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Josten pa langs – eigentlich eine Traumtour – Teil 3

Der sechste Tag – der Aufstieg auf den eigentlichen Jostedalsbreen

„Heute gilt es!“ kommt es mir sofort in den Sinn, als ich früher als bisher auf dieser Tour gewohnt aufwache, wir haben uns für heute sogar den Wecker gestellt, damit wir nicht verschlafen. Beim Frühstück wird weniger gesprochen als sonst, die Anspannung vor diesem entscheidenden Aufstieg ist spürbar. Da wir in einem Talkessel zelten, haben wir diesmal morgens auch keine wärmende Sonne auf dem Zelt, so wie das gestern der Fall war und uns den Start in den Tag merklich angenehmer gestaltet hat.

Aber genau aus diesem Grunde stehen wir ja auch schon so zeitig auf. Wir wollen verhindern, den Aufstieg in der prallen Sonne absolvieren zu müssen, die Gefahr einbrechender Schneebrücken oder herabfallender Eisbrocken wäre ungleich höher als bei noch kalten Verhältnissen, die Schnee und Eis stabiler machen. Das Wetter scheint uns heute gewogen zu sein, es schneit nicht und die Sicht ist auch gut. Hoffen wir mal, dass sich das während des Aufstiegs nicht noch ändert. Sich mitten im Eislabyrinth bei White-Out-Bedingungen wiederzufinden, gehört nicht gerade zu meiner Lieblingsvorstellung.

Beim Packen müssen wir heute besondere Sorgfalt walten lassen, da wir zwischenzeitlich vermutlich aufgrund der Steilheit des Geländes all unser Gepäck auf dem Rücken tragen müssen. Auch legen wir direkt zu Beginn schon die Klettergurte an und halten die übrige Kletterausrüstung wie Grödel, Seil und Eispickel griffbereit. Wir werden direkt mit dem großen Rucksack auf dem Rücken aufbrechen und im Pulkaschlitten nur jeweils einen großen Packsack verstauen. So sind wir in dem steilen Gelände beweglicher und laufen nicht Gefahr, dass sich die Pulka überschlägt oder es zu steil wird, um die Pulka noch vernünftig ziehen zu können.

Beim Aufbruch bin ich etwas angespannt, da ich überhaupt nicht einschätzen kann, was uns gleich bevorstehen wird. In größerem Abstand laufen wir los, wir halten Distanz, eine Vorsichtsmaßnahme, um nicht auf einer Schneebrücke, die sich eventuell unter der Oberfläche verbergen könnte, einzubrechen. Martin geht wieder voran und quert hinein in den Hang des Småttene. Nach einigem Zickzak befinden wir uns schon in merklich steilerem Gelände. Hier gibt es eine geschlossene Schneedecke, weiter oben ist der Gletscherbruch mit den sich auftürmenden, haushohen, hellblau schimmernden Eisblöcken schon fast zum Greifen nahe. Wir wollen den Hang komplett queren und uns auf der nördlichen Seite des Gletscherbruchs einen gangbaren Weg aufwärts suchen. Dort sind wir nahe an den Felsen und man sollte dort einfacher an Höhe gewinnen können, so unsere Theorie.

Nun aber wird das Gelände rasch sehr viel steiler, wir schnallen die Ski ab und verstauen sie auf den heute sehr leichten Schlitten, die wir ja immer noch hinter uns her ziehen. Über die Schuhe streifen wir nun die Grödel, die uns dank der kleinen Zacken und Ketten unter der Sohle mehr Halt und Sicherheit in diesem Gelände geben werden. Kurz darauf erreichen wir eine Stelle in der Nähe der Felsen, auf der wir uns alle vier gefahrlos sammeln und das weitere Vorgehen besprechen können. Mir ist immer noch absolut schleierhaft, wie wir durch dieses Gewirr aus Eis und Schnee einen Weg nach oben finden sollen. Ich bin nervös, pumpe wie ein Maikäfer und total verunsichert, die ganze Situation behagt mir nicht. Vermutlich liegt das aber ganz einfach an meiner fehlenden Erfahrung in solchem Gelände. Die anderen strahlen Gott sei Dank Zuversicht und Ruhe aus, sie haben schon öfters solche Touren gemacht, wenn auch in den Alpen. Aber wenn das Gelände hier nicht alpin ist, dann weiß ich es auch nicht.

Wir entschließen uns nun für den folgenden Abschnitt am Seil als Seilschaft weiterzugehen. Wir binden uns also alle ins Seil ein und kurz darauf geht es erst richtig los für uns. Als Erfahrenste von uns bei solchen Verhältnissen übernimmt Gitti die Führung und geht voran. Danach folge ich und hinter mir gehen dann Martin und Chris. Wir haben alle weiterhin die voluminösen und schweren Trekkingrucksäcke auf, zudem ziehen wir auch in der Seilschaft jeweils unsere orangenen Pulken hinter uns her. Wir müssen also nun in der Seilschaft besonders aufpassen, dass wir uns mit den Schlitten nicht gegenseitig behindern.

Auf Anhieb findet Gitti eine gute Linie, die Schneeauflage ist groß und trägt uns sicher, langsam erschließt sich ein Weg durch die chaotische Eiswelt um uns herum. Wir scheinen unglaubliches Glück mit den Verhältnissen zu haben. Es ist zwar anstrengend und ich muss mehrfach um eine kurze Pause bitten, aber es geht ganz gut. Pausen sind eigentlich in diesem Gelände ein No-Go, zu gefährlich ist es eigentlich, hier direkt über diesem sehr spaltenreichen Bereich anzuhalten. Die kurzen Augenblicke zum Durchatmen verschaffen mir immer wieder genug Kraft, um weiterzugehen. Beim Blick zurück ins Tal stockt mir der Atem, dort wo man heute Morgen noch bis zur Stelle, an der wir gezeltet haben, sehen konnte, sieht man jetzt nur noch eine weiße Wand, schlechtes Wetter zieht nun auf. Zum Glück haben wir den spaltigsten und gefährlichsten Teil nun geschafft, die Steigung wird von Schritt zu Schritt flacher, langsam weicht die Anspannung der Erschöpfung. Im Grunde ging es bis hierher ganz gut, wir haben gar nicht so lange für die gut 500 Höhenmeter gebraucht, aber es kam mir währenddessen vor wie in Zeitlupe.

Kurz darauf wird es so flach, dass wir beschließen eine Pause zu machen und uns aus dem Seil auszubinden. Ich bin total fertig, aber auch stolz, denn wir haben es wirklich bis auf den eigentlichen Jostedalsbreen geschafft. Wir haben bisher trotzt des vorwiegend schlechten Wetters immer Glück für die entscheidenden Stellen gehabt, es hat sich immer ein Fenster aufgetan, um die Schlüsselstellen bei einigermaßen guten Bedingungen anzugehen. Manchmal ist es vielleicht doch das Glück des Tüchtigen, wir jedenfalls haben es hier hinauf relativ problemlos geschafft. Wer hätte das vorher oder heute Morgen noch gedacht? Die Anspannung weicht der Erleichterung.

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Die Stärkung und Pause tut gut, langsam aber sicher finde ich wieder zu mir und bin stolz darauf, es hierher geschafft zu haben. Solche Herausforderungen sind bei mir oft reine Kopfsache, umso schöner ist es zu erfahren, dass man sie dann wirklich gemeistert hat. Das Wetter um uns herum wird immer schlechter, es zieht sich zu und die Sicht tendiert mal wieder gen null. Die schweren Rucksäcke wandern wieder zurück vom Rücken in die orange Plastikwanne, die Ski finden wieder ihren angestammten Platz unter den Skischuhen, die Grödel werden verstaut. Es ist noch relativ früh am Tag. Da wir so zeitig losgezogen sind und der Aufstieg reibungslos geklappt hat, haben wir jetzt noch die Möglichkeit ein paar Meter oder gar Kilometer auf dem Gletscher zurückzulegen. Also geht es wieder los im Gänsemarsch, auf in White-Out, das uns nur manchmal kurze Ausblicke auf die Umgebung erhaschen lässt. Wir gehen und gehen, die Monotonie hat uns wieder. Schade, dass wir hier kein gutes Wetter haben, aber sollen wir uns nach diesem Aufstiegsglück davon ärgern lassen? Nein, besser so als andersherum.

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Das Gelände steigt ganz sanft an bis auf fast 1800 Meter über dem Meeresniveau, wir kommen gut voran und folgen einfach den Höhenlinien, um nicht unnötig zu hoch zu gelangen. Bei der schlechten Sicht lohnt es auch nicht, den einen oder anderen Hügel am Rande unserer Route zu erklimmen, es ist einfach aussichtslos, im wahrsten Sinne des Wortes.

Auf Höhe des Brødalsbreen bei  der Position 61°45’21.0″ Nord / 7°06’23.4″ Ost (61.75584, 7.10650) entschließen wir uns, es für heute gut sein zu lassen. Unser Tagesziel haben wir erreicht, wir haben die Schlüsselstelle und den Übergang auf den Jostedalsbreen gemeistert. Die nächsten Tage sollten nun ganz entspannt werden. Die Bilder, die andere Tourengeher auf ihrer Tour über den Gletscher gemacht haben, erscheinen vor meinem inneren Auge, das reinste Vergnügen wird uns erwarten! Turglede vom Allerfeinsten! Eine beinahe arktische Eiswüste wird sich vor uns erstrecken und wir werden wie die großen Polarabenteurer durch diese Weite streifen. 

Aber das ist dann ab morgen dran, heute genießen wir erst einmal unseren Erfolg, es bis hierher geschafft zu haben. Das Lager wird zügig und ohne Probleme errichtet, die Routine hat Einzug gehalten und macht den abendlichen Alltag so zu einer effizienten Sache. Nachdem wir uns eingerichtet und ein wenig bei reichlich Schokolade und anderen Leckereien ausgeruht haben, geht es daran, das Wasser für das Abendessen zu schmelzen und dabei den Tag Revue passieren zu lassen. Verdammte Axt, wir sind wirklich auf dem Jostedalsbreen!

Der siebte Tag – auf zum höchsten Punkt der Tour

Am nächsten Morgen scheint sich das Wetter etwas gebessert zu haben. Immerhin kann man nun ab und zu etwas sehen und erahnen, wie spektakulär die Aussichten bei gutem Wetter wohl wären. Als wir dann wieder aufbrechen, ist das Wetter immer noch sehr unstet, es kann sich einfach nicht entscheiden, ob es nun gut oder wieder schlecht werden soll. Uns ficht das nicht an, wir wollen heute den höchsten Punkt am Gletscher erklimmen. Der „Høgste Breakulen“ ist mit 1957 Metern die höchste Erhebung inmitten dieser weißen Wüste, sogar einige Felsen ragen dort aus dem Eis heraus.

Das Wetter heute macht den Tag zu etwas ganz Besonderem. Zwischendurch reißen die Wolken ganz kurz komplett auf, uns stockt der Atem, was für ein Anblick auf die Berge und Felsen, die den riesigen Gletscher wie steinerne Finger in einem eiskalten Griff halten und umgeben. Dann aber stapfen wir wieder durchs White-Out, folgen den Höhenlinien möglichst effizient und hangeln uns wie mittlerweile schon gewohnt von GPS-Punkt zu GPS-Punkt. Es geht immer wieder sanft auf und ab, niemals steil, aber dafür stetig. Das Wetter kann sich immer noch nicht entschließen, und so finden wir uns zwischendurch in einem überdimensionalen Schüttelglas wieder. Eine höhere Macht hat beim Anstieg zum höchsten Punkt des Gletschers einmal kräftig das große Glas geschüttelt und um uns herum stieben nun die Eiskristalle auf. Die Luft ist erfüllt von einem mystischen Glitzern, die durchbrechenden Sonnenstrahlen tauchen die Umgebung in eine goldene Atmosphäre. Sprachlos versuche ich die Szenerie mit der Kamera einzufangen, der Wind frischt indes merklich auf.

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Die anderen sind schon etwas vorangegangen, und in diesen wenigen Augenblicken hat sich schon ihre Spur mit Schnee und Eis gefüllt. Es ist total verrückt, ich muss an Scott und Amundsen und all die armen Teufel denken, die sich freiwillig für Monate in eine solch lebensfeindliche und unbekannte Umgebung begeben haben. Ob sie zwischendurch auch einmal inne halten konnten, um die Aussichten zu genießen? Ich vermag mir ihre Strapazen nicht vorzustellen, das geht über meine Vorstellungskraft hinaus. Wir sind im Vergleich ja nur lausige Sofaabenteurer, aber dennoch fühle ich mich ihnen hier auf merkwürdige Art und Weise verbunden.

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Das Wetter wird nun leider wieder schlechter, der kurze Glanz ist schnell vergangen und wir laufen nun im White-Out dem Gipfel unserer Überquerung entgegen. Für heute war es das mit Aussichten, nur kurz können wir noch die Felsen am höchsten Punkt durch die milchige Suppe erspähen. Wir sparen uns den Weg dorthin, ohne freie Sicht macht es einfach keinen Sinn. Also drehen wir kurz vorher ab, der Wind wird stärker, da ist es uns wichtiger, einen guten Zeltplatz zu suchen. Vielleicht ist das Wetter ja morgen wieder besser, da können wir dann unter Umständen ja auch nochmal zum Gipfel hin aufbrechen. Wir laufen im White-Out beinahe ohne Sicht einen flachen Absatz hinab, so ganz oben wollen wir nicht zelten, das wäre uns zu exponiert. Etwas weiter unten sollte es flacher werden und so finden wir auf halbem Weg zum Kvitekulen bei der Position 61°40’14.9″ Nord / 7°01’13.1″ Ost (61.67082, 7.02031) auf ungefähr 1860 Metern eine geeignete Stelle, um unsere Zelte aufzuschlagen. Beim Aufbau der Zelte müssen wir diesmal schon etwas mehr Sorgfalt walten lassen, denn der Wind nimmt beständig zu. Aber kein Problem, wir nehmen wie immer unsere Ski zur Hilfe und richten die beiden Zelte so aus, dass sie mit der Stirnseite im Wind stehen. So bieten wir den kräftigen Böen möglichst wenig Angriffsfläche und die Zelte sollten so etwas locker wegstecken. Auf eine Schneemauer, um den Wind zusätzlich vom Zelt abzulenken, verzichten wir, so schlimm ist es ja nun auch wieder nicht und morgen früh sind wir ja auch schon wieder weg, schließlich haben wir noch eine ganz ordentliche Strecke zu gehen.

Als wir uns eingerichtet und es uns zum Kochen im großen Keron gemütlich gemacht haben, fängt der Wind mit einem Mal an sich zu drehen. Verfluchter Mist, es wird im Zelt merklich lauter, die Leinen und das Außenzelt flattern nun immer stärker. Der Wind steht nun nicht mehr auf der Stirnseite unserer Zelte, sondern trifft geradewegs auf die Breitseite, genau dort, wo sie am meisten Angriffsfläche bieten. Ist halt so, denken wir uns und widmen uns wieder dem Abendessen. Die Zelte sind stabil und expeditionserprobt, das muss das Boot schon aushalten, kommt mir der U-Boot Klassiker von Wolfgang Petersen in den Sinn. Hauptsache wir sinken nicht auch auf den Grund und unterschreiten die maximale Werkstauchtiefe, auf einen ausführlichen Zeltsicherheitstest kann ich gerne verzichten.

Als wir gegessen haben und alle Kannen mit heißem Wasser für den nächsten morgen aufgefüllt haben, wechseln Martin und ich in unser Zelt. Als wir noch einmal austreten und die Zähne putzen, hat der Wind weiter an Geschwindigkeit zugelegt. Wir sorgen uns noch nicht, es ist immer noch okay, und morgen früh werden wir ja weiterziehen und wieder etwas tiefer unterwegs sein. Noch ein letzter Blick in die dunkle Nacht und den umherwirbelnden Schnee, der Reißverschluss der Tür schließt sich mit einem lauten Surren und bald darauf tauchen wir ein in unsere warmen Schlafsäcke und das Land der Träume.

Der achte Tag – vom Sturm zur Ruhe gezwungen

Am nächsten morgen ist es ziemlich laut im Zelt als ich aufwache. Verschlafen blicke ich herüber zu Martin, der rührt sich aber noch nicht. Die Geräuschkulisse verspricht nichts gutes, mir schwant schon, dass es weiter an Ungemütlichkeit zugenommen hat in der Welt, von der uns nur der dünne Nylon Ripstop Stoff trennt. Das Zelt wiegt sich stark hin und her, immer wieder schlagen Windböen auf das Zelt ein. Die Lautstärke ist beachtlich, was für ein Wetter. Ein kurzer Blick nach draußen bestätigt meine Annahme. Auch Martin rührt sich langsam und schaut mich skeptisch und verschlafen an. Sturm. Ohne Vorwarnung und ohne Sicht, dafür aber mit windgepeitschtem Schnee und hoher Intensität. Was für ein Ei hat uns der norwegische Wettergott da bloß in unser Osterkörbchen gelegt?

Es nützt alles nichts, ich muss raus und den durchgelaufenen Tee endlich wegbringen, der schon seit Stunden drückt. Bisher war ich zu faul, mich richtig anzuziehen, denn bei diesem Wetter möchte man einfach nur im Schlafsack liegen bleiben. In langer Unterhose und mit dicker Daunenjacke stehe ich kurz darauf im Sturm und erledige, was erledigt werden muss. Aber Erleichterung will sich dabei nur bedingt einstellen, heiliger Strohsack, das sieht nach einem Ruhetag aus. Die Sicht ist mehr als bescheiden, man sieht kaum herüber bis zum Nachbarzelt. Ich gehe zurück und spreche kurz mit Martin. Das Frühstück verschieben wir wohl erstmal. Auch Martin muss vor die Tür, eher unwillig macht er sich auf ins große Weiß um uns herum. Er überbringt den anderen die frohe Kunde, aber die haben beim Lärm in ihrem Zelt eh kein Auge heute Nacht zugemacht, sich schon gedacht, dass es so heute nicht weitergeht. Für sie ist es die erste Wintertour dieser Art, sie sind es nicht gewohnt bei diesen Bedingungen im Zelt zu sitzen. Die Geräusche, der Lärm und die vorherrschenden Kräfte sind enorm, ihr Vertrauen in das Zelt ist noch nicht gewachsen, sie fürchten, dass das Material reißen und das Zelt kollabieren könnte. Martin und ich haben so ähnliche Situationen schon erlebt, wissen, dass wir dem Material absolut trauen können. Es hat sich schon auf vielen Expeditionen bewährt, wir sind erstmal sicher, überhaupt kein Problem.

Nachdem wir uns erstmal wieder hingelegt haben, nehmen wir heute das Frühstück später ein, denn Eile haben wir heute gewiss nicht, ganz im Gegenteil. Als wir in unserem Müsli herumstochern und uns bei dem Lärm nur mühsam unterhalten können, brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Die Zelte stehen einigermaßen stabil, obwohl der Wind immer noch von der Seite kommt und stetig an Kraft zu gewinnen scheint. Wir haben genug Essen und Brennstoff dabei, kein Grund in Panik zu verfallen, wir werden das heute aussitzen und uns einfach morgen wieder auf den Weg machen.

Als wir nach dem Frühstück wieder zu unserem Zelt gehen, nehmen wir die Situation in Augenschein. Die Zelte stehen wirklich sicher, auch wenn die aufkommenden Böen schon sehr an ihnen zerren. Es sieht spektakulär aus, aber unser Zelt gibt dem Zelt von Chris und Gitti etwas Schutz, wie ein Spoiler lenkt unser Helsport Svea den Wind ab. So ist es im Zelt von den beiden zwar mächtig laut, aber immerhin sammelt sich um das Keron-Zelt kein Schnee an. So soll es auch sein. Allerdings staut sich bei uns auf der windzugewandten Seite mittlerweile der Schnee, was unschön, aber nicht besorgniserregend ist. Martin und ich beschließen, dass wir unserem Zelt dennoch etwas mehr Halt geben wollen, trifft uns die Naturgewalt derzeit noch nahezu ungebremst. Also nehmen wir unsere stabilen Skistöcke sowie einige Meter dicker Reepschnur, und spannen das Zelt zusätzlich ab. Das entlastet die übrigen Leinen und beruhigt uns etwas. Die Stöcke sind aus sehr stabilem Aluminium und bald anderthalb Meter lang, sie sind sichere Anker in dieser so stürmischen Umgebung. Darüber hinaus versuchen wir, den Schnee, der sich am Zelt angesammelt hat, hinter den Stöcken in einem Abstand von gut einem Meter aufzuhäufen. Eine vernünftige Schneemauer lässt sich leider nicht errichten, dazu ist es zu stürmisch und der Schnee nicht fest genug. Aber der Wall wächst langsam und nimmt Druck vom Zelt, er leitet den Wind gut ab, bricht die Böen etwas. Unser Zelt ist lang, bestimmt fünf oder sechs Meter von einem zum anderen Ende, da ist man schon eine Weile beschäftigt, aber wir haben ja Zeit und uns nichts anderes vorgenommen für heute. Nach getaner Arbeit klatschen wir uns kurz ab und ziehen uns zurück ins Zelt, wärmen uns auf, kriechen beruhigt wieder in den Schlafsack.

Den Tag verbringen wir dösend und schlafend und dösend und schlafend. Zwischendurch hören wir Podcasts auf dem MP3 Player, trinken Tee und stärken uns mit Schokolade, Keksen und was wir sonst noch so in unseren Vorräten finden. Immer mal wieder werfen wir einen Blick nach draußen, checken die unveränderte Lage, alles beginnt wieder erneut von vorn.

Gegen Nachmittag schnappen wir uns unsere Schneeschaufeln und machen uns an die Arbeit, denn wenn das Innenzelt immer enger wird, könnte sich eventuell draußen eine größere Menge Schnee angehäuft haben. Und genau so ist es, der Graben, den wir zwischen den Skistöcken und dem Zelt ausgehoben hatten, ist längst wieder vollgeweht und randvoll mit Schnee gefüllt. Also schwingen wir die Schaufel, während der Sturm uns unentwegt versucht aus dem Konzept zu bringen. Eine Situation, wie ich sie so bisher nur aus Filmen und Erzählungen kenne.

Wir kommen nur mühsam voran, aber was muss das muss. Immer wieder ärgere ich mich nun, dass ich die Kapuze von meiner Daunenjacke zu Hause gelassen habe. Sie wäre jetzt ungemein praktisch, würde mir nun wohligen Schutz am Kopf bieten. Sie liegt aber daheim, aus Gewichtsgründen habe ich sie dort gelassen, schließlich wollten wir ja so leicht wie möglich unterwegs sein für den Fall, dass wir alles auf dem Rücken tragen müssen. Ein dummer Fehler und völlig am falschen Ende gespart, wie sich nun herausstellt.

Mit kommt noch in den Sinn, wie wir daheim in der warmen Stube zudem diskutiert haben, nur zwei statt vier Schneeschaufeln mitzunehmen, das hätte ja auch Gewicht eingespart. Gottseidank hat hier aber die Vernunft gesiegt, sonst wäre das Freischaufeln jetzt doppelt so mühsam, denn Gitti und Chris helfen uns nun. Unser Zelt fungiert mittlerweile perfekt als Windbrecher für das andere Zelt. Der Wind wird einfach abgeleitet und ihm so die Wucht genommen. Das andere Zelt steht auch gut da, kein Schnee lagert sich um ihm herum ab, so soll es sein. Allerdings sieht die Situation bei unserem Zelt ganz anders aus. Der Schneewall, den wir mittlerweile aufgehäuft haben, ist anscheinend nicht weit genug entfernt vom Zelt, er füllt sich immer wieder rasch von neuem an mit reichlich Schnee.

Normalerweise ist es im Winter ziemlich einfach, ein Zelt aufzubauen. Man sucht sich eine möglichst ebene Stelle, die vielleicht noch etwas windgeschützt ist. Das Zelt wird wie üblich aufgebaut, mit der schmalsten Seite soll es dem Wind zugewandt sein. Es reicht zumeist aus, das Zelt mit den Abspannleinen und Schneeheringen zu verankern. Die Leinen sollten schön lang sein und die Nachspannmöglichkeit sollte sich nahe beim Zelt befinden. Sind die Leinenspanner tief im Schnee verborgen, kann man sie schließlich nicht einfach nachspannen, sollte dies vonnöten sein. Man muss das Zelt auch nicht eingraben, um gegen Wind geschützt zu sein. Dies ist ein oft verbreiteter Irrglauben.

Steht das Zelt frei, wird sich dann heranwehender Schnee immer nur an den Punkten ablagern, wo die Heringe im Schnee stecken. Der Wind wird um das Zelt herumwirbeln, und es immer schön frei halten, manchmal kann man dieses Phänomen auch bei Hütten im Winter beobachten.

Damit kein Wind und somit auch kein Schnee ins Zelt gelangen können, wird der untere Teil des Zeltes von außen mit Schnee angefüllt und beschwert, das gibt zusätzliche Stabilität. Manche Zelte haben dort zudem sogenannte Snowflaps, das sind verlängerte Zeltbahnen, die man ganz einfach mit Schnee beschweren kann.

Will man einen zusätzlichen Schutz bei Sturm und Wind haben, empfiehlt es sich eine stabile Schneemauer zu errichten. Diese sollte am besten eineinhalb Meter vom Zelt entfernt sein und aus einer doppelten Reihe von Schneeblöcken bestehen, die mindestens so hoch wie das Zelt ist. Von manchen Profis erhält man auch den Tipp, die Schneemauer wie ein „T“ zu bauen. Dabei ist der Fuß des T dann der Windrichtung zugewandt. Dies soll bewirken, dass der Wind bevor er auf die eigentliche Mauer trifft, schon einmal gebrochen und abgeleitet wird. Dies soll ihm die Kraft nehmen, das Zelt ist dadurch besser geschützt.

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Wir schaufeln und schaufeln, ich bin froh, dass ich mir vor der Tour eine neue Schaufel mit einem Teleskopstiel und einem extra großen Schaufelblatt zugelegt habe. Das macht die anstrengende Arbeit doch etwas einfacher. Es dauert eine ganze Weile, bis wir den Graben ums Zelt einigermaßen leergeschaufelt haben.

Beim Abendessen sprechen wir natürlich über das Wetter und die Lage. Skepsis macht sich breit, wann wir wohl wieder weiter kommen. Aber so ist das nun einmal, mit dem Wetter müssen wir uns nun irgendwie arrangieren und versuchen es zu überstehen, was sollen wir auch anderes hier oben machen? Wir sind auf uns allein gestellt, wir sind so weit ab von allem, so schnell würde uns hier oben auch niemand holen können. Selbst wenn wir den Notfallsender betätigen und um Hilfe bitten, wird wohl niemand kommen, zu stürmisch ist das Wetter, zu kompliziert wäre für die Retter der Aufstieg hier zu uns hinauf. Ich bin froh, dass wir die zuverlässigen Zelte dabei haben und es bisher doch ganz gut klappt. Und auch wenn sich so manches Mal etwas trübe Gedanken breit machen, wir haben uns das ausgesucht, da dürfen wir jetzt nicht klagen. Damit es uns in solchen Situationen nicht ganz so langweilig ist, habe ich vor der Tour „Kraftprotze“ Quartettkarten eingepackt. Also sitzen wir jetzt im großen Zelt, dick eingepackt und bei Tee, und spielen Karten mit Raupenbaggern und Muldenkippern, diskutieren über Hubraum und Pferdestärken der schweren Maschinen.

Es ist schon lange dunkel, als Martin und ich wieder rüber gehen. Uns trifft fast der Schlag, unser Zelt ist beinahe bis zum Dach im Schnee versunken. Eine wirklich unschöne Situation, der Schnee lagert sich scheinbar so schnell ab, dass wir wohl in der Nacht noch öfter raus müssen, damit das Zelt nicht gänzlich einschneit und wir womöglich im Schlaf ersticken.

Es geht von neuem los, die Schaufeln werden wieder geschwungen und um uns herum tobt der Sturm. Es dauert und dauert, quälend lange brauchen wir, um einigermaßen voranzukommen. Als wir den windzugewandten Graben wieder freigeschaufelt haben, können wir uns zumindest kurze Pausen im Schatten des Schneewalls gönnen. Dann geht es wieder ins Zelt, was für eine Plackerei. Zum Glück ist es nicht wirklich kalt, nur eine Handvoll Grad unter Null, ansonsten hätten wir da draußen im Sturm richtig viel Freude am Windchill und der sich so verstärkende Kälte im Gesicht.

Wir legen uns hin, es wird wenig gesprochen, langsam wirkt sich die Sache mental doch ziemlich erschöpfend aus. Ich bin das erste Mal in so einer krassen Situation, weiß nicht, was mich noch erwarten wird, ein merkwürdiges Gefühl.

