Weite und wunderbare Ausblicke, das liebe ich so sehr, wenn ich ans Wandern in Skandinavien denke. Oft hänge ich wehmütig den Bildern in meinem Kopf nach, die sich auf vergangenen Wanderungen dort eingebrannt haben. Ich tue mich dann oft schwer, hier am Wochenende wandern zu gehen. Oft führen die Wege lange durch Wälder, außer Bäumen gibt es dort in meinen Augen nichts zu sehen. Ja ich weiß, dass ich es mir da sehr einfach mache und vor allem der wunderbaren Umgebung hier rund um Tübingen unrecht tue. Das weite Fjell ist halt für mich das Nonplusultra, da kann der Albtrauf eigentlich nicht mithalten.

Nach langem Hadern habe ich mich dann aber doch einfach entschlossen, dem Wandern hier eine Chance zu geben, immer nur auf die nächste Tour in Skandinavien zu warten kann es ja auch nicht sein.

Manchmal muss man für eine wunderbare Wanderung nicht weit fahren

Also hab ich mich an den Schreibtisch und den Computer gesetzt, um im Internet zu recherchieren, was auch als größeres Wanderprojekt in Frage käme, gerne würden wir die Touren als Wochenendtouren mit Übernachtung angehen, sofern möglich.

Schnell bin ich auf den HW 1 – den Schwäbische Alb Nordrand Weg oder Hauptwanderweg 1, gestoßen. Dieser führt auf 25 Tagesetappen über 354 Kilometer von Donauwörth nach Tuttlingen, oder umgekehrt. Der Weg sah schon mal gut aus, und auch die Weitwander-Fachfrau Christine Thürmer spricht in den höchsten Tönen von diesem Weg. Hinzu kommt, dass wir eine ganze Reihen von Etappen von Tübingen aus recht unproblematisch per ÖPNV erreichen können. Alles spricht für den HW 1, dann werden wir dem Weg eine Chance geben, uns vom Wandern vor der Haustür zu überzeugen.

Aus praktischen Gründen entschließen wir uns für einen Start in Tuttlingen, die Anreise mit der Bahn stellt sich nach kurzer Recherche als überaus bequem dar, nur 1 Mal umsteigen und wir sind unter 2 Stunden Fahrzeit am Startpunkt. Mit dem Auto wären wir auch nicht viel schneller und müssten dann am Ende auch noch zurück zum Parkplatz. Die Würfel sind gefallen, an einem der nächsten Wochenenden wollen wir die ersten beiden Etappen angehen, vom Start in Tuttlingen bis nach Albstadt-Laufen, insgesamt ungefähr 55 Kilometer in zwei Tagen. Das ist zwar sportlich, aber durchaus machbar. Und von Albstadt-Laufen geht jede Stunde ein Zug direkt zurück nach Tübingen. Der Plan steht.

Am Samstag morgen packen wir unsere sieben Sachen, das Wetter ist warm und die Rucksäcke müssen nicht viele Klamotten tragen, dafür aber ist reichlich Wasser im Trinksystem. Per Bus geht es zum Bahnhof um dann über Horb am Neckar nach Tuttlingen zu gelangen. Da wir uns keinen Stress am Morgen machen wollten, sind wir erst später losgefahren und haben uns gegen eine Übernachtung vor Ort auf dem Zeltplatz entschieden.

Los geht’s in Tuttlingen

Kurz suchen wir in Tuttlingen den Startpunkt, finden diesen aber schnell, nur kurz verlaufen wir uns zur örtlichen Eisdiele, die Sonne macht uns ein wenig zu schaffen, da kommt eine kleine Erfrischung gerade recht. Gegen 14:15 Uhr starten wir ins Abenteuer HW 1, rund 22 Kilometer liegen heute noch vor uns, wenn wir es zu unserer geplanten Übernachtungsmöglichkeit am Klippeneck schaffen wollen.

Zuerst überqueren wir die junge Donau mit Hilfe der überdachten Holzbrücke. Wir verlassen schnell die Innenstadt und finden uns bereits nach einer viertel Stunde außerhalb von Tuttlingen am Waldrand wieder. Die Aussicht über das Donautal ist wunderbar, der Weg hierher hat allerdings schon einigen Schweiß gekostet. Wir sind froh, dass es nun in den Wald geht, der uns mit seinem kühlen Schatten nur allzu willkommen ist.

