Während meiner Norge på langs Tour stieß ich beim Surfen im Internet auf den Bericht eines gewissen Martin Hülle, er beschrieb darin, wie er alleine durch den Sarek lief und auch in Padjelanta unterwegs war. Es war kurz vor Sulitjelma und ich schrieb ihm einfach, wie inspirierend ich seinen Bericht fand. Als ich dann wieder zurück von meiner großen Wanderung war, besuchte ich den Fotografen, Autor und Abenteurer in Wuppertal und wir sprachen den halben Tag lang bei ihm in der Küche bei reichlich Kaffee über unsere Touren und lernten uns so kennen.

Es war cool, denn schnell war klar, dass wir beide mit den Reisen in den Norden eine gemeinsame Leidenschaft haben. Wir verstanden uns auf Anhieb gut und verabredeten, bei Gelegenheit vielleicht einmal zusammen auf Tour zu gehen. Das war im Spätherbst 2013 und bald darauf war es dann auch soweit, wir flogen gemeinsam nach Norwegen. Martin hatte mir sehr geholfen, die Ausrüstung zusammenzubekommen und vermittelte mir in diesem Zuge auch erste Kontakte zu Partnern aus der Outdoorbranche, mit denen ich bis heute zusammenarbeite.

Es sollte eine Wintertour werden, meine erste Tour dieser Art. Mit dem Zug fuhren wir nach Hjerkinn und brachen auf in die Berge Rondanes. Ich hatte so unglaublich viel Respekt vor einer Wintertour und lernte in den Tagen dort viel von Martin. Wir hatten eine richtig gute Zeit, wenn ich mich auch manchmal auf den Ski ziemlich dämlich anstellte und nicht mehr weiß, wie viele hundert Male ich mich dabei auf die Klappe legte.

Auch nach der Tour blieben wir stets in Kontakt und schmiedeten alsbald neue gemeinsame Tourpläne. Schon damals waren die Touren Teil von Martins Buchprojekt „Mein Norden“ – und nun liegt das Ergebnis dieser 11 Touren sommers wie winters innerhalb von vier Jahren vor mir auf dem Tisch: Die Essenz aus Martins Leidenschaft für den Norden.


Und ich kann einfach nur sagen, dass Martins Buch unglaublich gut geworden ist. Da ich ihn mittlerweile wirklich gut kennenlernen durfte, wir verbrachten zum Beispiel zusammen drei sehr stürmische Tage im kleinen Zelt eingeschneit auf dem Jostedalsbreen, habe ich auch die Entstehung des Buches stets begleiten dürfen. Ich glaube sagen zu können, dass ich wirklich weiß, wie viel akribische Arbeit Martin investiert hat, um dahin zu kommen, wo das Buch nun ist.

Mit viel Geduld, Ausdauer und vielen Stunden auf Tour hat er darauf hin gearbeitet. Auch die finalen Meter waren dabei sicher nicht einfach für ihn, es gab da einige Hindernisse wie einen fehlerhaften Druck der Bücher, die einem wirklich den Spaß an der ganzen Arbeit hätten rauben können. Aber nein, Martin hat sich nicht beirren lassen, weiter gemacht und mit „Mein Norden“ sein Meisterstück abgeliefert.

Mir gefällt Martins unaufgeregter Stil sehr, und das sage ich nicht als Freund oder jemand, der sich viel von ihm abgeschaut hat. Nein, das sage ich als jemand, der den Norden ebenso sehr liebt und diesen genau so kennengelernt hat, wie Martin ihn in seinen Bildern zeigt. Er ist nicht auf Effekthascherei aus, sondern fängt seine Touren so ein, dass ich mich sofort in die Umgebung vor Ort hinein versetzen kann.

Da ich ihn unterwegs schon einige Male erleben durfte, weiß ich ja auch ein wenig, wie er arbeitet. Und da ist kein großes Team am Start und auch keine Materialschlacht mit unendlich viel Photoequipment. Was ich damit sagen will, Martin hat einfach viel Erfahrung und genau den richtigen Blick für den Norden, um solch einen fantastischen Bildband vorzulegen. Da bin ich immer wieder erstaunt über die Bilder, die er von seinen Touren mitbringt. Ich kann ja meine Bilder von gemeinsamen Touren mit seinen Ergebnissen vergleichen, und da sieht man dann den Unterschied zwischen erfahrenem Profi und einem Laien.

