Puh, wo fange ich an? Die erste Woche liegt nun fast hinter uns und wir haben schon so viel erlebt. Fangen wir am besten von vorne an. Die Anreise zum Kap Lindesnes verläuft entspannt und ruhig, nur die Hitze, die wir beim Umstieg in Mandal erfahren ist schon krass. Wir essen direkt am Wasser einen Salat und bald darauf fährt auch schon der Bus nach Lindesnes ab. Die Fahrt dauert rund eine Stunde und die Aufregung steigt, morgen geht es endlich los! Der Busfahrer wünscht uns fröhlich eine gute Reise als wir aussteigen, vermutlich bringt er öfters so verrückte Leute wie uns hierher.

Die Ankunft am Start

Wir melden uns im Museum an und werden direkt weiter an den Leuchtturm-Wärter verwiesen, der uns kurz darauf unsere Unterkunft direkt bei ihm im Haus zeigt. Wie cool ist das denn? Wir nächtigen also in der Kammer unter dem Dach nur 50 Meter vom Leuchtturm entfernt. Kurz darauf zeigt uns Frank Otto, so heißt der neue Wärter seit letztem Jahr, den Turm. Wir dürfen sogar bis ganz nach oben zur Linse und genießen die wunderschöne Ansicht bei strahlendem Sonnenschein.

Anschließend tragen wir uns noch ins große Norge på langs Buch ein. Endlich darf ich mich dort eintragen, beim ersten Mal wurde mir das noch verwehrt.

Später am Abend als fast alle Touristen weg sind, kehrt Ruhe ein und wir sitzen am Leuchtturm bloß da, schauen aufs Meer und sehen der Sonne beim Untergehen zu.

Es geht los – total unwirklich

Heute ist es soweit! Der Start ins große Abenteuer steht an! Wir packen unsere Sachen und versuchen uns unsere Aufregung nicht anmerken zu lassen. Nach dem Frühstück verabschieden wir uns von Frank Otto und gehen hinunter zum Schild. Es zeigt wie weit das Nordkap entfernt ist: Es sind 2518 Kilometer!

Ungläubig schauen wir uns an und können es kaum glauben, hier zu stehen. Ein holländischer Motorradfahrer macht noch einige Fotos von uns und wir schultern unsere Rucksäcke. Wir lassen das Schild hinter uns und laufen die Straße entlang. Das Gefühl ist unbeschreiblich, wir sind frei, können in den nächsten 5 Monaten machen und tun was wir wollen. Darauf haben wir uns so lange gefreut!

Der Anfang ist einfach zu gehen, aber es ist doch hügeliger als gedacht, es kommen doch einige Höhenmeter zusammen. Und vor allem die Sonne macht uns zu schaffen, es ist unglaublich warm mittlerweile.

Im Ort Spangereid angekommen, gönnen wir uns in der Tankstelle erst einmal eine große Cola, es ist einfach zu heiß zum Wandern. Die Pause fällt länger aus als geplant, wir können uns kaum wieder aufraffen. Ganz schön zäh ist es wieder vor die Tür zu treten und loszulaufen. Aber so ist es nun einmal, da muss man durch. Stunde um Stunde laufen wir weiter, es geht ganz gut, der Verkehr ist nicht besonders stark. Kurz vor dem Ort Snig angelangt überlegen wir uns, wo wir die Nacht verbringen wollen, wir haben nun über 20 Kilometer hinter uns und es reicht langsam für den ersten Tag. In Snig angelangt entscheiden wir uns am örtlichen Badestrand unser Zelt aufzuschlagen. Es ist zwar nicht erlaubt, aber okay denken wir, es stehen noch andere Wohnwagen hier und ein Einheimischer auf Hunderunde erteilt uns die Absolution.

Wir gehen kurz baden und machen uns ans Abendessen. Bald darauf liegen wir auf der Isomatte und schlafen, das haben wir uns nach diesem anstrengenden ersten Tag verdient.

Tag zwei und die Sonne brennt

Die Nacht ist kurz, denn die Sonne scheint schon früh morgens aufs Zelt, es wird darin fast unerträglich warm. So stehen wir gegen 8 Uhr auf und machen Frühstück. Beim Packen lassen wir uns Zeit und brechen gegen 10 Uhr auf. Wir laufen bis nach Vigeland und machen dort eine längere Pause im Supermarkt. Anschliessend laufen wir weiter, es geht nun über Schotterwege durch die Wälder Süd-Norwegens. Die Bäume bieten einigen Schatten und so kommen wir gut voran, allerdings zeigen sich erste Blasen an den Füßen, das kommt wohl vom Asphaltlaufen, unschön. Wir versorgen die Blasen mit Blasenpflaster und gehen weiter, immer weiter durch die Wälder.