Gegen spät am Abend wiederholt sich dann das Prozedere, ob wir wollen oder nicht, denn der Schnee drückt die Zeltseiten immer näher an uns heran, der Eingang ist fast bis zur Oberkante zugeweht. Der Sturm ist stärker denn je, wir können uns nur brüllend in der Dunkelheit verständigen. Meine Skibrille beschlägt andauernd, es ist ein wahrer Kampf, den Schnee wegzuschaufeln und das Zelt wieder zu befreien. Eine richtige Sisyphusarbeit, ohne Aussicht auf ein Ende für uns. Mehrmals denke ich, es muss wie im Schützengraben sein, denn duckt man sich hinter den Schneewall, ist es plötzlich komplett still, aber wehe, man steckt den Kopf heraus, dann trommeln Schneeflocken auf einen ein und der Lärm ist unglaublich.

Völlig fertig von der stundenlangen Arbeit kriechen wir wieder in die Daunentüten. Wir wollen während der Nacht immer mal wieder gucken, wie weit der Schnee das Zelt wieder in der Umklammerung hält, aber ich bezweifle, dass wir nach diesen Anstrengungen zwischendurch vor dem Morgen aufwachen werden. Wir haben getan, was wir konnten, von nun an sind wir Passagiere in unserem winzig kleinen U-Boot im großen weißen Meer um uns herum, nur ein Millimeter dünner Nylonstoff beschützt uns von nun an im Schlaf. Gute Nacht in die Welt da draußen – ob sich die Leute daheim wundern, warum wir unsere Position, die ich an jedem Abend per SPOT Sender übermittele, nicht verändern?

Der neunte Tag – immer noch gefangen im Sturm

Es kommt wie es kommen musste, wir sind beide völlig fertig komplett eingeschlafen, während der Nacht nicht aufgewacht. Nur ganz dumpf dringt am Morgen etwas Helligkeit in  unser Zelt, von Licht kann dabei keine Rede sein. Es stürmt scheinbar immer noch, nur dringen die Geräusche nur sehr dumpf an mein Ohr. Bei mir schrillen die Alarmglocken, ich fasse an den Zeltstoff neben mir, der buchtet sich stark ins Innenzelt aus und ist hart wie Beton. Ein Blick zum Eingang genügt und ich bin sehr schnell sehr wach. Die Schneemassen haben uns eingeschneit, wir müssen schnell handeln, selbst die Lüfter sind beinahe komplett zu.

Als wir angezogen sind und uns in voller Montur den Weg nach draußen bahnen, erblicken wir schon bald das ganze Ausmaß. Zuerst muss ich lachen ob des Anblicks, den mir das Zelt bietet, doch der Spaß gefriert mir bei dem Wetter schnell im Gesicht, das hätte auch ins Auge gehen können heut Nacht. Ich verdränge die Gedanken und mache mich mit Martin erneut ans Werk, der Sturm entlässt uns nicht so schnell aus seinen Fängen. Es dauert Ewigkeiten, bis wir das Zelt wieder soweit frei haben, dass man sich guten Gewissens im Inneren ausruhen kann. Nach der ganzen Buckelei ist es beinahe windstill im Zelt, kein Wunder, türmt sich der Schneewall um uns herum doch beinahe anderthalb Meter auf. Mittlerweile steht unsere Behausung in einem tiefen Loch, selbst unsere langen Skistöcke sind komplett verschwunden, wo die Pulkaschlitten einmal lagen, das kann ich nur mutmaßen. Das andere Zelt steht immer noch relativ frei, es wird nicht zugeweht, wir geben ihm Windschutz. Allerdings ist es dort unglaublich laut. Ich weiß nicht was mir lieber wäre, beides ist auf eine eigene Art unschön.

Ein Gutes hat die hohe Schneemauer bei uns, die jetzt frisch abgeteuft ist: man kann es wagen, sein Geschäft zu verrichten, ohne im Sturm davon getragen zu werden. Es ist nicht schön, aber gestern mussten wir es uns komplett verkneifen, es ergab sich einfach nicht, während des Sturms die Hose komplett herunterzulassen. Es ist wie es ist, also hockt man sich neben das Zelt und macht in den Graben. Wohin soll man auch gehen? Es ist der einzige Ort im Umkreis von Kilometern, an dem es einigermaßen windstill ist. Nur bei der nächsten Runde Schaufeln muss man aufpassen, was man tut. Aber die Erleichterung ist groß, die eher unappetitlichen Seiten, wenn man so lange im Zelt festhängt.

Da es weiter ohne Unterlass stürmt, werden wir noch einen Tag hierbleiben, weiterzugehen steht nicht einmal im Ansatz zur Disposition. Heute fangen wir dann beim Frühstück an, die Portionen zu rationieren und über den Tag weniger zu essen. Wer weiß, wie lange wir noch hier festhängen. Ein komisches Gefühl, sich beim Essen einschränken zu müssen. Ansonsten gleicht der Tag dem von gestern, es ist wie in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ – ausruhen, schlafen, ausruhen, schlafen, Podcasts hören, Karten spielen, Tee trinken, und zwischendurch das Zelt freischaufeln. Ein Osterwochenende, wie man es sich schlechter nicht vorstellen könnte. Da nützen auch die Osterleckereien nichts, die Martin aus seinem Lebensmittelbeutel hervorzaubert. Die Schaumeier sind steinhart gefroren, wir beißen uns an ihnen beinahe die Zähne aus, so wie wir uns gerade auch am Jostedalsbreen abmühen. Jeder von uns wäre nun vermutlich gerne zu Hause bei der Familie, wie muss es da bloß den frühen Polarabenteurern wie Shackleton auf ihren entbehrungsreichen Touren ergangen sein?

Der zehnte Tag – ein ungewisser Aufbruch

Die Nacht war wenig erholsam, spät am Abend haben wir noch einmal das Zelt freigeschaufelt, nur damit es am Morgen wieder beinahe komplett zugeweht war. Fluchend stehen wir auf und versuchen die Lage zu checken. Die Tür ist wieder beinahe bis oben hin zu, vorsichtig drücken wir den Schnee zur Seite. Es scheint ein wenig nachgelassen zu haben, aber ob das ausreicht um losgehen zu können?

Beim Frühstück diskutieren wir, wie es weiter gehen soll. Das Wetter sieht nicht mehr so übel aus, obwohl immer noch White-Out und starker Wind vorherrschen. Wir alle sind langsam etwas ungeduldig, hilflos im Zelt zu sitzen ist irgendwann doch sehr erschöpfend. Also entschließen wir uns, es zu wagen. Es sieht machbar aus, der Wind ist merklich weniger geworden. Dennoch ist mir etwas unwohl dabei, müssen wir doch eine Stelle des Gletschers passieren, die nur ungefähr einen Kilometer breit ist. Sollten wir uns dort in der weißen Suppe verlaufen, könnte das ernsthafte Konsequenzen haben, denn in den Randbereichen fällt der Gletscher jeweils steil ab, dort möchte man nicht hinein geraten, wenn man nicht vom Gletscher fallen möchte. Und wenn wir erst einmal dieses schmale Stück in Angriff nehmen, sollten wir es auch tunlichst ganz überqueren, denn dort zu zelten könnte noch ungemütlicher werden, als es in den letzten Tagen hier eh schon war. Da wir aber nicht wissen, wann es wirklich viel besser wird, sollten wir die Chance heute nutzen, gar keine Frage. Gewissenhafte Orientierung ist heute dann das A und O, da darf uns kein Schnitzer unterlaufen.

Nach dem Frühstück heißt es dann erst einmal die Schneeschaufeln zu schwingen. Wir müssen die Zelte ausgraben. Was an normalen Tagen etwa in einer Stunde erledigt ist, nimmt heute bald drei Stunden in Anspruch, denn die Schneemassen insbesondere um das Helsport Zelt sind enorm. Ein Problem dabei ist, dass wir nicht mehr genau wissen, wo wir unsere Pulkaschlitten zu Beginn des Sturms abgelegt haben. Und so schaufeln und schaufeln wir und durch eineinhalb Meter hohen Schnee, der beinahe hart wie Beton ist, bis wir die Schlitten endlich gefunden haben. Das selbe Spielchen bei den Skistöcken, die Martin und ich als zusätzliche Sicherung eingesetzt haben. Es dauert und dauert, bis wir die vier langen Aluminiumstöcke endlich ausgegraben haben. Immer wieder machen wir Pausen, es ist einfach richtig anstrengend. Und da wir uns nunmal entscheiden haben, loszulaufen, müssen wir es jetzt auch durchziehen. Irgendwann haben wir es wirklich geschafft, es hat eine kleine Ewigkeit gebaucht und viel Kraft gekostet. Nun aber sind die Schlitten gepackt, nur noch die Zelte müssen verstaut werden. Bevor wir die Zelte komplett abbauen, nutzen wir alle noch einmal die Chance, einigermaßen geschützt und entspannt unser Geschäft in der Apside zu verrichten. Dieses Thema ist auf Wintertouren immer ziemlich speziell und man ist froh über jede Möglichkeit, das ganze einigermaßen entspannt hinter sich zu bringen. Auch wenn es vielleicht unappetitlich erscheinen mag, so ist es nun einmal auf einer Wintertour. Wir sind sicherlich nicht die ersten, die das machen, nicht umsonst nehmen viele Leute gerne ein Zelt mit zwei Apsiden auf eine Wintertour, wer weiß schon, wie stürmisch das Wetter werden wird, dann kann man eine Apside auch fürs Geschäftliche nutzen. Manchmal ist angewandter Pragmatismus im Winter eben Trumpf.

Nun aber ist alles erledigt, alles verstaut und fertig zum Abmarsch. Wir sind schon spät dran, schauen wir einfach mal, wie weit wir im White-Out kommen werden. Wir sind kaum losgegangen, da frischt der Wind wieder auf. Wir setzen unsere Skibrillen auf und ziehen die Kapuzen der Jacken enger und tiefer ins Gesicht. Heute gilt es, da gibt’s kein Jammern und kein Vertun. Unsere Karawane setzt sich in Bewegung, Martin sagt die Richtung und den Kompasskurs an. Wer hinten läuft, versucht die anderen beim Kurshalten zu unterstützten und zur Not per Zuruf einzugreifen.

So stapfen wir also durch das weiße Nichts um uns herum, die Sicht ist bescheiden und durch die Skibrillen ist es auch nicht besser, man ist schon froh, die Konturen des Geländes und den Vordermann zu sehen. Hinzu kommt die unglaubliche Geräuschkulisse, die einen ständig begleitet. Der Wind zerrt dermaßen an der Kapuze, dass man absolut nichts anderes versteht, es ist unglaublich laut. Mir gefriert zudem der Bart zu einem riesigen Eisklumpen, die feuchte Atemluft lagert sich rund um den Mund ab. Der ganze Tag wird von Zwängen und Selbstmotivation geprägt, immer wieder denke ich, was ich hier mache und wie ich hier wieder heraus komme. Ich möchte jetzt bei meiner Freundin mit einem heißen Kaffee gemütlich auf dem Sofa sitzen und nicht so einen haarsträubenden Stunt hinlegen. Vielleicht ist das hier doch eine Nummer zu groß für mich, jedenfalls fühle ich mich gerade ziemlich klein und verletzlich, ein mieses Gefühl.

Nach einer Stunde machen wir eine kurze Pause, niemand hat Lust, viel zu reden. Mühsam zwinge ich mich, eine Kleinigkeit zu essen und etwas zu trinken. Rasch brechen wir wieder auf, die Pause war kaum der Rede wert. Wortlos und gefangen im tobenden Sturm um uns herum geht es weiter. Der Wind drängt uns immer wieder vom Kurs ab, ständig müssen wir korrigieren, wir laufen große Umwege, ohne es verhindern zu können. In den kurzen Pausen reden wir nur noch über die Navigation, irgendwie hat es sich aus der Gruppe heraus ergeben, dass wir nur noch weiter wollen, um unser Ziel hinter der schmalen Passage zu erreichen. Keiner drängt mehr darauf, sich länger auszuruhen, sich zu stärken und Kräfte zu sammeln, der Fokus liegt nur noch auf dem Tagesziel, der Wind zerrt an uns und der Schnee wirbelt um uns herum, wir laufen durch ein riesiges Schüttelglas in ewiger Dämmerung, das andauernd kräftig durchgerüttelt wird. Laufen, immer weiter laufen, es wird zum Mantra.

Irgendwann geht es abwärts, immer steiler abwärts. „Gott sei dank“ denke ich, wir haben das Schmalstück passiert, jetzt nur noch ein wenig an Höhe verlieren und wir haben es geschafft. Da es immer steiler wird, schnallen wir die Ski ab, irgendwas scheint nicht zu stimmen. Die Pulkas überschlagen sich immer wieder, so steil ist es nun. Von Gittis Pulka löst sich eine Isolierkanne und schießt mit einem Affenzahn den Hang hinab, verschwindet in Sekundenbruchteilen im großen Weiß.

Martin zerrt die Karte hervor, wir holen das GPS mit der topographischen Karte hervor. Plötzlich schaut mich Martin mit großen Augen an und brüllt: „ So eine Scheiße! Wir haben nicht auf die Uhr geachtet, es wird bald schon dunkel!“ Panik steigt in mir auf. Wir versuchen unsere Position auf der Karte zu finden und dann trifft uns beinahe der Schlag: Wir haben uns vom starken Wind viel zu sehr an den Rand des Gletschers drängen lassen und laufen geradewegs dem Abgrund entgegen, bald fällt das Gelände richtig steil ab! Wir sind am Rande des schmalen Stücks, genau dort, wo wir nie hin wollten, genau dort, wo wir niemals hätten hinlaufen dürfen!

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Nun muss eine schnelle und vor allem pragmatische Lösung her, doch leichter gesagt als getan, der Schnee wirbelt umher, der Wind zerrt an uns und nun wird es bald schon dunkel um uns herum sein. Es gibt nur eine Lösung, wir müssen so schnell wie möglich wieder an Höhe gewinnen und einen Platz am Hang finden, auf dem wir einigermaßen sicher unser Zelt aufstellen können. Laut Karte wird es weiter oben flacher, wir müssen es einfach probieren, haben keine andere Wahl. Als wir die schweren Schlitten wieder bergan ziehen, verlassen mich beinahe die Kräfte. Ich habe nach dem Frühstück heute lediglich einen Riegel gegessen, das rächt sich nun auf schmerzliche Weise. Neben mir läuft Martin, wir brüllen uns an, ich frage ihn, was wir machen, wenn das mit dem Zelt nicht klappt: „Sollen wir nicht lieber eine Schneehöhle graben?“

„Hast du schon einmal eine gegraben? Das dauert mindestens zwei oder drei Stunden! Die Zeit haben wir nicht! Wir müssen versuchen, das Zelt aufzubauen!“ Ich bekomme einen dicken Kloß im Hals, das ist vermutlich der Augenblick, an dem es in Unglücksgeschichten anfängt schief zu laufen.

Es hilft nichts, wir kämpfen uns weiter bergan. Tatsächlich finden wir bei der Position 61°36’27.1″ Nord / 6°49’22.2″ Ost (61.60754,6.82283) eine Stelle, die einigermaßen für ein Zelt geeignet wäre. Da es immer noch stark stürmt, müssen wir eine Art von Schneemauer oder was auch immer bauen, damit wir das Zelt einigermaßen geschützt aufbauen können. Nur wie? Bei dem Sturm ist es nahezu unmöglich, Schnee aufzuschichten, er wird sofort vom Wind fortgerissen.

Mir kommt eine Idee, keine Ahnung ob sie funktionieren wird. Wir nehmen vier Ski und stecken sie in den Schnee, auf der windzugewandten Seite stellen wir zwei unserer Pulkas so auf, dass wir eine Art Spoiler von ungefähr 60 Zentimetern Höhe erhalten. Davor sammelt sich sofort der Schnee und wir erhalten eine Art improvisierter Schneemauer. Nun müssen wir das Zelt aufbauen. Ohne groß zu diskutieren ist klar, dass wir nur das größere der beiden Zelte aufstellen, dass muss heute einfach reichen, wir müssen uns da halt zu viert hinein quetschen. Martin kennt das Zelt in und auswendig, so gelingt der Aufbau auch unter diesen Bedingungen, wenn es auch etwas länger dauert. Als das Zelt endlich steht und verankert ist, setzt die Dunkelheit ein. Wir schaffen unser Zeug ins Innere, wir wollen nur noch raus aus dem Sturm. Im Inneren türmt sich dann die Ausrüstung von uns allen, es dauert, bis wir uns einigermaßen sortiert und eingerichtet haben. Gesprochen wird derweil kaum, jeder ist mit sich und seinen Gedanken beschäftigt, ich blicke in müde Augen. Wir haben es irgendwie geschafft, sind aber alle total fertig und froh, nun einigermaßen sicher im Zelt zu liegen. Verdammter Mist, ich will nicht mehr, das war heute mehr als ich erleben möchte, mir reicht es mit Abenteuer. Ich versuche noch, mein Handy zu starten und mich Zuhause zu melden. Hier gibt es tatsächlich Empfang, allerdings bin ich so fertig, dass ich drei Mal den falschen PIN eingebe, das gibt mir den Rest, ich will nun noch weg von hier.

Heute Abend fällt das Abendessen aus, die Küche bleibt kalt, niemand hat mehr Lust darauf, groß Schnee zu schmelzen und zu kochen, es gibt lediglich Schokolade und ein paar Nüsse. Immerhin kann Martin noch mit seinem Telefon das Wetter checken. Auch morgen wird es stürmen, danach ist dann allerdings ein super Tag mit Sonnenschein und Windstille vorhergesagt. Mit der Gewissheit, dass wir morgen wieder eine Zwangspause einlegen müssen, geht es kurz darauf in den Schlafsack. Wir liegen hier im Zelt wie die Ölsardinen, eng an eng zusammenquetscht, aber es ist sicher und warm, das reicht mir für den Augenblick.

Der elfte Tag –  erneut gefangen im Zelt

Wie vorher gesagt bringt der nächste Morgen erneut schlechtes Wetter, wir harren aus im Zelt. Es ist eng, es macht keinen Spaß und meine Laune ist nicht besonders gut. Die Zeit will nicht vergehen, der Tag zieht sich elendiglich in die Länge. Zwischendurch gehe ich vors Zelt, um ich zu erleichtern. Nur einen winzigen Augenblick reißen die Wolken um uns herum auf und geben einen Ausblick auf das preis, was uns gestern beinahe erwartet hätte: Von unserem Zeltplatz kann man bis hinunter ins Tal gucken, wir wären gestern wirklich beinahe ins Verderben gelaufen. Mir dreht sich fast der Magen um, wir haben ungeheures Glück gehabt.

Der zwölfte Tag – endlich Sonnenschein und Traumwetter

Heute gilt es, das ist beim Blick am Morgen aus dem Zelt rasch klar. Der Wind hat sich gelegt und strahlender Sonnenschein mitsamt blauem Himmel erwartet uns draußen. Wir sind erleichtert, wollen wir doch heute über den südwärts führenden Flatbreen Seitenarm des Gletschers bis zur gleichnamigen Hütte gelangen. Das ist eine lange Strecke, aber bei Verhältnissen wie heute durchaus machbar. Also machen wir uns bald nach dem Frühstück auf, es gilt keine Zeit zu verlieren und das gute Wetter auszunutzen.

Man mag kaum an die zurückliegenden Tage denken, wenn man das Prachtwetter heute erlebt. Es ist wie im Bilderbuch, wir kommen gut und schnell voran, passieren rasch den markanten Punkt „Bings Gryte“ – es läuft einfach wie am Schnürchen. Der Tag heute lädt ein, sich zu sammeln und die letzten Tage zu verarbeiten. Lange unterhalte ich mich mit Martin über die Ereignisse dieser Tour, wir üben Manöverkritik, versuchen erste Rückschlüsse zu ziehen, was wir vielleicht falsch gemacht haben.

Das Wetter ist wirklich versöhnlich, viel besser kann es kaum ein, wir können uns vor Sonne kaum retten, kramen die Sonnencreme hervor, die tief im Rucksack die letzte Woche verbracht hat. Die Abfahrt über den Flatbreen ist fast wie eine Talabfahrt in einem alpinen Skigebiet, wir kommen unglaublich schnell voran, es macht wahnsinnig viel Spaß hier abzufahren.

Langsam läuft der Gletscher aus, wir müssen uns nun weiter rechts halten, ansonsten wird es zu steil und zu spaltig. Leichter gesagt als getan, wir tun uns schwer den richtigen Weg durch das auch hier teils sehr spaltige Gelände zu finden. Aber es gelingt, auch wenn wir einige Male wieder zurück gehen und ausprobieren müssen. Die Schneebrücken halten, wir kämpfen uns langsam vor zur Hütte. Gegen Nachmittag erreichen wir die Faltbrehytta dann endlich, die sich wie ein Adlerhorst hoch oben über dem Tal an den Fels schmiegt. (Wie der Gletscher an dieser Stelle im Sommer aussieht, dass kann man sich an dieser Stelle auf dem ersten Foto ansehen.)

Der Blick ist schlicht atemberaubend, man hat eine gigantische Aussicht ins Tal bis weit über den Fjærlandsfjorden. Was für ein Platz für eine Hütte, einfach unglaublich. Schnell ist die Tür freigeschaufelt und wir nehmen die Hütte in Besitz. Es war schon lange niemand mehr hier, leider ist beinahe auch kein Feuerholz mehr da, also sparen wir dies auf und setzen uns in die Sonne. Wir tanken Energie und überlegen, wie es morgen weiter gehen soll. Den Abstieg heut noch zu machen, das wäre zu viel, wir würden es vermutlich nicht rechtzeitig nach unten schaffen. Zudem ist der steile Hang, über den wir absteigen müssen, den ganzen Tag schon der Sonne ausgesetzt gewesen. Uns ist das Lawinenrisiko zu groß, wir wollen es morgen in aller Herrgottsfrühe angehen.

Wenn alles gut geht sollte der Abstieg über die 1000 Höhenmeter nicht länger als zwei Stunden dauern, dann könnten wir eventuell noch den Bus von Fjærland nach Stryn und weiter Pollfoss zum Auto zurück schaffen. Klingt gut, das wäre mal ein Plan. Aber jetzt heißt es erst einmal wieder Kräfte zu sammeln und sich auf den Abstieg morgen vorzubereiten, nur noch dieses eine Hindernis. Hoffen wir mal, dass uns nicht wieder irgendwelche unliebsamen Überraschungen erwarten.

Der dreizehnte Tag – ein ganz einfacher Abstieg

Es ist fünf Uhr in der Früh und ich habe kaum geschlafen. Ich bin müde, angespannt und nervös. Aber gleich muss ich funktionieren, wir müssen gleich funktionieren, da gibt es kein Vertun. Mechanisch schäle ich mich aus meinem Schlafsack und blicke in ebenso müde Augen. Es wird nur wenig gesprochen, jeder versucht irgendwie in den Tag zu starten. Draußen ist es noch finster und in der Hütte arschkalt. Wir packen beinahe wortlos unsere Sachen zusammen, sprechen leise darüber, wie wir unsere Rucksäcke möglichst so packen, dass alles hineinpasst. Denn so wie es aussieht, wird es beim Abstieg einige Stellen geben, bei denen wir alles, aber auch wirklich alles was wir dabei haben, auf dem Rücken tragen müssen. Wir können ja nur den ersten steilen Teil des Abstiegs einsehen, aber wir rechnen fest damit, dass wir weiter unten über einen großen Lawinenkegel absteigen müssen. Dort wird es unmöglich sein, den Schlitten auch nur einen Meter weit beladen zu ziehen, die Eis- und Schneebrocken dort werden sich vermutlich zu einem chaotischen Labyrinth auftürmen.

Aber egal, wenn alles gut läuft, sind wir in zwei Stunden unten und schaffen eventuell sogar noch den Bus nach Stryn. Ein Stoßgebet noch und dann geht es los. Wir halten uns von der Hütte aus gesehen rechts, dort ist es weniger steil. Nun ja, weniger steil ist immer noch eine Sache der Definition. Die beiden Erfahrenen Chris und Gitti gehen voran, wir müssen zuerst einen Hang von vielleicht 50 Metern hinab. Die Pulka lassen wir dabei talwärts gleiten und wir gehen auf allen vieren mit dem Gesicht zum Hang Schritt für Schritt nacheinander hinab. In den Händen haben wir unsere Skistöcke, die wir quer halten und uns so im Schnee mehr Halt verschaffen. Der schwere Schlitten zerrt an unseren Zuggurten, aber es geht, sogar ganz gut geht es. Ich bin ziemlich erleichtert, als es wieder flacher wird. Ab und an breche ich bis über die Hüfte durch die obere Schneedecke ein, mir bleibt jedes Mal beinahe das Herz stehen, aber es sind nur kleinere Hohlräume, die einem hier das Leben schwer machen wollen. Dann erblicke ich in der grauen Dämmerung, was uns als nächstes bevor steht: Na Prost Mahlzeit!

Vor uns liegt ein v-förmiger Einschnitt, durch den es für uns abwärts gehen soll. Eigentlich nicht so schlimm, wäre er schön mit Schnee gefüllt, wäre es dort wie auf einer Talabfahrt im Skigebiet für uns. Ist es aber nicht. Es ist komplett angefüllt mit einem Lawinenkegel. Es türmen sich große Eisbrocken vor uns auf, die Zwischenräume angefüllt mit losem Schnee. Und so müssen wir den Tatsachen ins Auge blicken, das wird alles viel schwieriger als gedacht. Von nun an müssen wir wohl oder übel unser Gepäck schultern, beim Anblick vor mir keine schöne Aussicht. Da ich als letztes den Abstieg angetreten habe, sind die anderen schon ein Stückchen weiter gegangen. Sie sind schon beinahe aus meinem Sichtfeld verschwunden. Kein schönes Gefühl, aber warum sollten sie auch auf mich warten? Der Weg ist vorgegeben, von nun an muss jeder erstmal selbst mit seinem Gepäck klarkommen. Und so versuche ich mein Gepäck irgendwie komplett am Rucksack zu verstauen. Ich sehe aus wie ein Sherpa im Himalaja, das Gepäck ist unförmig groß mit Spanngurten irgendwie zusammengebunden. Die Pulka führe ich an der Zugleine neben mir her, zerre sie einfach über die Eis- und Schneebrocken, kaputt kann daran sowieso nichts gehen. Langsam wird es hell, ich schwitze mich kaputt und meine Brille beschlägt. Ich fühle mich überhaupt nicht wohl, meine Komfortzone ist gerade unendlich weit weg. Als ich losgehen will mit der großen Fuhre auf dem Rücken rutsche ich aus, gleite ohne zu bremsen einen vereisten Hang über einige Meter hinab. Mit schlägt das Herz bis zum Hals, ich versuche irgendwie zu bremsen und bleibe in einem Schneeloch hängen. Ein stechender Schmerz durchfährt mein Knie, als ich endlich zum Stehen komme. Heilige Scheiße! Was mache ich bloß hier?

Unflätige laute Flüche hallen durch das Tal abwärts. Ich brülle mir meinen Frust und den Schmerz von der Seele, was für eine beschissene Situation. Die anderen sind schon außer Sicht, kämpfen gerade vermutlich selbst mit dem Abstieg. Ich kann es ihnen nicht verdenken, jeder will hier nur so schnell wie möglich heraus. Langsam fange und sammle ich mich, kämpfe mich aus dem Schneeloch heraus und versuche herauszufinden, ob irgendetwas in meinem Knie kaputt gegangen ist. Es schmerzt zwar, scheint aber zu gehen. Glück gehabt. Ich richte mich wieder auf und gehe vorsichtig weiter. Was soll ich auch machen? Nun heißt es die Arschbacken zusammenzukneifen, da muss ich jetzt einfach durch. Wie in Trance strauchele ich im Schneckentempo abwärts, mühe mich weiter ab mit der störrischen Pulka, die mich andauernd behindert. Am liebsten würde ich das beschissene Teil einfach hier zurücklassen, aber weiter unten brauche ich es ja noch. Also zerre und werfe ich es hinter mir her. Ich beschimpfe dieses orangene Ungetüm aufs Schlimmste, es wird zu meinem Blitzableiter, gibt Gottseidank keinerlei Wiederworte.

