In letzter Zeit bekomme ich immer wieder E-Mails von Leuten, die gerne nach Norwegen zum Wandern möchten. Viele wollen das erste Mal das Friluftsliv und die Natur des Nordens erleben, sie haben zahlreiche Fragen, insbesondere wenn sie alleine auf Tour gehen wollen.
Eine Trekkingtour sollte immer gut geplant sein und nicht einfach aus dem Bauch heraus gemacht werden. Es gibt viele Tricks und Kniffe, die man mit der Zeit auf Tour für sich herausfindet. Erfahrung ist das Wichtigste, was man unterwegs braucht. Am Anfang macht jeder Fehler, ganz sicher, doch man sollte stets gut vorbereitet losziehen und sich mit allen Eventualitäten vorher vertraut gemacht haben.
Nach und nach verbessert man dann sich und seine Fähigkeiten, wird sicherer im Umgang mit schwierigen Situationen. Aber auch Erfahrung schützt vor guter Vorbereitung nicht, selbst erfahrene Leute machen Fehler, aber im Umgang mit diesen haben sie dann in der Regel die Ruhe weg und wissen sich so schnell wieder zu helfen. Daher, zieht los, macht auch kleine Fehler, aber zieht die richtigen Schlüsse daraus.
Wenn man dann noch alleine unterwegs ist, sollte man besondere Vorsicht walten lassen. Eine Solotour ist immer etwas besonderes. Man ist voll und ganz auf sich und seine Fähigkeiten gestellt, es ist niemand da, der einem in einer Notlage helfen kann. Auch gibt einem niemand, wenn man Solo unterwegs ist, einen guten Ratschlag und alle Entscheidungen müssen von einem selbst ohne Rückversicherung oder Diskussion getroffen werden.
Auch ist eine gute Planung stets der Schlüssel zum Erfolg und einer sicheren Tour. Wenn man vernünftig plant, lassen sich viele Gefahren im Vorhinein schon minimieren oder auschließen. Wer denkt, dass ein Abenteuer erst dann beginnt, wenn die Planung aufhöhrt, der irrt gewaltig! Diesen Leichtsinn und diese Naivität finde ich ehrlich gesagt ziemlich fahrlässig. Wer sich in die Natur des Nordens begibt, der sollte sich immer gut vorbereiten und niemals, ich wiederhole mich gern, niemals blauäugig einfach mal so losziehen!
Was erwartet mich überhaupt auf einer Solotour?
Neben der physischen und psychischen Vorbereitung wie Training oder Auseinandersetzung mit dem Alleinsein, gehört für mich persönlich auch die Notfallvorsorge zu einer guten Planung dazu. Generell sei gesagt, dass jeder seinen eigenen Weg finden muss, wie er sich auf Notfälle vorbereitet, dieser Beitrag hier kann also daher nur eine Anregung sein, wie man es machen kann.
Selbst wenn man sich gut trainiert und mental vorbereitet für eine Solo-Tour fühlt, rücken auch noch andere Dinge vor dem Beginn der Tour in den Fokus. Dabei möchte ich besonders auf die Aspekte eingehen, die manchmal aber einfach etwas unbeachtet nach dem Motto „Wird schon gutgehen!“ auf der Strecke bleiben.
Die neuen Fjellvettreglene
Wenn man draußen in der Natur unterwegs ist, ganz egal ob allein oder in der Gruppe, sollte man sich stets im Klaren darüber sein, dass immer etwas passieren kann. Das soll einen keinesfalls davon abhalten, alleine raus auf Tour zu gehen, man sollte nur so gut wie möglich vorbereitet sein.
Es gibt einfache Regeln von Wandervereinigungen wie dem DAV oder dem beliebten norwegischen Turistforening DNT, die einem dabei als Richtschnur dienen sollen.
Im Zeitalter der Handy-Apps und High-Tech Ausrüstung werden diese Regeln von manchen Leute als etwas angestaubt oder „Old-School“ abgetan, sie haben sich aber über Jahrzehnte hinweg bewährt. Moderne Ausrüstung und eine Handy App können niemals die auf Tour erlangten Fähigkeiten ersetzen. Niemals.
Wenn man sich an die Regeln und Tipps hält, ist man immer sicherer unterwegs (den Punkt „gehe nicht allein“ ersetzen wir hier durch eine umfangreiche Notfallvorsorge).