Die Markierung ist hervorragend, wir kommen gut voran. Die Wege sind überraschend schmal, das gefällt. Sofort fallen uns die Himbeeren und Walderdbeeren am Wegesrand auf, die es hier ziemlich häufig gibt. Wir naschen fleißig, es schmeckt köstlich! Und die kleinen Verschnaufpausen tun bei diesem Wetter auch gut.

Der HW 1 ist abwechslungsreich auf diesem ersten Abschnitt, wir sind positiv überrascht. Es wechseln sich schmale Pfade und breitere Forstwege ab. Ab und an treten wir aus dem Wald und überqueren duftende Wiesen, in denen die Insekten umherschwirren. Auch gibt es immer mal wieder tolle Ausblicke aus dem Wald hinaus.

Hervorragend markiert und gute Wege

Wir wandern ja auf einem Höhenrücken, da kommen nur am Anfang einige Höhenmeter auf uns zu, nun kommen wir gut voran, es ist die meiste Zeit relativ flach. Da wir nicht zu spät am Klippeneck ankommen wollen, lassen wir die erste Einkehrmöglichkeit am Gasthof Krone in Rußberg aus, auch wenn es jetzt verlockend wäre, im Schatten der Bäume ein kühles Bier zu zischen.

 

Ein paar Kilometer weiter in Risiberg aber ist es soweit, im Landgasthof Waldeck gönnen wir uns eine ausgedehnte Pause sowie ein Kaltgetränk. Wie das bei dem Wetter perlt!

Leider geht es nach der Pause kurz und knackig über eine Wiese hoch in den Wald, da merkt man das Bier dann doch. Egal, das war es auf jeden Fall wert! Der Weg führt uns nun über Wirtschaftsstraßen und Wege weiter. Die Sonne hat trotzt des bereits fortgeschrittenen Tages nicht an Kraft verloren, jeder Schatten der Bäume wird nur zu gern genutzt. Die Schritte werden schwerer, die Sonne und das warme Wetter fordern langsam ihren Tribut.

 

Kurz vor dem Klippeneck präsentiert sich der HW 1 aber von seiner allerbesten Seite. Direkt am Albtrauf ergeben sich gigantische Aussichten, das weite Land unter uns ist komplett in ein warmes, weiches Licht getaucht. Es ist unglaublich schön!

Wir passieren zwei öffentliche Grillplätze und stehen kurz darauf am riesigen Segelfluggelände Klippeneck. Als ich nach einem legalen Zeltplatz für diese Etappen gesucht habe, stieß ich auf den Segelflugplatz, an dem zufällig an diesem Wochenende ein großer Flugwettbewerb stattfindet. Und da es laut Ausschreibung auch die Möglichkeit zum Campen gibt, hatte ich vor der Tour kurz dort angefragt, ob wir unser Zelt dort auch für eine Nacht aufschlagen können.

Wir dürfen, sollen uns nur bei Platzwart Willi melden. Und den suchen wir nun inmitten der vielen Teilnehmer, die sich vor dem großen Hangar über den Tag bei Bier und Gegrilltem unterhalten. Schnell finden wir ihn und er weist uns einen Platz zwischen den Campern zu.

Aussichten aus dem Bilderbuch

Mittlerweile setzt die Dämmerung bereits ein und der Tag war anstrengender als gedacht, die Wärme hat uns ganz schön geschafft. Das Zelt ist schnell aufgebaut, wir gönnen uns einen eiskalten Sundowner und genießen den grandiosen Sonnenuntergang.

Es ist bereits dunkel als wir uns mit den neuen Sorten Real Turmat (Pulled Pork & Lachs Pasta 🙂 ) für den Tage belohnen und kurz darauf auf der Isomatte im Zelt liegen.

Weiter, immer weiter – aber bitte ohne Stress

Der neue Tag begrüßt uns wieder mit Sonne und Wärme, so dass wir es am Morgen nicht lange im Zelt aushalten. Das Frühstück ist schnell gemacht, es gibt Kaffee und Tee mit einer großen Portion Porridge. Nachdem wir unsere Sachen zusammengepackt haben, geht es zurück auf den Trail. Auf dem Flugplatz machen sich derweil über 80 Segelflugzeuge bereit für den Start.