Was diesen Bildband so besonders macht, ist vor allem das Herzblut, mit dem Martin an die Sache heran geht. Absichtlich verzichtet er auf einen großen Verlag im Rücken, denn er möchte dieses Buch genau nach seinen Vorstellungen gestalten. Diese Freiheit erlaubt es ihm, keine Rücksicht auf Befindlichkeiten nehmen zu müssen und geradeaus konsequent seinen Weg zu gehen.

Er geht dabei bewusst ein großes Risiko ein, aber am Ende gibt ihm das Ergebnis schlicht und einfach recht. Ich bewundere Martin sehr für seinen Mut, sein Engagement und sein Können – das alles zeichnet „Mein Norden“ so sehr aus. Es macht mich stolz, dass ich ihn auf einigen Touren, die sich nun im Buch wiederfinden, begleiten durfte. Jeder, der den Norden liebt, sollte sich diesen Bildband einmal näher ansehen und wird begeistert sein!

Das Buch ist erhältlich direkt bei Martin Hülle in seinem Online-Shop

Wie kamst Du auf die Idee zu dem Foto- und Buchprojekt „Mein Norden“ bzw. was war der Startschuss?

Im Frühjahr 2012 rissen mich zwei Krampfanfälle aus heiterem Himmel zu Boden, die Diagnose Epilepsie wurde gestellt und mein Wandererleben geriet aus den Fugen. Doch in den Tagen im Krankenhaus und den Wochen danach, die es brauchte, um wieder so richtig auf die Beine zu kommen, ließ ich mich nicht unterkriegen und fasste den Entschluss zu dem Projekt „Mein Norden“.

Nachdem ich im Sommer 1991 erstmals in Schweden unterwegs war und sich die nordische Einsamkeit sogleich tief in mir eingebrannt hatte, wollte ich jetzt erneut alles noch einmal träumen und aufbrechen zu den wundervollen Orten, die mir von früher so viel bedeuteten – aber gleichzeitig auch Neuland aufspüren, in dem ich zuvor noch nie war, jedoch schon immer einmal hinwollte. Das Nordlandfieber und der Arktis Bazillus sind alte Bekannte, die ich sicherlich nie mehr loswerde – und „Mein Norden“ sollte nun zu einer Liebeserklärung an die rauen Landschaften, kargen Regionen und eine intensive Art des Unterwegsseins werden.

Und wie hast Du die entsprechenden Reisen ausgewählt?

Ich wollte dorthin aufbrechen, wo meine Passion ihren Anfang genommen hatte. Also führte mich die erste Reise zurück nach Schwedisch Lappland. Genauso war es mein Ziel, mir bis dahin unbekannte Ecken zu erschließen. Daher zog es mich auch auf die Färöer-Inseln und nach Svalbard. An einer Winter-Durchquerung Islands war ich früher schon mal gescheitert – jetzt wollte ich einen zweiten Versuch unternehmen. Wichtig war es mir, den ganzen (europäischen) Norden abzudecken und zu allen Jahreszeiten unterwegs zu sein.

Schließlich habe ich 13 Reisen unternommen, von denen es elf ins Buch geschafft haben. Vier Jahre war ich dafür unterwegs. Oftmals allein, aber auch mit Freunden oder meiner Frau und unserer kleinen Tochter. Vielfalt war mir wichtig. Berge, Gletscher, Wald, Küsten. Zur letzten Reise – nach Grönland – konnte ich erst ein Jahr später aufbrechen als ursprünglich geplant. Aber ohne die „grüne Insel“ wäre das Projekt nicht rund gewesen, daher nahm ich auch einige Rückschläge und Verzögerungen in Kauf, um das zu erreichen, was ich mir ausgetüftelt hatte. Zum Glück trat in all der Zeit die Epilepsie völlig in den Hintergrund und ich blieb anfallsfrei.

Was war spannender, die Suche nach Sponsoren und Unterstützung für das Projekt oder gigantische Gletscher in Grönland zu überqueren?

Eindeutig die Zeit in der Natur! Zum Glück habe ich einige langfristige Partner, die mich in vielen Bereichen materiell unterstützen, was eine große Hilfe und sehr viel wert ist. Aber ohne eine riesige Portion Leidenschaft und die Unterstützung meiner Familie, hätte ich das Projekt nicht stemmen können. All die Reisen sind größtenteils komplett selbst finanziert und über Reportagen in Magazinen, Vorträge und den Verkauf des Buches (von den Druckkosten ganz zu schweigen) muss ich versuchen, die Ausgaben wieder reinzubekommen. Aber draußen in der Wildnis ist all das bürokratische Tohuwabohu, welches ein Projekt solchen Umfangs im Hintergrund immer begleitet, schnell vergessen. Also, das Unterwegssein ist voller Spannung, das Drumherum hingegen oftmals eher stressig, aber es ist auch ein Teil des Spiels.