An einem See springt Anni ins Wasser und kühlt sich ab, ich kann das leider nicht machen, meine Blasenpflaster würden sich sofort wieder lösen, dumm gelaufen. Kurz vor Marnardal lassen wir uns im Schatten nieder und machen eine Pause. Gegenüber ist ein kleines Häuschen, der Besitzer dort gibt uns Wasser und überrascht uns mit einem Eis! Was für eine Überraschung! Wir lassen uns von ihm noch eine Abkürzung zeigen, um bis nach Marnadal zu gelangen, schauen wir mal, wie das werden wird. Die Abkürzung lässt sich ganz gut an und wir kommen gut voran, kurz darauf allerdings wird es zu einer üblen Waldhölle, denn die großen Schneemassen haben viele Bäume umknicken lassen, die uns nun den Weg versperren.

Wie Lars Monsen fräsen wir uns durchs Unterholz, für die vier Kilometer brauchen wir mehr als anderthalb Stunden und unsere Arme und Beine sehen aus, als wären wir mit Anlauf in eine Dornenhecke gesprungen.

Wir laufen weiter, sind aber wirklich K.O. und kurz vor dem Ort geht uns die Kraft aus. Wir wollten es zwar noch bis nach Mjåland zum Campingplatz schaffen, aber das wird wohl nichts mehr. Wir rufen dort an und die nette Betreiberin sagt uns zu, uns gleich abzuholen. Kurz darauf ist es dann soweit und sie holt uns tatsächlich ab und fährt uns die noch fehlenden 5 Kilometer zum Campingplatz. Morgen werden wir hierher wieder zurück trampen, um unsere Wanderung fortzusetzen. Jetzt sind aber sind wir froh, auf dem Campingplatz völlig groggy eine Dusche zu nehmen, etwas zu essen und todmüde ins Bett zu fallen.

Der Magic-A Tag mit Anita, Anders und Alf

Der Morgen beginnt dann mit einer großen Überraschung: Drei Zelte weiter entdecken wir ungläubig einen dänischen Freund, mit dem wir hier so gar nicht gerechnet haben! Hallo Anders! Hallo Simon! hallt es über den Campingplatz als wir uns freundlich begrüssen. Was machst du denn hier? Was macht ihr denn hier? Das ist ja eine Überraschung! Anders ist heute Nacht mit seiner Freundin von Dänemark zum Lachs-Angeln herüber gekommen.

Die Überraschung ist wirklich groß und hilft uns heute einen guten Start in den Tag zu haben, denn Anders wird uns die 5 Kilometer zurück zu unserem Ausgangspunkt von heute bringen, so müssen wir nicht an der Straße stehen und trampen. Zufälle gibt es im Leben, die gibt es gar nicht! Nachdem wir gepackt haben bringt uns Anders mit seiner Freundin zusammen nach Marnardal zum Supermarkt, wo wir gestern in das Taxi gestiegen sind. Wir verabschieden uns herzlich, bedanken uns für die Hilfe und laufen kurz darauf los.

Es ist wieder brütend warm, Stunde um Stunde wandern wir durch durch die Wälder über schmale Strassen.

Wir versuchen Wasser zu bekommen, fragen bei Leuten am Wegesrand – alle sind total hilfsbereit und helfen, manche laden uns sogar über Nacht ein zu bleiben, aber dafür wäre es zu früh am Tag. Mitten im Nirgendwo passieren wir einen Bauernhof und der Bauer hält uns sofort an. Er heißt Alf und fragt uns aus wohin wir wollen, woher wir kommen, hat uns gleich als NPL Wanderer erkannt. Wir quatschen lange, verabschieden uns dann aber und Alf überholt uns noch einmal mit seinem Traktor.

Dann passieren wir ein Haus an dem der Traktor von Alf steht. Wir stutzen kurz und schön läuft Alf grinsend mit zwei Eis auf uns zu. Wir sollen herkommen, das hier ist sein eigentlicher Hof, den anderen Bauernhof besitzt er auch. Kurz darauf sitzen wir bei ihm und seiner Frau auf der Veranda und bekommen Saft mit Eiswürfeln! Die Erfrischung tut gut und wir reden lange. So gerne würden wir hier bleiben, aber wir wollen noch etwas weiterkommen und verabschieden uns bald darauf. Wie herzlich die Menschen hier sind, sie wissen, was es heißt Hilfe zu benötigen und helfen immer gerne.

Der Tag wird langsam zäh, wir wollen kurz bis vor Hægeland kommen, dann brauchen wir morgen nur noch 30 Kilometer nach Evje, dort sollte mindestens ein Ruhetag drin sein. Am langgezogenen Sandlandsvanet See angelangt finden wir zunächst keinen Zeltplatz, erst gegen Mitte des Sees sehen wir eine Bucht mit Sandstrand, die uns geeignet erscheint.

