Im Winter in der norwegischen Hardangervidda auf Tour zu gehen ist mit Sicherheit ein Highlight für alle, die das Friluftsliv im Norden lieben. Egal ob man so etwas zum ersten Mal macht oder ob man sich schon öfters dem skandinavischen Winter mit Ski und Pulka gestellt hat, am Anfang jeder Tour steht die Auswahl der richtigen Ausrüstung für die anstehenden Herausforderungen – optimalerweise immer den eigenen Ansprüchen und Anfroderungen entsprechend.
Was kommt im Winter mit? Nur die beste Ausrüstung!
Was sich dabei als gut und zuverlässig herausstellt, das zeigt sich in der Regel nicht bei Sonnenschein und mildem Winterwetter, sondern erst dann, wenn die Sicht gen Null tendiert, der Schnee einem waagerecht entgegenkommt und das Gesicht einfriert, weil die Temperaturen in den deutlich zweistelligen Minusbereich gesunken sind. Wer jemals richtig mieses Wetter im Norden erlebt hat, der wird bei der Ausrüstung keine Kompromisse eingehen, zu vehement und unmittelbar kann einem der Wettergott dort seine und die Grenzen der Ausrüstung aufzeigen. Dann wird es schnell unangenehm bis gefährlich, in solchen Situationen möchte man sich nicht mit schlechter oder unpassender Ausrüstung wiederfinden.
Auch ich bin bei der Auswahl meiner Winterausrüstung aufgrund von teils drastischen Erfahrungen sehr kritisch, das beste Material ist mittlerweile gerade gut genug für mich auf Wintertouren, Kompromisse gehe ich da nur sehr, sehr ungern ein.
Als wir im April 2022 zu dritt auf Wintertour gehen wollten stellte sich umgehend die Frage, welches Zelt wir mitnehmen sollten. Beim Blick in den Ausrüstungsschrank fanden sich zwar adäquate und auch erprobte Zelte, aber keines in dem man zu dritt hätte bequem Platz finden könnte, schließlich ist der Platzbedarf im Winter aufgrund der voluminösen Schlafsäcke und Kleidung sowie der umfangreichen Ausrüstung erheblich höher als bei sommerlichen Touren. Wir hätten also zwei Zelte mitnehmen müssen, was prinzipiell auch okay wäre, aber man könnte halt auch etwas Gewicht im Schlitten sparen und am Abend auch gemütlicher zusammen sitzen, wenn man ein für drei Personen geeignetes Zelt finden könnte.
Offen für Neues – dann aber gutes und zuverlässiges Neues
Nach einigem Überlegen kam mir das Bergans Helium Expedition 4 Tunnelzelt in den Sinn, mit dem ich schon etwas länger geliebäugelt hatte. Es wäre das erste Zelt von Bergans, mit dem ich auf Tour gehen würde. Die Rahmendaten waren vielversprechend und nach Rücksprache mit meinem Partner Bergans of Norway trudelte schon kurz darauf ein Paket mit ebendiesem Zelt bei mir ein.
Werbehinweis: Bergans of Norway rüstet mich als Markenbotschafter mit entsprechender Ausrüstung und Bekleidung aus. Allerdings habe ich dabei immer die freie Auswahl und meine Meinung zu entsprechenden Produkten wird weder von Bergans vorgegeben noch bestimmt oder beeinflusst. Auch diese Review ist nicht beauftragt, beinflusst oder bezahlt worden!
Der erste Eindruck ist sehr gut, wenn auch ungewohnt, denn der Packsack ähnelt eher einer kleinen Sporttasche als einem klassischen Packsack. Mal etwas anderes und schon mal die erste Überraschung. Es wird sich in der Praxis zeigen, wie man damit zurecht kommt, denn vor allem wenn es stürmt stopft man doch gerne das Zelt einfach beim Einpacken in den Packsack, was ich mir bei der Tasche noch nicht so recht vorstellen kann. Das Packmaß überzeugt jedenfalls, das Zelt ist nicht größer oder schwerer als mein bisheriges 3 Personen Tunnelzelt, hier passen auf dem Papier allerdings bis zu 4 Personen hinein.
Der Probeaufbau im Wohnzimmer stellt uns vor kleine Probleme, ist da Zelt doch so dermaßen groß, dass es kaum bei uns ins Wohnzimmer passt. Was ein Luxus auf Tour so viel Platz zu haben!
