Archiv

April 2018

Browsing

Direkt am Wochenende nach der langen letzten HW1 Etappe ziehen wir wieder los. Diesmal nur als Tagestour, aber das tut dem Wanderspaß keinen Abbruch, ganz im Gegenteil. Die gute Anbindung mit den Öffentlichen macht uns die Anreise bei strahlendem Wetter ziemlich einfach. Wir lassen unser Auto in Metzingen am Bahnhof stehen, nutzen für die Hinfahrt den Zug und wollen am Abend mit dem Bus zurück sein. Alles ganz bequem und ohne Stress – besser geht’s nicht.

Der Zug verlässt pünktlich den Bahnhof und bringt uns rasch nach Bad Urach, mit uns sind am frühen Sonntag morgen nur einige versprengte Partypeople, die wohl aus Stuttgart kommen und zurück in die Heimat fahren. Waren wir früher auch mal so drauf? Ich kann mich wirklich nicht mehr daran erinnern.

Als wir den Zug verlassen stehen wir im Grunde schon mitten in Bad Urach, die ersten Wanderschilder sind schnell erkannt. Es gibt hier zahlreiche Wanderwege mit den entsprechenden Übersichtskarten, man merkt, dass man hier in einer Kurregion ist. Die Tourismus-Verantwortlichen haben sich viel Mühe bei der Beschilderung gegeben.

Wir folgen also den HW1 Schildern und gelangen bald schon hinaus aus dem Städtchen. Der Weg wird uns von nun an bergan in Richtung des Dörfchens Hülben führen. Der Anstieg ist gemächlich, lässt sich gut gehen und bietet einen herrlichen Ausblick zurück auf das morgendliche Bad Urach.

Nun geht es erstmal in den frühlingshaft lichten Laubwald, den es hier am Albtrauf oft gibt. Mitten auf einem Holzstoß sitzt jemand und scheint auf etwas zu warten oder Pause zu machen. Wir nähern uns ihm und dann gibt es erstmal ein großes Hallo!

Von Jotunheimen hin zum Albtrauf

Was für eine Überraschung! Es ist Peter, den ich im Herbst 2016 zusammen mit seinem Sohn auf der Olavsbu Hütte getroffen habe. Er wohnt in Hülben und ich hatte ihm geschrieben, dass wir heute auf dem HW1 durch Hülben laufen – und nun sitzt er hier einfach im Wald auf einem Holzpolter und hat auf uns gewartet! Wie cool!

Überaus cool ist die Geschichte, wie wir uns damals getroffen haben. Zusammen mit meiner Freundin Anni und meiner guten Freundin Johanna waren wir damals auf einer Kurztour im Fjell, wir wollten von Fondsbu / Eidsbugarden aus zum Fjellfilmfestival nach Gjendesheim wandern und in der Olavsbu Hütte übernachten. Die große Hütte war relativ voll, als wir ankamen. In der Stube saßen wir bei einer Dose Ananas am Esstisch, als Johanna zu mir sagte: „Mensch Simon, wie hast du das mit dem großen Gepäck bloß 140 Tage lang so ausgehalten? Ich fand das heute schon mega anstrengend!“, es war Johannas erste richtige Fjelltour in Norwegen. Am Tisch saßen damals Peter und sein Sohn Fabian, sie blickten ungläubig von ihren E-Book Readern auf und guckten uns fassungslos an: Beide lasen gerade mein Buch und erkannten jetzt, dass der Autor direkt neben ihnen stand!

Was für ein cooler Zufall und wir kamen direkt ins Gespräch, quatschen noch lange über alles mögliche. Am nächsten Morgen frühstückten wir noch gemeinsam und brachen alle auf in Richtung Gjendebu Hütte, wo wir die Fähre über den Gjende-See nahmen. Da Peter mit seiner Familie so wie ich im Ländle lebt, trafen wir uns nach der Tour auch zurück in Deutschland bei meinem Vortrag in Tübingen.

An diesem wunderbaren Frühlingstag treffen wir uns also wieder, sitzen kurz darauf bei Kaffee und Kuchen bei Peter im Wohnzimmer und erzählen uns gegenseitig von unseren vergangenen Touren und Plänen für dieses Jahr. Die Überraschung ist groß, als wir berichten für eine längere Wanderung nach Norwegen zu gehen.

Die Pause bei Peter fällt länger aus als gedacht, aber schön ist es, sich so entspannt über das gemeinsame Hobby auszutauschen. Wir verabschieden uns und versprechen, uns zu melden wenn wir wieder in der Nähe sind! Das machen wir ganz bestimmt!

Von Hülben aus geht es kurz entlang der Hauptstraße, bevor wir abbiegen in Richtung des örtlichen Segelflugplatzes. Hier ist heute richtig was los, von Weitem schon hört man Blasmusik und als wir uns weiter nähern, entdecken wir auch einen Bierausschank.

Flieger, grüß mir die Sonne!

Oh man, jetzt hier einfach entspannt in der Sonne sitzen und ein kühles Blondes zischen wäre jetzt nicht schlecht, aber so weit sind wir heute noch nicht gekommen. Es geht also weiter für uns, aber den Start eines Segelfliegers mit Hilfe der Motorwinde lassen wir uns nicht entgehen. Das sieht schon cool aus, wie schnell die Flugzeuge beschleunigen und wie rasch sie mit Hilfe der Winde in die Höhe katapultiert werden.