Unglaublich wie viele dieser lautlosen Fluggleiter hier vor Ort sind, nur zu gern würden wir uns gleich den Start der Flugzeuge ansehen. Das emsige Treiben beim Start ist ganz sicher spannend, aber wir haben uns für heute einiges vorgenommen. Aber schon beim Loslaufen schwant mir, dass die bald 32 Kilometer bis nach Albstadt-Laufen für heute ziemlich ambitioniert sind.

Wir folgen dem Weg, der hier weitgehend direkt am Albtrauf entlang führt. Wir sind bereits am Morgen froh um jeden Abschnitt im Wald, wir sind beide nicht für so viel Sonne gemacht. Die Ausblicke sind wieder klasse, da gibt es überhaupt nichts zu meckern. Weithin sichtbar ist dabei immer der neue Testturm für Aufzüge in Rottweil, der wie ein riesiger Spargel aus dem Boden empor steigt.

 

Höhenmeter ohne Ende

Der HW 1 führt uns nun hinab nach Gosheim, wo wir uns eine kleine Stärkung in der örtlichen Bäckerei gönnen. Nach der beschaulichen Ortschaft stehen reichlich Höhenmeter auf dem Programm. Zuerst geht es im Wald steil bergan hinauf zum Aussichtsturm auf dem Lemberg. Schweißgebadet kommen wir oben an, die kleine Hütte neben dem Turm ist heute sogar bewirtet und es werden kalte Getränke angeboten. Wir schlagen das Angebot aus und sparen uns auch die Turmbesteigung, denn es stehen nicht nur viele Höhenmeter und Kilometer auf dem Programm, nein die Segelflieger haben uns auch vor Gewitter am frühen Nachmittag gewarnt.

Durch den Wald geht bergab und dann direkt wieder hoch, der nächste Anstieg zur ehemaligen Burg Hohenberg wartet bereits auf uns. Oben ist die Aussicht wieder gigantisch und eine kleine Hängebrücke ist ein echtes Highlight auf dem Weg. Man merkt, dass sich hier Gedanken gemacht worden sind, um den Weg attraktiv zu gestalten.

Beim Abstieg hinunter sprechen wir über den Tag. Uns dämmert, dass wir uns ganz schön anstrengen müssen, wenn wir unser hoch gestecktes Ziel am Bahnhof in Albstadt-Laufen erreichen wollen. Es wird von Kilometer zu Kilometer unrealistischer, wenn wir nicht erst irgendwann am Abend zu Hause sein wollen. Und so sprechen wir bei einer Abkühlung an der Schutzhütte weiter unten über die Möglichkeit, im nächsten Ort den Bus zu nehmen.

Schaffen wir das wirklich?

Kurz checken wir die Verbindung, denn so einfach ist es mitunter nicht, an einem Sonntag per ÖPNV hier wegzukommen. Die App spuckt eine günstige Verbindung aus, der Bus fährt bald ab Deilingen, das könnten wir schaffen. Wenn nicht, müssten wir durchlaufen, denn eine andere Möglichkeit gibt es ab Deilingen bis Laufen für uns nicht.

Über eine große Wiese erreichen wir den kleine Ort Deilingen. Die Würfel sind gefallen: Wir werden hier in den Bus steigen, für uns reicht es hier. Das warme Wetter hat uns die letzten beiden Tage ordentlich zugesetzt, aber der wunderbare HW 1 hat uns wirklich gepackt.

Kurz darauf liegen wir im Schatten eines kleinen Baumes an der Haltestelle und warten auf den Bus. Wir sind froh, dass wir uns aufgerafft haben und dem HW 1 eine Chance gegeben haben. Und der Weg hat sie wirklich genutzt, uns total positiv überrascht. Ganz sicher werden wir wieder kommen und unsere Reise entlang des Albtraufs fortsetzen. Einen solch großartigen Fernwanderweg direkt vor der Haustüre zu haben ist einfach eine super Sache, der HW 1 braucht sich vor keinem Wanderweg in Deutschland verstecken, ganz im Gegenteil!

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