Jeder der mein Buch gelesen hat, jeder der schon mal auf einem Vortrag von mir war, hat schon von ihm gehört und gelesen: Martin Kettler aus der Schweiz. Mit ihm verbindet mich seit 2013 das freundschaftliche Norge på langs Band weit über unsere beiden Touren durch Norwegen hinaus, die wir damals antraten.
Wir waren beide auf der Suche nach dem Weg zum Nordkap und haben ihn letztendlich auf unterschiedliche Art und Weise gefunden. Während meiner Tour damals war ich total betrübt, als ich in Kalhovd in der Hardangervidda von Martins Abbruch erfuhr. Er war so gut unterwegs gewesen, hatte sich so gut und über Jahre hinweg vorbereitet und so viel investiert – und dann das!
Ein Schweizer Hansdampf mit vielen Talenten
Wenn ich an Martin denke, bin ich immer wieder erstaunt, über welche Talente dieser bescheidene Schweizer aus dem Haslital verfügt. Ich würde vieles darum geben, wenn ich Hubschrauber fliegen oder mit einer Band über Jahre hinweg erfolgreich auf der Bühne stehen könnte – Martin macht dies schon lange und macht vor allem nicht viel Aufhebens darum.
Gerne denke ich auch daran, als ich nach meiner Tour im November 2013 in die Schweiz kam, um Martin zu treffen und unsere Touren Revue passieren zu lassen. Da hatten wir uns schon so viel geschrieben, so viel ausgetauscht und so viel gegenseitig geholfen, da war dann das persönliche Kennenlernen lange überfällig gewesen. Und es war so cool, sich gegenseitig die Erlebnisse zu erzählen und auch ein wenig zu fachsimpeln. Denn wenn ich ehrlich bin, außer Martin gab es damals nicht viele Leute, mit denen ich mich über Norge på langs so richtig unterhalten konnte.
Ein Buch zum träumen, das Fernweh weckt
Und nun liegt ein Buch bei mir auf dem Tisch, das ich beinahe in einem Zug durchgelesen habe. Lange hatte Martin sich etwas geziert, seine Norge på langs Erlebnisse niederzuschreiben. Er hatte ja schon viele Vorträge gehalten und auch schon in seinem Blog ausführlich darüber berichtet, aber wie viele Leute sprachen ihm zu, sich an den Schreibtisch zu begeben. Denn es gibt noch so viele kleine Geschichten am Rande, die es wert sind erzählt zu werden.
Aus eigener Erfahrung weiß ich ja auch, dass es ein ganz anderer Schnack ist, ein Buch zu schreiben. Damit kann kein Vortrag und kein Blogbeitrag mithalten, denn in der Dichte ist ein Buch immer noch etwas ganz Besonderes. Und zwar nicht nur beim Lesen, sondern auch beim Schreiben. Man betrachtet seine Erlebnisse beim Schreiben aus einer ganz andere Perspektive, muss die richtige Balance finden zwischen Erzählungen und Vorankommen. Man kann nur schwerlich ausschweifen und muss direkt auf den Punkt kommen, jedes Wort bekommt eine Bedeutung. Ist das Buch dann erstmal gedruckt, gibt es auch kein Zurück mehr. Da muss dann alles stimmen. Einen Blogbeitrag kann man unendlich oft editieren, ergänzen und erweitern. Beim Buch sind die Vorgaben da sehr viel enger, aber das macht auch den besonderen Reiz aus. Umso vielfältiger vor allem die elektronischen Medien werden, umso besonderer werden in meinen Augen Bücher. Denn wenn man ein Buch liest, gibt es nichts außer dem Lesen. Kein Klicken, kein Scrollen – es fällt einem sehr viel einfacher, komplett in die Geschichte des Autors einzutauchen.
Det ordner seg – auch wenn man zwei Anläufe benötigt
Dieses Eintauchen und Mitnehmen auf seine Reise gelingt Martin mit seinem Buch ganz hervorragend. Man merkt, da geht einer ganz auf in der Sache, die er sich vorgenommen hat. Ich jedenfalls habe es sehr genossen, mit Martin durch Norwegen zu wandern, mehr über ihn und seine Tour zu erfahren. Dabei bleibt er sich immer treu, verliert nie das Ziel aus den Augen und geht die Sache doch oft auch mit der nötigen Prise Humor an. Ich kann „Schritt für Schritt nordwärts: 3000 km durch Norwegen vom Südkap zum Nordkap“ nur jedem empfehlen, der gerne im Norden auf Tour geht. Man muss sich ja nicht gleich eine solch lange Wanderung vornehmen, aber nach der Lektüre von Martins Buch bekommt man ganz sicher Lust darauf, sich vielleicht auch irgendwann einmal an das Schild am Kap Lindesnes zu stellen, um seinen ganz persönlichen Norwegen der Länge nach Traum in Angriff zu nehmen.