Weiter geht es ein Stückchen parallel auf dem Gustav-Strömfeld-Weg, der noch lichte Laubwald bietet etwas Schutz vor der nun schon sehr prallen Sonne. Am Boden finden wir mitunter große Flächen mit Bärlauch, die einen angenehmen Duft verbreiten. Warum zahlen die Leute im Supermarkt eigentlich viel Geld für dieses Kraut, wenn es im Frühjahr im Wald so unglaublich viel davon umsonst gibt?

Wir überqueren die Landstraße an der Neuffener Albsteige und stehen alsbald an der sogenannten Brille, einem Aussichtspunkt mit Ausblick auf die Burg Hohenneuffen. Wir lassen die Burg aber heute links liegen, wir waren schon mehrfach dort und heute steppt dort der Bär, der Parkplatz in der Nähe der Burg ist proppenvoll.

Der HW1 folgt an dieser Stelle wieder dem Albtrauf und wir entscheiden uns für eine Pause am Gleitschirmstartplatz Neuffen. Hier stehen schon einige andere Wanderer und sehen gebannt den Wagemutigen zu, wie sie sich mit ihren Gleitschirmen von hier aus in die Luft begeben. Auch einen Tandemstart können wir beobachten – ob wir selbst auch so mutig wären?


Den Abschnitt nun nach Erkenbrechtsweiler und weiter nach Owen kennen wir bereits von einer vorherigen Wanderung, aber das macht nichts, denn er ist gut zu gehen und bietet gerade am Ende einen wahnsinnigen Ausblick über das Albvorland. Und so geht es für uns schon an den Endspurt, auch wenn wir uns dafür reichlich Zeit nehmen. Gemütlich laufen wir durchs Dorf und verschwinden dann wieder im lichtdurchfluteten Wald. Die Stimmungen im Laubwald zu dieser Jahreszeit sind so cool, wenn die Lichtstrahlen sich durch das noch leicht kahle Astwerk ihren Weg bahnen.

Der schönste Fernwanderweg Deutschlands?

Am Brucker Fels ist die Aussicht bis hinüber zur Burg Teck einfach der Wahnsinn! Diese Ausblicke, die sich einem auf dem HW1 immer wieder bieten, machen den Fernwanderweg zu etwas ganz besonderem, vielleicht sogar zum schönsten Fernwanderweg in ganz Deutschland!

Die Aussicht hier ist so schön, dass gleichzeitig mit uns eine größere Gruppe anderer Wanderer dort ist, was ja zu erwarten war.

Das Tagesziel liegt nun bereits zu unseren Füßen, der Ort Owen wird heute der Endpunkt sein. Der Abstieg hinab geht schnell, der Weg ist teilweise ziemlich steil. Unten angelangt empfängt uns mal wieder duftender Bärlauch, langsam bekommen wir davon Hunger auf etwas Deftiges zu essen.

Durch blühende Wiesen führt uns der von Streuobstbäumen gesäumte Weg nun nach Owen. Der Ort ist sicher unter der Woche ruhiger als am Wochenende, wenn sich hier Touristenmassen mit laut knatternden Motorrädern und Autoschlangen hindurchwälzen, um zur weithin bekannten Burg Teck zu gelangen.

Unser Timing ist richtig gut, am Bahnhof angelangt können wir nach wenigen Minuten den Bus besteigen, der uns mit einem Umstieg in Neuffen zurück nach Metzingen zu unserem heutigen Ausgangspunkt bringt. Wir belohnen uns in Metzingen mit einem leckeren Eisbecher und machen uns dann auf nach Hause, eine weitere wunderbare Etappe auf dem HW1 liegt hinter uns!

„Wir wollen kündigen!“ Mit diesen drei Worten vor gar nicht allzu langer Zeit war endgültig klar, was uns schon seit längerem im Kopf herum schwirrte: Wir gehen zusammen auf große Tour!

Zu zweit wollen wir gemeinsam lange wandern gehen. Und zwar ohne Wenn und ohne Aber, ohne Netz und ohne doppelten Boden. Die Jobs sind gekündigt, die Wohnung auch – fünf Monate Norwegen liegen vor uns! Was für Aussichten!

Nach meinem Vortrag am 24. Mai in Hagen werden wir nach Norwegen aufbrechen, um dann um den 1. Juni herum zu starten, um vom Kap Lindesnes aus Norwegen zu Fuss zu durchwandern. Wir werden dazu viel Zeit haben und uns auch die Zeit nehmen, denn wenn ich eines weiß ist, dass es nicht darauf ankommt, möglichst schnell am Ziel zu sein, sondern auf dem Weg zum Ziel möglichst viel Zeit zu verbringen! Denn diese norwegische turglede gehört für uns einfach dazu!

Aber warum „wieder“ durch Norwegen? Warum nicht etwas anderes? Na warum denn nicht, können wir da nur antworten! Weil es einfach unglaublich schön ist, zusammen durch „unser“ Land zu wandern, weil gemeinsam alles anders ist und weil jede Tour immer unterschiedlich und niemals gleich ist. Insbesondere in einer Region, die von den unterschiedlichen Jahreszeiten dermaßen geprägt ist, wie Norwegen. Es gibt dort so viel zu entdecken, so wunderbare Menschen zu treffen und so viel zu erleben – wir freuen uns einfach wahnsinnig darauf!