Alles macht auf den ersten Blick einen sehr guten Eindruck. Das Zelt wirkt durchdacht und robust, vielleicht eine Nummer weniger „krass“ und „überstabil“ wie eines der Xtrem Zelte von Helsport, die ich bisher immer im Winter genutzt habe, aber ansonsten sind ebenso Snowflaps wie zusätzliche seitliche Abspannpunkte am Start und es gibt auch die Möglichkeit bei Bedarf ein zweites Gestänge in die jeweiligen Kanäle einzuführen – das Wort Expedition im Namen kommt also nicht von ungefähr.
Das Material des Außenzeltes ist mit 30 D Fadenstärke etwas weniger kräftig als die 40 D meines vorherigen Winterzeltes. Und auch die Gestänge sind mit 9 mm vom Durchmesser etwas kleiner als die 10 mm bei meinem bisherigen Helsport Winterzelt, aber allemal sollten sie ausreichen für unser Vorhaben einer Wintertour kurz vor Ostern in Norwegen.
Was allerdings sofort auf den ersten Blick auffällt sind die Farben der unterschiedlich langen Stangen und ihren Markierungen, die sind sich nämlich sehr ähnlich, keine Ahnung wie man die mit Sonnenbrille beim Aufbau im Schnee unterscheiden kann und soll. Wir werden es wohl aber bald selbst in der Praxis herausfinden.
Mit dem neuen Zuhause im Schlitten geht es los
Der Zug rollt in den Bahnhof von Finse in Norwegen hoch obenr auf dem Plateau der Hardangervidda ein, wir landen unser umfangreiches Pulka-Gepäck aus und schon geht es los auf Tour in den norwegischen Winter kurz vor Ostern. Wir sind zu dritt und waren so in der Kombination noch nicht zusammen auf Tour. Zudem ist mit Jana eine echte Winter-Novizin mit dabei, so ist vieles neu für uns und wir starten ganz entspannt in die bald zwei Wochen im Schnee, die nun vor uns liegen. Wir haben reichlich Zeit, keine Notwendigkeit zu Hektik und der Alltagsstress kann gerne zu Hause bleiben. Nach wenigen Kilometern schon schlagen wir unser Lagerauf, zum eingrooven reicht uns das für heute, die Premiere für das neue Zelt steht an.
Wie immer wenn man sich für einen Zeltplatz entschieden hat, setzt die Aufbauroutine ein. Man schnallt die Ski hab, steckt die Stöcke in den Schnee, setzt den Rucksack ab und zieht sich als erstes einmal die warme Daunenjacke über.
Ich schlage die Persenning der Pulka zurück und krame nach dem Zeltgestänge und den Schneeheringen, die ich separat zum Zelt im Schlitten verstaut habe. Das Zelt ansich habe ich in der Packtasche quer in der Pulka untergebracht, passt so gut rein in meine 150er Scandic Pulka von Acapulka.
Grau ist alle Theorie, entscheidend ist die Praxis
Der Aufbau beginnt wie immer im Winter. Man nimmt zwei Ski und steckt diese in die Befestigungschlaufen der dem Wind zugewandten Stirnseite des Zeltes. Nun entsprechend die Ski als Heringe nutzen und diese in den Schnee stecken. Zu beachten dabei ist lediglich, dass man Analog zu Heringen die Ski in einem Winkel von 45 ° weg vom Zelt in den Schnee steckt und das man darauf achtet, das die Ski mit der Unterseite zum Zelt gerichtet durch die Schlaufen gesteckt werden. Ansonsten laufen die Schlaufen direkt über die scharfen Stahlkanten des Backcountry-Ski und können das Gurtband der Schlaufen in kürzester Zeit beschädigen oder gar durchtrennen. Die Verankerung funktioniert beim neuen Zelt problemlos und das Zelt ist somit vor dem Wegfliegen gesichert.
Nun geht es daran die Gestänge in die entsprechenden Kanäle einzuführen. Auch das klappt problemlos und einfach, auch wenn man dabei Handschuhe trägt. Welche Stange in welchen Gestängekanal kommt ist farblich markiert, allerdings sind wie schon zu Hause vermutet die Farben der Stangen und Markierungen mit einer Sonnenbrille auf der Nase nicht wirklich zu unterscheiden. Keine riesengroße Sache bei gutem Wetter, wenn es aber einmal richtig stürmt, kann das etwas nervig werden. Wir markieren also die Gestänge selbst noch einmal flott mit Klebeband, so dass die Unterscheidung für den nächsten Aufbau etwas einfacher gelingt. Sind die Gestänge in den Kanälen eingeführt, kommen die Enden in die entsprechenden Gestängefüße. Die sind schön groß dimensioniert und bereits für ein zweites Gestänge vorbereitet. Das gefällt uns sehr, macht es doch das Handling sehr einfach. Allerdings sind die Gurtbänder zum Spannen der Gestängefüße etwas schmal dimensioniert und so mit Handschuhe nicht ganz einfach zu bedienen, aber es funktioniert trotzdem ganz gut.
