Wir sind angekommen. Es ist der zweite Advent, draußen fällt fieser Nieselregen, der Wind weht die dicken Regentropfen ans Fenster, im Freien möchte man gerade nicht sein. Wir sind nun schon eine Weile zurück in Deutschland, aber zu Hause war zumindest ich dabei irgendwie bisher kaum, erst langsam finde ich meinen, finden wir unseren Platz.

Der Begriff „zu Hause“ definiert sich gerade für uns zusammen vollkommen neu. Schon komisch, ich denke immer noch auf Tour zu sein, komme erst langsam an, der Kopf hängt dem Körper um einige Zeit hinterher. Auf der einen Seite ist die Tour schon so unendlich weit weg, auf der anderen Seite ist alles noch ganz nah und präsent.

Keine Ahnung wie oft ich in diesem Jahr an einem anderen Ort geschlafen habe, aber weit über 100 verschiedene Orte werden es sicher gewesen sein, richtig zur Ruhe kommt man dabei kaum. Nach der Rückkehr vom Nordkap war ich direkt auf Vortragstour und das war einfach richtig cool! Zwar habe ich bei diesen Vorträgen noch von der Norge på langs Wanderung 2013 berichtet (da die neue Tour noch zu frisch war), aber die Rückmeldungen dazu waren durch die Bank unglaublich positiv! Es macht mir unfassbar große Freude, die Zuhörer abzuholen und nach Norwegen mitzunehmen. Was für eine Ehre und was für ein wahnsinniges Gefühl auf der Bühne zu stehen, zu erzählen und diesen Zuspruch zu erfahren!

Aber das Gefühl anzukommen hatte ich während der Fahrten zu den Veranstaltungsorten kreuz und quer durch die Republik nicht, ich war des Reisens zum Schluss etwas müde, der Kopf kam nicht mehr hinterher. Am Ende war ich echt froh, als ich endlich in Dresden ankam. Anni hatte da schon einen kleinen Vorsprung, war sie doch quasi direkt in Dresden gelandet, während ich noch unterwegs war.

Herzlich willkommen im Elbflorenz

Wir hatten schon vor der Tour festgelegt, dass wir in Dresden erst einmal unsere Zelte aufschlagen wollen. Viele Argumente sprachen dafür, Freunde und die Familie von Anni sind hier und die Aussicht wieder einen geregelten Alltag mit Arbeit zu haben, schien hier am erfolgsversprechendsten zu sein.

Und ganz genau so war es auch, Anni hat die Zeit hier sofort genutzt und hat direkt einen Job als Globetrotter gefunden, passender geht es wohl kaum. Und auch bei mir tut sich etwas, die Arbeit ruft immer lauter und spätestens im neuen Jahr hat mich die Arbeitswelt sicher wieder.

Ich will gerne wieder arbeiten und mich engagiert auf der Arbeit einbringen, gar keine Frage. Warum auch nicht, denn wenn man sich als Abenteuer- oder Vortrags-Profi etablieren möchte, dann muss man in meinen Augen zu viele Kompromisse an allen möglichen Ecken eingehen, um im monetären Sinne einigermaßen erfolgreich zu sein, ansonsten funktioniert das ganze leider zumeist eher schlecht als recht. Mit dem Reisen und Abenteuern sein Geld zu verdienen und ein einigermaßen gutes Auskommen zu haben, ist schwerer als man denkt. Ich hab mit vielen Leuten darüber gesprochen, selbst viele Erfahrungen gemacht und viel darüber nachgedacht – mein Weg ist das nicht. Zudem möchte ich mir auf Reisen und auch bei den Vorträgen diese Neugier und auch diese Romantik bewahren, die schnell flöten geht, wenn man als „Profi“ unterwegs ist. Nur unterwegs sein um des Unterwegsseins Willen ist einfach nicht meins. Ich will die Vorfreude und Aufregung spüren, wenn es wieder los geht, egal ob ins Abenteuer oder auf die Bühne bei einen neuen Vortrag.