Der Wunsch nach #turglede wächst und wächst

Mit jedem Vortrag und mit jeder neuen kleinen Tour kam der Wunsch auf, wieder diese großartige Freiheit zu erleben, die man erlebt, wenn man länger raus aus dem Alltag ist und hinein ins Abenteuer startet. Und so geht es nicht nur mir, sondern auch meiner Freundin Anni. Spätestens als wir uns im letzten Jahr im Narvik-Fjell trafen, Anni kam gerade von einer längeren Solotour und ich von meinem Ausflug zur OAS auf den Lofoten, war klar, der Schreibtisch ist uns auf Dauer nicht genug.

Mein Wunsch wieder aufzubrechen war nie weg, im Gegenteil, er wuchs von Tag zu Tag. Bereits damals am Nordkap war ich traurig, dass es erstmal nicht für mich weiter ging, sondern wieder der normale Alltag auf mich wartete. Was in den letzten Jahren dann passiert ist, ist für mich immer noch schwer zu begreifen, schwer in Worte zu fassen. Das große Interesse an meiner Tour von damals, die Entstehung des Buches und auch die Vorträge, die immer zahlreicher werden, sind für mich einfach unglaublich.

Bei jedem meiner Vorträge stehe ich irgendwann mitten im Vortrag einfach nur kurz da, schaue ins Publikum und muss mich kneifen, so unwirklich ist es für mich, dass an solchen Abenden oder Tagen teilweise einige hundert Leute kommen, mitunter  von weit her extra angereist, um mit mir nach Norwegen zu kommen, meine Geschichte zu hören. Erst letzte Woche in Heilbronn kam nach dem Vortrag eine Frau zu mir, die extra aus Berlin zu meinem Vortrag gekommen war, in Erlangen war eine komplette Familie aus München angereist, um sich meinen Vortrag anzuhören. Wie krass ist das denn?

Ein Vorbild für andere?

Auch die vielen, vielen positiven Rückmeldungen, die ich per E-Mail bekomme, sind einfach der Wahnsinn und lassen mich oft staunen, bei manchen E-Mails muss ich gar schlucken und habe beim Lesen einen dicken Kloß im Hals.

Ein Beispiel: Eines Tages bekam ich eine E-Mail von einer jungen Frau, die per Zufall mein Buch geschenkt bekommen hatte. Sie las es und kam zu der Stelle, an der ich im Saltfjell den Polarkreis überquere. Genau dort steckte ein Schwert im Boden, an dem eine Plakette mit einem Namen befestigt war, dazu ein Eintrag im Hüttenbuch der nahen kleinen Wetterschutzhütte. Darin wurde berichtet, dass an dieser Stelle die Asche eines jungen Mannes verstreut wurde, da dies sein Lieblingsplatz in Skandinavien gewesen ist. Diese Episode hatte mich damals sehr beschäftigt und hing mir noch lange nach. Und nun bekam ich eine E-Mail von der Ehefrau dieses jungen Mannes und hörte die ganze Geschichte und die Umstände, die dazu führten, dass die Asche dort verstreut worden ist. Wie muss es ihr wohl ergangen sein, als sie ohne jegliche Vorwarnung davon in meinem Buch las? Ich saß sprachlos vor dem Computer und mir liefen die Tränen herunter. Wie kurz kann das Leben sein? Von jetzt auf gleich kann es vorbei sein! 

Von jetzt auf gleich kann alles anders sein

Und auch so wurde mir immer wieder vor Augen geführt, wie schnell es oft gehen kann, wie schnell eine tückische Krankheit plötzlich auf der Matte stehen kann, auf die man so gar nicht vorbereitet war oder ist. Manchmal geht es dabei gut aus, manchmal aber auch leider nicht. Und oft trifft es dabei ausgerechnet die Leute, die sich für andere aufopfern, immer für andere da sind, und sich selbst nicht für wichtig nehmen, obwohl genau sie die stärksten und wichtigsten Personen überhaupt sind. Man muss einfach seine Zeit nutzen, die Konjunktive streichen und nicht auf irgendwann warten.

Auch dass sich immer wieder Leute bei mir melden, die durch mein Buch und meine Geschichte auf den Trichter gekommen sind, eine Auszeit zu nehmen und aufzubrechen, ist mir eine große Ehre. Ich wollte doch damals auch nur los, aufbrechen und eine gute Zeit haben. Dass ich damit andere inspirieren kann, es mir gleichzutun, ist einfach nur der Wahnsinn. Und als ich vor Weihnachten auch noch einen klassischen Brief meiner Grundschullehrerin bekam, war ich einfach nur glücklich und zufrieden. Ich denke in der Grundschule und auch später am Gymnasium hätten sicher alle Lehrer aus gutem Grund nicht im Geringsten daran gedacht, dass ausgerechnet ich irgendwann einmal ein Buch schreiben werde!

Ich tauge ganz sicher nicht zum großen Vorbild, bin ganz sicher nicht der große Abenteurer und habe tausend Macken, die ich mit mir herumschleppe – aber andere Menschen ein Stück weit mit seinem eigenen Handeln zu inspirieren und zu berühren, ist für mich wirklich unglaublich und zugleich aber auch total erfüllend.