Welches war der Moment auf den Touren, der Dir am eindrücklichsten in Erinnerung geblieben ist?

Als ich im südgrönländischen Johan Dahl Land am Hullet ankam und den ersten Blick auf diese Wahnsinnsszenerie warf. Umgeben von Ausläufern des Inlandeises lagen dort auf einer Fläche mehrerer Quadratkilometer haushohe Eisgebilde auf Grund. Dieser Ort zog mich so sehr in seinen Bann, dass ich mich nur schwer davon lossagen konnte. Die Stimmung war mystisch, und inmitten all der Gletscher fühlte ich mich angekommen in einer eisigen Oase in wilder Einsamkeit.

Und auf welchen Moment hättest Du gut und gerne verzichten können?

Auf die höllischen Schmerzen auf Svalbard. Zu zweit waren wir im Winter auf der Insel Spitzbergen unterwegs, als mir wie aus dem Nichts vom Nacken über die Schulter bis in den linken Oberarm plötzlich alles weh tat. Es war wohl ein eingeklemmter Nerv. Anfangs hatte ich noch Hoffnung und wir hielten erst mal an unserem Plan fest und wanderten weiter. So schafften wir es bis ins Sabine-Land. Doch dann kam der Tag, an dem wir unterhalb des schroffen Moskushornet über den Klauvbreen stiegen.

Der Nerv im Arm schrie immer lauter auf, und ich krümmte mich immer mehr. Uns weiter von der Zivilisation zu entfernen, war sinnlos. Auf kürzestem Weg zurückzukehren nach Longyearbyen, war die letzte Herausforderung der Tour. In zwei langen Tagen liefen wir wieder zurück zum Ausgangspunkt. Aber trotz der qualvollen Zeit habe ich die Skitour durch die hohe Arktis genossen und die darüber entstandene Bilderserie gehört sicherlich zu den stärksten im Buch.

Du kannst ja nicht haufenweise Ausrüstung mit Dir herumschleppen, wenn Du wochenlang draußen unterwegs bist. Welche Fotoausrüstung hast Du auf solchen Touren mit dabei?

Das stimmt, die Ausrüstung ist in allen Bereichen genauestens ausgewählt und auf das Minimum abgespeckt. Und da die Fotoausrüstung nicht essbar ist oder sonst wie zum Überleben beitragen kann, ist sie zudem ein Luxusgut. Für mich als Fotografen aber natürlich zwingend notwendig, dennoch versuche ich, nur das Nötigste mitzunehmen. Seit vielen Jahren fotografiere ich mit dem X System von Fujifilm – spiegellosen Systemkameras. Mein aktueller Liebling ist die X-Pro2.

Dazu habe ich mehrere Objektive dabei – je nach Reise sind das mal Zooms oder auch nur wenige Festbrennweiten, mit denen ich lieber fotografiere. All das trage ich in einer Hüftfototasche vor dem Bauch. Stativ, Filter, Reinigungsmittel kommen dann natürlich auch noch mit. Ein weiteres Gehäuse steckt gut verpackt als Backup im Rucksack (momentan eine X-T2).

Machst Du dir bereits vor der eigentlichen Tour Gedanken, welche Bilder Du gerne wieder mit nach Hause bringen möchtest?

Teils, teils. Wenn ich in eine Region reise, die ich noch nicht kenne, schaue ich mir vorab schon Bilder von dort an, um zu sehen, was mich erwartet und welche Flecken fotogen und besonders lohnend sein könnten. Auch habe ich ab und an schon bestimmte Motive im Kopf, die ich gerne einfangen würde. Vieles geschieht unterwegs aber auch spontan. Meine Landschaftsaufnahmen haben ja etwas „reportagehaftes“. Da sie fast durchweg bei Wanderungen und Skitouren entstehen, die mich über viele Tage von A nach B führen, kann ich z. B. an den meisten Stellen nicht lange auf das beste Licht warten.