Jeder Schritt schmerzt, meine Brille ist aufgrund der Anstrengung weiterhin andauernd beschlagen, ich Trottel verzichte darauf, mich weniger warm anzuziehen, ein großer Fehler. Denn so erkenne ich kaum, was vor mir liegt. Entsprechend langsam komme ich voran. Der Gletscherbruch macht eine leichte Linkskurve, endlich kann ich das vermeintliche Ende des Eischaos um mich herum erkennen. An dieser Stelle soll eigentlich ein Fahrweg aufs uns warten, den wir dann ganz einfach mit Ski abfahren wollten. Ich entdecke dort Martin, der wohl schon eine ganze Weile an dieser Stelle auf mich wartet. Die anderen kann ich nicht erblicken. Aber das ist mir jetzt erstmal egal, denn es gilt noch ein ganzes Stückchen abzusteigen. Einige Flüche weiter ist Martin bereits in Rufweite. Allerdings trennt uns noch ein eiskalter Bach, den ich noch überwinden muss. Kurz bevor ich das eiskalte Wasser überqueren will, breche ich erneut durch die löchrige Schneedecke. Wieder durchfährt mich ein stechender Schmerz, nun aber im anderen Knie. Ich schreie und fluche wie ein Rohrspatz. Ich will einfach nicht mehr, kann das nicht endlich mal aufhören? Bitte!

Wieder rappele ich mich auf, wuchte mich mühsam aus der eisigen Umklammerung heraus. Auf wackeligen Knien überquere ich den Bach und stehe endlich vor Martin. Ich schmeiße mein Gepäck fluchend zu Boden, setze mich völlig fertig auf meinen Rucksack, muss mich sammeln. Martin sieht ebenfalls ziemlich fertig aus, so hatten wir uns das nicht vorgestellt. Langsam komme ich wieder zu mir, frage ihn, wo der ersehnte Fahrweg und die anderen sind?

Tja, sagt er, der Fahrweg, der wurde vom Bach unterspült und auf einer Länge von zweihundert Metern weggerissen. Gitti und Chris suchen gerade einen Alternativweg entlang des von Erosion gezeichneten Bachbettes. Fassungslos blicke ich ihn mit leeren Augen an. „Du willst mich verarschen, oder?“ entgegne ich ihm, weiß aber im selben Augenblick, dass das kein Spaß sondern sein voller Ernst ist.

Wir versuchen auf der Karte einen Ausweg zu finden, gehen kurz den noch intakten Teil des Weges hoch, sehen aber rasch ein, dass wir irgendwie diesen Abschnitt überwinden müssen, es geht einfach nicht anders. Also packen wir unsere Sachen so, dass wieder alles am Rucksack befestigt wird, die anderen beiden kommen gerade ohne ihr schweres Gepäck zurück, sie haben eine Möglichkeit bis zum Fahrweg gefunden. Was sie berichten, stimmt mich nicht gerade optimistisch, aber es gibt keine Alternative. Wir wuchten unseren riesigen unförmigen Rucksack auf den Rücken, ich falle fast wieder um, kann mich gerade noch so abfangen. Meine Güte, was ein Schlamassel. Zuerst muss ich erneut den Bach überqueren, Martin ist schon etwas voran gegangen. Als sich auf der anderen Seite auf einem kleinen Absatz kurz innehalte, breche ich erneut durch die Schneedecke. Mir wird kurz schwarz vor Augen, meine Knie schmerzen höllisch. Völlig frustriert lege ich den Rucksack ab, so werde ich es nicht allein über das glitschige und steile Bachufer zum Weg schaffen, das ist mir sofort klar. Ich will ja, aber es geht einfach nicht, mir fehlt die dazu nötige Stabilität in den Beinen, ich kann das große Gewicht auf dem Rücken so nicht abfangen, keine Chance, Die anderen kommen zu mir, wir beratschlagen, was zu tun ist. Ich kann nur ohne großes Gepäck diesen kritischen Abschnitt meistern, es geht einfach nicht anders. Als ich um Hilfe bitte, komme ich mir total dämlich vor, ich schäme mich beinahe dafür, ich bin halt nicht der krasse Abenteurer, sondern sehne mich im Augenblick nach meinem zu Hause und meiner Familie, will einfach nur noch ganz weit weg von hier.

Es nützt nichts, die anderen geben mir Hilfestellung und werden mein Gepäck mit übernehmen. Mir ist schlecht, ich will nicht von anderen abhängig sein und sie ausbremsen, aber hier kommen wir nur gemeinsam heraus. Und so nehme ich vorsichtig den Weg, den die anderen vorgehen. Es geht über glitschige, mit Schnee bedeckte Fels- und Geröllbrocken, immer das eiskalt glucksende Wasser steil unter mir. Mühselig kommen wir voran, ganz am Schluss muss der Bach noch einmal überquert und ein kleiner steiler Hang aus seinem Bett hoch erklommen werden. Ich bin den anderen unendlich dankbar für ihre Hilfe, ohne sie wäre ich da nicht mehr heraus gekommen. Der von uns angepeilte Bus ist natürlich längst weg, wir haben bis hierher schon über vier Stunden gebraucht, alles war viel kraftraubender und komplizierter als gedacht.

Nun stehen wir also auf dem Fahrweg. Aber gemütlich auf Ski abfahren is nicht, wir müssen die schätzungsweise zwei Kilometer bis zur Straße wohl durch den dünnen Schnee laufend bewältigen. Wunderbare Aussichten, aber wiedermal haben wir keine andere Wahl. Also wandern die Rucksäcke in die Pulka, die Ski und Stöcke obendrauf. Andauernd breche ich beim Abstieg durch den Schnee, jedesmal durchzuckt mich ein stechender Schmerz, mir geht es echt beschissen, ich will nur noch auf die Straße, in ein Hotel, nach Hause. Jeder kämpft nun wieder für sich, jeder zerrt seinen Schlitten abwärts, Spaß und Freude sind längst nicht mehr unsere Begleiter. Hinter jeder Biegung hoffe ich, die vermaledeite Straße zu erblicken, werde ein ums andere Mal enttäuscht. Die Pulka macht derweil was sie will, bleibt ständig in irgendwelchem Gestrüpp oder umgefallen Bäumen hängen. Es fällt mir schwer, nicht vollends die Fassung zu verlieren, mich nicht einfach in den Schnee zu setzen und loszuheulen. Aber Stolz und Wille obsiegen, ich will hier nicht kampflos aufgeben, nicht auf den letzten Metern. Irgendwann läuft das Gelände flacher aus, wir haben den Talgrund erreicht, es sind nur noch ein paar hundert Meter bis zur schmalen Straße. Und dann ist es endlich, endlich, endlich soweit, wir stehen alle mehr oder weniger wohlbehalten auf dem schwarzen Asphaltband, das wir so herbeigesehnt haben. Was für eine Erleichterung, was für eine Wohltat. Bald sechs Stunden haben wir gebraucht, einfach unglaublich.

Wir beglückwünschen uns, ich blicke in müde Gesichter. Aber dennoch macht sich Stolz breit, wir haben es allen möglichen Widrigkeiten zum Trotz geschafft, diesen gigantischen Eisklotz zu überwinden. Was für ein Abenteuer, das wir uns jetzt ins Tourenbuch schreiben dürfen.

Aber noch sind wir nicht im Warmen, noch stehen wir nicht unter der Dusche, noch wissen wir nicht, wo wir heute Nacht bleiben können. Schnell ziehen wir unsere warmen Jacken an,  stärken uns kurz und überlegen, was nun zu tun ist. Der angepeilte Bus nach Stryn, ist schon seit Stunden abgefahren, diese Möglichkeit ist also schon mal für heute gestrichen. Im nahen Bücherdorf Fjærland gibt es ein kleines gemütliches Hotel, das wissen wir, da wir dort vor der Tour wegen einer eventuellen Übernachtungsmöglichkeit nachgefragt hatten. Nur müssen wir ja irgendwie dort hin gelangen, ohne Auto können wir schlecht unsere Schlitten die 10 Kilometer über den Asphalt dorthin ziehen, unsere orangenen Freunde würden sich bis ins Dorf in ihre Einzelteile zerlegen. Nicht, dass ich ihnen das nicht gönnen würde, bei all dem Herumgezicke, mit dem sie uns die letzte 13 Tage genervt haben.

Zusammen mit Martin gehe ich zu einen nahen Gehöft, da sich dort gerade ein Bewohner gezeigt hat. Vielleicht hat er ja eine Möglichkeit, uns mitzunehmen. Wir sprechen den Mann an, er verspricht sich zu kümmern, muss nur rasch seine Tochter in den Kindergarten bringen. Alles klar, wir gehen zu den anderen zurück und warten ab, was nun wohl passieren wird. Nach Einger Zeit rollte ein verbeulter Toyota Bulli auf uns zu. Der Fahrer kurbelt das Fenster runter und grinst uns an: „Seid ihr die Wahnsinnigen, die bei dem Wetter über den Gletscher gelaufen sind? Mir gehört das Hotel in Fjærland, ich bin gekommen um euch abzuholen.“

Wir sind erleichtert, dass Bård so nett ist, und extra für uns losgefahren ist. Schnell sind die Pulkas und die Ski im riesigen Laderaum verstaut, wir rollen zum Hotel ins nahegelegene Dorf.

Das Hotel ist unglaublich schön, total liebevoll und sehr gemütlich eingerichtet. Es liegt direkt am Fjord und wir sind beinahe die einzigen Gäste, die Saison neigt sich langsam aber sicher dem Ende entgegen. Kurz darauf beziehen wir unsere Zimmer, ich bin völlig kaputt, total geschafft, der Kopf ist leer. Seit bald zwei Wochen habe ich die gleichen Klamotten an, ich stinke und möchte nur noch zum Telefon greifen, um mich zu Hause endlich sicher und wohlbehalten zurück zu melden. Ich bin fertig, unglaublich fertig.

Was ich aus dieser Tour gelernt habe:

Die Fehlertoleranz ist im Winter wahnsinnig gering, die Gefahr einen Fehler zu machen, stets präsent

Auf einer Wintertour wird immer stündlich eine Pause gemacht und sich verpflegt, ganz egal ob man Hunger und Durst hat, oder nicht. Insbesondere bei sehr schlechtem Wetter sind Pausen essentiell wichtig, um für Notfälle immer genug Energie zu haben

Bei der Ausrüstung ist im Winter das Beste gerade gut genug

Bei schwierigen Passagen werden die GPS-Wegpunkte in sehr engem Abstand gewählt, so dass man nicht so leicht vom Kurs abkommt

Jeder auf einer Skitour hat zwingend eine Schneeschaufel im Gepäck! Meine Empfehlung ist nach einem ausführlichen Test dabei eine Schaufel mit Teleskopstiel der Marke Voile

Jeder auf einer Skitour hat einen vernünftigen Kompass dabei, man verlässt sich dabei niemals auf die anderen Teilnehmer

Es wird niemals an Gewicht und Stabilität bei sicherheitsrelevanter Ausrüstung gespart

Jacken und Hosen haben möglichst viele und möglichst große (Außen-) Taschen, so dass man unterwegs Handschuhe, Kompass, Karte, GPS-Gerät und Energieriegel immer sicher nah am Körper verstauen kann

Es müssen immer genug Reserven an Verpflegung und Brennstoff mitgeführt werden

Die Fjellvettreglene sind unbedingt zu beachten

Fundierte Praxistipps zur Sicherheit auf Wintertour findet man bei Outdoorseiten.net

Josten pa langs – eigentlich eine Traumtour – Teil 2

Ein beständiges, rhythmisches Geräusch hat uns in der Nacht erst spät in den Schlaf finden lassen. Es hörte sich an, als würde jemand durch den Schnee stapfen, um zu unserem Unterschlupf zu gelangen. Bei näherer Betrachtung im Morgengrauen stellt es sich allerdings heraus, dass lediglich an einer Stelle Schmelzwasser geräuschvoll von der Decke tropft. Der Effekt ist enorm, das Kopfkino hat zumindest mir etwas ganz anderes vermittelt, ich habe ziemlich wirres Zeug geträumt.

Neuer Tag – neue Herausforderungen – der zweite Tag

Nun gucken wir alle am Morgen ziemlich verschlafen aus der Wäsche und versuchen, unsere müden Knochen zu neuem Leben zu erwecken. Zum Glück ist es nicht wirklich kalt, die Nacht im kuscheligen Schlafsack war ziemlich gemütlich, die Temperatur scheint nicht weit unter den Gefrierpunkt abgesunken zu sein. Mich drängt die Blase zum Aufstehen und so ziehe ich mir etwas über, um mich draußen vor dem Tunneleingang zu erleichtern.

Kurz darauf stehe ich im Schnee und mein Blick fällt auf die Aufgabe, die uns gleich nach dem Frühstück erwarten wird. Unser Plan ist es, heute bis zum Ende des Rauddalsvatnet über das Eis zu laufen. Dort befindet sich die Skridulaupbu Hütte des DNT, in der wir übernachten wollen, bevor es für uns dann endlich auf den eigentlichen Gletscher gehen soll.

Wie wir aber hinab zum Eis auf dem See gelangen sollen, ist mir noch völlig schleierhaft. Die Seen, die hier zur Stromgewinnung genutzt werden, sind im Winter zumeist größtenteils abgelassen, das heißt, es sind nur noch geringe Mengen Wasser im See vorhanden. So wird frühzeitig Platz für die Wassermassen des Frühjahr geschaffen. Die Uferböschung fällt dann bis weit hinein in den See trocken und man läuft unter Umständen auf dem Seeboden entlang. Hier direkt an der Staumauer ist der See aber offen, es hat sich kein Eis gebildet, da immer noch ein wenig Wasser aus dem See heraus beständig abfließt. Um nachher auf das sichere Eis beziehungsweise den trockenen Seeboden zu kommen, werden wir am sehr steilen Ufer die Pulkas einige hundert Meter über einen ziemlich gefährlichen Hang ziehen müssen. Da sich mir sowieso nicht erschließt, wie das gleich überhaupt gefahrlos gehen soll, gehe ich zurück zu den anderen und wir machen uns erstmal daran, das Frühstück zu vertilgen.

Das Fluchen der anderen erinnert mich dabei wieder daran, dass wir vor der Tour nicht ausprobiert haben, ob unsere Kochtöpfe mit den Wärmetauschern unter dem Boden überhaupt richtig auf die leichten Gaskocher passen, die wir diesmal mit dabei haben. Leider passen sie nicht wirklich aufeinander, wie leider wir erst hier festellen, selbst wenn Kocher und Topf vom selben Hersteller stammen, was uns wirklich wundert. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern es ist auch gefährlich, denn wenn so ein kippeliger Drei-Liter-Topf voll mit kochendem Wasser im Zelt vom Kocher rutschen sollte, ist das nicht nur ziemlich unangenehm, sondern es besteht auch die Gefahr, sich zu verbrühen. Wir notieren diesen Fauxpas auf unserer Liste für zukünftige Touren, man lernt ja immer wieder dazu. Nun aber müssen wir die nächsten zehn Tage stets aufpassen, wenn wir die Kocher zum Schneeschmelzen anwerfen. Ein ärgerlicher, kleiner Fehler.

Nach dem Frühstück packen wir wieder sorgfältig unser Zeug zusammen, ich merke, wie sich bei mir eine gewisse Anspannung breit macht. Wir haben noch reichlich Proviant dabei und dementsprechend schwer sind unsere Schlitten. Wie zur Hölle sollen wir die sperrigen Dinger über das steile Ufer bis zum sicheren Eis bekommen? Erst dort werden wir wieder auf die Ski steigen können, vorher müssen wir aber richtig ranklotzen.

Das nächste unerwartete Hindernis

Es geht los, wir wuchten die Schlitten vor unseren Unterschlupf ins Freie. In zwei Teams aufgeteilt machen wir uns daran, über ein steiles Schneefeld etwas weiter hinab zum Ufer fast direkt an der Staumauer zu gelangen. Das geht ganz gut, die Ski und Stöcke sind dabei auf den Schlitten verstaut, wir stapfen durch den tiefen Schnee und führen die schweren Pulkas neben uns her. Da das Gelände dort sehr steil ist, legen wir alle Wege doppelt zurück, denn wir müssen jede Pulka immer zu zweit sichern, einer allein kann sie hier unmöglich gefahrlos ziehen.

Nach ungefähr 50 Metern zeigt sich dann auch direkt das erste richtige Hindernis, das mir wirklich das Blut in den Adern gefrieren lässt. Hier befindet sich ein separater Abfluss des Sees. Im Sommer liegt er tief unter der Wasseroberfläche verborgen, aber nun liegt er komplett frei. Vor dem großen dunklen Loch hat sich ein weiter offener Bereich gebildet, hier ist das Wasser nicht gefroren. Der Eingang ist aus Beton gegossen und wir müssen etwas oberhalb von ihm am Hang entlang die Stelle passieren. Wenn wir ausrutschen, fliegen wir zehn Meter durch die Luft und landen geradewegs im eiskalten Wasser. Und auch wenn wir die Pulka nicht halten können, wird sie unweigerlich direkt in die Fluten hinab rauschen und unwiederbringlich versinken. Hier heißt es ruhig und konzentriert im Team zu arbeiten.

Als Vorhut erreichen Gitti und Chris diese Stelle und überwinden sie rasch, mir fällt ein Stein vom Herzen. Martin und ich kommen nach und können die Tritte der anderen nutzen, was mir ein wenig Sicherheit gibt. Wir wuchten den Schlitten über diese gefährliche Stelle, doch auch dahinter wird es nicht einfacher. Das Ufer ist Steil, wir rutschen weg, brechen immer wieder bis zum Knie durch die Schneedecke und mühen uns ab, den schweren Schlitten mitsamt den sperrigen Ski oben drauf sicher voran zu bringen.

Wir schätzen, dass wir mindestens ein paar hundert Meter am Hang entlang gehen müssen, bevor das Eis uns sicher tragen wird. Also heißt es, dass wir uns noch eine ganze Weile abrackern müssen, was für anstrengende Aussichten. Mir kommen langsam leise Zweifel, ob das alles so gut ist, aber ich will ja nicht als Memme dastehen, also reiße ich mich zusammen, obwohl meine Arme und Hände wie Feuer brennen und mir mit jedem Schritt die Kräfte schwinden.

Die anderen beiden der Vorhut kommen gut voran und zeigen uns mit ihren Spuren, wo es lang geht. Schon bald darauf haben sie den ersten Schlitten an einer Stelle deponiert, bei der es flacher wird und kommen uns entgegen, um ihren zweiten Schlitten nachzuholen. Auch wir schaffen es bald, unseren ersten Schlitten sicher abzuliefern, dann geht es über das steile Ufer zurück, um auch unsere Nummer zwei am Ufer entlang zu wuchten. Was für eine Plackerei, ich habe keine Lust darauf, aber wir sind ja noch nicht einmal auf dem Gletscher, da muss ich jetzt wohl oder übel durch. Und so stapfen wir zurück und das kräftezehrende Spiel geht erneut von vorne los. Ich mache drei Kreuze, als wir die gefährliche Stelle am Abfluss erneut mit dem Schlitten passiert haben. Die Spur ist nun ausgetretener, das macht es aber nicht unbedingt einfacher, brechen wir doch nun noch öfter durch die Schneeauflage.

Beim Gedanken daran, dass dies im Zweifel bei schlechtem Wetter auf dem Gletscher eventuell auch unser Rückweg sein könnte, verlässt mich kurz der Mut, aber ich fange mich und kurz darauf stehen wir alle gemeinsam auf einer erhöhten Stelle am Ufer und haben die vier Schlitten endlich bei uns. Wir legen eine kurze Pause ein und überlegen, wie es weiter geht. Zum Glück befinden wir uns nun ungefähr an der Position, wo man sich auf das Eis wagen könnte (unter www.iskart.no findet ihr eine Karte mit allen norwegischen Seen, bei den größeren werden im Winter die Eisstärke sowie unsichere Bereiche angezeigt).

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Wir sind ziemlich geschafft, aber von hier aus sollte es möglich sein, den See zu betreten. Wir ziehen unsere Schlitten noch ein wenig abwärts und schnallen endlich wieder unsere Ski an. Die ganze Aktion hat uns einige Stunden gekostet, es ist beinahe zwei Uhr Nachmittags, als wir endlich richtig auf dem See loslaufen können.

Auf geht’s, ab geht’s endlich übers Eis

Für Gitti und Chris ist es das erste Mal, dass sie mit einem Pulkaschlitten hinter sich und mit Ski unter den Füßen über einen solch großen See laufen. Ich kann mich gut an mein erstes Mal erinnern, der Gedanke an das eiskalte Wasser unter mir war echt schwer zu fassen, aber nach einer Weile merkt man, wie dick das Eis doch ist und dass keine Gefahr von ihm ausgeht. Wir halten uns am Anfang zudem noch etwas entfernt von der Seemitte und folgen dem hier flachen aber etwas welligen Uferbereich, auf dem sich die Eisplatten mit einer satten Schneeschicht darauf beim Ablassen des Wassers sicher abgelegt haben.

Der in der Eiskarte als unsicher eingezeichnete Bereich ist tatsächlich unsicher, denn man sieht aus Ferne, dass sich dort kleine Wellen auf dem in diesem Bereich offenen Wasser kräuseln. Ein Anblick, der zum Grübeln anregt, wir aber haben keine Zeit dazu, denn zu allem Überfluss scheint sich nun das Wetter gegen uns verschworen zu haben. Den Morgen über war schon eine niedrige Wolkendecke über uns, nun aber frischt der Wind ordentlich auf und die Wolken werden immer dunkler.

Eine richtig steife Brise kommt uns vom Gletscher entgegen, alles flattert geräuschvoll in den kräftigen Windböen und wir ziehen die Kapuze tiefer ins Gesicht. Zum Glück sind es nur wenige Kilometer bis zur Hütte, die aber gehen nun nicht mehr ganz so einfach von der Hand. Wir mühen uns gegen den Wind, kommen aber ganz gut voran. Vier kleine bunte Farbtupfer in dieser abweisenden Umgebung bewegen sich im Schneckentempo durch die weiße Landschaft, an eine Unterhaltung ist bei der Geräuschkulisse nicht zu denken und so hängt jeder seinen Gedanken nach.

Als ich heute morgen die Softshellhose anzog, dachte ich, dass das eine gute Idee wäre. Ich schwitze schnell und viel wenn es anstrengend wird, daher achte ich immer auf eine gute Belüftung. Aber nun treibt der Wind von vorn nassen Schnee vor sich her und dieser bildet dann auf meiner nicht wasserdichten Hose große Eisplatten auf den vorderen Oberschenkelpartien. Die Wärme der Anstrengung lässt den Schnee erst kurz antauen und der eiskalte Wind ihn kurz darauf wieder gefrieren, was ziemlich unangenehm ist. Bei dem Wetter möchte ich mich nicht mitten auf dem See nackig machen und die Hose wechseln, das steht fest. Und wenn ich die Hardshellhose einfach drüber ziehe, werde ich mich totschwitzen, also Augen zu und durch für heute. Morgen werde ich dann wohl nur die Hardshellhose anziehen, wenn denn der Wind weiterhin so bläst.

Langsam erreichen wir das westliche Ende des Sees und gelangen in einen schmaleren Bereich, der an Bilder und Filmaufnahmen aus der Arktis erinnert. Da das Wasser soweit abgelassen ist, laufen wir hier direkt auf dem Seegrund und um uns herum befinden sich nun kleine Hügel, auf denen sich die Eisplatten auftürmen. Eine krasse Kulisse, die mehr an polare Packeisgebiete erinnert als an norwegische Fjellgebiete. Normalerweise ist hier im Sommer alles tief unter Wasser verborgen, nun aber schlängelt sich unsere kleine Karawane auf der Suche nach dem geeigneten Weg hindurch.

Kurz darauf entdecken wir in einiger Entfernung eine kleine Hütte am Ufer, es macht sich Vorfreude auf eine warme Unterkunft für die Nacht breit. Wir wenden uns der Hütte zu und erklimmen die Uferböschung des Sees. Kurz darauf erreichen wir sie und müssen leider feststellen, dass dies leider noch nicht die von uns angepeilte DNT Hütte ist, wir müssen wohl oder übel noch einige hundert Meter weiter gehen.

Da der Weg ja im Winter nicht markiert ist, versteigen wir uns kurz in einem Uferriegel aus Fjellbirken, ein tiefes Bachbett macht es uns zudem unmöglich, auf direktem Weg zur DNT Hütte zu laufen. Wir drehen um und laufen erneut hinab auf das Eis des Sees, wir müssen diesen Bereich umgehen und anschließend erneut das Ufer erklimmen. Meine Lust auf Abenteuer schwindet gerade etwas, der Wind lässt nicht nach und die Umgebung um uns herum verschwindet langsam in einer einzigen langen Dämmerung, da kommen einem schon mal einige düstere Gedanken.

Ein letzter hyggeliger Rückzugsort weitab vom Schuss

Doch dann haben wir es für heute endlich geschafft, nur noch einen steilen Absatz hinauf und wir stehen vor der urigen Skridulaupbu Hütte. Wir öffnen die Tür zum Vorraum und sind froh, aus dem Wind zu kommen, der uns den ganzen Nachmittag über gepiesackt hat. Es benötigt etwas Zeit, bis der Ofen in die Gänge kommt, dann aber macht sich rasch eine behagliche Wärme im Inneren breit. Draußen heult der Wind und zerrt an der Hütte, wir aber sitzen im Schein der Stirnlampen und der Kerzen in der gemütlichen Wohnstube und entspannen uns langsam.

Die Hütte wird nicht oft genutzt, lediglich ein paar Dutzend Wanderer kommen in jedem Jahr her, so ist sie ein kleines verstecktes Kleinod, weitab der oft begangenen normalen Wanderrouten. Da nicht so viele Leute herkommen, haben Herr und Frau Maus zwischenzeitlich das Kommando hier übernommen, wir müssen die Matratzen von ihren Hinterlassenschaften befreien, bevor wir es uns in den Betten gemütlich machen können.

Mittlerweile sieht es hier drinnen aus wie in einem U-Boot. Überall unter der niedrigen Decke hängen nun Hosen, Jacken und alle möglichen Dinge zum Trocknen. Die Hütte wird alsbald muckelig warm, wir widmen uns den leckeren Kleinigkeiten aus unseren Proviantbeuteln und kurz darauf steht auch schon das Abendessen auf dem Tisch. Zum Nachtisch gibt es noch eine große Dose mit eingelegten Pfirsichen, das lassen wir uns nicht nehmen.

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Wir sprechen über den Tag, das Wetter und die Aussichten auf die nächsten Tage. Hoffentlich beruhigt sich das Wetter morgen, denn es steht mit dem Aufstieg auf den Gletscher einer der schwierigsten Abschnitte der Tour auf dem Programm. Nachdem wir die Hütte vor dem Schlafengehen noch einmal ordentlich durchgelüftet haben, wandern wir nach und nach in unsere warmen Schlafsäcke. Ich liege noch länger wach, das Wetter und die vor uns liegenden Herausforderungen beschäftigen mich, aber irgendwann finde auch ich in den Schlaf.

Der dritte Tag – endlich ruft der Gletscher

Die Nacht war unruhig, ich habe nicht besonders gut geschlafen, wirre Träume kamen und gingen. Ein erster verschlafener Blick von meinem Bett aus zum Fenster hinüber lädt auch nicht gerade ein, direkt jubelnd aus den Federn zu springen, draußen ist es grau wie am Vortag. Immerhin hat der Wind scheinbar nachgelassen, wenigstens etwas positives. Langsam erwacht die Hütte zum Leben, ich blicke in ebenso verschlafene Augen.

Wir starten den Ofen und frühstücken, reden über die Verhältnisse und was uns wohl erwarten wird. Schnell sind wir uns einig, dass wir das Wetter, sei es nur einigermaßen gut, ausnutzen müssen. Wer weiß, was uns ansonsten blüht, wenn wir hier in der Hütte länger pausieren würden. Also ist die Direktive für den Tag klar, wir werden aufbrechen und versuchen den Aufstieg zu meistern. Nach dem Frühstück schnalle ich kurz ein erstes Mal für heute die Ski an, das Plumpsklo liegt etwas abseits und ist nur so zu erreichen, der Schnee ist einfach zu tief zwischen den lichten Birken um uns herum. Ein letztes Mal für mindestens eine Woche lang den Komfort eines mit Brettern umbauten Raumes um sich zu erleichtern, was für ein unerhörter Luxus im Vergleich zu dem, was uns bald schon morgens im kalten Schnee erwarten wird.

Nachdem jeder sein Geschäft erledigt hat und wir unsere mehr als sieben Sachen zusammengepackt und wieder in der Pulka verstaut haben, heißt es Abschied zu nehmen von unserem gemütlichen Refugium, der hyggeligen Skridulaupbu Hütte.