Wie alles begann oder es kommt immer alles anders

Nach meiner damaligen Tour kehrte ich dann irgendwann auch wieder an einen Schreibtisch zurück. Dieser steht noch bis zum 09. Mai in der Nähe von Tübingen in einem großen Büro. Und wie das Leben manchmal so spielt, lernt man dann dort eines Tages einander besser kennen und der eine Kollege ist einem lieber, als der andere. Manchmal auch die Kollegin vom Schreibtisch gegenüber und dann merkt man irgendwann auch, zusammen durchs Leben zu wandern, das wäre jetzt nicht das Schlechteste aller Dinge, vor allem wenn beide so gerne nach Skandinavien reisen und beide den Nordlandvirus tief in sich tragen.

So nahm alles seinen Anfang und seitdem erleben wir viele Abenteuer gemeinsam – große und kleine, was halt so anfällt, wenn man sich entschieden hat, einen gemeinsamen Weg einzuschlagen. Ab und an brechen wir auch alleine auf, der eine verfolgt dann gebannt aus der Entfernung, wie es dem anderen bei seinen Touren ergeht. Als ich vier Tage lang über Ostern im Zelt auf Wintertour auf dem Jostedalsbreen saß, ebenso wie als Anni loszog, um alleine den Nordkalottleden unter die Füße zu nehmen oder von Sulitjelma aus ins Narvikfjell zu laufen. Man fiebert mit, drückt dem anderen alle verfügbaren Daumen und ist am Ende unendlich glücklich, wenn man einander wieder zu Hause in die Arme schließen kann. Sich hinterher von den Erlebnissen zu berichten und froh zu sein, dass der andere die jeweiligen Herausforderungen unbeschadet überstanden hat, ist einfach unbezahlbar!

Zu zweit macht alles doppelt so viel Spaß

Wenn wir gemeinsam auf Tour sind, haben wir schnell gemerkt, dass wir dabei ähnlich ticken, uns ähnliche Dinge wichtig sind und wir einen ähnlichen Stil haben. Uns fällt es nicht schwer, in die selbe Richtung zu gehen und Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Dabei lassen wir uns aufeinander ein, ziehen am selben Strang im selben Tempo. Es ist ein großes Geschenk, dass wir dies miteinander teilen und auf Tour zusammen so gut klar kommen, denn unterwegs lernt man sich erst richtig kennen, in einem kleinen Zelt ist nicht viel Platz, um sich und seine Macken zu verstecken. Aber dass wir miteinander unterwegs gut miteinander auskommen würden, das stellte sich schon auf unserer ersten gemeinsamen Tour in Dänemark heraus, als wir spontan beschlossen, den Jahreswechsel irgendwo an der Nordseeküste Jütlands zu verbringen.

Natürlich erzählte ich Anni auch immer wieder von meiner Norge på langs Wanderung, denn dies ist nun mal ein wichtiger Teil meines Lebens. Zwangsläufig bekam sie natürlich auch viel mit, was ich an E-Mails, Nachrichten und Zuspruch erhielt, sie unterstützt mich wo es nur ging bei Vorträgen und allem anderen, steuert eigene Fotos zu Magazin- oder Blog-Artikeln bei.

Wenn man gemeinsam durchs Leben geht, dann redet man natürlich auch über die Wege, für die man sich irgendwann entscheiden muss, um voran zu kommen. Für uns war dabei immer wichtig, dass wir vor allem leben wollen. Klar unterliegt auch unser Alltag gewissen Zwängen und Verpflichtungen, aber ein möglichst großes Haus oder ein möglichst teures Auto waren und sind dabei nie unser Ziel. Als Anni mir mit leuchtenden von den Reisen ihrer Mutter erzählte, die viele Jahre zusammen mit ihrem Freund um die Welt gesegelt ist und sie sich für sich selbst so etwas auch vorstellen konnte, war mir klar, so eine lange gemeinsame Reise möchte ich mit ihr auch irgendwann einmal machen, sollten die Rahmenbedingungen für uns passen.

Vor meiner ersten großen Tour war ich stets auf der Suche nach jemandem, der mich eventuell auf dieser once-in-a-lifetime Wanderung begleiten würde. Wer mein Buch gelesen hat, der wird schon auf der ersten Seite verstehen, dass das zum einen manchmal nicht so einfach ist und bei mir damals auch nicht geklappt habt, obwohl es immer mein großer Traum war. Man kann es einfach nicht erzwingen, und umso mehr man es erzwingen will, umso weniger klappt es oft, großer Traum hin oder her. Die Realität sieht manchmal halt anders aus, das Leben hält andere Pläne für einen bereit.

Und dann findet man das Glück genau dort, wo man es so gar nicht erwartet hat, das Leben ist verrückt und voller Überraschungen. Irgendwann standen wir auf unserer ganz persönlichen Wanderung vor der Entscheidung, welchen Weg wir einschlagen wollen. Wir unterhielten uns über das Für und Wider der einzelnen Wege, sponnen unterschiedliche Varianten und Möglichkeiten, durchdachten die Karten, die auf dem Tisch lagen. Unser Weg soll ja möglichst lang sein, daher nahmen wir uns die Zeit, die wir brauchten, um eine Entscheidung zu treffen, hinter der wir zu 100 Prozent stehen.

