Nun ist es schon beinahe ein Jahr her, seitdem ich das erste Mal mit einer kleinen Gruppe als Guide zusammen mit Puretreks ins norwegische Fjell aufgebrochen bin. Die Tour in die Hardangervidda vorzubereiten war ein großes Abenteuer, wie bei allen Dingen, die man vorher noch nie so gemacht hat. Nachdem die Tour online war trudelten die Anmeldungen ein und es wurde fleißig per E-Mail, Telefon und WhatsApp über Ausrüstung gesprochen und was uns wohl erwarten wird.
Die Zeit bis zum Start der Tour verging wie im Fluge. Mit einigen Teilnehmern konnte ich mich vorab treffen und so wuchs die Vorfreude von Tag zu Tag, war ich mir doch sicher, dass wir gemeinsam eine gute Zeit haben werden. Mein Gefühl hat mich nicht getrügt, die Tour war ein großer Erfolg, wir sind als „Fremde“ in Haukeliseter gestartet und als Freunde in Finse angekommen.
Auch nach der Tour ist der Kontakt nie abgerissen und so haben wir uns über die Tour angefreundet. Nun steht bald die Neuauflage und somit die zweite Tour in Norwegen an. Wieder steigt die Vorfreude, wenn auch unter anderen Umständen. In etwas mehr als vier Wochen brechen wir hoffentlich wieder gemeinsam auf nach Norden. Vorher aber möchte euch Micha mitnehmen auf unsere, seine Tour vom letzten Jahr!
Tag 1: 1.9.2019 Oslo
Nach einem entspannten Flug landen wir in Oslo. Trotz einiger Norwegenbesuche bin ich zum ersten Mal in Oslo. Nach dem Einchecken im Hotel, schlendern wir noch ein wenig durch die Stadt. Ich bin erstaunt wie entspannt es zugeht. Wir erklimmen das Dach der Osloer Oper und genießen den wunderschönen Ausblick über Stadt und Oslofjord. Besser hätte der Start in unser Abenteuer nicht beginnen können.
Tag 2: Oslo – Haukeliseter
Ich habe geschlafen wie ein Stein! Wunderbar erholt genießen wir das üppige und verdammt leckere Frühstück im Thon Hotel. Danach geht es wieder in die Stadt. Wir brauchen Tourverpflegung und Gas. Im nächsten Supermarkt stopfen wir wohlbedacht unseren Wagen voll. Beim DNT besorgen wir Gas. Anschließend besuchen wir den Flagshipstore von Bergans und nehmen die Zelte von Helsport in Empfang. Wieder bin ich überrascht wie entspannt es in Oslo zugeht. Dabei ist heute ein Arbeitstag.
Als alle Besorgungen erledigt sind, nehmen wir die Lobby des Hotels in Beschlag, um unsere Essensvorräte, Zelte, Kocher, Gas etc. in unseren Rucksäcken zu verstauen. Da sind die Norweger ziemlich entspannt. In einem deutschen Hotel kann ich mir so etwas nicht vorstellen. Respekt!
Dann wird es doch tatsächlich noch einmal stressig 🙂 Wir müssen unbedingt noch Walters Mandler Schokolade kaufen und die scheint überall ausverkauft zu sein. Wir finden noch einen Supermarkt, der die Schokolade hat, jetzt haben wir wirklich alles für die Tour. Unser Bus nach Haukeliseter startet 13:30 Uhr. Pünktlich 13:29 Uhr finden wir uns am Bus ein. Die Fahrt ist entspannt. Beim Blick auf die norwegische Landschaft, lässt es sich schön den Gedanken nachhängen. Gegen 19 Uhr erreichen wir Haukeliseter.
Ich bin da! In mir steigt ein wirklich wohliges Gefühl der Freude auf. Seit drei Jahren habe ich mich danach gesehnt, wieder hierher zu kommen. So viel Zeit ist seit meinem letzten Besuch im schönen Haukelifjell vergangen. Und seitdem bin ich verliebt 😉
Nach dem sehr (wirklich sehr) üppigen Abendessen, welches auch noch extrem lecker war, lassen wir den Abend in den gemütlichen Sesseln der Fjellstube mit einem Glas Bier (9 Euro) ausklingen. Morgen geht ab es ins Fjell!
Tag 3: Haukeliseter – Hellevassbu
Wieder wache ich total entspannt auf. Wir treffen uns zum Frühstück in der gemütlichen Haukeliseter Fjellstue. Heute ist mein 40. Geburtstag und ich bekomme von den anderen doch tatsächlich ein Ständchen gesungen. Es gibt sogar Geschenke. Ich finde das total schön und freue mich riesig darüber.