Wir gehen wieder hinab zum zugefrorenen See und folgen ihm bis ganz zu seinem Ende. Dort mündet ein kleiner Bach in den Rauddalsvatnet, der sich aus dem Nedre Leirvatent speist. Wir folgen dem Bach und finden auf Anhieb eine gute Spur durch die Moränenhügel, die den Bach säumen. Dann geht es für uns auf den etwas höher liegenden See, den wir zügig überwinden können, das Eis ist flach und die Schneeauflage ermöglicht ein rasches Vorankommen. Wir erblicken nicht weit von uns eine Brücke, die den Abzweig eines Sommerweges markiert. Der Sommerweg würde nun geradewegs nach Südwesten in Richtung Tverrbotnen abzweigen, wir aber werden einfach weiter nach Westen hinauf zum Gletscher steigen. Aber vorher halten wir noch kurz inne, stärken uns mit Tee und einem Snack. Beim Blick auf den vor uns liegenden Hang seufze ich, denn selbst im Sommer hätte ich nur wenig Lust, diesen in direktem Wege anzugehen.

Es gibt aber keine Alternative, wir müssen dort hoch, wollen wir auf den Sikilbreen gelangen. Martin geht voraus und legt in dem steilen Gelände eine gute Spur. Zum Glück sind unsere Steigfelle noch recht neu, sie ermöglichen uns einen super Grip, wir erklimmen Meter um Meter in einem weiten Zickzack. Da sich bisher nur wenige Leute an diesem Abschnitt im Winter versucht haben, gibt es auch nirgendwo eine Wegbeschreibung oder ähnliches, wir müssen uns also auf unser Gespür und unsere Erfahrung verlassen, um einen möglichst guten Weg hinauf zu finden, um die bald 600 Höhenmeter zu überwinden. Es gelingt auf Anhieb, nur ab und an hallen unflätige Flüche den Hang hinab, und zwar immer dann, wenn sich bei einem von uns die Pulka überschlägt und wir dann jedes Mal Mühe haben, diese alleine am Berg aufzurichten. Zwischendurch trifft es Chris ganz besonders oft, irgendwann reicht es ihm und er packt seinen Schlitten um, der Schwerpunkt liegt danach tiefer, er kippt nicht mehr so leicht.

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Glücklicherweise bricht zwischenzeitlich die Wolkendecke kurz auf, die Stimmung um uns herum ist einfach gewaltig und dramatisch schön, ich werde daran erinnert, warum wir uns diese Mühen aufhalsen.

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Keuchend erreiche ich als letzter unserer Gruppe den flacher werdenden Teil des Anstiegs. Ich mache drei Kreuze als ich registriere, dass wir nun bald endlich oben sind. Es ging besser als gedacht, ich bin aber dafür komplett nass geschwitzt. Wie bitte soll man auf einer Wintertour nicht schwitzen, wie immer berichtet und geraten wird?

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Nach dem tollen Sonnenschein gerade übernehmen nun wieder die Wolken das Kommando, es zieht sich wieder zu. Ich ziehe mir etwas Wärmeres über und wir beratschlagen, wie weit wir heute noch gehen wollen. Es soll nicht mehr weit gehen, beschließen wir, lediglich etwas flacher sollte es schon sein. Und so gehen wir noch eine gute Stunde weiter, bevor wir unsere zwei großen Zelte das erste Mal auf dieser Tour aufschlagen. Um uns herum ist bald nicht weiter mehr zu sehen als ein weißes Weiß. Oben, unten und um uns herum, alles ist wie in Watte gepackt.

Wir richten uns ein, Martin und ich im gemütlichen Svea 3 Camp von Helsport, Gitti und Chris im riesigen Keron 4 GT von Hilleberg. Die Ausrüstung ist rasch verstaut, die Isomatte samt Schlafsack ausgebreitet, wir ruhen uns erst einmal aus. Martin erzählt mir von seinen vorherigen Versuchen diese Tour zu machen. Bei einem der Versuch musste er genau hier an dieser Stelle bei schlechtem Wetter einige Tage im Zelt ausharren und umkehren, die Verhältnisse waren einfach zu schwierig. Hoffentlich blüht uns nicht auch so etwas, einen Ruhetag im Schlafsack zu verbringen ja ganz schön, aber gleich mehrere Tage liegend im Zelt zu hocken, da fällt einem irgendwann ganz sicher die Decke auf den Kopf. Vom dann vermutlich draußen tobenden Sturm gar nicht erst zu reden, ich will gar nicht daran denken.

Nachdem wir uns etwas ausgeruht haben, stapfen wir hinüber zu den anderen und machen uns daran, das Wasser für das Abendessen zu schmelzen. Bei vier Leuten dauert es eine ganz schöne Weile, aber wir haben ja Zeit und reden über den Tag und die Zeit, die noch vor uns liegt. Der Aufstieg hinauf zum Gletscher hat besser geklappt, als ich es erwartet hatte. Die nächsten Tage sollte es mehr oder weniger flach über das ewige Eis gehen, und wenn ich daran denke, wie spektakulär die Sonne heute nur ganz kurz rauskam, kann ich es kaum erwarten, diese Stimmung auf dem Gletscher einmal länger zu erleben.

Der vierte Tag – wie viele Arten von Weiß gibt es eigentlich?

Der nächste Morgen beginnt erneut mit viel Weiß um uns herum. Als ich vor das Zelt trete um mich zu erleichtern, sehe ich nicht mehr, als ein paar Meter weit um mich herum, ansonsten hängen wir inmitten einer dicken weißen Suppe. Hm, so war das aber nicht geplant, murmle ich, als ich rüber in das Zelt von Gitti und Chris gehe, um dort zu frühstücken.

Wir hegen die Hoffnung, dass das Wetter irgendwann besser wird, immerhin verspricht uns dies der Wetterbericht, den wir in Pollfoss mitgenommen haben. Leider haben wir hier keinen Handy-Empfang, aber was soll’s, wir können es ja eh nicht ändern, wir schauen einfach mal, wie es sich entwickelt. Da wir nun auf dem weitläufigen Gletscher unterwegs sind, besteht auch keine Gefahr, wenn wir im White-Out herumlaufen, denn wenn wir uns an unsere Wegpunkte halten, geht es ganz einfach sanft auf und ab, da besteht bei ausreichender Vorsicht überhaupt kein Problem.

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Wir packen die Schlitten und brechen auf in diesen Tag, der uns nicht viel mehr als Weiß, Weiß und noch mehr Weiß bringen wird. Vom Sikilbreen aus geht es in Richtung des Sygnekarsbreen. Zwischendurch erkennen wir nur schemenhaft, was um uns herum liegt. Die Aussichten sind sehr mau und wenn auch nur von ganz kurzer Dauer. Immerhin erkennen wir fast immer einen diffusen Horizont, das erleichtert ein wenig die Orientierung. Stunde um Stunde gehen wir nur unterbrochen von den Pausen, in denen wir uns stärken und unsere Position bestimmen. Es hat etwas meditatives, insbesondere wenn man sich ganz am Ende unserer kleinen Gruppe einreiht und einfach nur den anderen hinterherläuft.

Gegen Nachmittag befinden wir uns nordwestlich des markanten Klubben – Berges. Eigentlich hatten wir gehofft, ihn bequem besteigen zu können, nun aber sind wir froh, ihn überhaupt zu erkennen. Durch das White-Out haben wir sicher den einen oder anderen unnötigen Schlenker gemacht, aber nun geht es sanft hinab in Richtung unseres Tagesziels und wir überlegen bald, bis wohin wir heute noch laufen wollen.

Das Wetter wird zunehmend ungemütlicher als es eh schon den ganzen Tag war. Wir liegen von der Distanz her gut im Plan, also suchen wir uns eine Stelle, die relativ flach ist, was angesichts der wenigen Sicht eine echt Herausforderung ist. Mittlerweile haben wir uns bis auf eine südwestliche vom Klubben aus gesehen Position vorgearbeitet. Hier sieht es ganz gut aus, also beschließen wir hier die Zelte aufzuschlagen. Sich den ganzen Tag lang durchs White-Out zu hangeln ist ziemlich anstrengend, nicht unbedingt körperlich, aber irgendwann ermüdet der Kopf doch sehr, ständig überprüft man den Kompass, die Karte und das GPS. Wir sind froh, als die Zelte stehen und die ganze normale Camproutine mit Ausruhen, Wasserschmelzen und Kochen einsetzt. Wie behaglich man sich doch in dieser lebensfeindlichen Umgebung fühlt, wenn man erst im sicheren Zelt hockt und es sich gemütlich gemacht hat.

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Der fünfte Tag – endlich Turglede vom Allerfeinsten

Der nächste Morgen erwartet uns endlich mit strahlendem Sonnenschein. WOW! Unglaublich wie positiv sich so wunderschönes Wetter auf die Gemütslage auswirken kann! Wir schlüpfen aus den warmen Daunentüten und begrüßen überschwänglich den neuen Tag! Die Schlafsäcke wandern zum Trocknen und Auslüften auf die Zelte und irgendwie geht bei diesem Wetter alles einfacher von der Hand. In der Apside des großen Zeltes machen wir es uns zum Frühstück gemütlich, es wird schnell warm und wir kramen zum ersten Mal die Sonnencreme aus dem Gepäck. Kaum eine Wolke zeigt sich am Himmel, als wir vor einer gigantischen Kulisse unsere Sachen packen und alles erledigen, was morgens so anfällt.

Heute soll es für uns in Richtung des Lodalsbreen gehen. Diese Gletscherzunge liegt in einem tiefen Talkessel, den wir überwinden müssen um dann auf der anderen Talseite über die Småttene Gletscherzunge wieder aufsteigen zu können. Erst dann sind wir auf dem eigentlichen Jostedalsbreen. Dieser Übergang ist auf unserer Tour die absolute Schlüsselstelle, denn wenn hier die Verhältnisse schlecht sind und zu wenig Schnee liegen sollte, ist dieser Bereich von tiefen Gletscherspalten durchzogen und für uns unpassierbar. An dieser Stelle musste Martin bei einem weiteren vorangegangenen Versuch der Tour unverrichteter Dinge umkehren, da es damals dort zu gefährlich war. Extra für diesen Abschnitt haben wir ein Kletterseil, Gurte und Eispickel mit eingepackt, da wir hier vermutlich zusammen als Seilschaft gehen müssen, um uns zu sichern.

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Mit reichlich positiver Energie ob des guten Wetters, aber auch mit einer gehörigen Portion Respekt gegenüber der Schlüsselstelle ziehen wir wieder los. Das Wetter ist wirklich zum niederknien und wir können zum ersten Mal im T-Shirt laufen. Die Kulisse um uns herum ist einfach nur der Wahnsinn, so haben wir uns alle diese Tour erträumt. Über einen sanften Rücken zwischen Storenosa und Raudskarvfjellet geht es direkt aufwärts, was aber bei diesen Verhältnissen das reinste Vergnügen ist. Ich laufe etwas vor den anderen und bekomme mich kaum mehr ein vor lauter Turglede! Der Hang läuft oben flach aus und direkt vor mir erscheint der mit 2082 Metern ziemlich imposante Lodalskåpa. Ich halte inne und warte auf die anderen, alle haben ein breites Grinsen im Gesicht, als sie neben mir ankommen und wir gemeinsam eine Pause einlegen.

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Wir halten nach der kurzen Stärkung direkt auf den Lodalskåpa zu, es geht nun gemächlich abwärts. Wir sind gespannt, ob es möglich sein wird, in den Talkessel hinab zu steigen um den Aufstieg auf den Jostedalsbreen über den Småttene zu versuchen. Ein leichte Anspannung macht sich bei mir breit, bin ich doch ziemlich unerfahren in alpinem Gelände, insbesondere solche Gletscherbrüche flößen mir gehörigen Respekt ein.

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Schon bald stehen wir am steilen Hang, der uns hinab führen soll und die eigentliche Schlüsselstelle unserer Tour markiert. Wir sehen uns um, versuchen die Lage zu erfassen und richtig einzuschätzen. Es zeigen sich zwar in den Seitenbereichen einige große Spalten, der zentrale Bereich aber ist mit einer kräftigen Schneeauflage versehen, da sollte es relativ gut möglich sein, sicher abzusteigen. Ich bin nicht sehr geübt im Umgang mit Klettergurt und Eispickel, aber nun muss ich da einfach durch. Wir legen Gurtzeug samt Bandschlingen und entsprechender Ausrüstung an. Da Gitti die meiste Erfahrung hat, wird sie das Seil bei sich haben und so im Fall der Fälle die Sicherung übernehmen. Da das Gelände wirklich steil ist, werden die Ski und Stöcke auf die Pulka geschnallt. Wir klinken das Zugseil der jeweiligen Schlitten vorn bei uns im Klettergurt ein und führen die Pulka mit der Hand langsam in den Hang hinein. Nur Chris bringt den Mut auf, diesen Abstieg komplett auf Ski zu bewerkstelligen. Als ich ihn dabei sehe, nötigt mir das ungeheuren Respekt ab, so fruchtlos bin ich nicht und meine Skikünste geben das auch nicht her, da gehe ich doch lieber zu Fuß, auch wenn es beschwerlicher sein mag. Jeder Norweger würde vermutlich schmunzeln, wenn er uns hier sehen würde. Diese Teufelskerle aus dem Norden würden vermutlich einfach kurz die Hand zum Gruß erheben und in eleganten Telemarkschwüngen den Abhang hinunter gleiten.

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Der Hang ist mächtig steil, aber mit festen Tritten durchaus machbar, das merke ich bald. Zwischendurch fluche ich zwar wie ein Rohrspatz, da mir immer wieder der Schlitten umfällt, aber es geht doch ganz gut. Irgendwann wird es flacher und ich sehe, wie Gitti sich ganz einfach seitlich auf die Pulka setzt und kontrolliert gleitend abfährt. Ich tue es ihr gleich und schon bald sause ich mit einem Affenzahn ganz bequem durch den tiefen Schnee. Die Auslaufzone ich ja gigantisch groß, da kann nichts passieren. Kurz darauf haben wir es alle geschafft und schnallen für wenige Meter die Ski an, denn wir wollen inmitten dieser unglaublichen Umgebung unser Lager aufschlagen. Wir sind total euphorisch, das Wetter ist unfassbar gut, es ist sogar so warm, das wir bald darauf schon nur mit leichten Sachen bekleidet in der Sonne sitzen und es uns richtig gut gehen lassen.

Unsere Gespräche kreisen dabei immer wieder um den Aufstieg morgen, denn der Blick lässt sich kaum von den Eismassen abwenden, die ganz gemächlich hier westlich von uns über den Småttene in den Talkessel hinunter fließen, in dem wir gerade Zelten. Der Aufstieg sieht bei diesen guten Verhältnissen aus der Nähe wirklich machbar aus, das konnten wir ja nur mutmaßen, als wir hier hinab ins Loch fuhren.

 

Dennoch werden wir viel Vorsicht walten lassen und morgen früh schon sehr zeitig aufbrechen, denn der Småttene liegt praktisch den ganzen Tag in der prallen Sonne, da wollen wir lieber kein Risiko eingehen, denn ab und zu hören wir an den Seiten deutlich Steinschlag. Und wer weiß schon aus der Entfernung, wie kräftig die Schneebrücken im oberen Bereich sind. Wir werden es also ausprobieren müssen. Einen Plan haben wir uns jedenfalls zurecht gelegt, ob der aufgehen wird, wir wissen es es nicht. Aber haben wir nicht ein Abenteuer und die Herausforderung gesucht? Ich bin mir zwischendurch nicht immer so sicher, ob das alles etwas für mich ist, schließlich bin ich in alpinem Gelände wirklich ein großer Schisser, andererseits mag ich es ja, mich solchen Situationen zu stellen und sie wenn möglich zu überwinden, daran zu wachsen.

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Wir werden es also morgen probieren, das steht fest. Wenn wir den Aufstieg über den Småttene auf den Jostedalsbreen irgendwie schaffen, dann werde wir ganz sicher mit einer unglaublichen Landschaft belohnt werden und ganz einfach über die weiten Gletscherflächen bis fast hinab zum Fjord gleiten. Dann werden keine großen Hindernisse und Herausforderungen mehr auf uns warten, und das sind Aussichten, die mich dann doch mit einem leichten Lächeln voller Vorfreude einschlafen lassen.

Josten pa langs – eigentlich eine Traumtour

Auf nach Grönland – ein langgehegter Traum soll in diesem April eigentlich für mich in Erfüllung gehen. Einmal in das sagenumwobene Grönland reisen, dieses fremde und faszinierende Reich der Inuit, von dem ich schon so viel gelesen und gehört habe. 

Zusammen mit meinen beiden Kumpeln Chris und Martin war ich im letzten Oktober in der norwegischen Hardangervidda unterwegs. Gemeinsam wollten wir den Hardangerjøkulen umrunden, einen Gletscher eingebettet am Rande der größten Hochebene Europas, eben der Hardangervidda. Alles verlief auf dieser spätherbstlichen Tour wie am Schnürchen und unser kleiner Trupp erlebte eine der schönsten Tourwochen, die ich jemals im skandinavischen Norden erleben durfte. Wir genossen jeden einzelnen Moment dieser Wanderung in vollen Zügen. Es war in dieser Konstellation unsere erste gemeinsame Tour und wir verstanden uns auf Anhieb blendend. Während dieser Woche kam Martin eines Abends mit der Idee auf uns zu, im nächsten April eine ausgedehnte Wintertour in Grönland zu unternehmen. Er war bereits mehrfach dort Sommers wie Winters unterwegs und hat auch schon zweimal das gigantisch große Inlandeis auf Ski überquert, seine Augen blitzten immer auf, wenn er davon erzählte. Martin arbeitet dieser Tage an einem Buchprojekt, deren krönender Abschluss diese Tour werden sollte und wir könnten ihn dabei begleiten, wenn wir mögen. Ohne zu zögern schlugen wir ein, eine absolute Traumtour wurde uns quasi auf dem Silbertablett präsentiert, da griffen wir natürlich direkt und ohne große Umschweife zu. Wir gaben sofort unsere Zusage und schlugen bei Martin ein, da mussten wir nicht lange überlegen.

Zurück aus Norwegen geht es direkt an die Planung der Grönland-Tour. Es müssen noch Unmengen von Ausrüstung organisiert, der genaue Reisezeitraum festgelegt und natürlich die Flüge gebucht werden. Mittlerweile steht auch fest, dass uns Gitti, die Freundin von Chris, begleiten wird. Es soll nach Narsarsuaq im Süden der Insel gehen, von wo aus wir für 20 Tage hinein in den arktischen Winter aufbrechen wollen. Dort in dieser Gegend werden wir nicht auf Eisbären treffen und können uns auch relativ problemlos dem spektakulären Inlandeis nähern, eventuell sogar den ein oder anderen Berg besteigen.

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Die Zeit rast derweil, das neue Jahr nimmt seinen Anfang und alles beginnt sich langsam zu fügen, der ganz normale Wahnsinn eben, wenn man solch eine große und lange Wintertour plant. Die Vorfreude steigt von Tag zu Tag, die bestellten Landkarten trudeln ein und werden studiert. Und noch mehr Literatur über Grönland wird verschlungen, bis sich schließlich großartige Bilder von roher arktischer Weite und einer faszinierenden Kultur sich vor unserem inneren Auge einnisten.

Wo bleibt der Schnee in Südgrönland?

Je näher unsere Tour rückt, desto öfter blicken wir gebannt auf die Satellitenbilder und Wetterberichte der grünen arktischen Insel. Wir müssen uns kneifen, denn was wir sehen, bereitet uns von Tag zu Tag immer größere Sorgen. Dort wo eigentlich alles tief verschneit sein sollte, gähnen uns schneelose Täler und Berge an. Wie kann das denn sein? Der Fjord dort ist doch dick zugefroren, wie wir von einem örtlichen Hotel erfahren, mit dem wir in Kontakt stehen. Auch die Temperaturen sind konstant kalt, aber es fehlen schlicht und einfach die entsprechenden Niederschläge, sprich der Schnee kommt und kommt nicht.

Die Telefondrähte zwischen München, Wuppertal und Tübingen beginnen zu glühen, die Nervosität wegen dem ausbleibenden Schnee geht schon bald in leichte Panik über. Was, wenn dort bis zu unserer Tour kein Schnee mehr fallen wird? Ohne Schnee können wir nicht mit Ski und Pulka gehen, wir könnten in dem tief gefrorenen Boden nicht einmal ein Zelt aufschlagen, wir bräuchten für die Heringe einen Presslufthammer. Ohne viel Schnee ist eine Wintertour dort einfach unmöglich. Insbesondere für Martin und sein Buchprojekt wäre das eine Katastrophe, die Tour ist für das Buch fest eingeplant, er müsste seine Pläne für die Veröffentlichung weit nach hinten verschieben, die gesamte Buchproduktion würde über den Haufen geworfen.

Unser Reisezeitraum ist festgelegt, den können wir nicht so einfach verschieben, um auf Schnee zu warten, unser Arbeitsalltag lässt das leider nicht zu. Auch die Reise umzubuchen ist nicht möglich, wir haben einen günstigen Low-Fare Flug gebucht, den man nicht kostenlos umbuchen kann. Und eine andere Gegend zum Beispiel im Osten Grönlands kommt für uns nicht in Frage, wir müssten dort eine Waffe sowie einen Zaun zur Abwehr von Eisbären mitführen, beides steht uns aber leider nicht so ohne weiteres zur Verfügung, vom sicheren Umgang mit einem großkalibrigen Gewehr mal ganz zu schweigen. Guter Rat ist nun also mehr als nur teuer!

Ungefähr zwei Wochen vor dem Abflug muss dann eine Entscheidung getroffen werden. Es tut unheimlich weh, aber die Tür nach Grönland hat sich endgültig geschlossen, es ist immer noch kein Schnee in Sicht, es besteht dringend Handlungsbedarf. So schwer es auch fällt, wir müssen Grönland streichen. Ein äußerst bitterer Moment, insbesondere für Martin, der dort die letzten Bilder für „Mein Norden“ schießen will. Was wir nun mit unseren extra neu angeschafften riesigen Acapulka Pulkaschlitten machen sollen, wir wissen es nicht.

Es ist immer gut, schnell einen Plan B zur Hand zu haben

Aber was nun? Nachdem wir die Flüge gecancelt haben, was dank der gewählten Tarife mit einem hohen Verlust einher geht, überlegen wir, was wir anstelle der ursprünglich geplanten Tour machen könnten, denn Urlaub haben wir ja trotzdem. Nach kurzem hin und her kommt für uns eine Wintertour mit sicheren Schneeverhältnissen eigentlich nur in Norwegen in Frage. Das kennen wir ja aus dem Effeff und es liegt dort in diesem Winter auch reichlich Schnee. Eine spannende Tour ist zudem schnell gefunden, wir wollen nun den Jostedalsbreen, den größten Gletscher Festlandseuropas, überqueren. Eine Traumtour, die uns ob der üppigen Schneemenge in diesem Jahr durchaus als machbar erscheint.

Klar ist uns sofort, dass dies eine sehr anspruchsvolle Tour werden wird, die einige knifflige Passagen enthält, aber genau das ist ja nach unserem Geschmack. Martin hat sich sogar schon zweimal erfolglos an dieser spektakulären Tour versucht, das schlechte Wetter und zu wenig Schnee zwangen ihn beide Male zum Aufgeben und zum Rückzug. Wir sind also gewarnt.

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Der Plan B nimm rasch Formen an, wir werden mit dem Auto von Deutschland aus über Dänemark und mit der Fähre ins norwegische Pollfoss fahren. Dort an dem kleinen Berggasthof werden wir dann unser Auto stehen lassen, wollen wir doch nicht nur den Jostedalsbreen, sondern auch seine nördlicheren Ausläufer Sikillsbreen und Austedalsbreen überqueren. Der Übergang zwischen den Gletschern bildet eine Art Talkessel, der von allen Seiten vom ewigen Eis umgeben ist. Hoffentlich liegt dort genug Schnee, ansonsten können wir den Aufstieg auf den eigentlichen Jostedalsbreen über die steile Zunge des Småttene vergessen, die gigantischen Spalten im Eis dort wären ansonsten für uns unüberwindlich und vor allem auch zu gefährlich, um sie mit unserem riesigen Gepäck zu überwinden. Das Ende unserer Tour wird dann hoffentlich das pittoreske Bücherdorf Fjærland, direkt unten am gleichnamigen Fjord gelegen, bilden, von wo aus wir mit dem Bus wieder zurück zum Ausgangspunkt in Pollfoss fahren können. Soweit der neue spannende Plan.

Da wir uns in Norwegen ja gut auskennen, ist der Plan B schnell organisiert, nur bei der Ausrüstung müssen wir etwas umstellen, da das Gelände nun deutlich alpiner und anspruchsvoller werden wird. Auch die riesigen neuen Schlitten müssen daheim bleiben, sie sind nun viel zu groß und zu schwer. Es wandert also eine leichte Gletscherausrüstung mit ins Gepäck, und wir versuchen unsere Packliste auf das Nötigste zusammenzustreichen, da wir unter Umständen alles auf dem Rücken im Rucksack transportieren müssen. So ein Gletscher ist einfach mitunter sehr viel steiler als die weiten Täler Südgrönlands. Nach der großen Enttäuschung über die Absage der einen, steigt nun endlich wieder die Vorfreude auf die neue Tour, der Blick richtet sich wieder nach vorn.

Grönland oder Norwegen, Hauptsache Schnee

Und so finden wir uns am Vorabend der Tour bei Martin in Wuppertal ein, um unsere Ausrüstung ein letztes Mal zu checken, letzte Besorgungen zu machen und das Auto mit dem riesigen Wintergepäck zu beladen. Uns allen fällt ein großer Stein vom Herzen, dass es nun doch noch auf eine äußerst spannende Tour gehen wird. Wie spannend, das kann zu diesem Zeitpunkt noch keiner von uns ahnen.

Fröhlich und voller Vorfreude steigen wir ins Auto, um nach Norddänemark zu fahren. Dort wollen wir am Abend in der Jugendherberge der Fähr- und Fischereistadt Hirtshals übernachten. Die Anreise vergeht ereignislos und sehr entspannt, wir kommen zeitig in Hirtshals an und gehen direkt als erstes zum Strand. Der Nordseestrand dort oben ist für mich ein echtes Sehnsuchtsziel geworden, erst wenige Wochen zuvor war ich genau hier mit meiner Freundin von unserer Strandwanderung von Klitmøller nach Hirtshals über den Jahreswechsel angekommen. Wir erklommen damals die Holztreppe, die zwischen den Dünen hinab zum Strand führt, und hatten unsere ganz wunderbare Wanderung mit viel Wehmut beendet, wir hätten für immer weiter am Strand entlang wandern können.

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Am nächsten Morgen stehen wir zeitig auf, um die Fjordline Fähre nach Norwegen zu nehmen. Das Wetter ist etwas usselig, die Sonne lässt sich zu dieser Uhrzeit noch nicht blicken. Die Vorfreunde aber auch Anspannung macht sich bei mir breit. Wir werden erst am frühen Nachmittag in Langesund ankommen und dann steht uns noch ein gut 550 Kilomter langer Roadtrip nach Pollfoss bevor. Es ist der Freitag vor den Osterferien, wir müssen unterwegs Oslo passieren und die E6 gen Norden nehmen, man hatte uns vor verstopften Straßen und langen Staus gewarnt. Nicht, dass die Fahrt auch so schon mindestens umd die acht Stunden dauern würde. Aber wir wollen direkt am nächsten Morgen starten, um die uns für die Tour bleibende Zeit optimal auszunutzen, da müssen wir das wohl oder übel in kauf nehmen.

Und so reißen wir Kilometer um Kilometer ab, die Reisegeschwindigkeit kann man dabei nicht mit der in Deutschland vergleichen, selten zeigt der Tacho mehr als 70 oder 80 km/h an. Aber dafür ist die Umgebung, die an unserem Autofenster vorrüber zieht, wunderschön anzusehen. Ich komme endlich wieder in meinem zu Hause an, langsam aber sicher. Es wird schon dunkel, als wir bei Lillehammer endlich ins Gudbrandsdalen einfahren. Bis Otta folgen wir dem großen Lågen Strom, der die Wassermassen aus den Bergen gen Meer tranportiert. Von Otta an wird die Straße noch kleiner und wir brausen langsam und schaukelnd durch die hereinbrechende Nacht. Müdigkeit macht sich bei allen breit, wir sind ziemlich gerädert. Es ist bereits stockdunkel als wir total abgekämpft und hundemüde das Hotel gegen 23 Uhr erreichen. Wir checken ein und fallen alsbald ins Bett.