Umso öfter wir über die Idee einer gemeinsamen Norge på langs Wanderung sprachen, desto größer wurde der Wunsch, es wirklich zu machen. Aus der Erfahrung heraus weiß ich, sobald man darüber spricht, ist es bis zum endgültigen Schritt eigentlich nicht mehr wirklich weit. Der Gedanke daran muss sich manifestieren und man muss sich langsam auf die Herausforderungen einstellen, die einem bei solch einem Sprung ins kalte Wasser ganz sicher bevorstehen. Denn schnell war uns klar, dass wir das große Abenteuer statt der vermeintlichen Sicherheit wählen wollen. All in!

Die Arschbombe ins Glück!

Als wir unsere ganz persönliche Entscheidung getroffen hatten, sprachen wir mit Freunden und Familie, denn deren Meinung ist uns sehr wichtig. Die Rückmeldungen zu unseren Plänen waren durch die Bank überragend positiv, mitunter gar euphorisch, wir erfuhren großen Zuspruch und alle erdenkliche Unterstützung! Wow! Damit hatten wir nicht unbedingt gerechnet, aber insgeheim darauf gehofft. Der Kreis derer, die von unseren Plänen erfuhren wurde größer, wir hielten den Ball aber immer noch flach. Spätestens aber als wir vom Fernwandern Camp an der Rossmühle zurückfuhren, hatten sich letzte Zweifel zerstreut, denn auch dort war der Zuspruch von den eingeweihten Freunden unglaublich groß.

Die letzten Monate waren geprägt von Vorfreude und Planungen, vielen Planungen. Wir haben alles vorbereitet, die Wanderung und auch den Absprung von Job und Wohnung, alles fügt sich nach und nach zu einem großen Ganzen, das Bild nimmt formen an, unser großer Wunsch scheint aufzugehen. Die Unterstützung von allen Seiten ist wahnsinnig groß, alle unterstützen uns nach Kräften, wir können auf Familie, Freunde und auch meine Partner zählen – das macht uns unglaublich stolz und froh, hilft uns ungemein. Die Zeit vergeht im Fluge, die Tage rasen und bald schon ist es soweit, der letzte Arbeitstag und der Umzug ins Glück stehen auf dem Programm. Wie wir uns darauf freuen endlich loszuziehen, auch wenn noch viele, viele Dinge erledigt werden wollen. Aber umso kürzer die Liste wird, desto mehr wächst die Vorfreude!

Sicher wird nicht alles einfach werden, sondern auch viel harte Arbeit steht uns ganz sicher bevor. Wir wissen aber beide von unseren Touren und auch aus dem Alltag zu Hause, was auf uns zukommen wird. Bei der Vorbereitung haben uns auch Andrea und Ole sehr inspiriert, die im letzten Jahr eine super Tour hingelegt haben, und an den Herausforderungen unterwegs enorm gewachsen sind. Wir wollen auch aufeinander so wunderbar aufpassen, wie sie es getan haben! Lasst uns gemeinsam durch Norwegen wandern!

‚Cause love is free and life is cheap,
and as long as I’ve got me a place to sleep,
some clothes on my back and some food to eat,
then I can’t ask for anything more!

(Frank Turner in „If ever I stray“)

Endlich kann ich die Frage am Ende meiner Vorträge, wann es wieder losgeht zu einer großen Tour, mit großer Vorfreude beantworten: Am 26. Mai ist es soweit, nach Norwegen wird es gehen, um unsere gemeinsamen Träume zu leben!

Ostern steht vor der Tür und damit die Frage, was unternehmen wir an diesem langen Wochenende? Nach einigem Hin und Her rückt schnell wieder der HW1 am Nordrand der Schwäbischen Alb in den Fokus, den wir ja im letzten Jahr bereits etappenweise in Angriff genommen hatten. Wir kramen die Landkarte hervor, sehen uns mögliche Etappen an und nehmen uns vor, vom Endpunkt unserer letzten Etappe in Jungingen bis ungefähr nach Bad Urach zu laufen.

Ungefähr 70 Kilometer in drei Tagen wären das, also recht entspannt, die Tage werden ja auch gerade wieder länger. Da wir  ganz in der Nähe wohnen, können wir ja bei sehr schlechtem Wetter auch ohne Probleme abbrechen bzw. unsere Tour auch variieren, die guten Verbindungen mit Bus und Bahn machen es möglich. Gesagt getan. Die Wettervorhersage ist auch nicht schlecht und so erledigen wir noch letzte Besorgungen.

HW1 statt Hardangervidda – unsere Påsketur auf der Schwäbischen Alb

Am Gründonnerstag geht der Arbeitstag flott von der Hand und um kurz nach 16 Uhr besteigen wir den Zug Richtung Ausgangspunkt. Wir steigen zwei Mal um und sind trotzdem innerhalb von etwas mehr als einer Stunde bereits da, wo es diesmal für uns losgehen soll.

Die Rucksäcke sind noch recht voll mit Leckereien und etwas schwer, den Feiertagen sei Dank, als wir den ersten Schildern des HW1 durch den kleinen Ort Jungingen folgen. Wie immer ist der Start am Albtrauf auch mit einigen Höhenmetern verbunden, denn will man die herrlichen Aussichten hier genießen, muss man sich diese erstmal gewissermaßen verdienen. Also nichts wie los!Wir lassen das spätnachmittagliche Jungingen hinter uns und steigen durch das Naturschutzgebiet Bürgele immer weiter auf. Der Schweiß fließt mittlerweile in Strömen, der Weg wird steiler und wir halten immer mal wieder inne, um ins Killertal zu blicken. Woher dieser Name stammt, keine Ahnung, Gedanken darüber will ich mir lieber nicht machen.