Wir passieren einige Ferienhäuser. Auf dem Rasen eines dieser Ferienhäuser habe ich damals 2013 unerlaubt gezeltet, wenn die Leute wüssten, dass ich jetzt wieder hier bin, zu gern würde ich sie mal treffen und ihnen als erzählen.

Wir gelangen zu den Ferienhäusern und wollen dort nachfragen, wie weit es noch bis zum Sandstrand ist. Eine große blonde Frau kommt auf uns zu und winkt uns zu sich. Oh man, das ist genau das Haus, bei dem ich damals unerlaubt im Garten gezeltet habe! Wir kommen gar nicht dazu, nach dem Weg zu fragen, die Frau lädt uns sofort zum Abendessen ein. Sie und ihre Familie haben noch so viel über, sie haben uns wandern gesehen und wollen uns unbedingt einladen. Mir ist es total unangenehm, aber wir sagen zu. Leise spreche ich noch zu Anni und sage: Fuck, das ist genau das Haus! Wir werden auf die Terrasse gebeten, von der gesamten Familie freundlich begrüßt und bekommen Pizza serviert, dazu Cola und Wasser! Was für ein Wahnsinn! Ich sitze jetzt genau bei der Familie auf der Terrasse, wer hätte das gedacht und nun lerne ich tatsächlich die Leute kennen, die damals unwissentlich schon einmal so gastfreundlich zu mir waren. Ich kann nicht anders, ich muss die Geschichte erzählen und hole mein Handy heraus, zeige ihnen ein Bild von meinem Zelt in ihrem Garten, das sogar in meinem Buch abgedruckt ist.

Kurz denke ich noch, sie werden uns gleich sicherlich rausschmeissen, aber alle lachen laut und finden auch was das für eine unglaubliche Geschichte doch ist. Die Frau hat zu ihren Kindern gesagt, lasst uns die Wanderer einladen, wir verpassen vielleicht sonst eine spannende Geschichte und so ist es – hätten sie uns nicht eingeladen, hätte ich nicht erzählen können, dass ich schon mal bei ihnen im Garten übernachtet habe und kurz darauf laden sie uns tatsächlich ein, diesmal offiziell, wir dürfen bei ihnen im Garten übernachten. So gastfreundlich, so warmherzig und so voller Lebensfreude – ein Norwegen wie aus dem Bilderbuch! Wir können unser Glück kaum fassen und bedanken uns 1000 Mal bei der Familie, ich verspreche ihnen sobald ich zu Hause bin, werde ich ihnen ein Buch schicken. Wussten sie doch bis gerade eben gar nicht, dass ihr Garten in einem Buch in Deutschland abgebildet ist.

Lange bleiben wir heute nicht mehr wach, denn wir sind völlig groggy und die Hitze macht uns auch heute wieder total zu schaffen. So liegen wir gegen 10 Uhr abends im Bett und können es kaum fassen, was für ein Tag! Ein Tag voller Trail Magic wie man so sagt, voller Hilfe für Leute, die zu Fuß unterwegs sind.

30 Kilometer bei über 3o °C – Tag 4

Schon beim Frühstück am nächsten Morgen kommen wir tüchtig ins Schwitzen, die Sonne knallt nur so vom Himmel herab, heute sollen es bis zu 32° C im Schatten werden. Nach einem ausgiebigen Frühstück verabschieden wir uns von der Familie und ich verspreche noch das Buch zu schicken, da werden sie sich sicher sehr drüber freuen, so wie sie sich über diese ganze Geschichte herzlich gefreut haben.

Wir verabschieden uns und laufen die Straße Richtung Hægeland. Von dort aus werden wir 25 Kilometer einfach nur der E9 folgen, der Hauptstrasse durch Südnorwegen. An der Tankstelle in Hægeland machen wir Pause und trinken eine Cola.

Anschliessend heisst es Zähne zusammen zu beißen und Stunde um Stunde, Kilometer um Kilometer Richtung Evje zu laufen. Die Leute am Wegesrand versorgen uns mit Wasser, teilweise geben sie uns sogar Eiswürfel mit in die Flaschen. Es wird eine ganz schöne Probe. Eine Probe für den Willen und für den Körper, doch wir werden diese Probe bestehen, auch wenn wir heute einige Körner gelassen haben. Nach dem Abendessen fallen wir todmüde in die Betten unserer kleinen Hütte auf dem Odden Campingplatz.

Doch mitten in der Nacht trifft mich Montezumas Rache, das kann ja heiter werden. Wir legen also mal besser zwei Ruhetage ein, kurieren unsere Blasen aus und ich probiere mit mal langsam wieder an fester Nahrung. Morgen geht es weiter in Richtung Dølemo und dann endlich weiter ins Fjell!