It’s 106 miles to Pollfoss. We got a full tank of gas, half a pack of Kvikk Lunsj, it’s dark and we’re wearing sunglasses

Wir stehen aufgereiht vor dem Hotel in Pollfoss und sind bereit zum Aufbruch. Eine halbe Ewigkeit lang haben wir am Morgen nach dem Frühstück unsere Ausrüstung sortiert und gepackt. Im Hotel sah es aus, als ginge gerade eine Inventur in einem Outdoorladen vonstatten. Überall im Eingangsbereich lagen Schlafsäcke, Zelte und hunderte verschiedener Ausrüstungsgegenstände herum. Geredet wurde nur das Nötigste, wir alle waren fokussiert darauf, auch ja nichts zu vergessen und nur das mitzunehmen, was wir wirklich brauchen würden: „Wie viele Abendessen hast du eingepackt? Sollen wir nicht lieber zwei der schweren Schneeschaufeln hier lassen? Schließlich kommt es auf beinahe jedes Gramm an, wenn wir bei den steilen Anstiegen unsere Sachen komplett auf dem Rücken tragen müssen!“

Endlich geht es los ins Abenteuer

Letztendlich sind die Schlitten aber doch schwerer geworden als gedacht. Uns schwant, dass es eine ziemliche Plackerei werden wird, sollten wir die kompletten Schlitten samt Inhalt unterwegs irgendwann einmal tragen müssen. Aber das ist nun erstmal egal, denn wir sind bereit zum Abmarsch. Wir haben noch den aktuellen Wetterbericht für die nächsten Tage an der Rezeption ausgedruckt und schon ziehen wir los. Erst einmal geht es um das Hotel herum zu einem Fahrweg, der uns über einige Kilometer hin zum eigentlich Einsteig unserer Tour bringen wird. Wir folgen der geräumten Straße und gewöhnen uns dabei langsam an das Ziehen der Pulkaschlitten. Um flexibel zu sein und Gewicht zu sparen, greifen wir bei dieser Tour auf sehr leichte und preiswerte Kunststoffschlitten zurück, sogenannte Paris-Sledges. Diese kosten nicht viel und sind sehr leicht, sind aber mitunter etwas störrisch und nicht so komfortabel zu ziehen wie die praktischen Acapulka-Schlitten, mit denen wir sonst im Winter losgehen.

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Zudem ziehen wir die Plastikschlitten mit einem einfachen Seil statt mit einem Führung gebenden Gestänge, wie es ansonsten üblich ist, hinter uns her. So laufen die orangenen Schlitten manchmal ohne ersichtlichen Grund in alle möglichen Richtungen und es bedarf eine Zeit der Eingewöhnung. Insbesondere bergab überholen einen dann die blöden Dinger mit einem Affenzahn und krachen einem gerne auch einmal von hinten in die Fersen, sodass man regelrecht von ihnen umrasiert und unfreiwillig in den Schnee befördert wird.

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Wir kommen gut voran, der Schotterweg ist geräumt und ermöglicht uns auch noch ohne Ski eine gute Geschwindigkeit, genau richtig, um sich einzugewöhnen. Irgendwann aber geht es dann endlich auf Ski weiter. Wir wollen einem Fahrweg folgen, der im Sommer zur großen DNT Hütte  Sofa Sæter führt. Jetzt im Winter ist er allerdings nicht geräumt und zudem recht steil, wir schnallen also unsere Ski vom Schlitten und unter unsere Skischuhe. Mit den brandneuen Steigfellen versehen ermöglichen die Ski uns auch bei tieferem Schnee hier auf dem Anstieg einen sicheren Halt. Wir müssen an Höhe gewinnen, ist doch der Plan, entlang eines Höhenzuges bis oberhalb der Staumauer des Rauddalsvatnet zu gelangen. Wir wollen morgen über den zugefrorenen See hin in Richtung der DNT Hütte Skridulaupbu laufen. Aber da wir nicht durch das Tal entlang des Framrusti Flusses bis hin zur Staumauer laufen und diese einfach so überwinden können, müssen wir über den Höhenzug, der die Mauer südlich einrahmt, laufen, um dann neben der Mauer über eine lange Holztreppe zum Ufer zu gelangen. Diese Treppe ist dabei für uns ungemein praktisch, sind doch ansonsten die Hänge hinab zum See ziemlich steil und mit dem sehr tiefen Schnee zwischen den Fjellbirken auch nahezu unüberwindlich. Von der Lawinengefahr mal ganz zu schweigen.

Rasch kommen wir voran und folgen einem schmalen Pfad, der immer am Hang entlang hin zur Staumauer führt. Allerdings liegt hier teilweise so viel vom Wind verpresster Schnee, dass es an einer Stelle für uns etwas zu steil und riskant wird. Mit vereinten Kräften müssen wir die Schlitten an der Hand geführt und ohne Ski über ungefähr 50 Meter ziehen. Wenn man hier unachtsam ist, kann man sich leicht einige hundert Meter weiter unten im Tal mit zerschmetterten Knochen wiederfinden.

Diese Stelle überwinden wir dank unseres Teamworks rasch und sicher, wir sind erleichtert. Bald darauf erreichen wir eine Anhöhe, von der aus wir den See und die Staumauer erblicken können. Der Wind frischt ob der exponierten Lage auf, wir ziehen uns während der Pause, die wir dort einlegen, warm an. Dann erkunden wir das weitere Vorgehen und suchen den Zustieg zur erwarteten Treppe. Diese ist schnell entdeckt, aber der Weg dorthin ist weitaus schwieriger als gedacht.

Mühelos kommt man bis auf ungefähr 20 Meter an die steile Holzkonstruktion heran, dazwischen liegt allerdings ein steiles Schneefeld, das zumindest mir beim ersten Anblick die Stirn runzeln und den kalten Schweiß ausbrechen lässt. Darüber müssen wir heute noch gelangen? Das wird aber eine ziemlich große Herausforderung werden. Wir besprechen uns und kommen zum Schluss, dass wir wohl oder übel all unser Gepäck schon jetzt das erste Mal komplett tragen müssen. Wir wollen versuchen, durch den tiefen Schnee weiter unten zur Treppe zu gelangen. Es gäbe zwar auch weiter oberhalb eine Möglichkeit, da aber würden mich keine zehn Pferde ohne Seil und Klettergurt her bekommen, da mache ich mir schon beim Anblick fast in die Hose.

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Wir versuchen es also und queren ohne Ski und mit unseren schweren Rucksäcken bepackt in das Schneefeld hinein. Mir wird mulmig, wenn ich nach links in den Abgrund weit unter mir blicke. Wow, das ist mal ein echtes Abenteuer hier. Zum Glück gehen Chris und Gitti vor, beide haben zusammen schon zahlreiche fordernde Hochtouren in den Alpen gemacht, sie wissen also, was sie tun und können auch die Risiken am Berg gut einschätzen und abwägen. Wir kämpfen uns voran, auf halber Strecke erwartet uns ein kleiner Baum, der uns ein wenig Halt gibt. Ich bin echt froh, dass die beiden Berggänger voran gehen, ich mit meiner Höhenangst und der mangelnden alpinen Erfahrung würde mir das sichere Vorangehen hier nicht zutrauen. Chris nimmt die Lage genau in Augenschein und wirkt zunehmend ratlos. Wir haben uns scheinbar in eine Sackgasse manövriert, denn hinter dem Baum fällt das Schneefeld noch steiler ab. Beim Gedanken daran dreht sich mir beinahe der Magen um. In der Planung hörte sich das alles ganz einfach an. Wir laufen dort bis zur Anhöhe und nehmen dann die Holztreppe. An deren Fuß befindet sich oberhalb der Wasserlinie eine Art Tunneleingang, in dem wir bequem biwakieren können, alles überhaupt kein Problem hieß es da, schließlich hat es Martin genau so schon einmal gemacht. Klang einleuchtend und richtig, die Realität vor Ort lässt mich aber gerade erschaudern, die Gegebenheiten haben sich anscheinend seit Martins letzter Tour hier zu unseren Ungunsten verändert.

Die Vorzeichen sind nicht gut

Wir ziehen uns laut fluchend wieder zurück auf die Anhöhe. Der Schnee reicht oftmals bis weit über die Hüfte, die Kraxelei durch den tiefen Schnee kostet insbesondere bei mir einiges an Kraft. Was für eine Scheiße gleich am ersten Tag der Tour.

So hatten wir uns alle das nicht vorgestellt. Besonders Martin ist ein wenig ratlos, er war ja schon hier, und da gelang der Übertritt auf die Treppe völlig problemlos. Heuer sind aber auch die Schneeverhältnisse völlig anders und wir haben so jetzt am späten Nachmittag des ersten Tages schon das erste größere Problem an der Backe. Wir müssen uns nun also einen anderen Plan ausdenken. Direkt den steilen Hang ohne die Treppe zu nehmen erscheint uns dabei als viel zu gefährlich. Wir haben Angst eine Lawine auszulösen. Uns bleibt also nur übrig, uns von etwas oberhalb aus gut gesichert und mit Eispickel in der Hand einzeln abzuseilen. Dazu noch das große Gepäck, sprich jeder müsste mindestens zwei Mal gehen.

Wir haben keine andere Wahl, ansonsten können wir gleich hier umdrehen und wieder nach Hause fahren. Die Anspannung steigt, die lockeren Sprüche von heute Mittag sind verschwunden. Also los, auch die Zeit sitzt uns mittlerweile etwas im Nacken, wenn wir es bis zum Sonnenuntergang bis zur Treppe bzw. zum Biwakplatz schaffen wollen, dann müssen wir langsam loslegen, auch wenn mir bei der Sache nicht wirklich wohl ist. Chris und Gitti bilden dabei die Vorhut, sie haben die meiste Erfahrung und suchen direkt nach einer Möglichkeit zur Sicherung. Vom Bau des Staudammes befindet sich zum Glück noch fest verankert eine Stahlöse in einem Felsen, der hier aus dem Schnee herausragt.

Chris steigt mit einem Eispickel in der Hand in den Hang ein und bahnt sich den Weg hinüber zur Treppe. Es geht ganz gut, lediglich die letzten drei bis vier Meter sind so steil, dass man sich dort mit dem Eispickel zusätzlich sichern muss. Ich will gar nicht daran denken, was mich gleich erwarten wird, da heißt es dann wirklich die Arschbacken zusammen zu kneifen. Zügig und schnell erreicht Chris die Treppe, ein Anfang ist gemacht. Er lädt die erste Fuhre Gepäck ab und wartet dort auf mich. Gleich bin ich dran, wohl oder übel muss ich da jetzt drüber. Es kostet mich einiges  an Überwindung, ich blende die Gefahr und das Kopfkino einfach aus, fokussiere mich auf die Aufgabe. Mit viel Mut und dem Eispickel in der Hand gelingt auch mir der Übertritt. Wir beschließen, dass Chris wieder zurück geht und nach und nach das Gepäck herüber bringt, er ist einfach viel sicherer als ich in diesem Gelände unterwegs. Gitti wird ihn dabei sichern, Martin ihm das Gepäck anreichen und ich dann in Empfang nehmen. Soweit der Plan und es funktioniert auch ganz gut.

Auch Martin soll dann zu mir auf die Treppe kommen. Zweimal zögert er und geht zurück, der wegrutschende Schnee unter seinen Füßen ist ihm nicht geheuer. Im dritten Anlauf nimmt er all seinen Mut zusammen und schafft es auch herüber. Nun übernehmen wir beide die Aufgabe, das Gepäck, welches sich mittlerweile auf der schmalen Treppe stapelt, hinunter zu unserem Lagerort für die Nacht zu bringen. Wie Sherpas steigen wir einige Male die gut einhundert Meter lange und viele Höhenmeter hohe Treppe ab und wieder auf. Zwischendurch müssen wir sie auch noch mit der Schneeschaufel von hüfthohem Schnee befreien, der uns den Weg versperrt. Was für eine Plackerei!

Wir sind langsam ziemlich kaputt und es fängt allmählich an zu dämmern. Nach und nach hat Chris alles herüber geschafft, jetzt müssen wir nur noch Gitti nachholen. Das gelingt auch ohne Probleme, obwohl die Trittspur mittlerweile kaum noch Halt bietet und ziemlich rutschig geworden ist. Als wir dann zu viert ein letztes Mal die Treppe hinab steigen, sind wir alle fertig. Diese Aktion hat mehr Kraft und Willen gekostet als gedacht. Wir wissen alle, dass da noch einige Aufgaben auf uns warten, aber dass der Einstieg so schwierig werden würde, damit haben wir überhaupt nicht gerechnet. Insgeheim hoffe ich, dass das heute kein schlechtes Vorzeichen ist, ich will ja nicht unken, irgendwie schwant mir, dass da noch einiges auf uns warten wird.

 

Wir richten uns an der Biwakstelle für die Nacht ein. Es ist eine Art Tunneleingang aus Beton direkt neben der Staumauer, etwa fünf Meter im Durchmesser, nach zehn Metern im Berg kommt dann eine dicke LKW Plane, die den weiteren Weg in den Berg versperrt. Vermutlich ist es ein Versorgungs- oder Zugangsschacht zu dem im Berg verborgenen Tunnelsystem, das zum Staudamm gehört. Für uns ist es hier ideal, es bietet einen sicheren Schutz vor den Elementen und einen grandiosen Ausblick auf den Stausee im Mondlicht. Aber dafür haben wir kaum noch Energie, wir wollen nur noch etwas essen und in die warmen Daunenschlafsäcke kriechen, wir müssen uns erholen und schlafen, morgen früh wartet allem Augenschein nach die nächste große Herausforderung auf uns, soweit haben wir das in der Dämmerung schon erahnen können. Aber darüber möchte ich jetzt besser nicht mehr nachdenken, was für ein erster Tag!

Von den Bergen Jotunheimens in die Nordmarka von Oslo, meine lange Wanderung klingt langsam aus

Tag 29 Samstag 25.08.12 Spiterstulen – Leirvassbu – Gravdalen

Um mich herum ist alles bereits in Aufbruchstimmung als ich aufstehe. Die eine Hälfte der Leute will hoch auf den Berg, die andere packt zusammen und verschwindet. Der Parkplatz an der Hütte füllt sich zusehends mit Tagesausflüglern. Eine bunte Polonaise geht hier heute hoch.

Echt krass, der Strom der Leute reißt nicht ab und es werden immer mehr. Ich frühstücke und gucke mir das Schauspiel an.

Dann geht es los über die Brücke hinein in Visdalen. Lässt sich gut gehen heute. Das Wetter passt auch.

Überhole ein paar andere Wanderer, dann habe ich das Tal für mich alleine.

Ich laufe über die Brücken die die Hellstuguåe kreuzen.

Der Weg ist gut zu gehen und ich erreiche den Abzweig nach Gjedebu gegen Mittag.

Kurz danach mache ich Pause, schaue gen Talausgang zur Kyrkja, den Berg würde ich gerne besteigen, soll nicht allzu schwer sein von Leirvassbu aus.

Es wird frischer und ich ziehe weiter. Leider sind die Berge und Gletscher hier fast alle in den Wolken.

Der Visbrean kommt in Sicht und ich stapfe den Weg hoch. Jetzt beginnt es zu regnen.

Regenhülle und Softshell sind schnell klar gemacht, weiter geht’s. Treffe einen Norweger, der oben auf einem der 2000er war. Bis zur Kyrkja, die sich leider in den Wolken versteckt, gehen wir gemeinsam und unterhalten uns. Ich mache ein paar Fotos und weg ist er.

Der Regen wird mehr, nicht so toll und der Weg um den Leirvatnet hin zur Hütte zieht sich etwas, das Wetter trägt sicher dazu bei. Gegen halb vier bin ich an der Hütte, total nass und etwas unmotiviert.

Eigentlich ist es noch zu früh am Tag um hier zu bleiben. Unzählige versiffte Stiefel und Klamotten türmen sich am Eingang. Sehr einladend. Leirvassbu ist eine private Hütte, ich finde das merkt man immer sofort. So richtig gemütlich ist es hier nicht. Ich beschließe mir in der Stube einen Kaffee zu holen und mir dann die weitere Vorgehensweise zu überlegen.

Ich checke die Karte, da ich nach Skogadalsbøen gehen möchte, könnte ich auch den Fahrweg laufen, der bis zum Stausee Gravdalsvatnet führt. Der normale Wanderweg führt eh parallel dazu. Da am See würde ich mir dann einen Zeltplatz suchen und falls ich total nass werde, wartet am nächsten Tag ja auf der Hütte ein Trockenraum. Alles klar, so wird es gemacht. Bevor ich hier bei horrenden Preisen auf der Hütte rumhänge, mache ich lieber das. Schade nur um die Kyrkja, da wäre ich echt gerne hoch gelaufen.

Um 16:30 Uhr stehe ich in Regenhose und Jacke vor der Hütte und starte auf in den Regen.

Mir ist der Regen total egal und ich komme gut über den Fahrweg voran. Macht sogar richtig Spaß, schade nur, dass die Aussichten fehlen. Viel befahren ist der Weg wohl auch nicht, zumindest in diesem Jahr wäre es eher schwierig.

Um 18:00 Uhr bin ich am See und an der Hütte, die dort wohl für die Arbeiter bestimmt ist. Ist leider zu, aber egal.

Ich folge der Fahrspur, der Wasser ist etwas abgelassen, ich kann quasi der Spur über einen kleinen Damm durch den See folgen, eine kleine Abkürzung zur Staumauer. Da der normale Wanderweg auf der anderen Seeseite herführt, muss ich da jetzt irgendwie rüber.

Die Mauer ist mit einem Überlauf versehen, aber da besteht wohl innerhalb der nächsten Minuten keine Gefahr, dass das Wasser darüber steigt. Also gehe ich hinter der Mauer die äußerst glitschigen Felsen hinab. Das macht keinen Spaß und ich muss mich wirklich konzentrieren um nicht unsanft auf dem Bart zu landen. Aber auch das ist schnell erledigt.

Nach ein paar hundert Metern findet sich auf einem Felsrücken hoch über dem Bachbett ein netter Zeltplatz. Die Aussicht ist super, Wasser in der Nähe und das Zelt passt auch hin. Sehr gut. Ist auch schon sieben Uhr, es wird langsam Zeit.

Das Lager steht schnell und es gibt Abendessen. Lauchsuppe, Real Turmat, Kakao. Dann lese ich noch und bin auch bald in den Daunen verschwunden. Trotz des Wetters ein netter Tag.

Tag 30 Sonntag 26.08.12 Gravdalen – Skogadalsbøen

Aufstehen, Frühstück und Packen wie immer. Um 10:00Uhr geht es in Regenhose auf in mein Lieblingstal, das wird sicher wieder feucht und schwitzig.

Die Wege sind ziemlich matschig und es geht etwas mühsam los.

Nach eineinhalb Stunden steh ich dann an der Brücke zum Abzweig nach Olavsbu und Skogadalsbøen.

Noch ist der Weg nicht von Sträuchern gesäumt, das ändert sich aber schnell. Willkommen zurück im Dschungel. Ist ja heute nicht so lang, also das schwül-warme Wetter einfach ignorieren.

Kurz darauf bin ich wieder an der Brücke über die Utla und gehe weiter zum Tagesziel.

Um ein Uhr bin ich schon da. Witzig mal so eine Hütte tagsüber zu sehen. Mitarbeiter und Wirt sitzen bei Kaffee und Zeitung in der Sonne vor der Hütte. Geselle mich dazu, werde sofort erkannt.

Wir quatschen so vor uns hin. Leider habe ich es nicht zur Party gestern geschafft, muss gut gewesen sein, so wird mir berichtet. Irgendwann müssen sie alle auch noch was erledigen und ich baue mein Zelt oberhalb der Hütte auf, gehe wieder oben an der Brücke Baden.

Den Nachmittag verbringe ich lesend in der Stube. Wie ausgestorben die riesige Hütte. Zum Abendessen gibt es dann Lauchsuppe, Fischeintopf und Sahnekuchen. Ganz vorzüglich. Typisch auch das Tischgespräch. Mit mir sitzen nur fünf Norweger am Tisch. Sie unterhalten sich, ich sage zunächst nichts. Kaum habe ich kurz auf Norwegisch nach dem Wasser gefragt, schwenken Sie komplett von Norwegisch auf Englisch um, damit ich auch teilhaben kann. Den Abend verbringen wir dann am Kamin in der Stube, sehr gemütlich.

Tag 31 Montag 27.08.12 Skogadalsbøen – Ingjerdbu – Vetti Gaard

Tja, was soll ich sagen. So muss das sein. Bei bestem Wetter krieche ich aus dem Zelt.

Die Nacht war ziemlich kalt, im Schatten ist Eis auf den Pfützen, der Boden teilweise mit Reif bedeckt. Heute soll es bis Ingjerdbu gehen, ich habe Zeit genug und bin eigentlich zu schnell mit der Tour, will nicht so früh wieder in Oslo sein. Von daher wäre eine weitere kurze Etappe mit Entspannung in der Sonne am Nachmittag schön.

Das Frühstück ist auch hier super. Camilla, die mit mir beim Frühstück sitzt, möchte auch bis Ingjerdbu oder Vetti Gard gehen, je nachdem wie sie es schafft. Aber sie möchte noch unterwegs den Friken erklimmen. Bei dem Wetter sicher toll, aber ich mit meinem Rucksack habe weniger Lust darauf. Falls sie nach Ingjerdbu läuft, habe ich noch genug Essen für uns beide, sage ich zu ihr. Ingjerdbu ist unbedient und sie nur auf Hüttenbesuche eingestellt.

Camilla läuft nach dem Frühstück los, ich muss noch mein Zeug einpacken. Los geht’s gegen viertel nach zehn. Das Wetter ist perfekt. Wiege noch kurz aus Spaß meinen Rucksack und überquere den Bach oberhalb der Hütte.

Im Schatten ist es jetzt richtig kalt. Die Hütte liegt schön in der Sonne hinter mir, der Blick auf das Tal ist auch richtig gut.

Schnell über die Uradøla Brücke und den Berg hoch.

Ein russisches Pärchen hat hier ohne Zelt im Freien übernachtet. Das Mädel sieht total fertig aus, da kann die Aussicht auf Hurrungane auch nicht trösten, denke ich mir insgeheim.

Weiter gehe ich und kann mich nicht satt sehen. Womit hab ich das verdient? Es ist so toll hier. Mache Pause mit zwei älteren Norwegerinnen, die ich auch von der Hütte heute Morgen kenne. Ich will gar nicht weiter bei dem Ausblick.

Höher werde ich heute nicht mehr laufen, ab jetzt geht es abwärts, runter nach Fleskedalen.

Ziemlich steil der Abstieg, hoch möchte ich hier nicht.

Nun wird es waldig. Bäume ohne Ende. Kurz vor Vettismokri geht es über einen Bach, der sich hier in den Fels gegraben hat.

Dann kommt auch schon bald die Alm in Sicht. Ferienhäuser tauchen auf, nur der Boden ist ziemlich matschig.

Ich laufe zur Ingjerdbu Hütte. Sehr nett das Teil. Schließe auf und sehe mich um.

Es ist kein Gas zu finden. Nicht in der Küche, nicht im Haus und auch nicht in den Nebengebäuden. Setze mich in die Sonne und trinke was. Überlege, was zu tun ist, ob ich auch ohne Gas zum Kochen hier bleiben mag. Es ist noch früh am Tag, die Sonne scheint, wieso laufe ich nicht einfach weiter und übernachte in Vetti Gard? Da soll es ja nett sein und vielleicht gibt’s da ja auch was Nettes zu essen. Okay, nicht lang weiter darüber nachdenken. Ich gehe weiter. Inzwischen ist noch ein Pärchen gekommen, berichte ihnen vom fehlenden Gas. Doof, meinen sie, wollten morgen früh eigentlich reichlich Pfannkuchen machen. Also weiter für mich, quer über die Alm hin zum Vettisfossen.

Unterwegs dorthin sehe ich die toten Bäume, von denen mir bereits erzählt wurde. Scheint am sauren Regen hier zu liegen, keine Ahnung ob die große Aluminiumhütte im Tal da die Finger mit im Spiel hat.

Vom Vettisfossen sieht man nur die ersten 20 Meter der insgesamt 278 Meter freien Falls. Ist wohl der höchste unregulierte Wasserfall im ganzen Land. Der Weg führt direkt an der Kante entlang, ich halte Abstand, ist mir zu riskant, runter fallen mag ich heute nicht mehr.

Ich passiere das alte Tor zur Alm und mache mich an den steilen Abstieg hinab nach Vetti Gard.

Es ist teilweise gut steil, es gibt ab und an Geländer und Seile zum festhalten.

Gegen fünf tauchen die ersten Häuser auf und bald schon bin ich da.

Ein Bier wäre jetzt genau richtig. Ab zum Haus. Gehe rein und frage nach.

Ein junger Pole begrüßt mich. Tja, was soll er sagen, Bier ist aus, vergessen zu bestellen und die Lieferung kommt immer nur ein Mal die Woche. Grummel, aber egal. Nehme dann halt ne Cola und Waffeln. „Wie viele Waffeln denn?“ fragt er mich. Ja, das was halt auf der Karte steht, würde ich mal sagen. „Aber wie viele?“ Ja woher soll ich das wissen, wie viele immer bei einer Portion dabei sind. Etwas merkwürdig. Irgendwann macht er mir einfach zwei Stück und wir beide sind zufrieden. Frage noch nach dem Abendessen, aber mit Käse überbackenes Hähnchen und Reis lassen bei mir nicht gerade die Geschmacksknospen explodieren.

Nachdem ich die Waffeln in der Sonne verzehrt habe, sage ich ihm, dass ich nur Zelten mag. Er ist kurz verwirrt, aber es scheint ihm auch egal zu sein. Gehe hoch über dem Haus auf dem einzig möglichen Fleck mein Zelt aufbauen. Laufe kurz los, um zum Vettisfossen zu laufen, überlege es mir aber anders, bin genug gelaufen heute. Zu Abend gibt es dann wie gehabt Real Turmat.

Abends gehe ich in die Stube. Nur Camilla und ein älteres Paar aus Bergen sitzen da. Das Essen war wohl in Ordnung aber nicht so das, was man für den Preis erwarten könnte. Selbst für die Norweger. Wir reden lange und erzählen von unseren Touren. Der Junge Pole verabschiedet sich kurz, er möchte kurz eine Runde Joggen gehen, nach Ardal und zurück. Zwanzig Kilometer oder so. Na denn, viel Spaß. Mit Camilla quatsche ich noch bis 24:00 Uhr und wir schauen uns noch fast alle Bilder, die ich unterwegs gemacht habe, an. Morgen früh wollen wir dann gemeinsam zum Vettisfossen gehen.

Tag 32 Dienstag 28.08.12 Vetti Gaard – Øvre Ardal – Oslo

Bin so gegen acht Uhr wach, es regnet. Esse etwas im Schlafsack und packe mein Zeug ein, gehe runter in die Stube und bezahle. Anschließend mache ich mich zusammen mit Camilla auf zum Vettisfossen. Sie möchte heute Nachmittag den Bus nach Oslo nehmen und ich will eigentlich nur bis zum Campingplatz weiter unten im Tal. Wir haben beide also reichlich Zeit.

Zwanzig Minuten später stehen wir am Wasserfall. Hätte ich mir ehrlicherweise spektakulärer vorgestellt. Ich möchte Fotos machen, aber na toll, der Akku ist alle. So gibt es leider keine Fotos von mir vom Vettisfossen. Schade, aber zurück laufen wollte ich nicht. Wir machen uns nach kurzem Aufenthalt wieder auf zurück.

Das Wetter ist nicht so der Bringer, so wirklich habe ich keinen Bock auf den Campingplatz in Hjelle bei Regen und Waschküche. Eigentlich wollte ich dort versuchen meine Sachen zu Waschen. Überlege mit Camilla nach Øvre Ardal zu laufen und gemeinsam den Bus zu nehmen. Wäre dann zwar heute erst spät in Oslo, aber vielleicht bekomme ich noch ein Bett im Anker Hostel. Alles klar, so wird es gemacht, Pläne sind ja dazu da geändert zu werden. Dann kann ich noch zwei oder drei Tage in die Nordmarka, auf Oslo und den ganzen Trubel habe ich irgendwie keinen Bock.

Wir laufen los über die bequeme Straße und unterhalten uns über Jotunheimen, Camilla kennt sich hier gut aus und kennt fast jeden Stein. Bei Avdalen machen wir kurz Pause. Ein toller Wasserfall und direkt oberhalb befindet sich eine Alm.

Weiter gehen wir bis zum Utladalen Naturhus. Das hat leider zu, aber wir finden her Unterschlupf da es plötzlichziemlich kräftig anfängt zu regnen und zu stürmen. Nach einer längeren Pause laufen wir weiter nach Hjelle.