Der Aufstieg ist bald darauf geschafft, der Wald um uns herum wird nun vom warmen Abendlicht durchflutet. Wir treffen nur noch ganz vereinzelt andere Leute, bald darauf sind wir ganz allein unterwegs. Am Aussichtspunkt Köhlberg erhaschen wir noch die letzten Sonnenstrahlen, die die Burg Hohenzollern spektakulär in Szene setzen.

Kurz darauf geht es weiter und wir suchen uns ein Plätzchen für die Nacht, die kurz darauf langsam einbricht. Nach einiger Zeit steht der Mond bald voll über uns, und taucht die Umgebung in eine spannende Umgebung.

In der Ferne leuchten die Lichter der nächsten Ortschaft und wir bereiten uns ein leckeres Abendessen zu. Der Auftakt dieser Etappe war ja bereits überaus vielversprechend, schauen wir mal, was der Tag morgen für uns bringen wird.

Ein Sonnenaufgang wie aus dem Oster-Bilderbuch

Die Zeltplatzwahl erweist sich als überaus geschickt, den wir werden am Morgen von den ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages geweckt. Über Nacht gab es noch Frost, aber nun steigt die Sonne immer höher an den Horizont und dabei steigt auch die Temperatur im Zelt. Das Frühstück und den ersten Kaffe des Tages nehmen wir entsprechend zufrieden ein, mit wärmenden Sonnenstrahlen im Gesicht fällt einem doch alles ein wenig leichter.

Kurz darauf geht es für uns zurück auf den Trail bzw. den HW1. Als Tagesziel haben wir uns das etwa 25 Kilometer entfernte Wanderheim auf dem Rossberg gesetzt, es warten einige Höhenmeter auf uns. Der Weg folgt wieder dem Albtrauf, durch den lichten Laubwald kommen wir gut voran.

Bald darauf erreichen wir auch schon den Dreifürstenstein, einen großartigen Aussichtspunkt, an dem sich der Sage nach die Fürsten von Württemberg, Hohenzollern und Fürstenberg einst zu Verhandlungen trafen, denn an diesem Punkt trafen sich alle drei Fürstentümer. Wie dem auch sei, der Platz für ihre Verhandlungen war wirklich gut, und so genehmigen wir uns bei der Aussicht eine längere Pause.

Bevor es für uns abwärts nach Talheim geht, passieren wir noch den gewaltigen Bergrutsch am Hirschkopf. Hier rutschten 1983 gewaltige Erdmassen hinab ins Tal. Beim Anblick schaudert es mich ein wenig, wie es wohl gewesen ist, die Geräuschkulisse und der Anblick dieses Ereignisses müssen gewaltig gewesen sein.

Nachdem wir am Bergrutsch vorbei aus dem Wald treten, folgen wir einigen Landwirtschaftswegen hinab nach Talheim. Es ist Karfreitag und somit Feiertag, aber wir treffen nur wenige Leute und das Wetter ist immer noch gut. Was will man mehr, wir hätten gedacht, es sei mehr los.

In Talheim begrüßt uns dem Feiertag entsprechende Ruhe, niemand ist auf der Straße, die wenigen Geschäfte (in denen man im Übrigen ansonsten alle möglichen Grundnahrungsmittel bekommt) haben geschlossen, nur der Blumenladen hat offen, ach nee, man hat einfach die Waren vor die Tür geräumt und eine Selbstbedienungskasse dazu gestellt. Wir wollen bzw. brauchen aber nur etwas Wasser, zu Essen haben wir ja genug dabei.

Eine ruhige Landpartie – dem Feiertag sei Dank!

Das Trinkwasser finden wir kurz drauf am örtlichen Friedhof, der malerisch etwas oberhalb des Ortes direkt an der Talheimer Bergkirche liegt. Nach einer kurzen Stärkung geht es weiter, ein kerniger Anstieg hoch zum Riederberg liegt nun vor uns. Über schmale Pfade voller Laub aus dem letzten Jahr geht es bergan, bald 250 Höhenmeter haben wir oben zusätzlich auf der Habenseite, nur um kurz darauf wieder negative Höhenmeter einzusammeln. Es geht abwärts und dann wieder aufwärts durch herrlichen Laubwald, eine einzige Albtrauf-Achterbahn heute. Beim Gedanken an das eiskalte Ziel-Getränk auf dem Rossberg läuft mir das Wasser im Munde zusammen, während die Schweißperlen von der Stirn auf die Brille tropfen. Herrlich.

Kurz bevor wir den Aussichtspunkt am Bolberg erreichen, überqueren wir noch große Wiesenflächen. Hier pfeift der Wind ganz ordentlich, man kühlt ganz rasch aus, trotz der Sonne am Himmel.

Am höchsten Punkt im Kreis Reutlingen auf 880 Metern angelangt, erwartet uns mal wieder eine spektakuläre Aussicht. Man wird einfach nicht müde, sich staunend auf einer der vielen Bänke niederzulassen und in die Ferne zu blicken. Der Alltag ist in solchen Momenten herrlich weit weg und wenn nach jedem dieser Anstiege so ein Ausblick wartet, nimmt man die kurzen, knackigen sportlichen Einlagen doch gerne in Kauf.