Wir sind also in Dresden angekommen. Es läuft alles so, wie wir es uns vorgestellt haben. Die Unterstützung von allen Seiten ist großartig und wir freuen uns sehr, dass wir hier einen wunderbaren Ort vorgefunden haben, um an- und runterzukommen.Aber dennoch ist der Kopf noch ständig unterwegs. Erst langsam kommt Grund in alles hinein, wir haben uns eingerichtet und wir haben alle rein praktischen Dinge erledigt, die so angefallen sind oder auch im Laufe der Zeit von Ende Mai bis Ende Oktober dieses Jahres aufgrund der Tour liegen geblieben sind. Die Listen werden kürzer und alle möglichen Dinge regeln sich, ein gutes Gefühl nach all der Arbeit der letzten Tage. Erste Termine für neue Vorträge sind eingetütet und auch das eine oder andere spannende Abenteuer zeichnet sich zaghaft am Horizont ab.

Während der Tour war alles so einfach: Schlafen, essen, wandern, essen, schlafen und das ganze 132 Tage lang. Kaum ist man zurück in der „normalen“ Welt, ist alles auf einmal so unendlich kompliziert geworden, und sei es nur die unendliche Auswahl im Supermarkt. Von der Hektik und dem vorweihnachtlichen Trubel um einen herum in der Stadt will ich gar nicht erst anfangen.

Man muss sich seinen Platz suchen, ständig Entscheidungen treffen, die teilweise kleinere, aber auch größere Auswirkungen haben. Selbst kleine Dinge können zum Erfolg des großen Ganzen beitragen und müssen mit in Betracht gezogen werden, das macht die Sache aber auch nicht einfacher.

Es fällt mitunter schwer, den Überblick zu behalten, wie schön wäre da eine Lebenskarte von der Stange, auf der man nur dem eingezeichneten Weg folgen muss, den sich irgendjemand ausgedacht hat und der erfolgsversprechend zu sein scheint. Aber hei, so läuft das nicht, jedenfalls nicht bei uns. Wir tasten uns langsam vor, wollen unsere Karte selbst zeichnen und unseren Weg selbst finden und aussuchen. Das ist manchmal nicht ganz so einfach wie der gerade Lebensentwurf und Karriereplan, der so manchen umtreibt oder der einem manchmal auch von außen auferlegt wird.

Wir gehen vielleicht so manchen Umweg, aber das machen wir gerne. Wir machen es uns oft nicht einfach, aber das machen wir gerne, denn nur so kann man herausfinden, was einen am Ende wirklich glücklich und zufrieden macht. Man muss manchmal etwas wagen und einiges investieren, um langfristig erfolgreich und vor allem glücklich zu sein. Man muss sich ehrlich hinterfragen und ehrlich zu sich selbst sein, um dauerhaft einen Weg zu finden, der einen erfolgreich macht, persönlich und auch zusammen mit Freuden und vor allem auch dem Partner.

Die Entscheidung im Mai von der schnurgeraden Autobahn abzubiegen und auf die kurvige Landstraße des Lebens einzubiegen, war sicher nicht leicht, aber für uns genau richtig. Manchmal ist es nicht so wichtig, möglichst schnell ans Ziel zu kommen, viel wichtiger ist es doch, auf möglichst schönen Wegen dorthin zu gelangen, auch wenn die Kurven und Auf- und Abs oft anstrengend sind. Aber wer weiß am Ende schon, wann das Ziel in Sicht kommt. Da ist der schönere Weg doch die bessere Wahl.

Ab und zu gibt es dann auf der Landstraße auch Umleitungen, Baustellen und manchmal biegt man unterwegs sogar kurz falsch ab, weil man sich eben noch nicht so gut auskennt, aber am Ende kommt man auf diese Weise doch nicht so abgehetzt und so ausgelaugt ans Ziel wie auf der Autobahn. Man kann auch auf der Landstraße einfach mal gefahrlos anhalten und aussteigen, muss nicht auf extra dafür eingerichtete Parkplätze warten, die zumeist eh nur überfüllt und zu teuer sind.