Der Campingplatz sieht wenig einladend aus und ich bin doch froh heute noch nach Oslo zu kommen.Da wir entlang der Straße durch den Regen laufen zieht es sich ganz schön. Trampen ist aussichtslos. Nur zwei Busse kommen uns entgegen, aber das bringt uns ja auch nicht so viel. Aber kurz vor Tronteigen haben wir doch noch Glück. Einer der Busse ist zurückgekommen und nimmt uns kostenlos mit nach Ardal. Sauber! Wir gehen in ein Kaffee und wärmen uns auf. Ich rufe im Anker Hostel an und reserviere ein Bett. Bei Tee und Kaffee kommen wir wieder zu Kräften und sortieren unser Zeug.

Der Bus fährt erst um 16:40 Uhr, wir haben Zeit. Irgendwann holen wir uns noch Proviant für die Fahrt und laufen zur Skyss Station wo wir auf den Bus warten. Wir reden noch mit einem Paar aus Denver/Colorado die hier Pause von ihrem Road Trip machen. Der Bus kommt und es geht ab nach Oslo.

Der erste Teil der Strecke führt spektakulär den Berg hoch, Turtagrø und der Sognefjellsvegen lassen grüßen. Die Aluminiumhütte präsentiert sich in ihrer vollen Pracht. In Fagernes will ich noch kurz die Touristinfo besuchen, hat aber leider schon zu. Sehr Schade. Aber der Supermarkt hat noch auf, da gibt es wenigstens ein Wegbier. Der Rest der Fahrt gerät kurzweilig, bekomme Unterricht in Norwegisch. Furu, Bjørk, Eik, Gran. Die Bäume habe ich schnell drauf. Unsere Wege trennen sich in Sandvika. Gegen 22:00 Uhr bin ich dann in Oslo und laufe zum Hostel. Was eine Umstellung nach all der Zeit, habe das Gefühl, dass alle mich im Hostel wie einen Außerirdischen anstarren. Mir aber total egal, wenn die wüssten wo ich überall war…

Tag 33 Mittwoch 29.08.12 Oslo – Tømtehytta

Die Nacht war wie immer im Anker Hostel unruhig und kurz. Gehe in diesem komischen Laden nebenan frühstücken, der irgendwie zum Hostel gehört, morgens Frühstück macht und ab mittags dann ein Kebab Restaurant ist.

Oslo möchte ich heute ja wieder hinter mir lassen, also stehe ich pünktlich um zehn Uhr beim DNT auf der Matte. Kaufe mir eine Wanderkarte der Nordmarka und lasse mich kurz hinsichtlich der Hütten beraten. Heute soll es zur Tømtehytta und morgen nach Fjellvang gehen. Kaufe noch kurz ein, checke aus. Wider aller Vernunft reserviere ich für die Nacht von Freitag auf Samstag im Hostel ein Bett, ich lerne es einfach nicht. Mit der Bahn fahre ich dann raus bis nach Snippen und laufe los.

Sieht aus wie im Sauerland hier. Mal breit, mal schmal und mal über Fahrwege. Ich verlaufe mich kurz, es zieht sich ein wenig, ich schleppe noch Essen und Getränke in einer Plastiktüte mit mir herum.

Dann endlich komme ich zur Hütte. Kurz vorher geht es über glitschige Planken, auf denen ich mich fast hinlege.

Etwas peinlich, direkt vor den Hütten. Vor der kleineren Hütte sitzen vier Mädels bei Kaffee und Wein und halten ein Büromeeting ab, wie sie mir hinterher erzählen. Das Flipchart unterstreicht das etwas. Sieht wirklich sehr wichtig und ernst aus 😉

„Nice weather today – so we thought we could go to a cabin for socialising instead of sitting in the office!”

Die Letzten, die das bei uns auf der Arbeit vorgeschlagen haben, wurden gelinde gesagt für etwas verwirrt gehalten. Andere Länder halt.

Hänge mein Zelt zum Trocknen auf und schreibe Tagebuch, das habe ich die letzten Tage etwas schleifen lassen. Gegen Nachmittag kommen noch zwei Mütter mit ihren Babys an, der eine Vater kommt später mit dem Rad aus dem Büro nach. Scheinbar bekomme ich heute den Norwegischen Lifestyle mit dem Holzhammer verpasst. Der Abend klingt dann am Lagerfeuer bei Dosenbier aus. Auch schön.

Tag 34 Donnerstag 30.08.12 Tømtehytta – Fjellvang

Als ich aufstehe sind die Mütter samt Kinder schon fast weg, die Mädels in der anderen Hütte auch. Die müssen ja schließlich zur Arbeit. Später laufe ich nach Tømte, dorthin führt eine Straße.

Über Schotterstraßen und matschige Wege gelange ich nach Movatn. Fühle mich heimisch, könnte auch in Brilon oder Iserlohn hier sein. In Movatn widerstehe ich kurz der Versuchung, den Zug in die Stadt zu nehmen.

Wieder Fahrwege, schlammige Abschnitte, ziemlich warm.

Aber irgendwann höre ich Kindergeschrei. Stutze kurz bevor ich kapiere was los ist. In der Nachbarschaft der Fjellvang Hütte befindet sich ein Waldkindergarten.

Ich schließe die Hütte auf und mache es mir bequem. Es ist noch Gepäck mit einem Zettel da, scheinbar bekomme ich heute Abend noch Besuch.

Nach Nickerchen auf dem Sofa, Wäschewaschen, Kaffeetrinken, Lesen in der Sonne usw. gibt es dann Abendessen.

Gegen halb acht kommt noch ein Paar aus Israel, sie wohnen hier ein paar Tage und fahren tagsüber nach Oslo rein. Die Hütten in der Nordmarka sind für DNT Mitglieder unter 26 Jahren umsonst. Ihnen gehört das Gepäck.

Netter Bericht in der Fjell of Vidde – die Hütte kommt mir bekannt vor 😉

Wir unterhalten uns ein bisschen, sie sind den kompletten Jotunheimstien gegangen, aber nur mäßig begeistert, zu viel Wald. Gemütlich in der Stube klingt der Abend aus.

Tag 35 Freitag 31.08.12 Fjellvang – Oslo

Die Nacht war merkwürdig. Mitten in der Nacht höre ich draußen Stimmen, eine Zauntür scheppert. Die Stimmen kommen näher, entfernen sich. Dann geht die Haustür auf. Scheinbar kommen jetzt noch Gäste. Na gut, versuche das zu ignorieren, an Schlaf ist aber dennoch kaum zu denken. Liegt vielleicht auch am Vollmond, keine Ahnung. Morgens packe ich schnell mein Zeug und gegen neun bin ich unterwegs.

Es geht wieder durchs Sauerland zurück nach Snippen.

Dort dreht der NRK gerade, ich finde mich direkt in einem Filmset wieder. Etwas verwirrt warte ich am Bahnsteig auf den Zug.

Im Hostel kann ich leider nicht vor 15:00Uhr in mein Zimmer, schade, eine Dusche wäre schon nett. Egal, lasse mein Gepäck da und gehe zuerst zum DNT und bezahle die Übernachtungen der letzten zwei Tage. Anschließend schlendere ich durch die Stadt bevor ich am Mittag bei Pepe’s Pizza das Mittagsbuffet in Anspruch nehmen. Für umgerechnet 16€ All-You-Can-Eat. Ich schaue mir noch ein paar Flieger am Hafen an, am Wochenende ist große Oslo Air Show.

Im Hostel schicken sie mich zuerst in ein falsches Zimmer, fällt natürlich erst auf, nachdem ich das Bett bezogen habe und Duschen war. Also ziehe ich wiederum, zum Glück, das andere Zimmer sah aus wie man es nur einer Dokumentation über Messis kennt.

Ich laufe hoch nach Grünaløkka und genieße einfach die Atmosphäre. Es ist Freitagnachmittag, das Wetter ist gut und alle sitzen beim Feierabendbier vor den Restaurants und Kaffees. Beim Kaffee im Park kommt mir noch die Idee, nachzusehen, ob nicht heute noch zufällig ein Fußballspiel in Oslo stattfindet. Irgendwie bin ich auf Entzug. Und Bingo, in der Zeitung steht, das Vålerenga heute im Ullevaal Stadion gegen Sandnes spielt. Na dann, los geht’s. Schnell im Hostel etwas fußballfreundlicher angezogen und bald schon sitze ich in der Bahn zum Stadion. Immer den Schals und Trikots hinterher. Endlich wieder Fußball live im Stadion, mal sehen wie das hier so läuft.

Laufe am Bahnhof einfach den Leuten zum Stadion hinterher. Ziemlich familiär hier. Kein Stress und alle sind entspannt. Gehe zum Fanshop. Komisch hier, in Dortmund gibt es ausschließlich BVB Sachen zu kaufen und nichts anderes. Hier bekommt man Trikots aus aller Welt und Souvenirs von jedem erdenklichen englischen Premier League Club. Bei den Karten kann ich wählen, es gibt noch welche für alle Tribünen. Ich entscheide mich gegen den Familien- und für den Supportersblock.

Da es schon kurz vor sieben ist gehe ich direkt rein ins Stadion. Nett hier und auch im Stadion sehr entspannt. Schaue kurz bei der Getränkebude vorbei. Wie befürchtet gibt es nur Hot Dogs, Chips, Kaffee und Cola. Was ist mit der guten alten Stadionwurst und einem Bier? Ach ja, ich bin in Norwegen. Suche mir einen Platz und harre der Dinge die da kommen. Der Auswärtsblock besteht aus ungefähr fünfzig Personen. Wird wohl heute eher keine Ausschreitungen geben. Das Spiel beginnt und Vålerenga führt recht schnell mit 3:0.

Die paar Gästefans werden jetzt reichlich durch den Kakao gezogen und die Stimmung ist echt ziemlich gut. Macht echt Spaß. Zur Halbzeit sprechen mich meine Nachbarn an. Wer ich denn sei und was ich hier mache. Erkläre meine Situation und ernte Kopfschütteln. Wie bekloppt muss man sein, hier alleine zum Spiel zu kommen? Keine Ahnung, sage ich, Fußball ist doch immer nett, egal wo. Wir unterhalten uns über Fußball aber auch die Griechenland Frage kommt wieder zur Sprache.

Das es kein Bier im Stadion gibt ist für die Umstehenden nicht weiter schlimm, ich entdecke wie kleine Schnapsfläschchen Kreisen und auch beim Unterhalten entdecke ich die ein oder andere Fahne. Aha, also wird hier vorher tüchtig aufgeladen. Auch ein Weg. Wie heißt das noch gleich auf Norwegisch? Ach ja richtig, „Vorspiel“. Passt ja heute.

Das Spiel verflacht, Vålerenga schießt noch das 4:0. Man lädt mich ein ins Pub. Der Sieg will gefeiert werden und es scheint die vaterländische Pflicht meiner Nachbarn zu sein, den komischen Typen aus Deutschland einzuladen. Kurz überlege ich mitzukommen, aber so wie ich das kenne endet das bestimmt übel. Eigentlich ist das nicht wirklich das Problem, aber ich muss morgen wirklich früh raus. Also siegt die Vernunft. Ich bedanke mich herzlich für die Einladung, verweise auf die Umstände. Schade, hätte bestimmt Spaß gemacht. Wir sehen uns wenn ich wieder komme.

Nach dem Spiel nehme ich die Bahn zurück in die Stadt, laufe kurz zum Hostel und hole meine Kamera. Ich beschließe den Tag bei einem herrlichen Vollmond auf dem Dach der Oper. Ich werde leicht wehmütig, morgen geht es nach Hause. Was eine Tour, das wird mich noch lange beschäftigen.

Tag 36 Samstag 01.09.12 Oslo – Düsseldorf – Iserlohn

Was eine Nacht zum Abschluss. Dieses Hostel treibt mich echt in den Wahnsinn. Jedes Mal bisher habe ich hier schlecht geschlafen. Auch in dieser Nacht mache ich kaum ein Auge zu. Um 5:30 Uhr reicht es mir. Ich stehe leise auf und nach der kurzen Morgentoilette mache ich mich auf zum Bahnhof.

Der Mond ist immer noch gut zu sehen, ebenfalls die Reste der Nacht. Es ist kühl und irgendwie macht es Spaß so durch die schlafende Stadt zu laufen. Alles ist so ruhig und frei von Trubel. Am Bahnhof hole ich mir am Automat das Ticket für den Zug zum Flughafen. Um 7:21Uhr fährt dann der Zug gemütlich ab. Irgendwie schon komisch zu wissen, dass jetzt das Ende der so langen Reise gekommen ist. Irgendwie unwirklich, nicht zu greifen. Ich glaube, ich muss das erst mit etwas Abstand alles realisieren, momentan ist es so komisch, ich hab kein rechtes Gefühl dazu. Merkwürdig. Eigentlich will ich gar nicht, dass es aufhört.

Ich checke ein und bringe den Rucksack zum Sperrgepäck. Schnell durch die Sicherheitskontrolle und dann möchte ich noch kurz zum Tax Free Refund um mir ein bisschen Geld zurückzuholen. Der war im letzten Jahr noch innerhalb des Sicherheitsbereiches. War sie doch im letzten Jahr oder nicht? Ja, war sie, wie ich nach einem kurzen Gespräch mit einem Sicherheitsmann erfahre. Und nun? Ich muss wieder komplett raus in den Check-In Bereich, dort ist der Tax Free Refund seit diesem Jahr. Gut zu wissen. Grummelnd und etwas sauer mache ich mich also auf dorthin. Das heißt allerdings, dass ich dann ein zweites Mal durch die Sicherheitskontrolle muss. Ich ermahne mich zu Gelassenheit und bringe auch das alles ein zweites Mal hinter mich. Einatmen, Ausatmen und immer entspannt bleiben.

Am Flugsteig sehe ich beim Einladen in den Flieger meinen Rucksack, gut zu wissen, werde ich ihn wohl in Düsseldorf wieder sehen. Dann ab in den Flieger, schön einen Einzelplatz am Notausgang. Das Versöhnt mich dann doch. Im Flieger lese ich das erste Mal wieder seit Ewigkeiten eine deutsche Zeitung. Ein netter Artikel zu Oslo findet sich da, er trifft es ganz gut.

Ein Bier später landen wir dann auch schon gegen 11:30 Uhr in Düsseldorf. Das Gepäck lässt sich ordentlich Zeit. Einige Mitreisende sind schon ungehalten, ich bleibe ruhig, irgendwie scheine ich etwas gelassener geworden zu sein. Man muss es halt immer so nehmen wie es kommt, ändern kann man es meist sowieso nicht. Und warum dann aufregen, wenn man keinen Einfluss darauf hat?

Kurzes Nachwort

Danke an Ulrich, das er mich mitgenommen hat, es war einfach toll zusammen loszuziehen. Sehr gerne jederzeit wieder. Aber jetzt ist dann hoffentlich auch alles über die Tour geschrieben. Die Worte können allerdings einfach nicht das wiedergeben, wie es war, eine solche, für mich, unfassbar tolle Tour selbst zu erleben. Mit allen Hochs und Tiefs, den ganzen Eindrücken und Begegnungen. Ich bin froh es gemacht zu haben und jeder, der die Chance bekommt, sollte vielleicht auch einfach mal losziehen. Einfach der Bambule und Randale des Alltags für eine Zeit lang entfliehen und das machen, was einem richtig Spaß macht. Der Alltag holt einen sowieso wieder schnell genug ein.

Ich würde am liebsten direkt wieder los… es könnte so einfach sein…

Die Reise geht weiter durch das Heim der Riesen: Jotunheimen ruft!

Tag 21 Freitag 17.08.12 Luster – Turtagrø – Skogadalsbøen

Die Nacht war irgendwie ziemlich durchwachsen als ich mich gegen 8:00Uhr aus dem Zelt schäle. Laute LKWs, spielende Kinder und ein ziemlich unruhiger Schlaf waren nicht so der Bringer. Zum Frühstück gibt es einen großen Joghurt. Es gibt ja gleich noch was Leckeres vom Bäcker. Schnell alle Sachen wieder im Rucksack verstaut, der Bus wird nicht warten.

Gegen neun schlendere ich rüber zum Bäcker und hole mir eine Zimtschnecke. Was auch sonst.

Dann rüber zum Supermarkt. Ein halbes Kilo Walters Mandler Schokolade, Müsli und diverses Kleinzeug frischen meine Lebensmittelvorräte auf.

Der Bus ist pünktlich und ich werfe meinen Rucksack ins Gepäckabteil. Bin schon sehr gespannt, wie die Busfahrt wird, soll ja recht spektakulär sein.

Bis Fortun ist noch alles ziemlich normal, dann aber geht es über krasse Serpentinen steil den Berg hoch. Der Busfahrer muss echt Nerven aus Drahtseilen haben, nichts für Zartbesaitete. Aber es macht Spaß, wenn man nicht unbedingt darüber nachdenkt, wie steil es hier den Berg runter geht. Wir überholen tatsächlich einige Radfahrer und Radwanderer. Die haben sich was vorgenommen. Respekt und Anerkennung. Der Sognefellsvegen ist schon eine Herausforderung für solch eine Fortbewegung.

Nach rund einer Stunde spuckt mich der Bus in Turtagrø aus. Das Wetter ist eher, naja, nicht so gut. Nebelig, Nieselregen. Meine Stimmung ist etwas gedrückt. Ich hadere etwas, aber nach einem Toilettengang im Hotel mache ich mich dann doch auf. Es ist 11:00 Uhr und ich bin etwas demotiviert. Egal, ich hab es mir ja so ausgesucht.

Ich laufe kurz die Straße hoch und nehme dann den Treckerweg hinein ins Helgedalen. Es ist ziemlich nebelig, wirklich kalt ist es hier auch nicht. Nicht so mein Wetter.

Kurz kam ja auch der Gedanken auf, hoch zur Fannaråkhytta auf 2000m zu laufen, aber bei dem Wetter und meiner Motivation bleibt es bei einem kurzen Gedanken. Ich bin doch nicht vollkommen doof und tue mir das auch noch an. Auch wenn die Aussicht da oben an ein paar Tagen im Jahr überwältigend sein soll. Aber heute ist wohl eher einer von den 300 anderen Tagen. Gemütlich laufe ich den Fahrweg entlang, Kühe kreuzen meinen Weg, es ist echt bequem hier zu laufen.

Gegen zwölf bin ich dann am Talende, auch der Fahrweg findet hier ein Ende und es geht den Berg über einen normalen Wanderweg hoch. Mir kommen einige Wanderer entgegen, alleine in dieser einen Stunde schon mehr als in den Wochen zuvor zusammen. An der Ekrehytta mache ich Pause, hier gabelt sich der Weg dann auch, einmal hoch zum Fannaråken und einmal Richtung Skogadalsbøen.

Der Kaisarpasset soll es für heute für mich sein, das wird mir schon reichen. Im Nebel steige ich unmotiviert bis auf ungefähr 1400m auf.

Komischer Tag heute. Ich hadere etwas mit der Entscheidung durch Jotunheimen zu ziehen, keine Ahnung wieso. Oben am Kaisarpasset mache ich eine halbe Stunde Pause. Das hilft ein wenig gegen die miese Stimmung.

Nach der Pause im Nebel geht es steil hinab zum Gjertvatnet. Treffe drei Norweger die zum Angeln hier sind.

Weiter geht es dann in das Gjertvassdalen. Hier ist es etwas flacher und besser zu laufen. Ich passiere eine Hütte, aber die sieht irgendwie komisch, vielleicht aufgegeben aus. Später am Abend erfahre ich, dass sie im Winter 90m weit weggeflogen ist. Respektabel für so ne kleine Hütte das in einem Stück zu überstehen.

Den Gjertvassbreen bekomme ich leider auch nur im Nebel zu sehen, trotzdem nett anzuschauen. Ich laufe weiter das Tal hinab.

Auf halben Weg runter zur Ganzjahresbrücke unterhalte ich mich länger mit drei Norwegern, sie sprechen sogar etwas Deutsch mit leichtem Wiener Schmäh. Hört sich witzig an.

Um viertel vor fünf bin ich dann an der Brücke über die Utla. Ich trinke noch schnell etwas und mache mich dann an den Endspurt zur Hütte. Ich will dort zelten, soll ja ganz nett da sein.

Der Weg ist feucht und schwülwarm. Was soll das den jetzt?

Egal, nach einer weiteren halben Stunde bin ich da. Wirklich sehr hübsch hier. Vor der Hütte sitzen alle in der Sonne trinken Bier und haben Spaß. Fast wie in den Alpen hier. Ich bezahle fürs Zelten und hole mir eine Cola. Baue mein Zelt oberhalb der Hütte auf und gehe weiter oben am Bach Baden.

Die 30NOK für die Dusche spar ich mir mal besser. Aber der Trockenraum ist echt der Hammer. Die Abluft des Dieselaggregats entfacht einen wahren Sturm im Raum. Da wird echt Alles trocken. Sehr erfrischend ist es dann hier im Bach.

Anschließend gibt es Abendessen in der Sonne. Dann Abwasch und ein Nach-dem-Essen Getränk aus der mobilen Minibar beim Tagebuch schreiben. Laphroaig – gute Wahl.

Unten an der Hütte sind nun die Leute nach dem Abendessen heraus gekommen. Es wird Feuer gemacht und einige Sherpas, die sich hier um die Wege kümmern, kochen Chili Tee und Kaffee. Echt richtig nett und gemütlich hier. Unterhalte mich nett und es macht hier echt Spaß. Richtiger Urlaub.

Gegen zehn wir es frisch und ich gehe in die super gemütliche Stube. Setze mich zu den Leuten von heute Nachmittag. Wir unterhalten uns lange über alles Mögliche und natürlich Fußball. Das geht immer und überall auf der Welt. Irgendwann ist Sperrstunde und ich verkrümele mich ins Zelt. Die Stimmung ist wieder deutlich besser. Geht doch, man muss nur wollen.

Tag 22 Samstag 18.08.12 Skogadalsbøen – Olavsbu

Wache um halb sieben auf. Es regnet, na toll. Versuche den Regen wegzuschlafen und gucke um 9:00Uhr nach dem Rechten. Immer noch Regen. Na toll? Was machen? Zitat Tagebuch: „Irgendwie schei*e!“

Richtiger Regen, so was hatte ich schon lange nicht mehr. Ich beschließe, einfach loszuziehen, heute Abend penne ich einfach in Olavsbu, da kann ich alles trocknen. Ich verzichte auf das Frühstück, habe weder Lust etwas zu essen noch den Kocher für Kaffee oder Tee anzuwerfen. Ein Kvikk Lunsj muss fürs Erste reichen. Gehe zum Klo, hole mein Zeug aus dem Trockenraum. Da ich im Allgemeinen eh nie wirklich Bock auf Frühstück und Müsli im Speziellen habe, gebe ich das noch original verpackte Kilo Müsli auf der Hütte ab, wäre mir zu schade es wegzuwerfen. Sie bedanken sich und ich verspreche in ungefähr einer Woche wieder zu kommen. Am Wochenende soll es auf der Hütte dann auch eine Party mit Live Musik und Vorträgen von Sherpas geben. Hört sich gut an, ich werde das mal im Hinterkopf behalten.

Gegen 10:00 Uhr laufe ich dann los, mit Regenhose an. Das ist mir bisher genau ein Mal auf all den Touren vorher passiert. Eine völlig neue Erfahrung. Ein sehr schwitzige obendrauf. Ich laufe wieder durch den Wald zur Brücke über die Utla. Es ist soo warm und schwül! Unfassbar, komme mir vor wie im Regenwald. Was soll das jetzt? Ich bin echt genervt. Aber spezielle Situationen erfordern spezielle Lösungen.

Ab Hysebøen laufe ich einfach nur mit der Unterhose an weiter und lasse die Regenhose weg. Schon besser und sehr befreiend, hoffentlich sieht mich so keiner. Dann geht es ins Storeutledalen. Hier gibt es viel Buschwerk. Ohne Hose an werde ich aber total nass von den Büschen und Sträuchern. Ah, was ist denn heute los? Also wieder Regenhose. Es nervt! Zur Beruhigung ein weiteres Kvikk Lunsj. Bis zur Brücke und dem Abzweig nach Leirvassbu zieht es sich dann. Mache eine Pause und trinke was.

Irgendwie läuft es heute nicht so, der Flow ist mir abhanden gekommen. Und jetzt geht es schön den Berg hoch. Einige grundsätzliche Dinge bringen mich zum Nachdenken, aber die blöden Gedanken werden bei einer weiteren Pause im Nieselregen mit einer großen Portion Walters Mandler und Eistee bekämpft. Es hilft etwas, scheint mir jedenfalls so. Weiter geht es etwas (wohl eher gefühlt) steiler hoch ins Rauddalen. Heute heißt es über den Kampf ins Spiel zurückzufinden. Aussicht ausreichend, Nebel und Niesel sehr gut.

Ist man allerdings erst mal oben, wird es flacher und besser zu gehen, auf weitere Pausen habe ich bei dem Wetter keine Lust. Der Weg ist gut, nur muss man viele Bäche überqueren. Das aber ist ja nicht Neues. Ich laufe das Tal hoch, immer parallel zu den Seen, die hier wie an der Perlenschnur aufgereiht sind. Gegen 15:00 Uhr komme ich endlich zum Rauddalsvatnet. Hier könnte man auch gut Zelten.

Ein Ende ist absehbar. Ich passiere den Abzweig zur Strecke hinüber ins Skogadalen, Gott sei Dank bin ich da nicht her gegangen, der Pass ist völlig in den Wolken. Vom Ende des Sees aus sehe ich dann die Hütte. Kann ja dann nicht mehr so weit sein. Los Endspurt wider der nicht vorhandenen Wanderlust. Los, los, wenn man die Hütte sieht ist es doch fast geschafft. Pustekuchen, während ich weiter das Tal hoch laufe ist die Hütte nicht mehr zu sehen. Super Motivation.

Plötzlich taucht eine Gruppe Rentiere auf. Sie laufen über ein Schneefeld und sind weder scheu noch in Eile. Das ist dann also wieder so etwas wie eine Motivationshilfe. Ich mache meinen Frieden mit der Etappe und nehme das letzte Stück zur Hütte.

Über Blockwerk und fies glatte Steine komme ich der Hütte näher. Nur noch über die blöde Brücke und dann hoch zur Haupthütte. Es ist jetzt 16:30 Uhr. Gar nicht so schlecht die Zeit, für so einen komischen Tag.

Die Gebäude hier sind ganz schön groß. Ich trete ein und eine ältere Dame begrüßt mich. Ah ja, die Hyttevakt. Kleiner Plausch, Aufklärung wie es hier so zu laufen hat und dann werde ich in die obere Hütte verfrachtet. Kein Ding, die ist scheinbar brandneu und überaus komfortabel.

Ein norwegisches Paar ist schon da. Ich beziehe mein Quartier im Jungszimmer, hier gilt die Separation der Geschlechter. Die Separation der Altergruppen war ja auch bereits durch die älteren Damen erfolgt, wie ich bei einem kurzen Besuch später in der anderen Hütte feststelle. Unten Familien- und Seniorenhütte, oben die Partyhütte für das junge Volk wie mich.

Das Zelt wandert in den großen Trockenraum, der Ofen darin bollert dann auch schnell. Hole Wasser unten am Bach und wasche mich. Sehr gut. Erfrischt und Umgezogen gönne ich mir einen Kakao und entspanne in der Stube.

Es kommen noch zwei Norweger, Stephan mit seiner Freundin. Er entdeckt meinen BVB Aufnäher und fängt an über Dortmund und die „Gelbe Wand“ zu erzählen. Seine Freundin verdreht die Augen, sie kennt das scheinbar schon. Er ist großer Lillestrøm SK Fan und auch gerne unterwegs in Sachen Fußball, erzählt von Dortmund, Wattenscheid, Düsseldorf und kleineren Stadien in Deutschland. Das Lokal „Wenkers“ in Dortmund ist ihm noch in Erinnerung, ist aber auch ein komischer Name für ausländische Gäste, denke ich mir so insgeheim. Auch Claus Reitmaier, ältere Fußballanhänger werden sich erinnern, ist ihm ein Begriff: „He was forty-one when he played for Lillestrøm and was still the best goalkeeper in the league! He played like Gordon Banks, looked like Stallone and spoke English like Arnold! He was a true hero in Lillestrøm!”

Sehr gut, Fußball ist also doch wichtig. Nicht nur für mich. Der ewige Fjell-Small-Talk Woher? Wohin? Wie lange? ist ja auf die Dauer auch langweilig. Abends gibt es dann die bewährte Pizzafyll-Pasta-Kombination für mich. Hinterher waschen wir alle zusammen ab und unterhalten uns gemütlich den Abend lang, nicht nur über Fußball. Nix Partyhütte.