An dieser Stelle möchte ich die norwegischen Fjellvettreglene vorstellen. Sie wurden 1967 vom DNT und dem Roten Kreuz eingeführt, nachdem an Ostern im Jahre 1967 insgesamt 18 Menschen im winterlichen Fjell umkamen. Im Jahre 2016 wurden sie überarbeitet und angepasst, so dass sie noch verständlicher für alle geworden sind.
#1 Plane deine Tour sorgfältig und sage Bescheid, Wohn du gehst
#2 Passe deine Tour deinen Fähigkeiten und den Bedingungen an
#3 Berücksichtige die Wetter- und Lawinenvorhersage.
#4 Sei gegen schlechtes und kaltes Wetter gewappnet, selbst auf kurzen Touren.
#5 Nimm die notwendige Ausrüstung mit, um dir selbst und anderen helfen zu können.
#6 Wähle einen sicheren Weg. Erkenne lawinengefährdetes Gelände und unsicheres Eis.
#7 Gebrauche Karte und Kompass. Kenne jederzeit deine Position.
#8 Kehre rechtzeitig um – umzukehren ist keine Schande.
#9 Schone Deine Kräfte und suche Schutz, wenn es nötig ist.
Welche Technik kann mich dabei unterstützen?
Ich schreibe hier ganz bewusst von meiner eigenen ganz persönlichen Herangehensweise, die sich bereits auf sehr langen Touren über Monate hinweg oder auch auf kürzeren Wanderungen über Wochen für mich sehr gut bewährt hat. Das muss aber nicht für jeden die richtige Strategie sein, jeder muss für sich den Weg finden, mit dem er sich am sichersten fühlt.
Bevor ich alleine auf Touren gegangen bin, habe ich mir viele Gedanken darüber gemacht, was mir dabei alles passieren kann. Oft ist man auf Touren im Norden fernab von der Zivilisation unterwegs – ergo gibt es selbst in Norwegen oft keinen verlässlichen Handyempfang. Schon der Gedanke, mit einem entzündeten Blinddarm drei Tage von der nächsten Straße oder dem nächsten Ort entfernt allein im Zelt oder in einer Hütte zu sitzen, behagte mir nicht. Es gibt die Geschichte von einem NPL Wanderer im Winter, der sich das Bein gebrochen hatte und nur per Zufall gefunden wurde, da er abseits aller normalen Routen ohne Sender auf einer Hütte festsaß.
So erkundigte ich mich nach einem sogenannten Notfallsender, mit dem ich auch dann noch Hilfe rufen kann, wenn das Handy keinen Empfang mehr hat. Nach Unfällen, bei denen ich noch bei Bewusstsein bin und mich in mein Zelt, eine Biwakmöglichkeit oder eine Hütte retten kann, sind diese Sender für mich einfach die beste Möglichkeit, eine Rettung einzuleiten.
Was ist ein Notfallsender?
Meine Wahl fiel dabei auf den SPOT Messenger, der über das weltweite Globalstar Satellitennetz kommuniziert. Dieser Sender muss unter findmespot.com registriert werden, erst dann kann man einen umfangreichen Service nutzen.
Es gibt als Notfallender auch noch sogenannte PLBs (Personal Location Beacon) die ursprünglich aus der Seefahrt stammen, diese funktionieren auf der Basis von Notfallfunkfrequenzen aus der Luftfahrt. Für mich kamen sie auf der langen Wanderung aber nicht in Frage, da man mit ihnen nur im Notfall seine Positionen durchgeben kann. Wenn man jeden Tag seine Position übermitteln will ohne sofort eine Rettung auszulösen, der kommt am SPOT nicht vorbei. Das Für und Wider von SPOT oder PLB wird ja zum Beispiel auch schon an anderer Stelle ausführlich behandelt, daher will ich darauf hier nicht auch noch extra eingehen.
Mit dem handygroßen SPOT-Sender kann ich im Fall der Fälle Hilfe über einen speziell gesicherten Notfallknopf rufen. Diese wird dann über die internationale GEOS Notrufzentrale eingeleitet und organisiert, sie alarmiert dann weltweit lokale Rettungskräfte. Parallel werden auch noch zwei Vertraute, die man vorher festlegt, per Telefon benachrichtigt. Diese können dann den Rettungskräften für eventuelle Rückfragen zur Verfügung stehen. Auch kann man hinterlegen, ob man Vorerkrankungen hat oder bestimmte Medikamente wie Insulin benötigt.