Das Tagesziel Rossberg liegt von jetzt an nicht mehr weit entfernt, jedenfalls wenn man die Luftlinie betrachtet. Nimmt man aber das Höhenprofil zur Hilfe, na dann sieht die Sache schon etwas anders aus. Aber man hört die Zwiefalter-Sirenen schon vom Rossberg-Turm aus rufen: Kommt! Kommt bald! Ein eiskaltes Radler wartet hier schon auf euch!

Also los, der Abstieg zum Hirschhäusle ist schnell geschafft, von nun an geht es eigentlich nur noch aufwärts. Zum Glück ist der Anstieg über einen Forstweg gut zu gehen, auch wenn es langsam einige Körner kostet. Am Wanderparkplatz sammeln wir noch einmal kurz Kräfte und dann wartet der Endgegner auf uns, sprich der Schlussanstieg zum Wanderheim Rossberghaus. Aber auch den schaffen wir noch und nach etwa 24 Kilometern und insgesamt 800 Metern Anstieg bei herrlichstem Wanderwetter wandern dann endlich auch die Wanderstöcke in die Ecke und ein wenig platt lassen wir uns in der Gaststube nieder. Das nun servierte Kaltgetränk schmeckt mindestens so gut, wie wir es uns nach all den Höhenmetern heute vorgestellt haben.

Als wir dann aus dem Fenster der Stube blicken, ändert sich das Wetter im Nu. Große Regenfahnen ergießen sich aus den Wolken, die sich am Albtrauf stauen. Sauber, da haben wir ja alles richtig gemacht und die Entscheidung heute hier im Wanderheim zu übernachten erweist sich ebenfalls als glückliche Fügung. Kurz darauf verdunkelt sich der Himmel vor dem Fenster vollends und es wird Zeit, unser kleines gemütliches Zimmer zu beziehen und die Duschen aufzusuchen.

Zimmer statt Zelt, Regen statt Sonne

Das Abendessen schmeckt und der Durst wird ebenfalls gelöscht, ein wunderbarer Wandertag neigt sich langsam dem Ende entgegen, auch wenn es eigentlich noch früh am Abend ist. Wir sind gut geschafft, draußen regnet es Bindfäden und die Regentropfen prasseln auf das Dachfenster unseres Zimmers. Ich kann die Augen kaum noch offen halten, widme mich aber noch tapfer meinem Osterkrimi. Hygge nennt man das glaube ich – gute Nacht! 

Die Aussichten am Albtrauf? Immer gut!

Oha denke ich nur, als ich am Morgen aufwache. Ich sollte mal lieber wieder öfters wandern gehen, dann fällt der Muskelkater auch nicht so doll aus. Wir frühstücken ganz entspannt und checken dann aus, der Trail hat uns bald wieder. Wer will, kann hier im Rossberghaus sogar im Turmzimmer übernachten, die Aussichten sind vor allem bei gutem Wetter spektakulär!

Langsam starten wir in den Tag und steigen hinab vom Rossberg. Die Sonne lässt sich noch nicht blicken, aber auch so ist das Wetter super zum Wandern. Nicht zu warm, trocken, einfach perfekt.

Der Ort Genkingen ist schnell erreicht und wir stärken uns beim örtlichen Bäcker. Auch hier findet sich alles Mögliche, um sich für eine mehrtägige Tour zu versorgen. Weiter geht es, heute steht eines der absoluten Highlights dieser Etappe auf dem Programm: Das Schloss Lichtenstein.

In Lichtenstein ist die Welt noch in Ordnung

Auf und ab folgen wir dem HW1 durch die Laubwälder hin zur Nebelhöhle. Die Karte der Gastwirtschaft dort liest sich ganz hervorragend, aber es ist noch früh am Tag und wir wollen noch ein gutes Stück weiter gehen. Und so lassen wir auch die Nebenhöhle Nebelhöhle sein, weiter geht’s zum Kalkofenhaus, wo wir eine Abkürzung nach Lichtenstein nehmen. Eines der touristischen Epizentren der schwäbischen Alb erwartet uns dort, der Parkplatz ist voller Autos, Stimmen aus Russland und den USA erklingen friedlich nebeneinander beim Anstehen zur Besichtigung des Schlosses.

Wir als harte Thruhiker aber sind an der Besichtigung nicht ganz so stark interessiert, uns locken eher Apfelkuchen und Kristallweizen aus dem Selbstbedienungs-Kühlschrank der nahen Einkehrmöglickeit. So verbringen wir unsere Pause in der Sonne und lassen es uns gut gehen. Für den Abend nehme ich noch ein Bier auf die Hand mit, gut, dass der kleine Rucksack so große Fächer an den Seiten hat.

Nach der ausgiebigen Pause geht es weiter, wir wollen noch bis hinter Holzelfingen kommen. Den Abschnitt kennen wir etwas, denn der Burgenweg führte uns dort bereits auf einer Wanderung entlang. Die Aussichten hier sind wieder einmal der Knaller, man kann es nicht oft genug sagen. Selten habe ich einen Wanderweg erlebt, der so viel Spaß macht.