Tag 23 Sonntag 19.08.12 Olavsbu – Gjendebu

Das Wetter sieht nicht so schlecht aus heute morgen, selbst die Sonne lässt sich kurz blicken. Das lässt hoffen. Genehmige mir Griesbrei mit viel Honig und packe langsam meine Sachen. Stephan samt Freundin will auch nach Gjendebu laufen. Nach dem Abwasch und Aufräumen starten wir gemeinsam.

Aber unsere Tempi sind zu unterschiedlich, ich bin zu schnell für die Beiden, auch wenn ich es ruhig angehen lasse. Schnell lasse ich die Seen an der Hütte hinter mir. Heute ist alles gut. Die Etappe ist relativ leicht und kurz, das Wetter angenehm.

Ich wandere gemütlich durch das Rauddalen und passiere See für See.

Das Wetter wird immer besser, gut so. Gegen Mittag treffe ich erst zwei ältere Damen aus Norwegen, unterhalte mich nett. Eine Gruppe junger Deutscher läuft Wort- und Grußlos an mir vorbei, immer den Blick auf den Boden. Ist das jetzt exemplarisch für uns Deutsche gewesen oder waren die Jungs nur platt? Keine Ahnung, ich finde den kurzen Plausch eigentlich immer total nett.

Es wird etwas matschiger, aber nicht der Rede wert. Der Blick auf den Slettmarkbrean macht Laune.

Dann geht es um den See Grisletjønnen auf 1400m. Auch schön, kann man bestimmt gut Zelten hier. Ich gehe noch ein Stück weiter und mache mit Blick auf den Gjendevatnet und das Veslådalen bei bestem Wetter Pause.

Ich mache das Handy an, gestern war DFB Pokal, mal sehen ob ich hier das Ergebnis rein bekomme.

Es wird immer wärmer, der Abstieg gerät schweißtreibend. Überquere den Bach und folge ihm talwärts.

 

Beim Blick auf den Besseggen in der Sonne kommt mir die Geschichte von Peer Gynt in den Sinn, passt gut zu meinen Gedanken heute.

Der BVB hat gewonnen, irgendwann hatte das Handy wohl kurz Empfang. Sehr gut. Dann kann ich es auch gleich wieder ausmachen. Braucht man ja eh für sonst nichts hier.

Es geht immer weiter hinunter Richtung See, herrliches Wetter. Da könnte heute auch mal ein Bier in der Sonne für mich herausspringen. Ich erreiche die ersten Zäune und den Birkenwald, der auf dem Weg zur Hütte durchquert werden muss.

Dann nur noch die Ausläufer der Storåe überqueren, über die Brücke und ich bin um 15:00 Uhr an der Hütte. Kurzweilig war das heute.

Ich suche mir einen Zeltplatz auf der anderen Seite der Hütte zum Bootsanleger hin und checke ein.

Baue das Zelt auf und gehe Duschen. Super Dinger, so lange man möchte und nur 10NOK. Dann sitze ich vor der Hütte in der Sonne. Stephan kommt mit seiner Freundin Kristin an, wir unterhalten uns und die Atmosphäre ist fast wie im Biergarten, sehr entspannt.

Irgendwann gibt es dann in der Hütte Abendessen. Ich gehe zum Zelt, will da kochen. Es gibt Asia Nudeln, Real Turmat und Kakao.

Anschließend schreibe ich an der Hütte noch mein Tagebuch. Es wird aber schnell frisch und ich gehe in die Stube und sitze dann mit Kristin, Stephan und zwei Deutschen gemütlich beisammen. Weil es heute so schön war, hole ich mir auch ein Bier dazu. Die überaus nette Dänin, die an der Rezeption arbeitet, braucht mich gar nicht groß überreden, ihr Deutsch mit dänischem Akzent ist echt total bezaubernd, für mich der schönste Akzent den man haben kann 😉

Tag 24 Montag 20.08.12 Gjendebu – Memurubu – Gjendesheim

Zum Frühstück gibt es wieder Griesbrei mit viel Honig, das Essenspaket wartet ja hoffentlich schon in Gjendesheim, da kann ich ruhig mal reinhauen. Ich packe mein Zeug und bezahle in der Hütte für Bier und Übernachtung. Das Nesbø Buch bleibt auch hier, die nette Dänin freut sich darüber sehr, so viele Bücher auf Deutsch gibt es hier nicht.

Ich empfehle mich und treffe noch Stephan. Wir quatschen noch ein bisschen. So wirklich weiß ich noch nicht, was ich von dem Tag halten soll, geht es doch heute den Bukkelægret hoch, 400m Aufstieg vom See hoch mit einigen ziemlich steilen Abschnitten.

Die ersten 2km geht es gemütlich am Seeufer entlang. Ich lasse den Bootsanleger rechts liegen und laufe über den Schmalen Pfad weiter.

Der See liegt ruhig da und die Farbe schlägt mich in seinen Bann. Dann nimmt das Elend seinen Lauf.

Es geht bergan. Zuerst über Geröll und Schutt, dann aber schnell steil den Berg hoch.

Die Stöcke stören zeitweise, ich muss die Hände zum Klettern benutzen. Irgendwie uncool, so mit dem großen Rucksack hier hoch.

Bei Regen muss das ein kleines Himmelfahrtskommando sein. Einige Passagen sind mit Ketten versichert. Die Stöcke kommen an den Rucksack und ich wuchte mich da hoch.

Langsam aber stetig gewinne ich an Höhe. Ich mache öfters kurz Pause, an einigen Stellen mag ich gar nicht runter sehen oder nachdenken, ich mag meine Höhenangst in diesen Momenten nicht so sehr. Aber es geht, erstaunlicherweise sogar besser als gedacht. Serpentine um Serpentine wird niedergerungen, es dauert und dauert, ich arbeite mich hoch.

Gegen 12:45 Uhr hab ich es endlich geschafft. Ich mache drei Kreuze, aber so schlimm war das jetzt auch nicht, da geht noch was. Der Ausblick zurück dagegen entschädigt für die Anstrengung. Das hat sich gelohnt.

Mit einem Tagerucksack kommt hier wohl auch meine Oma hoch, grinse ich, ich stelle mich aber auch manchmal an. Weiter geht es über die Memurutunga.

Ein paar Wanderer kommen mir entgegen. Es geht auf und ab.

Ich erreiche den Abzweig hinunter zum Memurudalen, im Hintergrund ist der Memurubrean zu sehen. Leider ist es ziemlich bewölkt hier, etwas schade aber halt nicht zu ändern.

Kurz darauf mache ich an einem der kleineren Seen Pause. Walters Mandler und Instant Orangengetränk belohnen mich für den bisherigen Tag. Es wird frisch und nieselt, wird heute wohl nichts mit einem Nickerchen. Weiter dann zum Sjugurdtindtjønne hoch. Eine Gruppe älterer Damen kommt mir entgegen, es soll noch tüchtig auf und ab gehen. Richtig was los hier – was ist hier bloß bei Superwetter in den Sommerferien los?

Weiter dann, immer weiter. Die Aussichten sind wirklich toll. Irgendwann komme ich zum höchsten Punkt von heute, hoch über dem Memurudalen. Hier fällt die Wand steil, wirklich steil ab. Spektakulär.

Ich laufe am Grat entlang, auch wenn das nicht der eigentliche Weg ist, aber es ist einfach zu faszinierend hier entlang zu gehen.

Auch das Tagesziel kommt schon in Sicht. Krass, da muss ich jetzt her.

Auf- und Abstiege wechseln sich ab, man verliert trotzdem langsam an Höhe. Es geht ganz gut, dennoch ziemlich kraftraubend. Aber die Aussichten, die Aussichten, meine Güte, wer hat sich das bloß ausgedacht?

Der letzte Teil des Tages kommt dann. Es geht steil die schmale Zinne Sjugurdtind hinab. Unten sieht man gut wie die Muru in den See mündet, die Hütte liegt steil unterhalb. Das wird wohl ein Fest für die Knie.

Aber auch das ist schneller als gedacht erledigt, gegen 16:00 Uhr stehe ich vor der Hütte. Was ein riesen Klopper, nicht wirklich ansehnlich. An der Rezeption hole ich mir eine Cola und bezahle den Zeltplatz. Vor der Tür quatsche ich dann mit einer Gruppe vom österreichischen Alpenverein die auch von Gjendebu aus gelaufen sind. Sie warten auf ihr Gepäck per Boot. Dann möchte ich mal die Zeltwiese etwas unterhalb der Hütte inspizieren. Niemand da, der Zeltet. Ich sehe dann am Anleger eine Gruppe Leute.

Ich stutze kurz, kommt da heute noch ein Boot nach Gjendesheim? Jawohl, so ist es. Hm, die Hütte hier ist echt kein Bringer, teuer und sehr touristisch, der Zeltplatz irgendwie lieblos und das Wetter soll morgen auch schlecht werden, so war jedenfalls die Vorhersage in der Hütte. Muss ich mir bei schlechtem Wetter den Besseggen mit dem großen Rucksack antun? Nö, eigentlich nicht.

Also hole ich mir an der Rezeption meine Zeltgebühr wieder und nehme das Boot! Dusche und warme Hütte mit Abendessen, ich komme! Auf dem Boot wird es frisch und es nieselt. Treffe zwei Mädels aus Augsburg die den Besseggen heute zusammen mit ihrem Hund gegangen sind. Der Arme Hund ist echt arm dran, konnte ja nicht wissen worauf er sich da eingelassen hat. Völlig fertig liegt er unter der Bank, der arme Hund. Frauchen hat erbarmen und zieht ihm eine Jacke an. Wusste gar nicht das TNF jetzt auch eine Hundekollektion herausgebracht hat.

 

Nach kurzer Fahrt kommen wir dann in Gjendesheim an. Gehe rüber zur Rezeption, heute gönne ich mir das Abendessen samt Bett im Schlafsaal hier. Frage noch, ob sie für mich ein Lebensmittelpaket haben. Ach ja, richtig, sie können sich tatsächlich daran erinnern. Auf dem Weg zum Schlafsaal sammele ich im Skistall meinen Beutel ein. Das hat ja gut geklappt, vielen Dank Ulrich dafür!

Dann Duschen und Abendessen. Ich schlage mir den Bauch so richtig voll. Drei Gänge und sehr lecker. Mit meinem schwedischen Tischnachbarn rede ich dann hinterher noch über die Knutshø und andere Turen hier. Bei einem Bier und Schmökern in diesen tollen Büchern über Jotunheimen aus dem Glittertind Forlag, die hier überall auf den Hütten liegen, beschließe ich den Tag.

Tag 25 Dienstag 21.08.12 Gjendesheim – Russvatnet

Um halb acht habe ich genug vom Schlafsaal, schläft man günstig muss man doppelt so lange schlafen um sich zu erholen. Heute Abend wird auf jeden Fall gezeltet. Es soll eh nur bis zum Russvatnet gehen, quasi eine gemütliche Halbtagestour. Vorher aber Frühstück. Eier! Wurst! Käse! Fisch! Frisches Brot! Obst! Gemüse! Ich komme mir vor wie im Schlaraffenland, weiß gar nicht was ich zuerst essen soll! Und dann noch Matpakke und Äpfel für unterwegs! Esse so lange, bis sie mich fast aus dem Speisesaal werfen. Zeit spielt heute kein Rolle, noch einen Kaffee? Ja gerne. Komme erst gegen elf Uhr los. Was ein Luxus.

Schaue mir kurz den Kiosk unten am See und die Tafeln zum Besseggen an. Dann laufe ich hoch den Weg, zu Anfang in Richtung Besseggen. Das Wetter ist natürlich so gar nicht schlecht heute, warum gucke ich mir die Vorhersage überhaupt noch an? Langsam sollte ich ja schlauer werden.

Biege dann ab in Richtung Glitterheim. Es geht gemütlich den Berg hoch zum Bessvatnet.

Schnell über die Brücke und es ist schon Mittag.

Da ich ja jetzt immerhin schon eineinhalb Stunden unterwegs bin, mache ich Pause, genieße die Aussicht und die ersten Brote des Tages sind fällig. Und ein Apfel, selten war ein Apfel leckerer.

Fast eine ganze Stunde sitze ich faul rum. Was geht es mir gut. Nur der Wind frischt auf. Es geht weiter, ich laufe um die Bessheimrundhøe.

Die Berge Rondanes im Nord-Osten sind gut zu erkennen. Da war es letztes Jahr auch total schön, denke ich so.

Weiter geht es und schon erscheint der Russvatnet im Blickfeld.

Ich laufe hinab, ein paar Schafe kreuzen meinen Weg. Unten am See gibt es einen schönen Bade- und Zeltplatz, direkt am Abfluss des Sees in die Russa.

Überlege kurz, aber auf der anderen Seeseite sollten auch ein paar nette Stellen zu finden sein. Also geschwind über die Brücke und vorbei an den privaten Hütten.

Die sehen beim Blick durch die Fenster recht feudal aus, sind aber abgeschlossen. Kein Wunder, hierher gibt es auch einen Fahrweg. Weiter dann am Seeufer.

Kurz bevor der Weg nach Spitterstulen vom Ufer aus ansteigt, finde ich einen tollen Zeltplatz mit kleinem Kiesstrand. K(l)eine Spuren war für die Vormieter eher unwichtig, in der Asche der Feuerstelle gibt es reichlich unverbrannten Müll zu bestaunen. Ärgerlich. Einzelne Wandere laufen noch vorbei.

Dann gehe ich Baden, eiskalt aber in der Umgebung mit dem Wetter wird einem schnell wieder warm. Ich entsteige gerade unbeschürzt den Fluten, als natürlich wer auftaucht. War ja klar. Der Typ ist aber scheinbar Kummer gewohnt. Als wir uns unterhalten, erzählt er, dass er beruflich hier als Ranger unterwegs ist. Dachte die Jotunheim Kappe wäre von dieser norwegischen Sportartikelmarke. Netter Job auf alle Fälle, falls sie noch jemanden brauchen, kann er mich gerne anrufen. Dann geht er weiter, muss ja zum Feierabend wieder in Gjendesheim sein. Als nächstes ist das zweite Brot fällig.

Ich genieße die Sonne und hänge einfach ab, was ein Leben.

Gegen 19:00 Uhr gibt es dann Erbswurst mit Asia Nudeln für alle. Nachdem ich mich vom Glutamatschock erholt habe, erledige ich rasch noch den Abwasch bevor es leider anfängt etwas zu nieseln.

Tag 26 Mittwoch 22.08.12 Russvatnet – Glitterheim

Juhu, kein Regen, sehr gut. Schnell raus und ab ans Frühstück. Eine Scheibe Pumpernickel mit Schokocreme und Kakao, das Frühstück für Champions. Dann Packe ich mal wieder den ganzen Kladderadatsch ein, das könnte ich jetzt wohl auch ohne Probleme im Halbschlaf.

Stiefele los. Unterwegs möchte ich mich entscheiden, ob ich über den Vestre Hestlægerhøe oder den Tjørnholet gehen mag. Bis zur Brücke über die Tjønholåe habe ich dazu Zeit. Der Blick auf den Russvatnet ist echt cool und auf der anderen Seite des Baches entdecke ich eine Gruppe Rentiere.

Leider nimmt mir das Wetter die Entscheidung ab, werde wohl über den Vestre Hestlægerhøe gehen, laut Reiseführer ist der andere Weg im Regen und wohl nicht so toll. Sei’s drum.

Die Brücke kommt, sieht aus als hätte MacGyver seine Finger mit im Spiel gehabt. Ein wenig Tüddelband hier und fehlende Bohlen über Aluleitern da. Da hat der TÜV wohl ein Auge zugedrückt. Die Rentiere sind jetzt in der Nähe, machen keine Anstalten zu verschwinden.

Ich folge dem Weg, lasse den Abzweig hinter mir und versteige mich irgendwann. Hä, da war doch gerade noch der Weg, was soll das jetzt? Finde aber schnell wieder zurück, wäre ja noch schöner.

Der Abzweig nach Memurubu kommt auch bald, wieder sehr kurzweilig heute. Nur schade, dass man die Gletscher unter den Wolken nicht in voller Pracht genießen kann.

Weiter hoch zur Scharte, die den heutigen Höhepunkt darstellt. Unzählige von den Schneefeldern gespeiste Bäche fließen hier den Hang hinab. Praktisch zum Trinken.

Das letzte Stück geht über ein Schneefeld und schon bin ich oben auf 1685m. Aber jetzt passiert das Undenkbare. Es fängt an zu regnen und ich überlege kurz die Regenjacke anzuziehen. Nö, die Softschell muss reichen, gibt ja heute vermutlich einen Trockenraum. Nur der Rucksack wird mit der Regenhülle versehen.

Der Abstieg jetzt wird nicht so launig, ziemlich glitschig und auch tückisch auf dem glatten Geröll. Laut vor mich hin fluchend bin ich gegen halb zwei damit durch und laufe über die matschigen Wege hin zur Brücke über den Veo Fluss. Die Hütte ist schon eine ganze Weile zu sehen.

Um zwei bin ich an der Hütte. Entscheide mich zu Zelten mir aber die Verpflegung in der Hütte zu gönnen. Hab ja Urlaub. Bin so ziemlich alleine hier. Außerhalb der Ferien ist hier unter der Woche wenig los. Nur am Hang oberhalb der Hütte befindet sich eine Helsport Tunnelzeltausstellung. Eine Schulklasse ist auch noch hier, zeltet dort und ist heute im Nebel hoch auf den Glittertind.

Ich melde mich an und baue mein Zelt auf. Nach der Dusche wasche ich ein paar Sachen durch und hänge schnell den Trockenraum voll, bevor gleich die Schulklasse alles blockiert. Am Zelt noch schnell Tee gekocht und ab in die Stube.

Lese und stelle fest, es gibt ganz schön bekloppte Leute. Fünf Wochen auf Langtur mit großem Gepäck, die spinnen die Norweger 😉

Sehe mich dann draußen noch ein wenig um bevor es Abendessen gibt. Am Tisch sitze ich mit drei Deutschen, die wollten Klettern gehen und hatten schlechtes Wetter. Stattdessen sind sie jetzt ein paar Tage im Fjell unterwegs. Sie erzählen, das ihre Urlaubskasse um 400€ geschröpft wurde, 11km/h zu schnell mit dem Auto. Kostet zu Hause wahrscheinlich nur 20€. Herzlich willkommen in Norwegen.

Das Abendessen aber versöhnt uns alle. Es gibt frisch geräucherten und gekochten Lachs, Rentierzunge mit Rømme und Frühlingszwiebeln. Dann noch Rentiereintopf und Kuchen hinterher. Da fällt mir wirklich kein Grund ein, mir draußen im nassen Zelt ein Real Turmat reinzuhauen. Daumen hoch für das Essen in Glitterheim, kann ich nur empfehlen.

Beim Kaffee quatschen wir noch lange, wir sind alle an der Grenze zum Platzen, so lecker war es. Danach sitzen wir noch in der Stube beisammen, schauen uns die Schulklasse an. Die haben draußen selber gekocht, vorzugsweise Real Turmat auf dem Trangia. Jetzt werden die fehlenden Kalorien mit Chips und Cola aufgefüllt. Die Gitarre wird herumgereicht und es ist echt gemütlich. Gewöhnungsbedürftig für uns Nichtnorweger ist allerdings, das die Jungs, vielleicht sind sie so 15 oder 16, alle riesige Messer am Gürtel tragen. Könnte ich ja hier mal auf Klassenfahrt vorschlagen, kommt bestimmt gut an. Gute Nacht.

Tag 27 Donnerstag 23.08.12 Glitterheim – Spiterstulen

Es regnet richtig als ich aufwache. Egal, das Frühstück in der Hütte wartet. Vorher schaue ich kurz im Trockenraum nach, der ist kurz vorm Überlaufen, die Schüler haben ihn voll gestopft. Aber es scheint alles trocken zu sein.

Das Frühstück gerät überaus üppig. Sitze wieder mit den Deutschen zusammen, wir essen und essen und essen…bis uns das freundliche Küchenmädel rauskehrt. Das Frühstück hat sich gelohnt. Hoffentlich kann ich gleich noch laufen. Den Glittertind kann ich mir bei dem Wetter von der Backe putzen, das macht einfach keinen Sinn.

Als ich anfange mein Zeug zu packen, laufen schon zwei Gruppen an mir vorbei gen Spiterstulen. Läuft trotz des Wetter ganz gut, das Einpacken, nur das nasse Zelt bereitet mir ein wenig Kummer. Ich habe keinen Bock das Innenzelt auszuhängen. Das muss dann einfach heute nach dem Wiederaufbau trocknen, es wird keine andere Wahl haben. Das extra Kilo Feuchtigkeit, dass ich dadurch mitschleppe, ignoriere ich einfach geflissentlich.

Also los über die rutschigen Planken an der Hütte. Heute dann aber wirklich in der Regenjacke. Laufe gemächlich das Veodalen hoch.

Alles easy und entspannt. Schöne Aussichten auf den Styggehøbrean gibt es hier trotz des Regens. Das Talende ist rasch erreicht und es geht über Geröll hoch ins Veslglupen, einem engen Tal.

Das dumpfe Grollen von Steinschlag begleitet meinen Aufstieg hier. Beeindruckend. Ich laufe auf eine dreier Gruppe Deutscher auf. Habe ich denen jetzt wirklich auf dem kleinen Stück fast eine Stunde abgenommen? Kann doch gar nicht sein. Es sind zwei Männer und eine Frau. Auf halber Höhe treffe ich die Frau, wir quatschen kurz, die Männer warten weiter oben.

Ich laufe durch das enge und dunkle Tal entlang der Seen über Schneefelder und Geröll.

Am Ende sitzt dann die zweite Gruppe und macht Pause. Ein Stückchen weiter kommt doch dann tatsächlich die Sonne raus. Na dann, ich lasse mich nicht lange bitten und mache Pause. Sehr gut.

Aber die Freude ist nur von kurzer Dauer, der Regen kehrt zurück. Weiter also. Leider sind die Berge und Gletscher hier fast gänzlich in Wolken gehüllt, wirklich sehr schade, hier gibt es sonst sicher sehr viel mehr zu sehen.

Der Weg durch die Skautflye ist nicht sonderlich schwer, nur die Steine sind etwas rutschig. Die drei Deutschen haben mich in der Pause überholt, jetzt habe ich sie wieder eingeholt.

Quatsche beim Laufen mit der Frau, das macht das Wetter doch erträglich, wenn es auch nicht wirklich so richtig schlecht ist. Geht schon. Wir reden über die Gefahren, des Alleine-Unterwegs-Seins, sie berichtet von ihren Erfahrungen. Danach bin ich froh den PLB dabei zu haben, so was möchte ich nicht erleben.

Auch die andere Gruppe hole ich ein. Wie ich es immer so mache, spreche ich die ersten an. Die sind nicht wirklich gesprächig, immerhin erfahre ich, dass sie aus Australien kommen und zum ersten Mal in Norwegen und im Fjell unterwegs sind. Dann laufe ich auf ein weiteres Gruppenmitglied auf. Er wartet hier, eine Gruppe Rentiere ist ganz in der Nähe.

Da ich die nicht vertreiben möchte, wenn ich weiterlaufe, rede ich mit ihm ein wenig. Er ist vom DNT und Turleder. Die Gruppe besteht aus vier Australiern und er führt die Tour an. Sie haben sie von Down Under aus gebucht. Er lässt durchblicken, dass sie sich wohl etwas viel zugemutet haben, er schon einen Ruhetag mehr machen musste als geplant. Aber wer die Musik bestellt hat, muss sie auch bezahlen, da müssen sie jetzt durch, auch wenn sie für die Etappen sehr viel länger brauchen.

Den Galdhøpiggen morgen werde sie aber auf keinen Fall schaffen. Der Mann muss echt eine Engelsgeduld haben. Mit den vielen Mitwanderern und zahmen Rentieren hier kommt man sich schon fast vor wie im Wildpark Vosswinkel, Disneyland für Wanderer. Egal, es macht trotzdem Spaß. Durch die ganze Quatscherei und Trödelei bin ich erst um 15:00 Uhr am Skautkampen. Von hier sehe ich das erste Mal den höchsten Berg Norwegens. Sieht ja nett aus, aber muss ich da wirklich hoch? Wir werden sehen.

 

Ich biege ums Eck und sehe das Tagesziel, Spiterstulen. Ich möchte dort Zelten und morgen ziemlich früh, sofern das Wetter passt, hoch auf den Galdhøpiggen.

Der Abstieg runter zur Straße ist anstrengender als gedacht, es geht über ziemlich viel Geröll und ausgewaschen ist es auch. Es dauert noch fast eine Stunde bis ich die Straße entlang zur Hütte laufe.

Bezahle in der Hütte den Zeltplatz, hole mir eine Cola und baue mein Zelt auf der anderen Flussseite auf. Trocknet schnell in der Sonne. Sieht hier aus wie in einem Basislager. An den Zelten kann man die Herkunft der Leute erkennen. Das Wochenende steht vor der Tür, dementsprechend voll ist es hier. Das Wetter soll auch gut werden, das spricht für einen Aufstieg, aber was gebe ich schon auf den Wetterbericht.

Nach der Dusche gehe ich im Küchenhäuschen Abendessen machen. Das Kabuff ist voll von Schülern, gefühlte 100 Trangia Kocher schwängern die Luft mit Ruß, überall brutzeln Würstchen, mal mehr oder weniger schwarz, vor sich hin, es gibt Lompe med Pølse für alle. Diesen Snack aus Teigfladen mit Würstchen gibt es hier überall. Ich hab sie beim Camping, im Kiosk auf dem Galdhøpiggen oder auch im Stadion bei Vålerenga getroffen.

Ich begnüge mich mit Real Turmat. Zeitig gehe ich dann ins Bett. Ich muss komplett bescheuert sein, habe mir für morgen vorgenommen um sechs Uhr aufzustehen und hoch auf den Gipfel zu steigen. Ich habe echt einen an der Waffel. Nebenan sitzen sie gemütlich am Lagerfeuer vor dem Lavuu. Sie versuchen mich mit dem „Earth Song“ in den Schlaf zu singen. Nun ja, klappt eher mäßig…

Tag 28 Freitag 24.08.12 Galdhøpiggen

Es ist der 24. August, der Tag an dem die Bundesliga wieder beginnt. Dortmund spielt gegen Werder, ich könnte mich den ganzen Tag lang darauf freuen, später mit den Jungs und Mädels endlich wieder in den Tempel gehen, eine paar Pilsetten zischen und die schwarz-gelben Dortmunder Jungs zum Sieg brüllen. Aber nein, ich stehe lieber um sechs Uhr auf, um 1400hm auf diesen komischen Berg zu wandern, nur weil er da ist.

Was ist wohl bekloppter? Wahrscheinlich können die meisten Leute weder das eine noch das andere nachvollziehen. Sei’s drum, da bin ich wohl eine doppelt gespaltene Persönlichkeit.

Immerhin sieht das Wetter viel versprechend aus. Ich esse rasch eine Scheibe Brot mit Schokolade und werfe noch ein paar Riegel zum Tee in den Rucksack. Ich mache es also wirklich. Laufe los, die anderen hier schlafen noch den Schlaf der Gerechten, vielleicht bin ich ja nachher tatsächlich der Erste oben und habe die Aussicht exklusiv, na ja für ein paar Minuten vielleicht.

Es geht schnell hoch und ich komme rasch ins Schwitzen. Weg mit der Jacke. Schön Aussicht dann ins Visdalen. Dann über Schneefelder und Geröll hoch. Leider gibt es vom Aufstieg nicht wirklich viele Fotos, nur Nebel und Waschküche. Hoffentlich ändert sich das später. Auf 1900m unterhalb des Svellnosi Kamms mache ich Pause, immer noch Nebel. Schnee und Geröll wechselt sich ab. Plötzlich wird es neben mir steil, das Gelände fällt senkrecht ab zum Styggebrean. Na immerhin weiß ich jetzt, das der Gletscher wirklich da ist. Weiter hoch zum Keilhaus topp, endlich taucht der Gipfel auf.

Über Schneefelder geht es hoch. Die sind allesamt noch mit Eis überzogen, war wohl doch etwas frisch hier letzte Nacht. Macht es mir aber einfacher. Gegen elf bin ich dann tatsächlich oben. Verrückt, keiner da. Alles ist total still, beängstigend ruhig.

Die Scheiben der Hütte sind mit Eisblumen verziert. Aber langsam kommt die Sonne durch. Bin etwas kaputt. Trinke und esse etwas, rufe kurz zu Hause an, um von meinen Heldentaten zu erzählen. Lege mich 45 Minuten in die Sonne, dann erst kommen die nächsten Leute hoch. Es sind Esten und es gibt einen Gipfelschnaps für alle, ich kann mich nicht erwehren. Franzosen kommen als nächstes, wollten auch die Ersten sein, Pech gehabt, der dicke Deutsche war ne Stunde eher oben 😉 Da müsst ihr früher aufstehen.