Später, nach dem reichhaltigen und leckeren Frühstück, wird noch einmal große Rucksackkunde betrieben. Ein Teil packt noch einmal alles um, bis es passt. Gegen 10 Uhr geht das Abenteuer endlich los!
Nach einem ordentlichen Anstieg erblicken meine Augen das erste Mal auf dieser Tour die unendlich schöne Weite des norwegischen Fjells. Bei bestem Kaiserwetter bekomme ich das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht. Besser hätte die Tour nicht starten können. An das Rucksackgewicht, irgendwas zwischen 18 und 20 Kilo, habe ich mich recht schnell gewöhnt. Ich laufe zum ersten Mal mit Stöcken und bin begeistert. Nach den ersten Flussquerungen und etwas Übung habe ich den Tritt raus. So vergeht der erste Tag für mich recht entspannt und ich kann mich voll auf diese wunderschöne Landschaft einlassen.
Hellevassbu erreichen wir heute nicht mehr, sodass wir beschließen zu zelten. Wir suchen uns einen schönen Platz für unsere Zelte und genießen, mit leckerem Essen von Real Turmat, unseren ersten Abend in der Natur. Als Nachspeise zaubert Simon für mich einen Geburtstagskuchen aus dem Rucksack. Der ist richtig lecker. Später kuschel ich mich in meinen Schlafsack, um ein wenig zu lesen, Nüsse und Schokolade zu knabbern und Tagebuch zu schreiben. Danach geht es ab ins Land der Träume.
Tag 4: Weiter nach Hellevassbu
Trotz einsetzendem Regen und anderer Geräusche schlief ich, dank Ohropax, erstaunlich gut im Zelt. Das wird einer meiner besten Freunde auf Tour werden. Für weitere Zeltübernachtungen müssen wir jedoch mehr auf gerade Liegeflächen achten. Wir halten uns nicht unnötig lang mit Frühstück und Zeltabbau auf, denn das Wetter ist recht usselig. Es regnet.
Obwohl es den ganzen Tag regnet und Hände und Füße mit der Zeit feucht werden, ist die Stimmung gut. So erreichen wir gegen 14 Uhr Hellevassbu und erleben das typische norwegische Hyttekos in unserer ersten DNT Hütte im Fjell. Da wir nicht die ersten sind, ist die Hütte schon angenehm warm. Wir suchen uns ein Zimmer und machen es uns auf der Couch gemütlich. Im Kerzenschein mit interessanten und netten Gesprächen lassen wir den Tag ausklingen.
Tag 5: Hellevassbu nach Litlos
Nach einem schönen Frühstück – unser „Koch“ Simon hat uns heute Morgen mit Rührei verwöhnt – packen wir unsere Sachen, fegen noch mal die Hütte durch und machen uns dann auf den Weg. Es ist immer noch trüb, aber von Regen weit und breit nichts zu sehen. Unser heutiges Ziel ist die DNT Hütte Litlos. Im Laufe des Tages kommt dann tatsächlich die Sonne zum Vorschein. Und wieder zieht uns diese unendliche Weite des Fjells in den Bann. Kaum Menschen, keine lauten Geräusche, kein Handyempfang – Natur pur. Diese tolle Landschaft passt sich nicht an den Menschen an, sondern der Mensch muss sich an die Natur anpassen.
Nach einem kurzen Besuch in der Litlos Hütte und einer Cola, machen wir uns auf die Suche nach einem schönen Schlafplatz. Einige Kilometer später haben wir eine schöne Stelle für unsere Zelte gefunden. Wir starten unsere Prozedur. Zelt aufbauen, Wasser holen, Sachen verstauen, Schlafsack auspacken, einkuscheln, Essen kochen und dann wieder zum gemütlichen Teil des Tages überzugehen. Essen, Trinken, Lesen, Tagebuch schreiben, glücklich einschlafen.
Tag 6: Litlos – Torehytten
Es hat sich in der Nacht ordentlich abgekühlt, sodass unsere Zelte heute morgen weiß vom Schnee sind! Im Schlafsack war davon freilich nichts zu spüren – der war einfach kuschelig und warm. Ein wenig schwer fällt es da schon, in Tritt zu kommen. Nach dem Frühstück mit leckerem Kaffee und Müsli, werden die Sachen wieder verstaut und wir starten in einen neuen Tag. Der Himmel ist bedeckt. Doch die aufgehende Sonne versucht die Wolken zu durchbrechen und taucht das Fjell in einen schönen mystischen Rotton.
