Die Reise geht weiter durch das Heim der Riesen: Jotunheimen ruft!
Tag 21 Freitag 17.08.12 Luster – Turtagrø – Skogadalsbøen
Die Nacht war irgendwie ziemlich durchwachsen als ich mich gegen 8:00Uhr aus dem Zelt schäle. Laute LKWs, spielende Kinder und ein ziemlich unruhiger Schlaf waren nicht so der Bringer. Zum Frühstück gibt es einen großen Joghurt. Es gibt ja gleich noch was Leckeres vom Bäcker. Schnell alle Sachen wieder im Rucksack verstaut, der Bus wird nicht warten.
Gegen neun schlendere ich rüber zum Bäcker und hole mir eine Zimtschnecke. Was auch sonst.
Dann rüber zum Supermarkt. Ein halbes Kilo Walters Mandler Schokolade, Müsli und diverses Kleinzeug frischen meine Lebensmittelvorräte auf.
Der Bus ist pünktlich und ich werfe meinen Rucksack ins Gepäckabteil. Bin schon sehr gespannt, wie die Busfahrt wird, soll ja recht spektakulär sein.
Bis Fortun ist noch alles ziemlich normal, dann aber geht es über krasse Serpentinen steil den Berg hoch. Der Busfahrer muss echt Nerven aus Drahtseilen haben, nichts für Zartbesaitete. Aber es macht Spaß, wenn man nicht unbedingt darüber nachdenkt, wie steil es hier den Berg runter geht. Wir überholen tatsächlich einige Radfahrer und Radwanderer. Die haben sich was vorgenommen. Respekt und Anerkennung. Der Sognefellsvegen ist schon eine Herausforderung für solch eine Fortbewegung.
Nach rund einer Stunde spuckt mich der Bus in Turtagrø aus. Das Wetter ist eher, naja, nicht so gut. Nebelig, Nieselregen. Meine Stimmung ist etwas gedrückt. Ich hadere etwas, aber nach einem Toilettengang im Hotel mache ich mich dann doch auf. Es ist 11:00 Uhr und ich bin etwas demotiviert. Egal, ich hab es mir ja so ausgesucht.
Ich laufe kurz die Straße hoch und nehme dann den Treckerweg hinein ins Helgedalen. Es ist ziemlich nebelig, wirklich kalt ist es hier auch nicht. Nicht so mein Wetter.
Kurz kam ja auch der Gedanken auf, hoch zur Fannaråkhytta auf 2000m zu laufen, aber bei dem Wetter und meiner Motivation bleibt es bei einem kurzen Gedanken. Ich bin doch nicht vollkommen doof und tue mir das auch noch an. Auch wenn die Aussicht da oben an ein paar Tagen im Jahr überwältigend sein soll. Aber heute ist wohl eher einer von den 300 anderen Tagen. Gemütlich laufe ich den Fahrweg entlang, Kühe kreuzen meinen Weg, es ist echt bequem hier zu laufen.
Gegen zwölf bin ich dann am Talende, auch der Fahrweg findet hier ein Ende und es geht den Berg über einen normalen Wanderweg hoch. Mir kommen einige Wanderer entgegen, alleine in dieser einen Stunde schon mehr als in den Wochen zuvor zusammen. An der Ekrehytta mache ich Pause, hier gabelt sich der Weg dann auch, einmal hoch zum Fannaråken und einmal Richtung Skogadalsbøen.
Der Kaisarpasset soll es für heute für mich sein, das wird mir schon reichen. Im Nebel steige ich unmotiviert bis auf ungefähr 1400m auf.
Komischer Tag heute. Ich hadere etwas mit der Entscheidung durch Jotunheimen zu ziehen, keine Ahnung wieso. Oben am Kaisarpasset mache ich eine halbe Stunde Pause. Das hilft ein wenig gegen die miese Stimmung.
Nach der Pause im Nebel geht es steil hinab zum Gjertvatnet. Treffe drei Norweger die zum Angeln hier sind.
Weiter geht es dann in das Gjertvassdalen. Hier ist es etwas flacher und besser zu laufen. Ich passiere eine Hütte, aber die sieht irgendwie komisch, vielleicht aufgegeben aus. Später am Abend erfahre ich, dass sie im Winter 90m weit weggeflogen ist. Respektabel für so ne kleine Hütte das in einem Stück zu überstehen.
Den Gjertvassbreen bekomme ich leider auch nur im Nebel zu sehen, trotzdem nett anzuschauen. Ich laufe weiter das Tal hinab.
Auf halben Weg runter zur Ganzjahresbrücke unterhalte ich mich länger mit drei Norwegern, sie sprechen sogar etwas Deutsch mit leichtem Wiener Schmäh. Hört sich witzig an.
Um viertel vor fünf bin ich dann an der Brücke über die Utla. Ich trinke noch schnell etwas und mache mich dann an den Endspurt zur Hütte. Ich will dort zelten, soll ja ganz nett da sein.
Der Weg ist feucht und schwülwarm. Was soll das den jetzt?
Egal, nach einer weiteren halben Stunde bin ich da. Wirklich sehr hübsch hier. Vor der Hütte sitzen alle in der Sonne trinken Bier und haben Spaß. Fast wie in den Alpen hier. Ich bezahle fürs Zelten und hole mir eine Cola. Baue mein Zelt oberhalb der Hütte auf und gehe weiter oben am Bach Baden.
Die 30NOK für die Dusche spar ich mir mal besser. Aber der Trockenraum ist echt der Hammer. Die Abluft des Dieselaggregats entfacht einen wahren Sturm im Raum. Da wird echt Alles trocken. Sehr erfrischend ist es dann hier im Bach.
Anschließend gibt es Abendessen in der Sonne. Dann Abwasch und ein Nach-dem-Essen Getränk aus der mobilen Minibar beim Tagebuch schreiben. Laphroaig – gute Wahl.