In Kooperation mit Visit Norway

11 Kommentare

  1. ach da kann man schon etwas neidisch werden, von Blasen, Montezuma und Hitze mal abgesehen – alles Gute für Euch

  2. Werner Busch Antwort

    Hei Simon, morgen geht es für mich mit Freunden von Kiel nach Oslo und von dort weiter nach Kårvåg an die Atlantikstraße.
    Ich freue mich auf deine Erlebnisse.
    Ende August könnte ein Treffen wohl sogar realistisch sein.
    Was sollen wir im Falle des Falles im Auto haben?
    Thüringer Rostbratwurst?
    Mutz ist leider alle.
    Ich bin bei euch und würde am liebsten ein Stück mitgehen.
    Viel Spaß noch und die Blasen und die Schmerzen werden einfach weggewandert.

    • Moin Werner, wir wünschen euch auf jeden Fall schon mal eine gute Zeit in Norwegen. Ganz egal was ihr dabei haben werdet sollten wir uns treffen, es wird schon passen. Wir würden uns jedenfalls total über ein Wiedersehen freuen! Ganz liebe Grüße Simon & Anni

  3. Mensch, da habt ihr ja wirklich schon eine ganze Menge erlebt! Wahnsinn, dass das Anfang Juni in Norwegen so heiß sein kann. Das hätte ich nicht gedacht! Hoffentlich ist die Luft wenigstens weniger schwül als bei uns hier in Deutschland, wenn es heiß wird. Die Gastfreundschaft, die ihr beschreibt, ist ja fast unglaublich. Echt ein Geschenk… 🙂
    So, der Anfang ist gemacht! Blasen und Montezumas Rache werden verschwinden. Genießt die Zeit!
    Liebe Grüße Helge

  4. Hei,
    das klingt nach einem wirklich schönen Start, vor allem mit wunderbar herzlichen Menschen. Wir haben gerade überlegt, wie wir vor einem Jahr am 1.6. in Grövelsjön gestartet sind. Bei 3 Grad, Schneefall, Sturm. Mit Schneebrücken und eisigen Watflüssen gleich am ersten Tag. Für uns unglaublich, wenn wir von dem Wetter lesen, das Ihr habt! Ist auch nicht perfekt, ist klar. Wäre uns vor 1 Jahr aber erheblich lieber gewesen. 🙂
    Gute Besserung für Bauch und Füße und weiterhin ALLES GUTE,
    Andrea

  5. Hach, klasse, endlich wieder eine längere Nordlandtour zum mitlesen 🙂
    Auch wenn sich Blasen in den ersten Tagen gepaart mit Montezumas Rache eher nicht so doll anhören …
    Werde ganz schnell wieder heil!

    Aber ein wenig „geschockt“ war ich von diesem etwas merkwürdig aufgestellten Zelt, da müsst ihr noch ein wenig üben.
    Der Form nach ein Helsport? Seit wann ist das Zeltgewebe denn so dunkel, grünbläulich? Ich kenne die Dinger stets als eher hell-olivgrün mit einem Stich ins Gelbe und sich immer schön abhebend vom langweiligen Hilleberg-Grün.

    Kommt gut voran, auch wenn bei eurer Ankunft am Nordkap Lüdenscheid Nord schon des öfteren verloren hat und über den nächsten Trainer spekuliert wird.

    Herzliche Grüße, Sophia

    • Bin wieder heile, läuft bisher! Schauen wir mal wie sich alles entwickelt, wir sind aber guter Dinge für eine tolle Tour!

      Und zum Zelt, das ist ein Lofoten 3 Camp in der Superlight Variante. Die Superlight Zelte gibt es entweder im klassischen Grün oder in einem schicken Blauton. Wie bei allen mit Silikon beschichteten Aussenzelten ergibt sich durch Feuchtigkeit, in diesem Fall Kondens, dass sich das Material dehnt und das Zelt durchhängt bzw. nachgespannt werden muss. Also alles gut mit dem Zelt 😉 Wir haben aber auch noch viel Zeit zum Üben 😀

      Und zum Fußball, na wie sprechen uns im Herbst wieder!

      Schwatzgelbe Grüße Simon

  6. Das Zelt ist ein Lofoten Superlight 3 Camp von Helsport. Das kannst du in der Packliste nachlesen. 😉
    Ich denke es steht gut genug, dass sich die beiden wohlfühlen und erholen können.

  7. Hey ihr Zwei!

    Hach, herrlich geschrieben! Vielen Dank ihr Zwei fürs Teilhaben lassen! 🙂
    In einem Leuchtturm würde ich auch gerne mal übernachten.
    Freut mich sehr, dass ihr auf so viele nette Leute trefft. Die Hitze wäre allerdings gar nichts für mich. Auf dem John Muir Trail war sie mein „Untergang“.

    Sonnige Grüße von der Terrasse bei 34 Grad.

    Thomas

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