Heute sehen wir zum ersten Mal den Harteigen, jener Berg, der über der Hardangervidda thront wie ein Wackelpudding. Er wird uns die nächsten Tage aus unterschiedlichen Perspektiven weiter begleiten. Gegen 15 Uhr erreichen wir Torehytten.
Diese Hütte ist eine urgemütliche Perle. Wir heizen den Norwegerofen an und es dauert nicht lange bis sich eine wohlige Wärme ausbreitet.
Wir haben die Hütte ganz für uns allein. Alle Bekleidungsstücke und Zelte hängen zum Trocknen in der Hütte. Wir verbringen den Rest des Tages mit Lesen in DNT Jahrbüchern, netten Gesprächen, dem ein oder anderen Rum mit Tee oder Aquavit und leckerem Essen. So vergeht der Abend wie im Flug und wir sinken spät in die Betten der Torehytten.
Tag 7: Torehytten – Hedlo
Und täglich grüßt das Murmeltier. Nach Rührei und leckerem Kaffee kann der Tag kommen.
Wir packen unsere sieben Sachen zusammen und bringen die Hütte wieder in Ordnung. Auch das gehört dazu. Eine DNT Wanderhütte sollte so verlassen werden, wie man sie nach einem anstrengenden Wandertag selbst vorfinden möchte. Danach wandern wir los. Heute möchten wir gern Hedlo erreichen und uns in der Nähe eine schöne Schlafstelle suchen.
Gegen Mittag sind wir an der DNT Hütte Hadlaskard. Bei fast 30 Grad und strahlendem Sonnenschein genießen wir unser Mittagessen bei einer ausgiebigen Pause auf der Terrasse der Hütte.
Im weiteren Wegverlauf sind einige unwegsame, schlammige und verblockte Streckenabschnitte zu bewältigen. Das kostet Körner. Hinter Hedlo finden wir eine schöne ebene Fläche und schlagen im strömenden Regen unsere Zelte auf.
Heute hatten wir das erste Mal auf der Tour wieder wackligen Handyempfang, der für ein kurzes Telefonat nach Hause reicht. Auch dieser anstrengende Tag geht im kuscheligen Schlafsack mit einem Buch und Knabbereien zu Ende.
Tag 8: Hedlo – Liseth (Garen Camping)
Nach dem Regen gestern Abend, kitzelt uns heute die Sonne im Zelt wach. Das ist eine echte Wohltat für die Seele. Wir beschließen draußen zu Frühstücken, um die Sonne zu genießen.
Frühstück im Fjell bei strahlendem Sonnenschein – es braucht absolut nicht mehr zum Glücklichsein.
Etwa zwei Stunden später machen wir uns auf den Weg zum Campingplatz nach Garen. Es lockt ein Minimarkt und eine Dusche. So eine gewisse Vorfreude macht sich in der Runde breit. Trotz Sonnenschein ist der Weg dort hin beschwerlich. Immer wieder gilt es, glitschige Steine sowie schlammige und unwegsame Stellen zu meistern. Dafür kommt heute das erste Mal der Hardangerjokulen in Sichtweite. Bei einer Pause genießen wir den tollen Blick auf den Gletscher.
Wie sehr solche Touren auch Kopfsache sind, merken wir am Nachmittag. Wir sehen den Campingplatz scheinbar ganz nah. Aufgrund der Wegbeschaffenheit dauert es aber noch Stunden, bis wir diesen erreichen. Da muss der Kopf erst einmal mitspielen. Wir sind aber eine dufte Truppe und erreichen gegen Abend gut gelaunt den Campingplatz. Der kleine Laden öffnet zwar erst am Montag, aber egal. Nachdem wir eine schöne Hütte gefunden haben genießen wir deren Vorzüge. Eine Dusche, eine Toilette, eine Küche und sogar einen Fernseher. Wir machen es uns gemütlich, essen, trinken, quatschen und haben einen schönen Abend. Nebenbei läuft – wie passend – das Fußballspiel Norwegen gegen Schweden.
Tag 9: Liseth (Camping Garen) nach Rembesdalseter
Es ist Montag. Wir stürmen am Morgen den kleinen Supermarkt. Da wir nach der Saison kommen, ist die Auswahl übersichtlich. Simon war aber so gut, und hat bei der Besitzerin einige Sachen vorbestellt. Sie erscheint mit einer Kiste voller leckerer Knabbereien und wir füllen unsere Essensvorräte wieder auf.
Das absolute Highlight aber sind ein Brot, Eier, Schinken und Butter. Simon zaubert uns ein herrliches Frühstück. Ein Traum. Man kann es sich kaum vorstellen, wie sehr man sich über solche Dinge freut, wenn man sich tagelang von Schokolade, Riegeln und ähnlich gesunden Dingen ernährt.