Unten an der Hütte sind nun die Leute nach dem Abendessen heraus gekommen. Es wird Feuer gemacht und einige Sherpas, die sich hier um die Wege kümmern, kochen Chili Tee und Kaffee. Echt richtig nett und gemütlich hier. Unterhalte mich nett und es macht hier echt Spaß. Richtiger Urlaub.
Gegen zehn wir es frisch und ich gehe in die super gemütliche Stube. Setze mich zu den Leuten von heute Nachmittag. Wir unterhalten uns lange über alles Mögliche und natürlich Fußball. Das geht immer und überall auf der Welt. Irgendwann ist Sperrstunde und ich verkrümele mich ins Zelt. Die Stimmung ist wieder deutlich besser. Geht doch, man muss nur wollen.
Tag 22 Samstag 18.08.12 Skogadalsbøen – Olavsbu
Wache um halb sieben auf. Es regnet, na toll. Versuche den Regen wegzuschlafen und gucke um 9:00Uhr nach dem Rechten. Immer noch Regen. Na toll? Was machen? Zitat Tagebuch: „Irgendwie schei*e!“
Richtiger Regen, so was hatte ich schon lange nicht mehr. Ich beschließe, einfach loszuziehen, heute Abend penne ich einfach in Olavsbu, da kann ich alles trocknen. Ich verzichte auf das Frühstück, habe weder Lust etwas zu essen noch den Kocher für Kaffee oder Tee anzuwerfen. Ein Kvikk Lunsj muss fürs Erste reichen. Gehe zum Klo, hole mein Zeug aus dem Trockenraum. Da ich im Allgemeinen eh nie wirklich Bock auf Frühstück und Müsli im Speziellen habe, gebe ich das noch original verpackte Kilo Müsli auf der Hütte ab, wäre mir zu schade es wegzuwerfen. Sie bedanken sich und ich verspreche in ungefähr einer Woche wieder zu kommen. Am Wochenende soll es auf der Hütte dann auch eine Party mit Live Musik und Vorträgen von Sherpas geben. Hört sich gut an, ich werde das mal im Hinterkopf behalten.
Gegen 10:00 Uhr laufe ich dann los, mit Regenhose an. Das ist mir bisher genau ein Mal auf all den Touren vorher passiert. Eine völlig neue Erfahrung. Ein sehr schwitzige obendrauf. Ich laufe wieder durch den Wald zur Brücke über die Utla. Es ist soo warm und schwül! Unfassbar, komme mir vor wie im Regenwald. Was soll das jetzt? Ich bin echt genervt. Aber spezielle Situationen erfordern spezielle Lösungen.
Ab Hysebøen laufe ich einfach nur mit der Unterhose an weiter und lasse die Regenhose weg. Schon besser und sehr befreiend, hoffentlich sieht mich so keiner. Dann geht es ins Storeutledalen. Hier gibt es viel Buschwerk. Ohne Hose an werde ich aber total nass von den Büschen und Sträuchern. Ah, was ist denn heute los? Also wieder Regenhose. Es nervt! Zur Beruhigung ein weiteres Kvikk Lunsj. Bis zur Brücke und dem Abzweig nach Leirvassbu zieht es sich dann. Mache eine Pause und trinke was.
Irgendwie läuft es heute nicht so, der Flow ist mir abhanden gekommen. Und jetzt geht es schön den Berg hoch. Einige grundsätzliche Dinge bringen mich zum Nachdenken, aber die blöden Gedanken werden bei einer weiteren Pause im Nieselregen mit einer großen Portion Walters Mandler und Eistee bekämpft. Es hilft etwas, scheint mir jedenfalls so. Weiter geht es etwas (wohl eher gefühlt) steiler hoch ins Rauddalen. Heute heißt es über den Kampf ins Spiel zurückzufinden. Aussicht ausreichend, Nebel und Niesel sehr gut.
Ist man allerdings erst mal oben, wird es flacher und besser zu gehen, auf weitere Pausen habe ich bei dem Wetter keine Lust. Der Weg ist gut, nur muss man viele Bäche überqueren. Das aber ist ja nicht Neues. Ich laufe das Tal hoch, immer parallel zu den Seen, die hier wie an der Perlenschnur aufgereiht sind. Gegen 15:00 Uhr komme ich endlich zum Rauddalsvatnet. Hier könnte man auch gut Zelten.
Ein Ende ist absehbar. Ich passiere den Abzweig zur Strecke hinüber ins Skogadalen, Gott sei Dank bin ich da nicht her gegangen, der Pass ist völlig in den Wolken. Vom Ende des Sees aus sehe ich dann die Hütte. Kann ja dann nicht mehr so weit sein. Los Endspurt wider der nicht vorhandenen Wanderlust. Los, los, wenn man die Hütte sieht ist es doch fast geschafft. Pustekuchen, während ich weiter das Tal hoch laufe ist die Hütte nicht mehr zu sehen. Super Motivation.
Plötzlich taucht eine Gruppe Rentiere auf. Sie laufen über ein Schneefeld und sind weder scheu noch in Eile. Das ist dann also wieder so etwas wie eine Motivationshilfe. Ich mache meinen Frieden mit der Etappe und nehme das letzte Stück zur Hütte.
Über Blockwerk und fies glatte Steine komme ich der Hütte näher. Nur noch über die blöde Brücke und dann hoch zur Haupthütte. Es ist jetzt 16:30 Uhr. Gar nicht so schlecht die Zeit, für so einen komischen Tag.
Die Gebäude hier sind ganz schön groß. Ich trete ein und eine ältere Dame begrüßt mich. Ah ja, die Hyttevakt. Kleiner Plausch, Aufklärung wie es hier so zu laufen hat und dann werde ich in die obere Hütte verfrachtet. Kein Ding, die ist scheinbar brandneu und überaus komfortabel.