Zudem bietet der SPOT die Möglichkeit, dass man wann immer man es will, seine aktuelle Position übermitteln kann. Der Sender verfügt über einen sogenannten „OK“-Knopf. Drückt man diesen, wird die derzeitige Position an eine vorher definierte Personengruppe gesandt. Über ein Webformular lassen sich bis zu zehn Leute festlegen, die diese Koordinaten dann per E-Mail oder SMS geschickt bekommen. Auch ist es möglich, die Koordinaten direkt über einen Twitter oder facebook Account sowie auf der eigenen Homepage zu veröffentlichen. Ich finde das ziemlich praktisch, so wissen die Leute daheim immer, wo man gerade steckt.
Der Sender verfügt auch über eine Trackingfunktion. Das heißt, man legt vorher einen Zeitintervall fest, in dem der SPOT dann automatisch die aktuelle Position übermittelt, sobald diese Funktion aktiviert ist.
All diese Funktionen und Services lassen sich jederzeit individuell online über das praktische Webformular ändern und anpassen. Man kann darüber hinaus je nach Tour unterschiedliche Profile anlegen, so werden immer die richtigen Leute daheim benachrichtigt.
Einige mögen jetzt eventuell einwenden, dass sie mit solch einem Notfallsender im Gepäck nicht das ultimative Freiheitsgefühl erleben können. Diesen Einwand kann ich überhaupt nicht nachvollziehen und möchte ich auch entschieden entgegentreten, da diese vermeintliche Nabelschnur nur in eine Richtung funktioniert. Man hat keinerlei Möglichkeit, per SPOT Notfallsender von daheim per E-Mail, SMS oder Anrufen kontaktiert zu werden. Und jeder, der schon einmal zum Beispiel einen Bänderriss im Knie hatte, wird froh darüber sein, wenn er im Notfall nicht noch drei Tage lang mit einem schweren Trekkingrucksack durch die Wildnis kriechen muss, sondern direkt Hilfe rufen kann. Daher ist die Investition in einen Notfallsender wie dem SPOT ohne Widerspruch jeden Euro wert, jede Wette!
So richtig zu beachten gibt es beim SPOT eigentlich nur zwei Dinge: Zum einen nutzt der Sender herkömmliche Lithium-Ionen Batterien oder Akkus, diese sollte man vor jeder Tour ersetzen, überprüfen und auch Ersatz mit auf Tour nehmen. Im Notfall noch die Batterien zu wechseln zu müssen, sollte einem auf gar keine Fall passieren! Je nachdem wie häufig ich die Trackingfunktion nutze, können die Batterien oder Akkus natürlich eher entladen sein. Übermittle ich nur jeden Tag einmal meinen Standort, reicht ein Satz Batterien aber bis zu einem Jahr.
Zum anderen funktioniert der SPOT über Satelliten. Diese decken aber nicht alle Gebiete auf der Erde zu einhundert Prozent ab. Wenn man also eine Solodurchquerung des grönländischen Inlandeises plant oder in Zentralafrika unterwegs sein möchte, sollte man sich vorher die Internetseite von SPOT ansehen, die einem die genaue weltweite Abdeckung zeigt.
Das Handy – nicht immer eine Hilfe
Ganz ohne Zweifel können moderne Smartphones auf Reisen eine großartige Hilfe sein. Man kann mit diversen Apps bequem Zugabfahrten checken, ein Hostel buchen oder den Wetterbericht überprüfen. Insbesondere in Norwegen gibt es zahlreiche Apps, die einem unterwegs sehr nützlich sein können.
In der abgeschiedenen Wildnis würde ich allerdings weder ein modernes Smartphone noch ein einfaches Uralt-Handy als Sicherheitsreserve einplanen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schnell sich ein Handyakku entleeren kann, wenn der nächste Handymast entweder sehr weit entfernt ist oder das Telefon ständig nach einer Verbindung sucht. Das kostet ruckzug die gesamte Akkuleistung.
Zudem kennt beinahe jeder das Problem, dass sich gerade bei Kälte Akkus sehr schnell entladen. Auch können Schäden durch Kälte, Feuchtigkeit oder mechanische Zerstörung – sprich Herunterfallen etc. – auch bei einfachen oder gut geschützten Geräten ohne weiteres ganz schnell auftreten.