Im Buch vom Conrad-Stein Verlag wird die heutige Etappe als Königsetappe beschrieben. Wir sind voller Vorfreude und gespannt was uns erwartet.
Keine Ahnung woran es liegt, wir kommen gut voran. Die Höhenmeter schmatzen nur so unter unseren Füßen weg. Wahrscheinlich hat uns die Kombination aus Dusche, Bett und leckerem Frühstück zu diesem Boost verholfen. Es läuft auf jeden Fall. Nachdem wir etliche Höhenmeter geschafft haben, werden wir mit einem atemberaubenden Blick zum Eidfjord belohnt. Wir machen eine größere Pause, um diesen Ausblick auf uns wirken zu lassen.
Später wird es dann doch noch etwas anstrengend und unwegsam. Aber auch das schaffen wir, nicht schnell, dafür gut gelaunt und mehr oder weniger entspannt. Am Ende sind wir froh, es nicht auf morgen geschoben zu haben und auch ein wenig stolz, denn auch wir schaffen norwegische Gehzeiten.
Es ist schönes Wetter und so sitze ich mit Simon heute Abend noch lang vor dem Zelt von Jana und Nina und trinken Rum mit Tee, quatschen und essen in gemütlicher Runde. Ein schöner Tag geht zu Ende und langsam wird uns bewusst, dass auch unsere gemeinsame Reise sich dem Ende zuneigt.
Tag 10: Rembesdalseter – Finse
Heute wollen wir unser Ziel in Finse erreichen. Ein Hoch auf ein gutes Frühstück. Die Anstiege der nächsten Stunden haben es in sich. Lange Beine sind bei diesen Absätzen von Vorteil. Leider hat die keiner von uns. Höhenmeter für Höhenmeter schrauben wir uns langsam und unermüdlich nach oben. Seit gestern habe ich Probleme mit der Achillessehne. Es schmerzt, hält sich aber in Grenzen. Es folgen viele Steine und das erste Schneefeld unserer Tour.
Wir kämpfen uns durch die Steine und sind langsam an dem Punkt, wo wir der Meinung sind, ankommen wäre doch ganz schön. Finse ist schon seit Stunden in Sicht. Doch bis dahin werden wir noch ordentlich gefordert. Ich wiederhole nicht die „netten“ Namen, die der See erhalten hat, den wir umrunden mussten, um Finse zu erreichen. Irgendwann spuckt uns das Fjell aus und wir stehen auf dem Rallarvegen. Es kann nun nicht schnell genug gehen, endlich Finse zu erreichen, aber es zieht sich. Dieser blöde Schotterweg und die immer mehr schmerzende Achillessehne ist für mich mit die schwierigste Situation der gesamten Tour.
Natürlich erreichen wir Finse und die Gefühle der letzten Stunde sind mit einem Schlag wie weggewischt. Ein kurzer Gruß am Bahnhof in Finse via Livecam nach Hause und ein letzter kurzer Fußmarsch, dann stehen wir grinsend, umarmend und voller Stolz und Freude an der Finsehytta.
Fazit
Es war eine unvergessliche Zeit, die lange in mir nachgehallt hat. Die ersten Tage nach meiner Ankunft in Deutschland hatte ich sehr mit mir zu kämpfen, um meine Gefühle wieder zu sortieren und in geordnete Bahnen zu bringen.
Es vergeht bis heute fast kein Tag, wo ich nicht voller Freude, Dankbarkeit und mit viel Fernweh an unsere gemeinsame Tour denke.
Es hat einfach alles gepasst, wirklich alles!
Wir lagen menschlich auf einer Wellenlänge, haben uns gegenseitig motiviert, hatten eine tolle Zeit miteinander und viel Spaß. Es war ein einzigartiges Erlebnis mit besonderen Menschen, die für mich zu Freunden wurden.
Dazu kam diese atemberaubende Natur, die man einfach nicht in Worte und auch nicht in Bilder fassen kann. Man muss sie erlebt haben. Für mich persönlich ist diese Landschaft mit nichts zu vergleichen und ich verliebte mich unfassbar in die Weiten des norwegischen Fjells.
Danke an: Nina, Jana und Simon und natürlich an meine liebe Katja, der ich dieses wundervolle Erlebnis zu verdanken habe.
Auch in diesem Jahr geht es wieder nordwärts – die Tour im September wird uns diesmal durch Skarvheimen führen. Die Tour ist bereits ausgebucht, aber auch für 2021 ist eine Tour bereits in Planung!