Ein norwegisches Paar ist schon da. Ich beziehe mein Quartier im Jungszimmer, hier gilt die Separation der Geschlechter. Die Separation der Altergruppen war ja auch bereits durch die älteren Damen erfolgt, wie ich bei einem kurzen Besuch später in der anderen Hütte feststelle. Unten Familien- und Seniorenhütte, oben die Partyhütte für das junge Volk wie mich.
Das Zelt wandert in den großen Trockenraum, der Ofen darin bollert dann auch schnell. Hole Wasser unten am Bach und wasche mich. Sehr gut. Erfrischt und Umgezogen gönne ich mir einen Kakao und entspanne in der Stube.
Es kommen noch zwei Norweger, Stephan mit seiner Freundin. Er entdeckt meinen BVB Aufnäher und fängt an über Dortmund und die „Gelbe Wand“ zu erzählen. Seine Freundin verdreht die Augen, sie kennt das scheinbar schon. Er ist großer Lillestrøm SK Fan und auch gerne unterwegs in Sachen Fußball, erzählt von Dortmund, Wattenscheid, Düsseldorf und kleineren Stadien in Deutschland. Das Lokal „Wenkers“ in Dortmund ist ihm noch in Erinnerung, ist aber auch ein komischer Name für ausländische Gäste, denke ich mir so insgeheim. Auch Claus Reitmaier, ältere Fußballanhänger werden sich erinnern, ist ihm ein Begriff: „He was forty-one when he played for Lillestrøm and was still the best goalkeeper in the league! He played like Gordon Banks, looked like Stallone and spoke English like Arnold! He was a true hero in Lillestrøm!”
Sehr gut, Fußball ist also doch wichtig. Nicht nur für mich. Der ewige Fjell-Small-Talk Woher? Wohin? Wie lange? ist ja auf die Dauer auch langweilig. Abends gibt es dann die bewährte Pizzafyll-Pasta-Kombination für mich. Hinterher waschen wir alle zusammen ab und unterhalten uns gemütlich den Abend lang, nicht nur über Fußball. Nix Partyhütte.
Tag 23 Sonntag 19.08.12 Olavsbu – Gjendebu
Das Wetter sieht nicht so schlecht aus heute morgen, selbst die Sonne lässt sich kurz blicken. Das lässt hoffen. Genehmige mir Griesbrei mit viel Honig und packe langsam meine Sachen. Stephan samt Freundin will auch nach Gjendebu laufen. Nach dem Abwasch und Aufräumen starten wir gemeinsam.
Aber unsere Tempi sind zu unterschiedlich, ich bin zu schnell für die Beiden, auch wenn ich es ruhig angehen lasse. Schnell lasse ich die Seen an der Hütte hinter mir. Heute ist alles gut. Die Etappe ist relativ leicht und kurz, das Wetter angenehm.
Ich wandere gemütlich durch das Rauddalen und passiere See für See.
Das Wetter wird immer besser, gut so. Gegen Mittag treffe ich erst zwei ältere Damen aus Norwegen, unterhalte mich nett. Eine Gruppe junger Deutscher läuft Wort- und Grußlos an mir vorbei, immer den Blick auf den Boden. Ist das jetzt exemplarisch für uns Deutsche gewesen oder waren die Jungs nur platt? Keine Ahnung, ich finde den kurzen Plausch eigentlich immer total nett.
Es wird etwas matschiger, aber nicht der Rede wert. Der Blick auf den Slettmarkbrean macht Laune.
Dann geht es um den See Grisletjønnen auf 1400m. Auch schön, kann man bestimmt gut Zelten hier. Ich gehe noch ein Stück weiter und mache mit Blick auf den Gjendevatnet und das Veslådalen bei bestem Wetter Pause.
Ich mache das Handy an, gestern war DFB Pokal, mal sehen ob ich hier das Ergebnis rein bekomme.
Es wird immer wärmer, der Abstieg gerät schweißtreibend. Überquere den Bach und folge ihm talwärts.
Beim Blick auf den Besseggen in der Sonne kommt mir die Geschichte von Peer Gynt in den Sinn, passt gut zu meinen Gedanken heute.
Der BVB hat gewonnen, irgendwann hatte das Handy wohl kurz Empfang. Sehr gut. Dann kann ich es auch gleich wieder ausmachen. Braucht man ja eh für sonst nichts hier.
Es geht immer weiter hinunter Richtung See, herrliches Wetter. Da könnte heute auch mal ein Bier in der Sonne für mich herausspringen. Ich erreiche die ersten Zäune und den Birkenwald, der auf dem Weg zur Hütte durchquert werden muss.
Dann nur noch die Ausläufer der Storåe überqueren, über die Brücke und ich bin um 15:00 Uhr an der Hütte. Kurzweilig war das heute.
Ich suche mir einen Zeltplatz auf der anderen Seite der Hütte zum Bootsanleger hin und checke ein.
Baue das Zelt auf und gehe Duschen. Super Dinger, so lange man möchte und nur 10NOK. Dann sitze ich vor der Hütte in der Sonne. Stephan kommt mit seiner Freundin Kristin an, wir unterhalten uns und die Atmosphäre ist fast wie im Biergarten, sehr entspannt.
Irgendwann gibt es dann in der Hütte Abendessen. Ich gehe zum Zelt, will da kochen. Es gibt Asia Nudeln, Real Turmat und Kakao.
Anschließend schreibe ich an der Hütte noch mein Tagebuch. Es wird aber schnell frisch und ich gehe in die Stube und sitze dann mit Kristin, Stephan und zwei Deutschen gemütlich beisammen. Weil es heute so schön war, hole ich mir auch ein Bier dazu. Die überaus nette Dänin, die an der Rezeption arbeitet, braucht mich gar nicht groß überreden, ihr Deutsch mit dänischem Akzent ist echt total bezaubernd, für mich der schönste Akzent den man haben kann 😉
Tag 24 Montag 20.08.12 Gjendebu – Memurubu – Gjendesheim
Zum Frühstück gibt es wieder Griesbrei mit viel Honig, das Essenspaket wartet ja hoffentlich schon in Gjendesheim, da kann ich ruhig mal reinhauen. Ich packe mein Zeug und bezahle in der Hütte für Bier und Übernachtung. Das Nesbø Buch bleibt auch hier, die nette Dänin freut sich darüber sehr, so viele Bücher auf Deutsch gibt es hier nicht.
