagt nicht mehr sicher, wie ich zuerst auf die Idee gekommen bin. Ich habe eine große Übersichtskarte vom „Nordkalotten“ an der Wand und habe mir alle Wanderwege angeschaut. So kam dann wohl die Überlegung nicht nur auf dem Nordkalottleden oder dem Kungsleden zu wandern, sondern ganz bis ans Nordkap. Ja, und für die Strecke gab es eben noch keinen Wanderführer.

Autorin zu sein, den Wunsch hege ich wohl schon seit langer Zeit: ich habe immerhin sieben Jahre Literaturstudium hinter mir. Reiseführer zu schreiben macht allerdings viel mehr Spaß als trockene Aufsätze oder Artikel für wissenschaftliche Publikationen zu verfassen!

Aus eigener Erfahrung weiß ich ja, wie viel Arbeit in einem Buch steckt. Wie lange hat es bei dir gedauert? Von der Recherche bis zum fertigen Reiseführer?

Ich habe mit der theoretischen Recherche im März 2016 begonnen und war dann im Sommer eine ganze Weile zur praktischen Recherche (sprich: wandern und fotografieren) in der Finnmark. Im Herbst habe ich dann mit dem Schreiben begonnen und das fertige Manuskript im Dezember eingereicht. Einen Wanderführer zu schreiben dauert einfach unheimlich lange, alle kleinen Details sollen ja so korrekt wie möglich sein.

Was war dein Lieblingsabschnitt auf „deinem“ E1 Stück?

Es gibt viele Abschnitte und Plätze die mir gefallen. Wenn man das erste Mal das Meer sieht, die gemütlichen Hütten, aber auch die seltenen Möglichkeiten Proviant einzukaufen. Und dann natürlich das Nordkap, welches besonders Nachts zu empfehlen ist, wenn kaum andere Touristen dort sind und das Licht magisch ist.

Gerade in der Finnmark kommt es ja auch sehr auf das Wetter an: was an einem Tag der gemütlichste, warme Platz zum im Gras liegen und Abendessen ist, kann an einem anderen Tag eine dem Sturm ausgesetzte, kahle Ebene sein.

Die Erlebnisse können sehr unterschiedlich sein und ich habe deshalb auch versucht meine Empfindungen nicht zu sehr in das Buch einzubauen.

Wie war das Gefühl dein Buch das erste Mal in der Hand zu halten?

Unglaublich spannend! Allerdings auch etwas gruselig: unter dem gesamten Schaffensprozess war das Buch immer eine Datei auf meinem Computer und ich konnte alle Kapitel immer wieder verändern. Ist erstmal alles auf Papier gedruckt und steht in den Regalen des Buchhandels, dann habe ich keine Macht mehr über mein Werk. Finde ich jetzt noch einen Fehler oder eine Passage, die ich gerne anders formulieren würde, dann ist es zu spät.

Du bist ziemlich viel draußen im Norden unterwegs, hast du irgendwelche Geheimtipps auf Lager von denen wir alle profitieren können?

Ich möchte allen Wanderbegeisterten, die gerne in den Bergen Skandinaviens unterwegs sind dazu raten nicht zu früh in der Saison zu gehen. Mitte Juni haben wir in Mitteleuropa den Winter schon lange vergessen und natürlich kann man es kaum abwarten endlich wieder auf Tour zu gehen… aber der Schnee und die Kälte hier oben sind nun mal hartnäckig. Ich habe hier viele Gäste gesehen, die wirklich enttäuscht waren, weil ihre Tour im Sarek oder auf dem Nordkalottleden wirklich überhaupt nicht so war, wie sie sich das vorgestellt hatten. Möchte man über grüne Gebirgswiesen wandern, Blaubeeren pflücken und sich nicht durch morschen Schnee vorankämpfen, dann sollte man wirklich mindestens bis Mitte Juli warten. In schneereichen Jahren gerne auch länger.

Viele riefen an oder schrieben eine Mail und fragten ob es möglich sei den Sarek zu durchqueren. Darauf kann ich nur antworten, dass es sicher möglich ist (Mut, gute Ausrüstung und Erfahrung vorausgesetzt) aber ob es Spaß macht, das ist mal eine ganz andere Frage.

Ich hab ja immer Solbærtoddy als Getränk und Walters Mandler Schokolade mit im Rucksack, was darf bei dir unterwegs nicht fehlen?

Toddy habe ich gerade auch hier, das trinke ich am liebsten zum Frühstück, ich trinke nämlich keinen Kaffee. Was es sonst immer bei mir im Rucksack gibt, ist eine 200g Tafel Marabou und solche „Varma Koppen“ Tütensuppen. Das habe ich immer als Notvorrat mit dabei. Wenn ich es mir aussuchen könnte, wären auch immer ein paar Packungen Real Turmat gefriergetrocknete Mahlzeiten mit dabei, aber die sind ja nicht wirklich günstig.

Was sind deine Pläne als nächstes? Wäre nicht mal Norge på langs ein Ding für dich?

Ich schreibe zur Zeit an einem weiteren Reiseführer für den Conrad Stein Verlag, 25 Tagestouren im Norden Portugals. Ich werde im Herbst auf jeden Fall nochmal nach Porto fliegen und einiges recherchieren. Ansonsten bin ich relativ unentschlossen was als nächstes kommt. Gröna Bandet oder Vita Bandet durch die schwedische Gebirgskette vielleicht? Norge på langs ist auch eine Tour, die mich sehr interessiert, aber einfach unglaublich zeitintensiv. Ich könnte mir vorstellen eine solche Wanderung auf mehrere Jahre zu verteilen.

Ich bin auch sehr an Trailrunning interessiert und überlege mehr Zeit in den Bergen mit Laufen zu verbringen.

Tusen takk Sara für den Einblick in die Arbeit rund um dein Buch! Schön, dass wir etwas mehr über dich erfahren dürfen! Ich wünsche dir für dein Buch ganz viel Erfolg und richtig viel Spaß bei deinen nächsten Abenteuern im hohen Norden und in Portugal! Beim nächsten Treffen in Ritsem oder wo auch immer gebe ich einen aus, versprochen. Wer mehr von Sara lesen möchte, dem sei ihr Blog wärmstens empfohlen. Dort finden sich zahlreiche spannende und informative Beiträge rund ums Draußensein!

Hier geht’s lang: https://sara-danielsson.com

Auch ich war damals auf meiner Norge på langs Tour immer wieder stückweise auf dem E1 unterwegs. Damals hätte mir Saras Buch wirklich gut geholfen, der Weg war dort oben im hohen Norden 2013 gerade erst fertig markiert worden. Aber nun hab ich ja das Buch und falls ich dort noch einmal unterwegs sein werde, ist es ganz sicher mit im Rucksack!