Zwei Spinner in Richtung Wilder Mann

Dass der Weg das eigentliche Ziel ist, das ist nur eine der Erkenntnisse unserer Wanderung, aber das ist im Grunde jedem klar, der schon einmal richtig gereist ist, also nicht nur im Urlaub war. Wir wollen ankommen, ja, das stimmt, aber nicht möglichst schnell und möglichst nicht von Zwängen von außen getrieben. Seine Träume zu leben, die Konjunktive zu verbannen, um herauszufinden, was man möchte und wohin die Reise am Ende geht, das ist oft gerade am Anfang, wenn man den ersten Schritt tun muss, nicht leicht, aber es lohnt sich. Ganz egal wann man den Schritt wagt, es ist nie zu spät dafür. Klar ist aber auch, dass die Leitplanken der Autobahn dem einen oder anderen auch Sicherheit geben und vermitteln, gar keine Frage. Wer sich auf der Autobahn des Lebens wohl fühlt, dem will ich auch gar nicht abraten, davon abzubiegen. Aber auch die Autobahn ist nicht frei von Risiken, auch wenn alle Autos nur in die gleiche Richtung zu fahren scheinen.

Wenn wir uns von unserer neuen Heimat doch einmal wieder auf die Autobahn begeben müssen, weil wir aufbrechen in kleinere und auch größere Abenteuer, so heißt unsere Autobahn-Auffahrt „Wilder Mann“ – viel passender hätte es für mich irgendwie gar nicht kommen können. Ich fahre jedes Mal mit einem Lächeln ab von der Autobahn an dieser Anschlussstelle. Auch die Straßenbahn zu unserem neuen Zuhause trägt diesen Namen im Display, so einfach kann es manchmal sein, den richtigen Weg zu finden. Ein „wilder“ Mann und eine „wilde“ Frau in Dresden, die spinnen doch.

Das Leben ist wild, gar keine Frage, manchmal tun da Leitplanken und Schienen gut, aber ob man nur so ans Ziel kommt?

Lass dein altes Leben hinter dir,
und geh durch diese neue Tür!
Das geht raus an alle Spinner,
denn sie sind die Gewinner!
Wir kennen keine Limits,
ab Heute – für immer!

Das geht raus an alle Spinner!
Weil alles ohne Sinn wär,
ohne Spinner wie dich und mich!

(Revolverheld – Spinner)

Der erste Schritt ist der Wichtigste und dann geht man einfach los, die Belohnung wartet!

Es hat sich für uns sehr gelohnt, mit Plan ins kalte Wasser zu springen. Jetzt müssen wir nur noch irgendwie irgendwann irgendwo ankommen. Wir sind auf einem guten Weg, aber ein bisschen müssen wir noch gehen und ausprobieren.

2 Kommentare

  1. Es ist immer gut loszulasen und es ist dann aber auch immer gut, wieder anzukommen, ob im Alltag oder bei Freunden. Ich drücke Dir alle Daumen, dass es eine schöne Zeit im neuen Heim wird. Und wenn es wieder Zeit wird zu gehen, wird es auch dafür wieder den richtigen Moment geben! Mir hat Deine Reise sehr gut gefallen und hat mir viele Ideen für eigene Touren gegeben. Auch wenn meine Reisewaage von den Drohnenbildern im eigenen Rucksack erst noch überzeugt werden muss 😉

  2. Herzlich willkommen in Dresden. Dein Buch hab ich schon mehrfach gelesen und verschenkt. Und Euern Blog dieses Jahr hab ich mit Freude gelesen. Und nun sind wir fast Nachbarn. Ich wünsche Euch einen guten Start. Viele Grüsse Eva

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