Ich empfehle mich und treffe noch Stephan. Wir quatschen noch ein bisschen. So wirklich weiß ich noch nicht, was ich von dem Tag halten soll, geht es doch heute den Bukkelægret hoch, 400m Aufstieg vom See hoch mit einigen ziemlich steilen Abschnitten.
Die ersten 2km geht es gemütlich am Seeufer entlang. Ich lasse den Bootsanleger rechts liegen und laufe über den Schmalen Pfad weiter.
Der See liegt ruhig da und die Farbe schlägt mich in seinen Bann. Dann nimmt das Elend seinen Lauf.
Es geht bergan. Zuerst über Geröll und Schutt, dann aber schnell steil den Berg hoch.
Die Stöcke stören zeitweise, ich muss die Hände zum Klettern benutzen. Irgendwie uncool, so mit dem großen Rucksack hier hoch.
Bei Regen muss das ein kleines Himmelfahrtskommando sein. Einige Passagen sind mit Ketten versichert. Die Stöcke kommen an den Rucksack und ich wuchte mich da hoch.
Langsam aber stetig gewinne ich an Höhe. Ich mache öfters kurz Pause, an einigen Stellen mag ich gar nicht runter sehen oder nachdenken, ich mag meine Höhenangst in diesen Momenten nicht so sehr. Aber es geht, erstaunlicherweise sogar besser als gedacht. Serpentine um Serpentine wird niedergerungen, es dauert und dauert, ich arbeite mich hoch.
Gegen 12:45 Uhr hab ich es endlich geschafft. Ich mache drei Kreuze, aber so schlimm war das jetzt auch nicht, da geht noch was. Der Ausblick zurück dagegen entschädigt für die Anstrengung. Das hat sich gelohnt.
Mit einem Tagerucksack kommt hier wohl auch meine Oma hoch, grinse ich, ich stelle mich aber auch manchmal an. Weiter geht es über die Memurutunga.
Ein paar Wanderer kommen mir entgegen. Es geht auf und ab.
Ich erreiche den Abzweig hinunter zum Memurudalen, im Hintergrund ist der Memurubrean zu sehen. Leider ist es ziemlich bewölkt hier, etwas schade aber halt nicht zu ändern.
Kurz darauf mache ich an einem der kleineren Seen Pause. Walters Mandler und Instant Orangengetränk belohnen mich für den bisherigen Tag. Es wird frisch und nieselt, wird heute wohl nichts mit einem Nickerchen. Weiter dann zum Sjugurdtindtjønne hoch. Eine Gruppe älterer Damen kommt mir entgegen, es soll noch tüchtig auf und ab gehen. Richtig was los hier – was ist hier bloß bei Superwetter in den Sommerferien los?
Weiter dann, immer weiter. Die Aussichten sind wirklich toll. Irgendwann komme ich zum höchsten Punkt von heute, hoch über dem Memurudalen. Hier fällt die Wand steil, wirklich steil ab. Spektakulär.
Ich laufe am Grat entlang, auch wenn das nicht der eigentliche Weg ist, aber es ist einfach zu faszinierend hier entlang zu gehen.
Auch das Tagesziel kommt schon in Sicht. Krass, da muss ich jetzt her.
Auf- und Abstiege wechseln sich ab, man verliert trotzdem langsam an Höhe. Es geht ganz gut, dennoch ziemlich kraftraubend. Aber die Aussichten, die Aussichten, meine Güte, wer hat sich das bloß ausgedacht?
Der letzte Teil des Tages kommt dann. Es geht steil die schmale Zinne Sjugurdtind hinab. Unten sieht man gut wie die Muru in den See mündet, die Hütte liegt steil unterhalb. Das wird wohl ein Fest für die Knie.
Aber auch das ist schneller als gedacht erledigt, gegen 16:00 Uhr stehe ich vor der Hütte. Was ein riesen Klopper, nicht wirklich ansehnlich. An der Rezeption hole ich mir eine Cola und bezahle den Zeltplatz. Vor der Tür quatsche ich dann mit einer Gruppe vom österreichischen Alpenverein die auch von Gjendebu aus gelaufen sind. Sie warten auf ihr Gepäck per Boot. Dann möchte ich mal die Zeltwiese etwas unterhalb der Hütte inspizieren. Niemand da, der Zeltet. Ich sehe dann am Anleger eine Gruppe Leute.
Ich stutze kurz, kommt da heute noch ein Boot nach Gjendesheim? Jawohl, so ist es. Hm, die Hütte hier ist echt kein Bringer, teuer und sehr touristisch, der Zeltplatz irgendwie lieblos und das Wetter soll morgen auch schlecht werden, so war jedenfalls die Vorhersage in der Hütte. Muss ich mir bei schlechtem Wetter den Besseggen mit dem großen Rucksack antun? Nö, eigentlich nicht.
Also hole ich mir an der Rezeption meine Zeltgebühr wieder und nehme das Boot! Dusche und warme Hütte mit Abendessen, ich komme! Auf dem Boot wird es frisch und es nieselt. Treffe zwei Mädels aus Augsburg die den Besseggen heute zusammen mit ihrem Hund gegangen sind. Der Arme Hund ist echt arm dran, konnte ja nicht wissen worauf er sich da eingelassen hat. Völlig fertig liegt er unter der Bank, der arme Hund. Frauchen hat erbarmen und zieht ihm eine Jacke an. Wusste gar nicht das TNF jetzt auch eine Hundekollektion herausgebracht hat.