Wir biegen nun auf die Zielgerade des Aufbaus ein, die Gestänge sind in den Kanälen, beide Stirnseiten des Zeltes sind mit Ski sicher im Schnee verankert. Nun nur noch die Abspannleinen mit Schneeheringen verankern und schon sind wir fast fertigt mit dem Aufbau. Auch hier zeigt sich beim Zelt, dass es insgesamt sehr hochwertig verarbeitet ist: Die Leinen sind einfach im Handling, die Leinenspanner einfach zu bedienen und die Aufteiler der Leinen aus stabilem Metall gefertigt. Die zusätzlichen Abspannpunkte an den Seiten geben zusätzliche Sicherheit für stürmisches Wetter, man weiß ja nie was noch kommt – aber damit ist man darauf direkt gut vorbereitet.
Nun werden noch die beim Helium direkt von vorneherein angebrachten Snowflaps mit Schnee voll geschaufelt, das Zelt steht kurz darauf wie eine Eins und lästiger Triebschnee bleibt so draußen! Währenddessen hat Jana im Zelt schon die Sitzgrube im Vorzelt ausgehoben, was bei der Größe des Zelte schon eine gute Aufgabe ist und entsprechend Zeit in Anspruch nimmt. Wir klatschen uns schließlich ab und fangen an unser Gepäck im Zelt zu verstauen.
Platz, Platz und noch mehr Platz
Das Innenzelt bietet reichlich Platz für 3 Personen mit voluminöser Winterausrüstung. Alles passt gut rein und Jana kann sogar fast im Innenzelt stehen 😉 Das Raumgefühl ist einfach großartig, man fühlt sich überhaupt nicht eingeengt oder eingeschränkt, ganz im Gegenteil. Cool sind die durchgehenden Netztaschen an den Seiten des Innenzeltes, da passen all die Sachen sicher rein, an die man immer schnell heran muss wie Stirnlampe oder der Kleinkram zum Kochen.
In beiden Apsiden ist so viel Platz, dass man dort z.B. entspannt zu dritt zum Kochen sitzen oder auch die Tagesrucksäcke und Skischuhe bequem verstauen kann. Die Lüfter sind großzügig dimensioniert und lassen sich ganz einfach bedienen, zudem kann man sie bei richtig miesem Wetter auch verschließen, so dass kein Schnee durch das Mesh ins Zelt gelangen kann. Wie bei anderen Winterzelten auch sind die Türen des Innenzeltes mit großen Meshflächen versehen, die aber auch komplett abgedeckt werden können.
Und auch das Verstauen des Zeltes nach dem Abbau in der Tasche funktioniert völlig problemlos, wie wir Tag für Tag auf unserer weiteren Tour feststellen können. Man legt das Zelt zusammen, faltet es längs auf die Breite der Tasche, rollt das Zelt auf und schon ist das Zelt verstaut!
Würde ich wieder mitnehmen!
Alles in allem hat uns das Zelt total überzeugt. Insbesondere Platzangebot und Gewicht stehen in einem super Verhältnis. Die Verarbeitung ist sehr gut und dank der Details wie den Snowflaps oder die zusätzliche Abspannpunkte machen das Bergans Helium 4 Expedition zu einem vollwertigen und zuverlässigen Winterzelt. Ich freue mich schon auf die nächsten Wintertouren mit dem Zelt!
Details zum Zelt:
Gewicht nur Zelt (nachgewogen): 4.680 gr
Gewicht nur Gestänge (nachgewogen): 950 gr
Gestänge: DAC NSL Featherlite green 9 Aluminium
Gestängedurchmesser: 9 mm
Außenmaterial: 30D RS Nylon Si/PU beschichtet / 3.000 mm Wassersäule
Innenmaterial: 40D RS Nylon 240T
Zeltboden: Nylon 210T PU beschichtet / 7.000 mm Wassersäule
Packmaß: 60 x 20 x 22 cm