In Holzelfingen angelangt, stocken wir unsere Wasservorräte ein wenig auf, pausieren in der Abendsonne und stärken uns für den Tagesendspurt. Die Schritte werden kürzer, der Tag wird länger.

Gemächlich geht es weiter, irgendwo am Göllesberg wollen wir heute unser Lager aufschlagen. Am Landgasthof Stahleck bekommen wir netterweise noch Wasser, dann ist es auch nicht mehr weit bis zum Feierabend für heute.

Während ich ungläubig auf meine Handy-App und die Bundesligaergebnisse starre, finden wir einen Platz für unser gemütliches mobiles Heim. Bei den letzten wärmenden Sonnenstrahlen des Tages bereiten wir unser Abendessen zu, es könnte uns schlechter gehen, das steht mal fest.

Die Nacht war etwas unruhig, der Vollmond hat einige Jäger auf den Posten gerufen, durch die Dunkelheit hallen dumpfe Schüsse, das Jagdhorn kündet im Morgengrau von der erfolgreichen Strecke. Hoffentlich musste der Osterhase nicht dran glauben!

Schnee am Ostersonntag – alles fast wie in Norwegen

Beim Frühstück rieselt ein wenig Schnee aufs Zelt, wir haben es also heute nicht eilig und lassen uns Zeit. Heute wollen wir „nur“ 17 Kilometer bis nach Bad Urach laufen, das sollten wir ohne Stress bis zum frühen Nachmittag hinbekommen.

Das Wetter ist beim Aufbruch eher usselig und ungemütlich, ein Tag auf dem Sofa wäre jetzt auch nicht verkehrt. Aber egal, wir lassen es gemütlich angehen und bald darauf erreichen wir das Schafhaus vom Haupt- und Landesgestüt Marbach. Für den interessierten Fachmann: Hier befindet sich die Schafprüfstation des Gestüts sowie Stutfohlenaufzucht und auch die Ruhestandspferde findet man hier.

Das Wetter wird nicht besser, als wir zum Wildgehege an der Eninger Weide gelangen. Nichtmal das Wild lässt sich blicken und macht es sich wohl lieber im Unterholz gemütlich. Der Blick über Pfullingen und Reutlingen ist eher mäßig, die Stimmung bei uns so langsam auch, das Wetter lädt nicht unbedingt zum Wandern ein, aber wir haben alles für uns allein, auch nicht schlecht.

Kurz lernen wir noch etwas über die hiesige Stromversorgung, wie bei der Sendung mit der Maus in der Live-Version am Speicherbecken Glems. Davon hatten wir hier noch nie gehört, spannend und wie ein Ufo hoch oben im Wald gelandet.

Zum Glück wartet kurz darauf bei dem Wetter das Wanderheim Eninger Heide mit seiner warmen Stube auf uns. Wir lassen uns auch nicht lange bitten, kehren ein. Außer uns ist nur noch ein kleiner Stammtisch rüstiger Albvereinsmitglieder dort, die sich ihr wohlverdientes Sonntagmorgen-Bier schmecken lassen. Wir halten uns an Kaffee, Kuchen und Maultaschen bevor der Endspurt des Tages auf dem Programm steht.

Das Wetter hat sich nun etwas beruhigt, aber die Landschaft ist von einer bleiernen Tristesse gezeichnet. Eine Pause gibt es jetzt nur noch am Aussichtsturm Hohe Warte, aber die Aussicht ist heute nicht der Rede wert. Schade.

Wir nähern uns nun immer mehr dem Abstieg hinab zum Bad Uracher Wasserfall. Der Wind bläst die Regentropfen hier oben auf der offenen Wiesenfläche beinahe waagerecht, ein Sturm in der Waschküche, erfüllt von Sprühnebel. Die Ausflugslokale haben heute sicher mit einem großen Ansturm gerechnet, aber die Leute bleiben vermutlich lieber daheim in der gemütlichen Stube.

Der Abstieg hinab zum Wasserfall ist glitschig und steil, heute leider keine Genusswanderung, denn immerhin wurde der hiesige Wasserfallsteig 2016 zum schönsten Wanderweg in Deutschland gewählt.

Am eigentlichen Wasserfall gucken wir nur kurz nach dem Weg, entscheiden uns für die etwas kürzere Variante zum Bahnhof Uracher Wasserfall. Gegen 15 Uhr erreichen wir unser Etappenziel, passend dazu öffnet der Himmel seine Schleusen, na schönen Dank auch!

Der HW1 – net schlecht!

Uns aber ist es egal, denn die Tage auf dem HW1 waren wieder ganz wunderbar. Schnell holen wir den Gaskocher hervor und machen uns ein Heißgetränk, warten so gemütlich auf die Bahn, die uns bald schon wieder zurück nach Hause bringen wird. Und so liegen drei abwechslungsreiche und schöne Tage auf dem Nordrandweg der Schwäbischen Alb hinter uns. Der Weg hat uns auch diesmal sehr gefallen, wir waren oft ganz alleine unterwegs und die Mischung aus touristischen Hot-Spots, Aussichten, schmalen Pfaden und kleinen Orten ist absolut empfehlenswert. Die nächste Etappe ist schon in Planung, während die Waschmaschine ihre Runden dreht und die Ausrüstung wieder trocken im Keller verstaut ist.