Nach kurzer Fahrt kommen wir dann in Gjendesheim an. Gehe rüber zur Rezeption, heute gönne ich mir das Abendessen samt Bett im Schlafsaal hier. Frage noch, ob sie für mich ein Lebensmittelpaket haben. Ach ja, richtig, sie können sich tatsächlich daran erinnern. Auf dem Weg zum Schlafsaal sammele ich im Skistall meinen Beutel ein. Das hat ja gut geklappt, vielen Dank Ulrich dafür!
Dann Duschen und Abendessen. Ich schlage mir den Bauch so richtig voll. Drei Gänge und sehr lecker. Mit meinem schwedischen Tischnachbarn rede ich dann hinterher noch über die Knutshø und andere Turen hier. Bei einem Bier und Schmökern in diesen tollen Büchern über Jotunheimen aus dem Glittertind Forlag, die hier überall auf den Hütten liegen, beschließe ich den Tag.
Tag 25 Dienstag 21.08.12 Gjendesheim – Russvatnet
Um halb acht habe ich genug vom Schlafsaal, schläft man günstig muss man doppelt so lange schlafen um sich zu erholen. Heute Abend wird auf jeden Fall gezeltet. Es soll eh nur bis zum Russvatnet gehen, quasi eine gemütliche Halbtagestour. Vorher aber Frühstück. Eier! Wurst! Käse! Fisch! Frisches Brot! Obst! Gemüse! Ich komme mir vor wie im Schlaraffenland, weiß gar nicht was ich zuerst essen soll! Und dann noch Matpakke und Äpfel für unterwegs! Esse so lange, bis sie mich fast aus dem Speisesaal werfen. Zeit spielt heute kein Rolle, noch einen Kaffee? Ja gerne. Komme erst gegen elf Uhr los. Was ein Luxus.
Schaue mir kurz den Kiosk unten am See und die Tafeln zum Besseggen an. Dann laufe ich hoch den Weg, zu Anfang in Richtung Besseggen. Das Wetter ist natürlich so gar nicht schlecht heute, warum gucke ich mir die Vorhersage überhaupt noch an? Langsam sollte ich ja schlauer werden.
Biege dann ab in Richtung Glitterheim. Es geht gemütlich den Berg hoch zum Bessvatnet.
Schnell über die Brücke und es ist schon Mittag.
Da ich ja jetzt immerhin schon eineinhalb Stunden unterwegs bin, mache ich Pause, genieße die Aussicht und die ersten Brote des Tages sind fällig. Und ein Apfel, selten war ein Apfel leckerer.
Fast eine ganze Stunde sitze ich faul rum. Was geht es mir gut. Nur der Wind frischt auf. Es geht weiter, ich laufe um die Bessheimrundhøe.
Die Berge Rondanes im Nord-Osten sind gut zu erkennen. Da war es letztes Jahr auch total schön, denke ich so.
Weiter geht es und schon erscheint der Russvatnet im Blickfeld.
Ich laufe hinab, ein paar Schafe kreuzen meinen Weg. Unten am See gibt es einen schönen Bade- und Zeltplatz, direkt am Abfluss des Sees in die Russa.
Überlege kurz, aber auf der anderen Seeseite sollten auch ein paar nette Stellen zu finden sein. Also geschwind über die Brücke und vorbei an den privaten Hütten.
Die sehen beim Blick durch die Fenster recht feudal aus, sind aber abgeschlossen. Kein Wunder, hierher gibt es auch einen Fahrweg. Weiter dann am Seeufer.
Kurz bevor der Weg nach Spitterstulen vom Ufer aus ansteigt, finde ich einen tollen Zeltplatz mit kleinem Kiesstrand. K(l)eine Spuren war für die Vormieter eher unwichtig, in der Asche der Feuerstelle gibt es reichlich unverbrannten Müll zu bestaunen. Ärgerlich. Einzelne Wandere laufen noch vorbei.
Dann gehe ich Baden, eiskalt aber in der Umgebung mit dem Wetter wird einem schnell wieder warm. Ich entsteige gerade unbeschürzt den Fluten, als natürlich wer auftaucht. War ja klar. Der Typ ist aber scheinbar Kummer gewohnt. Als wir uns unterhalten, erzählt er, dass er beruflich hier als Ranger unterwegs ist. Dachte die Jotunheim Kappe wäre von dieser norwegischen Sportartikelmarke. Netter Job auf alle Fälle, falls sie noch jemanden brauchen, kann er mich gerne anrufen. Dann geht er weiter, muss ja zum Feierabend wieder in Gjendesheim sein. Als nächstes ist das zweite Brot fällig.
Ich genieße die Sonne und hänge einfach ab, was ein Leben.
Gegen 19:00 Uhr gibt es dann Erbswurst mit Asia Nudeln für alle. Nachdem ich mich vom Glutamatschock erholt habe, erledige ich rasch noch den Abwasch bevor es leider anfängt etwas zu nieseln.
Tag 26 Mittwoch 22.08.12 Russvatnet – Glitterheim
Juhu, kein Regen, sehr gut. Schnell raus und ab ans Frühstück. Eine Scheibe Pumpernickel mit Schokocreme und Kakao, das Frühstück für Champions. Dann Packe ich mal wieder den ganzen Kladderadatsch ein, das könnte ich jetzt wohl auch ohne Probleme im Halbschlaf.
Stiefele los. Unterwegs möchte ich mich entscheiden, ob ich über den Vestre Hestlægerhøe oder den Tjørnholet gehen mag. Bis zur Brücke über die Tjønholåe habe ich dazu Zeit. Der Blick auf den Russvatnet ist echt cool und auf der anderen Seite des Baches entdecke ich eine Gruppe Rentiere.
Leider nimmt mir das Wetter die Entscheidung ab, werde wohl über den Vestre Hestlægerhøe gehen, laut Reiseführer ist der andere Weg im Regen und wohl nicht so toll. Sei’s drum.