Nachdem ich Martins Buch gelesen, was sage ich, verschlungen habe, durfte ich ihm ein paar Fragen dazu stellen.
Du wolltest ja eigentlich gar nicht ein Buch schreiben – warum nun doch?
Es waren die vielen tollen Reaktionen auf meine Reiseberichte in meinem Blog norgepalangs2013.com die mich dazu motiviert haben, mal alles in irgend einer Form niederzuschreiben. Aber ein Buch herauszugeben war mit Sicherheit noch nicht der Plan, davor hatte ich grossen Respekt. Nicht ganz unschuldig am Entscheid es dann doch zu tun, ist ein gewisser Simon Michalowicz, der mich in mehreren Mails dazu ganz sanft ermutigt hat.
Warum hast du dein Buch bei Tredition herausgebracht?
Überraschend schnell hatte ich zwei Angebote von größeren Verlagen für die Herausgabe des Buches erhalten. Doch nach Prüfung der Angebote hat mir irgendwie die gestalterische Freiheit gefehlt. Ich hatte nach der Fertigstellung des Manuskripts ein Buch vor Augen und dies war bei beiden Verlagen nicht machbar. Tredition konzentriert sich vollständig auf Self Publishing und lässt dem Autoren alle Freiheiten, das Buch nach seinen Wünschen zu gestalten und zu planen. Hinzu kommt ein hervorragender Support, der in allen Bereichen jegliche Hilfestellung bietet und zu jeder Zeit mit Rat und Tat an der Seite steht. Self Publishing bedeutet aber auch eine gewisse Mehrarbeit im Marketing und „Klinken putzen“ gehört zum Geschäft dazu, was keinerlei Nachteil ist, da man so jederzeit persönlich mit den Interessenten zu tun hat.
Wie war es, wieder in die Tour(en) einzutauchen?
Ein absolut unglaubliches Flashback. Allein 200 Seiten entstanden 2017 in Südschweden in einem kleinen Ferienhaus am See. In solch einer Atmosphäre zu „arbeiten“ und tief ins Erlebte einzutauchen, das war schon sehr emotional und hat mich manchmal auch an meine Grenzen gebracht. Das Manuskript zu schreiben, war aber wohl die genialste Art der Verarbeitung dieser Tour überhaupt und hat mich sehr bewegt, und vielleicht auch ein klein wenig stolzer über die Leistung gemacht.
Hand auf Herz, manchmal auch keinen Bock mehr auf die ganze Arbeit gehabt?
Kein Gedanke! Im Vorfeld hätte ich 1:1000 gewettet, dass ich das nie schaffen würde. Ich bin von Natur aus überhaupt kein Schreiberling und das ganze Projekt „Buch“ schien mir ein unüberwindbares Abenteuer. Doch als ich begann und mich in meine Geschichte wieder hineinlebte, konnte ich streckenweise kaum mehr aufhören und Unterbrechungen wurden beinahe zur Qual.
Hattest du unterwegs ein Tagebuch geschrieben?
2013 und 2015 hatte ich begonnen damit. Ich glaube auf beiden Etappen dauerte es gerade mal 3-4 Tage und es wurde mir schon wieder zu Last. Wie schon gesagt ist schreiben für mich kein Wellness-Urlaub und ich tue mich sehr schwer damit. Hingegen verfüge ich über ein enorm gutes Erinnerungsvermögen und kann die Informationen und Erlebnisse über lange Zeit immer wieder gut abrufen. Das einzige was ich aber schon fast akribisch gemacht habe, war das Daten sammeln. Am Abend habe ich die Kilometer nachgemessen, die Art des Weges bestimmt, das Wetter aufgeschrieben und irgendwelche Besonderheiten vermerkt.
Hat dir jemand beim Schreiben geholfen?
Beim Schreiben nicht, hingegen wurde das Buch lektoriert. Als ich das Manuskript mit über 360 Seiten fertiggestellt hatte, informierte ich mich über ein Lektorat und die Korrektur. Leider hatten sich mögliche Optionen gerade selber in einer Buchherstellung befunden und so kam mir das pure Glück in Form meiner Stiefmutter zur Hilfe. Sie hat über viele Jahre lektoriert und sie bot mir an, sich mal hinter mein Werk zu machen. Wir kannten uns noch nicht allzu lange und auch noch nicht besonders gut, was sich aber nun mit dem Lektorieren extrem änderte. Ein solch unglaublicher Glücksfall ist eigentlich unmöglich und doch ereilte mich dieser. Die Zusammenarbeit und die vielen Gespräche mit ihr waren unendlich wertvoll und hat uns zusätzlich menschlich sehr viel näher gebracht.