Sehr, sehr wichtig finde ich, dass man daheim einem Freund, der Familie oder wem auch immer mitteilt, wohin man geht und welche Route man dabei zu gehen plant. Insbesondere wenn man abseits des markierten Wegs unterwegs sein will, ist dies eine zusätzliche unabdingbare Absicherung für den Notfall. Es gab in der jüngeren Vergangenheit den Fall eines vermissten Wanderers, der in Norwegen bis heute verschollen ist. Er hatte seine Route niemandem mitgeteilt, die Suche nach ihm musste ergebnislos abgebrochen werden. Bis heute weiß man nicht, was aus ihm geworden ist.
Man sollte sich auch immer in jeder Hütte oder Unterkunft in das ausliegende Hüttenbuch eintragen und angeben, wohin man als nächstes zu gehen gedenkt.
Und was kann ich noch für den Ernstfall vorbereiten?
Eine Sache, die viele Leute nicht auf dem Schirm haben – oder auch nicht haben wollen – sind Verfügungen, Vollmachten und Regelungen für den Notfall. Wenn doch einmal etwas Ernstes passiert, dann kann es ohne solche Vollmachten und (Patienten-) Verfügungen selbst für nächste Angehörige schnell schwierig werden, zum Beispiel in Krankenhäusern im Ausland eine Auskunft zum Gesundheitsstand zu erhalten oder auch einen Rücktransport zu organisieren.
Auch ein Thema, auf das nun wirklich niemand Lust hat, sollte so finde ich, durchaus Beachtung finden: Wie möchte ich im Todesfall beerdigt werden?
Das ist ganz schön harter Tobak als Vorbereitung auf eine Solotour, das gebe ich gerne zu, aber man sollte dieses Thema nicht auf die leichte Schulter nehmen, wenn es einen alleine in die Wildnis zieht. Wenn es mich doch einmal treffen sollte, möchte ich persönlich meinen Leuten daheim doch gerne, neben der Trauer und dem Verlust, die nervige Rennereien und Entscheidungen über das Beerdigungs-Prozedere ersparen.
Unabhängig von einer solchen Tour ist dies in meinen Augen eine gute Sache. Hat man diese Vorkehrungen erst einmal getroffen beziehungsweise besprochen, kann man sie bei einem Vertrauten sicher hinterlegen und hat das so für eine ganze Weile und nicht nur für die nächste Tour geregelt.
Was gehört noch in den Rucksack?
Selbstverständlich sind für mich immer möglichst auffällige Kleidung in Signalfarbe. Ein sorgfältig zusammengestelltes Erste-Hilfe-Set gehört für mich ebenso zur Grundausstattung. Hier sollt man sich auf jeden Fall von seinem Hausarzt und einem Apotheker beraten lassen. Ich selbst habe schon ein 500 g schweres Set 3000 km durch ganz Norwegen getragen, ohne es großartig zu benutzen, aber ich wäre stets auf alles mögliche vorbereitet gewesen.
Ein weiterer Aspekt ist, dass man sollte immer die passende Ausrüstung für die entsprechende Wandergegend und das zu erwartende Wetter auswählen sollte. Was nützt es mir, wenn ich ein paar Euro spare und mich dann plötzlich mit einem unterdimensionierten Schlafsack in einem sommerlichen Wintereinbruch wiederfinde?
Auf jeden Fall geht man auf Solo-Touren auch Risiken ein, aber nur die, die man nach seiner eigenen Meinung und seinem eigenen Erfahrungsstand einzugehen bereit ist. Ist man sich unsicher, einen Fluss zu queren oder ein Schneefeld zu traversieren, sollte man es nicht machen.
I may say that this is the greatest factor — the way in which the expedition is equipped — the way in which every difficulty is foreseen, and precautions taken for meeting or avoiding it. Victory awaits him who has everything in order — luck, people call it. Defeat is certain for him who has neglected to take the necessary precautions in time; this is called bad luck. (Roald Amundsen)
Das Allerwichtigste ist aber, sich die Demut vor der Natur zu bewahren. Gerade die Route zu ändern oder umzukehren, mag im Moment der Entscheidung sehr bitter oder ärgerlich sein, aber man möchte nicht wegen einer Tour ernsthaft sein Leben gefährden.
Dies alles ist meine ganz persönliche Herangehensweise an (Solo-) Touren. Ob sie übertrieben oder gerade recht sind ist, das muss am Ende jeder für sich selbst entscheiden. Meine Art muss nicht für jedermann passend sein, aber vielleicht kann ich einige Anstöße liefern, wie man die nächste Tour in der Wildnis mit möglichst viel Freude an der Natur genießen kann und man dennoch optimal für den Ernstfall gewappnet ist, der hoffentlich nie eintritt.