Die Brücke kommt, sieht aus als hätte MacGyver seine Finger mit im Spiel gehabt. Ein wenig Tüddelband hier und fehlende Bohlen über Aluleitern da. Da hat der TÜV wohl ein Auge zugedrückt. Die Rentiere sind jetzt in der Nähe, machen keine Anstalten zu verschwinden.
Ich folge dem Weg, lasse den Abzweig hinter mir und versteige mich irgendwann. Hä, da war doch gerade noch der Weg, was soll das jetzt? Finde aber schnell wieder zurück, wäre ja noch schöner.
Der Abzweig nach Memurubu kommt auch bald, wieder sehr kurzweilig heute. Nur schade, dass man die Gletscher unter den Wolken nicht in voller Pracht genießen kann.
Weiter hoch zur Scharte, die den heutigen Höhepunkt darstellt. Unzählige von den Schneefeldern gespeiste Bäche fließen hier den Hang hinab. Praktisch zum Trinken.
Das letzte Stück geht über ein Schneefeld und schon bin ich oben auf 1685m. Aber jetzt passiert das Undenkbare. Es fängt an zu regnen und ich überlege kurz die Regenjacke anzuziehen. Nö, die Softschell muss reichen, gibt ja heute vermutlich einen Trockenraum. Nur der Rucksack wird mit der Regenhülle versehen.
Der Abstieg jetzt wird nicht so launig, ziemlich glitschig und auch tückisch auf dem glatten Geröll. Laut vor mich hin fluchend bin ich gegen halb zwei damit durch und laufe über die matschigen Wege hin zur Brücke über den Veo Fluss. Die Hütte ist schon eine ganze Weile zu sehen.
Um zwei bin ich an der Hütte. Entscheide mich zu Zelten mir aber die Verpflegung in der Hütte zu gönnen. Hab ja Urlaub. Bin so ziemlich alleine hier. Außerhalb der Ferien ist hier unter der Woche wenig los. Nur am Hang oberhalb der Hütte befindet sich eine Helsport Tunnelzeltausstellung. Eine Schulklasse ist auch noch hier, zeltet dort und ist heute im Nebel hoch auf den Glittertind.
Ich melde mich an und baue mein Zelt auf. Nach der Dusche wasche ich ein paar Sachen durch und hänge schnell den Trockenraum voll, bevor gleich die Schulklasse alles blockiert. Am Zelt noch schnell Tee gekocht und ab in die Stube.
Lese und stelle fest, es gibt ganz schön bekloppte Leute. Fünf Wochen auf Langtur mit großem Gepäck, die spinnen die Norweger 😉
Sehe mich dann draußen noch ein wenig um bevor es Abendessen gibt. Am Tisch sitze ich mit drei Deutschen, die wollten Klettern gehen und hatten schlechtes Wetter. Stattdessen sind sie jetzt ein paar Tage im Fjell unterwegs. Sie erzählen, das ihre Urlaubskasse um 400€ geschröpft wurde, 11km/h zu schnell mit dem Auto. Kostet zu Hause wahrscheinlich nur 20€. Herzlich willkommen in Norwegen.
Das Abendessen aber versöhnt uns alle. Es gibt frisch geräucherten und gekochten Lachs, Rentierzunge mit Rømme und Frühlingszwiebeln. Dann noch Rentiereintopf und Kuchen hinterher. Da fällt mir wirklich kein Grund ein, mir draußen im nassen Zelt ein Real Turmat reinzuhauen. Daumen hoch für das Essen in Glitterheim, kann ich nur empfehlen.
Beim Kaffee quatschen wir noch lange, wir sind alle an der Grenze zum Platzen, so lecker war es. Danach sitzen wir noch in der Stube beisammen, schauen uns die Schulklasse an. Die haben draußen selber gekocht, vorzugsweise Real Turmat auf dem Trangia. Jetzt werden die fehlenden Kalorien mit Chips und Cola aufgefüllt. Die Gitarre wird herumgereicht und es ist echt gemütlich. Gewöhnungsbedürftig für uns Nichtnorweger ist allerdings, das die Jungs, vielleicht sind sie so 15 oder 16, alle riesige Messer am Gürtel tragen. Könnte ich ja hier mal auf Klassenfahrt vorschlagen, kommt bestimmt gut an. Gute Nacht.
Tag 27 Donnerstag 23.08.12 Glitterheim – Spiterstulen
Es regnet richtig als ich aufwache. Egal, das Frühstück in der Hütte wartet. Vorher schaue ich kurz im Trockenraum nach, der ist kurz vorm Überlaufen, die Schüler haben ihn voll gestopft. Aber es scheint alles trocken zu sein.
Das Frühstück gerät überaus üppig. Sitze wieder mit den Deutschen zusammen, wir essen und essen und essen…bis uns das freundliche Küchenmädel rauskehrt. Das Frühstück hat sich gelohnt. Hoffentlich kann ich gleich noch laufen. Den Glittertind kann ich mir bei dem Wetter von der Backe putzen, das macht einfach keinen Sinn.
Als ich anfange mein Zeug zu packen, laufen schon zwei Gruppen an mir vorbei gen Spiterstulen. Läuft trotz des Wetter ganz gut, das Einpacken, nur das nasse Zelt bereitet mir ein wenig Kummer. Ich habe keinen Bock das Innenzelt auszuhängen. Das muss dann einfach heute nach dem Wiederaufbau trocknen, es wird keine andere Wahl haben. Das extra Kilo Feuchtigkeit, dass ich dadurch mitschleppe, ignoriere ich einfach geflissentlich.
Also los über die rutschigen Planken an der Hütte. Heute dann aber wirklich in der Regenjacke. Laufe gemächlich das Veodalen hoch.
Alles easy und entspannt. Schöne Aussichten auf den Styggehøbrean gibt es hier trotz des Regens. Das Talende ist rasch erreicht und es geht über Geröll hoch ins Veslglupen, einem engen Tal.