Aber das ist auch gar nicht mein Ziel – ich bin nicht aus auf das ultimative Foto, das die Szenerie „ideal“ darstellt. Ich nehme, was kommt, und bin darauf aus, den Charakter der Landschaften einzufangen. Ich mag es gerne etwas schmuddelig. Und reduziert auf die Essenz der Landschaft. Geplant ist dabei deshalb eher wenig. Ich mache mich einfach auf die Jagd nach den Stimmungen. Denen in der Landschaft und denen in mir.

Wie hast Du die Auswahl der Bilder für Dein Buch getroffen?

Das war ein langwieriger Prozess, bei dem ich von meinem genialen Kurator Sebastian H. Schroeder unterstützt wurde. Ein Fotobuch ist ja ein komplexes Ding. Es unterscheidet sich vom schnöden Bildband, der nur eine Ansammlung schöner Fotos vereint. Es ging auch um eine künstlerische Aussage. Daher war auch nicht nur die Auswahl und die Reihenfolge der Bilder wichtig, sondern zudem deren Größe und Anordnung. Ebenso wichtig ist die gesamtheitliche Kombination von Schrift, Papier, Bindung und dem Umschlag.

Ich habe in dem ganzen Prozess sehr viel über meine Bilder gelernt. Auch musste ich schmerzvoll mit ansehen, dass auch Aufnahmen, die mir etwas bedeuten, es nicht ins Buch schafften, weil sie einfach ins Gesamtwerk nicht gepasst haben. Es war wichtig, jedes Kapitel auf den Punkt zu bringen. Für mich ist das ganze Fotobuch wie ein Musikalbum und die Reisen sind die einzelnen Songs.

Wie war es dann, die Pakete mit den fertigen Büchern vor der Haustür stehen zu haben?

Aufregend! Über 450 Kilo auf einer Palette. Und nichts konnte mehr geändert werden. Aber gleichzeitig ein tolles Gefühl, jetzt endlich an all jene ein Buch verschicken zu können, die bis dahin schon ein Exemplar vorbestellt hatten. Ein langes Projekt war nach vielen Höhen und auch Tiefen zu einem Ende gekommen.

Der Bildband ist wirklich der Hammer! Wie fällt Dein persönliches Fazit dazu aus?

Auf sein eigenes Baby schaut man natürlich mit besonderen Augen. Auch mit Stolz. Ich bin sehr froh darüber, es gewagt zu haben, dieses Buch im „Selbstverlag“ zu veröffentlichen. Es ist der krönende Abschluss dieses sehr persönlichen Projekts „Mein Norden“. Und wenn es mir gelingt, so viele Menschen wie möglich anhand der Bilder und Geschichten in den Norden zu entführen und ihnen damit Freude zu bereiten, sie vielleicht anzuregen, selbst aufzubrechen und Träume zu leben, dann hätte ich das erreicht, was ich wollte.

Stichwort unerfüllte Träume: Was ist Deine Non-Plus-Ultra Reisetraum-Herausforderung?

Da gibt es noch einige Flecken, wo ich unbedingt noch hin möchte. Nach Patagonien oder Baffin Island. In die Mongolei oder auf die Gletscher Garden Of Eden und Garden Of Allah in Neuseeland. Aber die größte Herausforderung wäre sicherlich eine Ski-Expedition zum Drygalskigebirge im Königin-Maud-Land in der Antarktis.

Vielen lieben Dank Martin, dass du uns einen Einblick in die Entstehung deines Bildbandes „Mein Norden“ gewährt hast! Der Erfolg und die bisherigen Rückmeldungen dazu sprechen ja einfach für sich. Ich hoffe sehr, dass wir noch einige spannende Touren gemeinsam erleben dürfen. Wer von Martins Erfahrung und fotografischem Können auch einmal profitieren bzw. vielleicht ja auch etwas dazu lernen möchte, dem kann ich neben Martins Buch auch empfehlen, mit ihm gemeinsam auf Reisen zu gehen! Es lohnt sich!

Das Buch ist erhältlich direkt bei Martin Hülle in seinem Online-Shop

2 Kommentare

  1. Schön, daß es auch hier erwähnung findet.
    hab es hier im büro stehen und mindestens einmal die woche in der hand!!!
    es ist wirklich ein ganz außergewöhnlicher bildband. die fotos fesseln einen (mich ^^) total.
    lg

  2. Hallo Bernd,

    es freut mich sehr, dass Dir mein Fotobuch so gut gefällt 🙂 Ich wünsche Dir weiterhin sehr viel Freude damit!

    Beste Grüße
    Martin

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