Wie muss man sich das vorstellen, wenn du schreibst?
Pro Wort einen gelaufenen Kilometer! Ungefähr so kam es mir vor. Das schreiben fiel mir eigentlich viel leichter als ich vermutet hatte: Laptop auf und rein in die Tastatur. Sobald sich ein gewisser Schreibstau bemerkbar machte, schloss ich den Laptop und zog meine Schuhe an und lief einfach los. Ich bin ein extremer Gedankenmensch und sobald ich loslaufe, läuft auch gleich mein Gehirn los. Es rattert wie von selbst und all die Erinnerungen stehen plötzlich vor mir, wie wenn es erst gestern gewesen wäre.
Wie war es für dich, persönliche Dinge im Buch preiszugeben?
Ich bin in „Schritt für Schritt nordwärts“ sehr viel weiter ins Persönliche reingegangen als mir manchmal lieb war. Im Lektorat musste ich mich doch ab und zu dazu entschließen, etwas mehr zurückzustehen. Doch es war auch mein Plan, nicht „nur“ einen Reisebericht zu schreiben, sondern auch tiefer hineinzugehen in das Thema Fernwandern. Oftmals habe ich Bücher gelesen, in denen mir jegliche Persönlichkeit gefehlt hat. Oder dann waren wahre Offenbarungen wiedergegeben worden, denen ein Nichtbeteiligter kaum folgen kann. Ich wollte meinem Buch den Touch Persönlichkeit geben, über den man vielleicht nicht gerne schreibt oder den man auch eher als belanglos ansieht. Doch die Tour besteht nicht nur aus Highlights und Wundern, oftmals ist die „harte“ Realität nicht so romantisch wie man sich das vielleicht vorstellen mag. Die überaus herzlichen und positiven Reaktionen auf diese Schreibweise zeigen mir, dass es der richtige Weg war.
Was hast du beim Buchschreiben über dich selbst bzw. auch über deine Touren noch gelernt?
Eine ganze Menge, beiderseits. Für mich persönlich bedeutet die absolvierte Norge på langs-Tour einen gewaltigen Schritt in meiner Lebenseinstellung. Auch wenn ich vorher keineswegs ein Griesgram oder Pessimist war, gibt es für mich heute halbvolle Gläser und keine halbleeren mehr. Ich wurde bei meinen Vorträgen immer wieder gefragt „bist Du nun ein anderer, neuer Mensch geworden?“. Meine Antwort war so lakonisch wie ehrlich „wenn ihr einen anderen wolltet, habt ihr Pech gehabt. Falls ihr mit dem Gleichen zufrieden seid, so habt ihr wohl Glück gehabt“! Die Sichtweise auf mein Leben wurde vielfältiger und der Horizont viel weiter und offener. Ich glaube sogar, dass ich heute viel demütiger geworden bin.
Wie waren die bisherigen Reaktionen auf das Buch?
Schlicht unglaublich positiv! Meine Erwartungen wurden um ein Vielfaches übertroffen und die Reaktionen gehen mir oft sehr ans Herz. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass die Menschen so mitgehen mit der Geschichte, das freut mich unheimlich und gibt mir viel zurück! Und es gibt auch die absolut amüsanten Reaktionen wie jene, welche Dein Buch zuerst gelesen haben und „diesen Martin“ aus der Schweiz aus Deiner Sicht etwas kennengelernt haben und nun „den Simon“ aus meinem Buch von einer anderen Seite kennenlernen
Und was kommt jetzt? Gehst du auf große Lesereise?
Die Anfragen häufen sich tatsächlich. Geplant sind schon einige und es werden wohl noch viele dazukommen. Nach den 18 Live-Reportagen 2016 ohne das Buch, freue ich mich nun auf die folgenden mit dem Buch und dem Einbau von gelesenen Passagen. Neu wird es an ausgewählten Orten 2018 auch von mir Live eingespielte Musik zu den Bildserien geben, dies wird eine zusätzliche Challenge geben. Die große Herausforderung werden aber sicher die zum Teil kleinen Vortragsorte sein. Waren es 2016 die großen Säle, möchte ich auf der neuen Tour näher an das Publikum herankommen und auch genügend Zeit haben, um nach dem Vortrag persönliche Fragen zu beantworten.
Das Buch „Schritt für Schritt nordwärts: 3000 km durch Norwegen vom Südkap zum Nordkap“ von Martin Kettler ist in jeder gut sortierten Buchhandlung erhältlich oder direkt beim Tredition Verlag.
Mehr zu Martin und seinen Touren findet ihr auch auf seinem Blog www.norgepalangs2013.com