Das dumpfe Grollen von Steinschlag begleitet meinen Aufstieg hier. Beeindruckend. Ich laufe auf eine dreier Gruppe Deutscher auf. Habe ich denen jetzt wirklich auf dem kleinen Stück fast eine Stunde abgenommen? Kann doch gar nicht sein. Es sind zwei Männer und eine Frau. Auf halber Höhe treffe ich die Frau, wir quatschen kurz, die Männer warten weiter oben.
Ich laufe durch das enge und dunkle Tal entlang der Seen über Schneefelder und Geröll.
Am Ende sitzt dann die zweite Gruppe und macht Pause. Ein Stückchen weiter kommt doch dann tatsächlich die Sonne raus. Na dann, ich lasse mich nicht lange bitten und mache Pause. Sehr gut.
Aber die Freude ist nur von kurzer Dauer, der Regen kehrt zurück. Weiter also. Leider sind die Berge und Gletscher hier fast gänzlich in Wolken gehüllt, wirklich sehr schade, hier gibt es sonst sicher sehr viel mehr zu sehen.
Der Weg durch die Skautflye ist nicht sonderlich schwer, nur die Steine sind etwas rutschig. Die drei Deutschen haben mich in der Pause überholt, jetzt habe ich sie wieder eingeholt.
Quatsche beim Laufen mit der Frau, das macht das Wetter doch erträglich, wenn es auch nicht wirklich so richtig schlecht ist. Geht schon. Wir reden über die Gefahren, des Alleine-Unterwegs-Seins, sie berichtet von ihren Erfahrungen. Danach bin ich froh den PLB dabei zu haben, so was möchte ich nicht erleben.
Auch die andere Gruppe hole ich ein. Wie ich es immer so mache, spreche ich die ersten an. Die sind nicht wirklich gesprächig, immerhin erfahre ich, dass sie aus Australien kommen und zum ersten Mal in Norwegen und im Fjell unterwegs sind. Dann laufe ich auf ein weiteres Gruppenmitglied auf. Er wartet hier, eine Gruppe Rentiere ist ganz in der Nähe.
Da ich die nicht vertreiben möchte, wenn ich weiterlaufe, rede ich mit ihm ein wenig. Er ist vom DNT und Turleder. Die Gruppe besteht aus vier Australiern und er führt die Tour an. Sie haben sie von Down Under aus gebucht. Er lässt durchblicken, dass sie sich wohl etwas viel zugemutet haben, er schon einen Ruhetag mehr machen musste als geplant. Aber wer die Musik bestellt hat, muss sie auch bezahlen, da müssen sie jetzt durch, auch wenn sie für die Etappen sehr viel länger brauchen.
Den Galdhøpiggen morgen werde sie aber auf keinen Fall schaffen. Der Mann muss echt eine Engelsgeduld haben. Mit den vielen Mitwanderern und zahmen Rentieren hier kommt man sich schon fast vor wie im Wildpark Vosswinkel, Disneyland für Wanderer. Egal, es macht trotzdem Spaß. Durch die ganze Quatscherei und Trödelei bin ich erst um 15:00 Uhr am Skautkampen. Von hier sehe ich das erste Mal den höchsten Berg Norwegens. Sieht ja nett aus, aber muss ich da wirklich hoch? Wir werden sehen.
Ich biege ums Eck und sehe das Tagesziel, Spiterstulen. Ich möchte dort Zelten und morgen ziemlich früh, sofern das Wetter passt, hoch auf den Galdhøpiggen.
Der Abstieg runter zur Straße ist anstrengender als gedacht, es geht über ziemlich viel Geröll und ausgewaschen ist es auch. Es dauert noch fast eine Stunde bis ich die Straße entlang zur Hütte laufe.
Bezahle in der Hütte den Zeltplatz, hole mir eine Cola und baue mein Zelt auf der anderen Flussseite auf. Trocknet schnell in der Sonne. Sieht hier aus wie in einem Basislager. An den Zelten kann man die Herkunft der Leute erkennen. Das Wochenende steht vor der Tür, dementsprechend voll ist es hier. Das Wetter soll auch gut werden, das spricht für einen Aufstieg, aber was gebe ich schon auf den Wetterbericht.
Nach der Dusche gehe ich im Küchenhäuschen Abendessen machen. Das Kabuff ist voll von Schülern, gefühlte 100 Trangia Kocher schwängern die Luft mit Ruß, überall brutzeln Würstchen, mal mehr oder weniger schwarz, vor sich hin, es gibt Lompe med Pølse für alle. Diesen Snack aus Teigfladen mit Würstchen gibt es hier überall. Ich hab sie beim Camping, im Kiosk auf dem Galdhøpiggen oder auch im Stadion bei Vålerenga getroffen.
Ich begnüge mich mit Real Turmat. Zeitig gehe ich dann ins Bett. Ich muss komplett bescheuert sein, habe mir für morgen vorgenommen um sechs Uhr aufzustehen und hoch auf den Gipfel zu steigen. Ich habe echt einen an der Waffel. Nebenan sitzen sie gemütlich am Lagerfeuer vor dem Lavuu. Sie versuchen mich mit dem „Earth Song“ in den Schlaf zu singen. Nun ja, klappt eher mäßig…
Tag 28 Freitag 24.08.12 Galdhøpiggen
Es ist der 24. August, der Tag an dem die Bundesliga wieder beginnt. Dortmund spielt gegen Werder, ich könnte mich den ganzen Tag lang darauf freuen, später mit den Jungs und Mädels endlich wieder in den Tempel gehen, eine paar Pilsetten zischen und die schwarz-gelben Dortmunder Jungs zum Sieg brüllen. Aber nein, ich stehe lieber um sechs Uhr auf, um 1400hm auf diesen komischen Berg zu wandern, nur weil er da ist.
Was ist wohl bekloppter? Wahrscheinlich können die meisten Leute weder das eine noch das andere nachvollziehen. Sei’s drum, da bin ich wohl eine doppelt gespaltene Persönlichkeit.
Immerhin sieht das Wetter viel versprechend aus. Ich esse rasch eine Scheibe Brot mit Schokolade und werfe noch ein paar Riegel zum Tee in den Rucksack. Ich mache es also wirklich. Laufe los, die anderen hier schlafen noch den Schlaf der Gerechten, vielleicht bin ich ja nachher tatsächlich der Erste oben und habe die Aussicht exklusiv, na ja für ein paar Minuten vielleicht.
Es geht schnell hoch und ich komme rasch ins Schwitzen. Weg mit der Jacke. Schön Aussicht dann ins Visdalen. Dann über Schneefelder und Geröll hoch. Leider gibt es vom Aufstieg nicht wirklich viele Fotos, nur Nebel und Waschküche. Hoffentlich ändert sich das später. Auf 1900m unterhalb des Svellnosi Kamms mache ich Pause, immer noch Nebel. Schnee und Geröll wechselt sich ab. Plötzlich wird es neben mir steil, das Gelände fällt senkrecht ab zum Styggebrean. Na immerhin weiß ich jetzt, das der Gletscher wirklich da ist. Weiter hoch zum Keilhaus topp, endlich taucht der Gipfel auf.
Über Schneefelder geht es hoch. Die sind allesamt noch mit Eis überzogen, war wohl doch etwas frisch hier letzte Nacht. Macht es mir aber einfacher. Gegen elf bin ich dann tatsächlich oben. Verrückt, keiner da. Alles ist total still, beängstigend ruhig.
Die Scheiben der Hütte sind mit Eisblumen verziert. Aber langsam kommt die Sonne durch. Bin etwas kaputt. Trinke und esse etwas, rufe kurz zu Hause an, um von meinen Heldentaten zu erzählen. Lege mich 45 Minuten in die Sonne, dann erst kommen die nächsten Leute hoch. Es sind Esten und es gibt einen Gipfelschnaps für alle, ich kann mich nicht erwehren. Franzosen kommen als nächstes, wollten auch die Ersten sein, Pech gehabt, der dicke Deutsche war ne Stunde eher oben 😉 Da müsst ihr früher aufstehen.
Dann geht es Schlag auf Schlag, unglaublich wie viele kommen. Von der Juvasshytta laufen sie über den Gletscher. Eine Kohorte Eiskrieger bewegt sich über den Gletscher. So müssen sich die Burgherren im Mittelalter gefühlt haben, als sie die Angreifer schon von weitem aus haben heranstürmen sehen.
Ein Junger Kerl stürmt voran. Außer Atem rennt der arme Tropf direkt zur Hütte und schließt sie auf. Aha, ein Doofer muss also voran laufen um schon mal Kaffee aufzusetzen. Gehe dann mal kurz zur Hütte, ganz schön groß hier.
Der Typ erzählt, er bliebe das ganze Wochenende hier oben. Da bin ich doch etwas neidisch, bei dem Wetter sicher unschlagbar hier abends und morgens allein zu sein. Beim nächsten Mal. Ich will aber nicht lange stören, Kaffee und Hot Dogs müssen vorbereitet werden.
Ich sitze noch etwas in der Sonne, habe heute ja massig Zeit.
Vor mir sitzt ein Norweger, ziemlich drahtig. Hat nur einen sehr kleinen Rucksack und Trailrunningschuhe an. Zwei Stunden und zehn Minuten hat er hoch gebraucht, sagt er und zündet sich eine Kippe an.
Um viertel vor zwei mache ich mich wieder an den Abstieg. Ski wären jetzt cool.
Die Schneefelder fliegen nur so vorbei, es macht echt Laune und geht super schnell. Den Aufstieg zur Svellnose spare ich mir, laufe herum über das Gletscherfeld.
Über die Geröll- und Schneefelder geht es weiter abwärts. Total kurzweilig und ich werde beim Abstieg über die großen Schneefelder leicht euphorisch bis fast schon übermütig. Krass, was man ohne Nebel und Wolken für Aussichten hat. Bin froh es gemacht zu haben. Das letzte steile Stück überwinde ich auch noch.
Es kommen immer noch Leute hoch, immerhin ist es schon 15:00 Uhr. Aber mit Jeans und Adidas Samba ist man ja für so einen kleinen Ausflug sicherlich auch gut ausgerüstet. Spiterstulen kommt wieder in Sicht und um 16:00 Uhr sitze ich wieder an meinem Zelt. Zur Belohnung gibt’s ein Bier.
Die Dusche anschließend ist herrlich. Rumgammeln bis zum Abendessen. Beschließe gegen acht Uhr noch der Hütte einen Besuch abzustatten. Da kann ich dann im Warmen auf das Ergebnis warten. Wer das Buch „Der norwegische Gast“ von Anne Holt kennt, fühlt sich wie in der Filmkulisse zu diesem Buch. Schöner siebziger Jahre Chick gemischt mit einer Prise „Sauerlandstern“
Am Nebentisch veranstaltet eine Gruppe von Geschäftsfreunden aus Bergen ein Trinkgelage vom Allerfeinsten. Nicht pöbelnd und ausufernd, eher schick mit reichlich Wein und traditionellen Trinkliedern. Als dann noch alle aufgerufen werden, die morgen hoch zum Gladhøpiggen wollen und vorher ihren Gletscherführer treffen wollen um ihm Fragen stellen zu können, empfehle ich mich. Ist mir irgendwie unheimlich hier. Zu viele komische Leute in zu teuren Klamotten hier, nichts für mich heute.
Ach ja:
Ballspielverein Borussia aus Dortmund – SV Werder Bremen 2:1
1:0 Marco Reus (11., Rechtsschuss, Vorarbeit Blaszczykowski)
1:1 Theodor Gebre Selassie (75., Kopfball, Vorarbeit Arnautovic)
2:1 Mario Götze (81., Rechtsschuss, Vorarbeit Lewandowski)
Geht doch 😉