Dann geht es Schlag auf Schlag, unglaublich wie viele kommen. Von der Juvasshytta laufen sie über den Gletscher. Eine Kohorte Eiskrieger bewegt sich über den Gletscher. So müssen sich die Burgherren im Mittelalter gefühlt haben, als sie die Angreifer schon von weitem aus haben heranstürmen sehen.

Ein Junger Kerl stürmt voran. Außer Atem rennt der arme Tropf direkt zur Hütte und schließt sie auf. Aha, ein Doofer muss also voran laufen um schon mal Kaffee aufzusetzen. Gehe dann mal kurz zur Hütte, ganz schön groß hier.

Der Typ erzählt, er bliebe das ganze Wochenende hier oben. Da bin ich doch etwas neidisch, bei dem Wetter sicher unschlagbar hier abends und morgens allein zu sein. Beim nächsten Mal. Ich will aber nicht lange stören, Kaffee und Hot Dogs müssen vorbereitet werden.

Ich sitze noch etwas in der Sonne, habe heute ja massig Zeit.

 

Vor mir sitzt ein Norweger, ziemlich drahtig. Hat nur einen sehr kleinen Rucksack und Trailrunningschuhe an. Zwei Stunden und zehn Minuten hat er hoch gebraucht, sagt er und zündet sich eine Kippe an.

Um viertel vor zwei mache ich mich wieder an den Abstieg. Ski wären jetzt cool.

Die Schneefelder fliegen nur so vorbei, es macht echt Laune und geht super schnell. Den Aufstieg zur Svellnose spare ich mir, laufe herum über das Gletscherfeld.

Über die Geröll- und Schneefelder geht es weiter abwärts. Total kurzweilig und ich werde beim Abstieg über die großen Schneefelder leicht euphorisch bis fast schon übermütig. Krass, was man ohne Nebel und Wolken für Aussichten hat. Bin froh es gemacht zu haben. Das letzte steile Stück überwinde ich auch noch.

Es kommen immer noch Leute hoch, immerhin ist es schon 15:00 Uhr. Aber mit Jeans und Adidas Samba ist man ja für so einen kleinen Ausflug sicherlich auch gut ausgerüstet. Spiterstulen kommt wieder in Sicht und um 16:00 Uhr sitze ich wieder an meinem Zelt. Zur Belohnung gibt’s ein Bier.

Die Dusche anschließend ist herrlich. Rumgammeln bis zum Abendessen. Beschließe gegen acht Uhr noch der Hütte einen Besuch abzustatten. Da kann ich dann im Warmen auf das Ergebnis warten. Wer das Buch „Der norwegische Gast“ von Anne Holt kennt, fühlt sich wie in der Filmkulisse zu diesem Buch. Schöner siebziger Jahre Chick gemischt mit einer Prise „Sauerlandstern“

Am Nebentisch veranstaltet eine Gruppe von Geschäftsfreunden aus Bergen ein Trinkgelage vom Allerfeinsten. Nicht pöbelnd und ausufernd, eher schick mit reichlich Wein und traditionellen Trinkliedern. Als dann noch alle aufgerufen werden, die morgen hoch zum Gladhøpiggen wollen und vorher ihren Gletscherführer treffen wollen um ihm Fragen stellen zu können, empfehle ich mich. Ist mir irgendwie unheimlich hier. Zu viele komische Leute in zu teuren Klamotten hier, nichts für mich heute.

Ach ja:

Ballspielverein Borussia aus Dortmund – SV Werder Bremen 2:1

1:0 Marco Reus (11., Rechtsschuss, Vorarbeit Blaszczykowski)

1:1 Theodor Gebre Selassie (75., Kopfball, Vorarbeit Arnautovic)

2:1 Mario Götze (81., Rechtsschuss, Vorarbeit Lewandowski)

Geht doch 😉

Weiter geht es – im zweiten Teil steht Breheimen auf dem Programm! 

Tag 14 Freitag 10.08.12 Sota Sæter – Slæom

Komisch. Gleich bin ich alleine unterwegs, denke ich beim Aufstehen. Merkwürdig. Ich packe mein Zeug zusammen und teile das Essen auf, nur noch halb so viel zu schleppen. Anschließend frühstücken und bezahlen wir. Aber nicht den Schlafsaal sondern das Doppelzimmer. Wir wollen diskutieren, aber man gibt uns zu verstehen, dass wir uns ja hätten beschweren können. Danke für nichts, wir haben ja nur drei Mal auf den Schlafsaal verwiesen. Aber davon wollen wir uns den Urlaub nicht vermiesen lassen.

Wir nehmen den Mautweg bis Mysubytta, das erspart mir den Fahrweg, den zu laufen macht selten Spaß. Gegen 11:00Uhr heißt es Abschied nehmen. Echt blöd, wir schon im letzten Jahr gehe ich nun alleine meinen Weg. Da hockt man so lange 24 Stunden am Tag aufeinander, hat zusammen eine tolle Zeit, unterhält sich gut und dann geht man alleine los. Irgendwie macht das keinen Spaß, aber ich hab es mir ja so ausgesucht. Das Ganze ist schwer zu beschreiben, aber Lust hab ich heute kaum. Wir machen es kurz, schießen noch ein paar Fotos und dann mache ich mich auf über die Brücke und auf in drei Wochen Abenteuer alleine. Nun denn.

Etwas missmutig trotte ich los Richtung Mysubyttdalen. Der Weg schlängelt sich durch Birkenwald. Es nieselt, mir ist zu warm, ich schwitze wie blöd und überhaupt. Was soll das eigentlich? Wieso tue ich mir den Mist an?

Ich bin genervt, zum Glück ist es heute eigentlich nur ein Katzensprung. Ich befreie mich grummelnd von meiner Schwitzejacke und sehe zwei schöne Wasserfälle, aber auch die vermögen es nicht meine Stimmung zu heben.

Das Gelände wird offener, die Birken verschwinden gänzlich und gegen 13:00Uhr erreiche ich den Mysubyttvatnet. Das Wetter bessert sich zusehends. Am Ende des Sees etwas oberhalb müssen die Hütten liegen. Ein kleiner Lichtblick. Am See entlang wird das Ufer etwas steiler und ich muss ein wenig aufpassen, keine große Sache, aber heute halt doof.

Dann erreiche ich die Hütte. Unterwegs habe ich noch zwei, drei Wanderer getroffen, ich bekomme die ersten Wasserstandsmeldungen zu den Wegverhältnissen in Breheimen. Ich schließe die große Hütte auf und werfe mein Zeug in eines der Zimmer, trinke etwas und mache eine kurze Pause. Ist noch früh am Tag und meine Stimmung ist immer noch bewölkt, würde ich mal so sagen.

Von Ulrich weiß ich, dass man das Tal hinter der Hütte bis zum Sygneskarsbreen Gletscher hinauf laufen kann. Wenn ich schon mal da bin und das Wetter einigermaßen passt, kann ich es ja auch probieren und mir den Gletscher aus der Nähe ansehen. Der Durst kommt beim trinken oder wie war das. Also los, bevor ich hier heute auf der Hütte noch einen depressiven Anfall bekomme.

Ich ziehe ohne Gepäck los. Erst geht es über den Bach hinterm Haus und dann kurz steil hoch. Ich kann auf der anderen Talseite sehen, was mich morgen erwartet. Juhu, steiles wegloses Gelände, ich kann meine Vorfreude kaum verbergen.

Ich laufe also das Tal hoch, vereinzelte Steinmarkierungen geben die Richtung vor, Blockwerk und Schneefelder sind zu bewältigen. Nach eineinhalb Stunden komme ich zum Blankebergtjønne. Eigentlich müsste ich nur noch um den See, aber es zieht sich zu und ich habe keine Lust mehr.

Also geordneter Rückzug, ich hab es wenigstens probiert. Es wird etwas dunkler im Tal durch die tiefe Wolkendecke. Irgendwie nehme ich die Stimmung als etwas bedrohlich war. Die Talseiten ragen steil auf und über die Schneefelder sieht man gut, wo einzelne Steinabgänge ihre Spuren im Schnee hinterlassen haben.

Wie dem auch sein, gegen 18:00 Uhr bin ich wieder an der Hütte und das Wetter ist sehr viel besser geworden. Sollte der Wetterbericht von yr.no der in Sota Sæter hing ausnahmsweise Recht behalten? Eine Woche stabiles gutes Wetter war angekündigt, aber nach allgemeinem Konsens liegt yr.no in diesem Jahr wohl immer ziemlich daneben mit seinen Prognosen. Egal, die Stimmung bekommt wieder leicht einen Schubser in Richtung „Gut“.

Nanu denke ich, doch noch wer gekommen, die Hütte ist offen. Drinnen ist ein Spanier so denke ich erkennen zu können. Wir quatschen kurz. Er stellt sich dann als ein Israeli vor, heißt David. Er möchte von Grotli aus bis runter nach Stavanger laufen, hat dafür vier Wochen Zeit und die Route vom DNT zusammengebastelt bekommen. Vorher aber war er schon vier Wochen in Spanien unterwegs. Respekt, coole Sache, noch einer, der so lange unterwegs ist.

Allerdings ist er nicht ganz so an die hiesigen Wetterverhältnisse angepasst. Er hatte nicht gedacht, dass hier überhaupt noch Schnee liegt und es so feucht ist. Er hat nicht mal wasserdichte Schuhe und zu allem Überfluss ist er dann gleich zu Anfang die wohl längste und schwerste Etappe hier in weitem Umkreis gelaufen. Von Skridulaupbu aus hier hin. Und Überraschung, er fragt noch, wo er eine Karte her bekommt, in Grotli waren sie aus und er ist nur mit der Planungskarte vom DNT losgezogen. Daumen hoch für so viel Optimismus.

Ich schleppe einen ganzen Stapel Karten samt Kompass, ein GPS mit Ersatzakkus und einen PLB mit mir herum. Naja, er hat gerade seinen Militärdienst in Israel hinter sich, vielleicht ist er da ja Härteres gewöhnt, aber ich halte diese Herangehensweise an Turen in Norwegen doch ein klitzekleines Bisschen fahrlässig. In Sota Sæter, sage ich zu ihm, auf die Frage wo er eine Karte her bekommt.

Inzwischen sind auch noch Ingrid und Einar, zwei Norweger gekommen. Sie ziehen nebst mitgebrachtem Hund in die andere Hütte. Dann koche ich Frokost Kaffee für alle, die Packung lag angebrochen in der Hütte herum.

Beim Kaffee kommen wir nett ins Gespräch und alsbald nimmt das Abendliche Hüttenprogramm gestalt an. Ich koche mir Nudeln mit Pizzafyll, gar nicht schlecht, probiere es das erste Mal, aber Mamas Bolognese ist es halt dann auch nicht. David kocht auch Nudeln. Er hat ein großes GLAS Nudelsoße dabei. Er ist Jude, wie er sagt und ernährt sich eigentlich Koscher. Das macht die Sache hier irgendwie auch nicht leichter. Ingrid und Einar kochen sich auch noch was, ich glaube es gab Chilli Con Carne oder so. Dann spülen wir ab und sitzen gemütlich beisammen.

Wir teilen Schokospezialitäten aus Norwegen und Deutschland, versuchen dann Davids Route zu optimieren, einige Teile sind uns bekannt und wir tun unser Bestes. David fängt dann auf ein Mal an, etwas hektisch zu werden. Füllt schnell die Bezahlvollmacht aus, wäscht sein Zeug ab.

Was denn nun los? Ach ja, der Groschen fällt langsam. Mit einem kleinen jüdischen Backround versehen kommt es mir in den Sinn: Es ist Freitagabend und morgen Sabbat

Alles klar, da müssen noch schnell ein paar Dinge geregelt werden bevor es zu spät ist. Aber auch das ist alsbald erledigt und wir sitzen noch etwas zusammen und quatschen gemütlich.

Tag 15 Samstag 11.08.12 Slæom – Sprongdalshytta

Der Tag der Tage, die Königsetappe, eine kleine Grenzverschiebung meiner Leistungsfähigkeit oder auch nur eine schwachsinnige Aktion. Ich hätte einfach zuhören und auf die Karte gucken sollen. Das weiß ich jetzt, aber noch nicht beim Aufstehen morgens um 8:00Uhr. Da war noch alles gut.

Nach dem Frühstück packe ich mein Zeug. Ingrid und Einar sind schon etwas spät dran für ihre lange Etappe, David hat Sabbat und will nur nach Sota Sæter. Gegen 10:20Uhr laufe ich endlich und nur mäßig motiviert los. Aber der Wetterbericht hat recht, blauer Himmel und brennende Sonne werden mich den ganzen Tag lang begleiten.

Ich stapfe schwer bepackt los. Hinter der Hütte geht es heute die westliche Talseite hoch Richtung Kupløyftet. Ich laufe quer zum Hang ein großes Felsband hoch und überquere den Bach, der das Wasser von den Seen oben zu Tal führt.

Dann nehme ich ein großes und relativ steiles Schneefeld. Langsam kommt mein Gemüt wieder zu Kräften, der Blick zurück ist überaus lohnend und ich weiß auch wieder warum ich hier bin. Der Tag beginnt ziemlich gut.

Als ich oben bin stockt mir fast der Atem. Ich muss mich kneifen, so krass sieht es hier oben aus. Nur Schneefelder rund um die Seen. Geil. Und der Kupbreen sieht auch toll aus in der Sonne. Ich mache mich daran den See über die großen Schneefelder zu umrunden.

Ich bekomme das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht, Ulrich hat nicht zu viel versprochen, das wird wohl eine Traumtur heute.

Als ich den See umrundet habe kommt auch schon der Kupvatnet samt Austdalsbreen in Sicht. Entschuldigt die Sprache, aber Alter, was geht denn hier ab? Was ne fette Aussicht! Der Hammer!

Darunter muss ich jetzt. Alles voller Schneefelder und die Seen scheinen auch noch von Eis bedeckt zu sein. Woho. Ich gönne mir bei dem Ausblick das erste Snickers des Tages und kann es echt kaum fassen. Was das Wetter angeht hab ich echt den Papst in der Tasche.

Dann mache ich mich daran einen Weg hinunter zu den Seen zu finden. Klappt eigentlich ganz gut, die Schneefelder erleichtern das Vorankommen erheblich.

Ich laufe über einen Felsen, glitschige schwarze Algen sollten mir eigentlich Warnung genug sein. Aber ich bin ja jetzt gut drauf und der mega coole Wanderer mitten in der Wildnis hier – sprich ich bin kurz unkonzentriert. Die Quittung erhalte ich stante pede in Form einer netten Knieprellung die das Knie beim Aufschlagen auf dem Fels an alle verfügbaren Rezeptoren weitergibt. Ich sehe kurz Sterne und nicht druckreife Flüche hallen durch das Tal. Verfluchter Mist, willkommen zurück auf dem Boden der Tatsachen.

Aber Rumheulen ist nicht. Wenn ich hier lange herumstehe und mich selbst bemitleide wird es nur schlimmer. Also Zähne zusammen und weiter geht’s. Über große Schneefelder laufe ich um den Kupvatnet, einen See der für die Stromerzeugung genutzt wird.

Man erkennt gut wie hoch der Wasserstand hier sein kann. Der See ist noch mit Eis bedeckt, aber der Ausblick auf den Sygneskarsbreen und den Rundeggi sind ohne Worte. Mit offenem Mund stehe ich auf dem großen Schneefeld und kann mein Glück kaum fassen. Ich hier – unfassbar.

Es geht weiter voran über das Schneefeld. Es wird steiler und ich möchte den Sattel zwischen Kupvatnet und Austdalsvatnet überqueren. Mich trifft fast der Schlag als ich oben bin und den Austdalsbreen erblicke. Unwirklich und wie im Traum. Ohne Worte. Blauer Himmel und es liegt alles wie gemalt vor mir. Ich weiß schlagartig wieder, warum ich mir den ganzen Mist antue. Genau dafür.

Ich stehe auf einem großen Schneefeld, die Aussichten ringsherum sind unbeschreiblich und der Gletscher zieht mich in seinen Bann. Was will ich mehr? Ich suche mir ein nettes Plätzchen, es ist ungefähr 14:00 Uhr, genau richtig für eine ausgedehnte Pause, soweit ist es ja nicht mehr. Ich haue mir eine ganze Packung Minisalamis rein und trinke ordentlich, die Sonne brennt ganz schön.

Und wie ich so vor mich hin pausiere, sehe ich, wie eine Herde Rentiere auf den Gletscher läuft. Kurz darauf traue ich meinen Augen kaum. Ein Typ erscheint am Rande des Gletschers und hantiert an einer Kiste herum. Wo kommt der denn jetzt her?

Ich beobachte weiter und entdecke dann lauter weitere Leute. Und wo um alles in der Welt kommen die jetzt her? Zu Fuß etwa? Ich kann keine Boote oder so erkennen, aber die werden ja nicht so doof sein wie ich und den ganzen See per pedes umrunden. Egal, sie ziehen scheinbar Steigeisen und Gurte an. Kurz darauf kommen auch auf der anderen Ufer bzw. Gletscherseite Leute in mein Sichtfeld.

Insgesamt drei Gruppen machen sich auf, den Gletscher zu überqueren. Das würde mir bei dem Wetter auch gefallen, aber mein Tag war bis hier hin ja auch nicht so schlecht. Das Tagesziel heißt Sprongdalshytta. Geschwind um den See gelaufen kurz über oder um den Sprangdalseggi und ich bin da. Keine große Sache soweit. Ulrich war das ja im letzten Jahr auch gelaufen.

Also los. Ich suche mir einen Weg etwas oberhalb der Wasserlinie. Ich weiß, es ist ein Gletschersee und wenn der Gletscher kalbt, kann es ordentliche Wellen geben. Das Warnschild spricht von 50 – 70 m das Ufer hoch.

Ich gehe das Risiko ein, es ist einfach zu verführerisch. So langsam wird mir auch das Ausmaß meiner Nachmittagsbeschäftigung klar. Der See ist ja doch etwas größer als ich gedacht habe.

Und es ist ziemlich warm, ich bin ununterbrochen am Trinken. Ich laufe und laufe. Schöne Blicke zurück.

Es ist 16:30 Uhr. Soll ich hier vielleicht schon zelten? Ach nee, ist ja nicht mehr weit und was soll ich hier in der Sonne liegen. Ich sehe ein Motorboot auf dem See. Insgeheim hoffe ich auf eine Mitfahrgelegenheit zur Staumauer. Unterhalb des Austadalsnosi merke ich, dass das hier wohl doch länger als gedacht werden wird. Es ist nun schon 17:30 Uhr und die Staumauer noch in weiter Ferne.

Verdammte Hacke, das wird unschön. Ich laufe Stunde um Stunde, Kilometer um Kilometer und trinke Liter um Liter. Kann es sich jetzt nicht mal langsam bewölken? Sonne ist ja schön, aber gleich so viel. Okay, dieser Tag wird wohl im Kopf entschieden und ich möchte jetzt unbedingt zur Sprongdalshytta. Die Staumauer sieht man jetzt gut, der See heißt jetzt hier Styggevatnet. Da werde ich echt noch gut zu tun haben, bevor ich an der Mauer bin.

Eine Reihe größerer Bäche muss überquert werden, ich laufe mittlerweile auf dem Zahnfleisch. Die Sonne und der lange Tag machen mir zusehends zu schaffen. Hat Ulrich nicht etwas von einem Damm durch den See zur Staumauer erzählt? Davon sehe ich leider nichts, vermutlich kann man den nur nutzen wenn der See zur Staumauerwartung abgelassen wird. Na toll.

Ich sehe den Bereich, wo die Styggevasshytta sein soll. Verdammt steil fällt dort das Ufer ab und ich muss da irgendwie hoch. Dann sehe ich die Hütte über mir. Von ihr aus führt ein markierter Weg zum Damm. Also hoch. Ich quäle mich den steilen Berg hoch, der See glitzert tief unter mir, jetzt bloß keinen Flaschen Schritt, sonst bekomme ich ein Eisbad und einen 20 Meter Freiflug.

Ich versuche mich zusammenzureißen und finde irgendwann die Markierung und, nun ja, den Weg. Aber der ist für die schon späte Stunde und meinen Zustand eher von der fortgeschrittenen Sorte. Meine Güte, muss das jetzt noch sein? Hoch über dem See, etwas oberhalb der steilen Kante, geht es erst durch Blockwerk und dann über äußerst glitschige Felsen und sehr sulzige Schneefelder Richtung Staumauer. Vereinzelt breche ich durch die Schneedecke. Ich funktioniere nur noch und habe auf Autopilot gestellt. Keine Ahnung wie viele ätzende Kilometer das heute bisher waren, aber der Weg um den See herum ist einfach Quälerei und auch der schöne Morgen ist schon mehr als verblasst. An welcher Stelle hab ich denn vergessen zuzuhören?

Irgendwann gegen 19:00 Uhr oder so bin ich dann endlich auf dem letzten Stück zur Staumauer. Dort angekommen bin ich völlig alle aber auch glücklich es geschafft zu haben. Ein Freudenschrei hallt in Richtung Sprongdalen. Ich lasse die Mauer Mauer sein. Ein letzter Blick zurück und ich laufe hinunter zum Parkplatz für die Aussichtstouristen, die wohl gerne hier hoch fahren um die Aussicht auf den See und den Gletscher zu genießen.

Mit Genuss ist es aber bei mir nicht weit her, nicht mehr heute. Irgendwie hab ich wohl die Karte nicht richtig interpretiert oder gelesen, jedenfalls bin ich der Meinung, dass der Weg über den Sprangdalseggi sehr viel länger und beschwerlicher ist als mit der Straße und einer Mitfahrgelegenheit etwas abzusteigen und dann die eine Stunde, die in der Karte eingezeichnet ist, den Weg von Viva aus zur Hütte hoch zulaufen.

Auf dem Parkplatz sind allerdings überhaupt keine Autos, nur ein Wohnmobil. Ich ahne schon, dass ich laufen muss. Ich esse zur Stärkung mein letztes Balisto für heute und schlendere rüber zum Wohnmobil. Eine Deutsche Familie sitzt beim Abendessen. Sie fahren heute definitiv nicht mehr runter und wollen hier übernachten. Sie bieten mir ein Bier an, ich bin kurz versucht es anzunehmen, aber wenn ich das mache, wird es mich wohl direkt aus den Latschen hauen. Also lehne ich freundlich ab, ich muss wirklich fertig sein.

Dann sehen ich zwei Autos das Tal hoch fahren. Hoffnung macht sich breit. Als sie oben sind, ist das eine Auto leider voll mit fünf Personen. Das andere Auto ist ein deutsches, nichts wie hin. Aber leider erklärt mir das Pärchen, dass sie keinen Platz haben. Toll. Also laufen. Es geht jetzt stark auf die 20:00 Uhr zu. Ich nehme also die Straße und laufe die Serpentinen runter.

Zwei Autos kommen mir noch entgegen, aber ich will jetzt nur noch voran kommen. Nach ein paar Serpentinen sehe ich einen Landcruiser die Straße runter kommen. Etwas angeranzt und mit Outdoor Aufklebern und dem ganzen Zeug verziert. Ich probiere mein Glück, bin kurz verwirrt, ist ein englischer Wagen, laufe zuerst auf die falsche Seite. Die Tür geht auf: „Howdie mate? How are you doing?“ Ich erkläre kurz meine Lage und schon kann ich meinen Rucksack in den Kofferraum werfen. Der ist voll gepackt mit Skiern und Ausrüstung. Schnell dann eingestiegen und los geht es. Andy ist von Icetroll Tours und war auf dem Gletscher zum Skifahren unterwegs. Nur so zum Spaß versteht sich. Er war es auch, der mit dem Boot auf dem See war. Eine seiner Gruppen übernachtet heute auf dem Rundeggi. Ein wenig Neid kommt auf. Er fragt mich, wo ich her komme. Die Antwort: „Oh man, that’s only awful walking around the lake, I did it once with a customer and was just carrying a daypack but it was no fun at all!“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Kurz berichtet er noch, dass im Winter die große Sprongdalshytta einen kleinen Unfall hatte. Ach ja, das hatte ich doch irgendwo schon gehört. Der Wind hat die 20t Hütte einfach angehoben und um 90° gedreht wieder abgesetzt. Die daumendicken Stahlseile zur Verankerung wurden einfach aus dem Fels gerissen.

DNT Website: Sprogndalshytta er stengt for sesongen !!! Sprongdalshytta er stengt med bakgrunn i at orkanen Dagmar i vinter snudde hytta ca 90 grader og flytta den 10 meter fra opprinnelig fundament. Byggearbeider starter mandag 3. september, og vi ønsker velkommen til ny hytte sommeren 2013.

Mittlerweile ist sie aber wohl wieder repariert: http://www.gd.no/nyheter/article6252195.ece

In Viva schmeißt er mich raus und ich verabschiede mich. Danke fürs Mitnehmen Andy. Nun denn, ein letztes Mal für heute den Rucksack geschultert und los geht’s. Die eine Stunde schaffe ich auch noch. Ich denke, die Hütte liegt nicht so sehr hoch und ich muss nur über einen kleinen Bergrücken und bin da. Ich sollte dringend mal zum Kurs „Kartenlesen für Anfänger“ gehen.

Ich schraube mich den Berg hoch Richtung Sprongdalsreset. Im Schneckentempo. Wo ist bloß die verdammte Hütte, die muss doch bald zu sehen sein. Höher und höher geht es. Es dämmert langsam und auf eine Ankunft in der Dunkelheit mir Stirnlampe auf dem Kopf habe ich echt keinen Bock. Jetzt wird es zu einer Geduldsprobe, der Wille siegt über den Körper, aber zwischendurch bin ich kurz davor, mich das erste Mal in meinem Leben vor Anstrengung zu übergeben. Schmerz musst du genießen, habe ich mal beim Sport gesagt bekommen. Die Worte von Udo Bölts zu Jan Ulrich bei der Tour de France 1997 kommen mir in den Sinn: „Quäl dich, du Sau!“

Also quäle ich mich. Morgen mache ich auf jeden Fall einen Ruhetag, keine Widerrede. Wenn ich an der Hütte ankomme, gibt es auf jeden Fall zuerst ne Dose Ananasscheiben mit viel Zuckerwasser und ganz viel Solbærtoddy. Einfach alles mit ganz vielem Zucker. Die Fantasie fängt jetzt an komische Stilblüten zu treiben, aber ich laufe weiter wie ein Roboter, allerdings wie einer auf Reserve. Dann sehe ich die Hütten hoch oben vor mir, wie eine Fatamorgana in der Wüste. Ich gelange zu einem Betonwehr, das hier das Bachwasser für die Stromgewinnung abfängt.

Ein letzter kurzer steiler Anstieg und ich sitze endlich um 21:45Uhr fix und alle vor der kleineren Hütte. Die andere sieht in der Tat etwas komisch aus. Sie liegt etwas schräg, hat quasi Schlagseite und der Giebel zeigt nicht mehr hinunter zum Tal sondern um 90° gedreht zu mir herüber.

Ich schließe die Hütte auf. Im Vorraum hat jemand wohl die Lebensmittel aus der großen Hütte geholt und hier aufgestapelt. Ich schnappe mir eine Dose Ananas, das Ablaufdatum „Best Before 2002“ lasse ich mal außen vor, das ist mir völlig egal. Ich sitze auf der Türschwelle, haue mir die Dose rein. Bin total groggy, aber auch stolz es geschafft zu haben. Der Ausblick entschädigt dafür und die Lebensgeister kehren langsam zurück. Was ein Tag.

Schnell ist der Ofen an und ich mache mir etwas zu Essen. Allerdings nur Kleinigkeiten, zu mehr bin ich nicht mehr im Stande. Gegen 23:00 Uhr falle ich in einen traumlosen und fast komatösen Schlaf. Morgen mache ich hier einen Ruhetag, ganz sicher, komme was wolle.

Tag 16 Sonntag 12.08.12 Sprongdalshytta – Arentzbu

Ich wache gegen 8:30 Uhr total groggy auf. Draußen scheint die Sonne, es ist keine Wolke am Himmel, Kaiserwetter ist angesagt. Wuchte mich aus dem Bett. Trotz des gestrigen Tages, habe ich ein leichtes Grinsen im Gesicht, hab ich es trotz allem geschafft. Wieder um eine Erfahrung reicher. Wenn man denkt, man ist am Ende, geht immer noch sehr viel mehr. Jedenfalls bei mir, ich scheine in dieser Hinsicht ziemlich robust zu sein. Aber jeden Tag brauche ich das nicht, es ist aber beruhigend das zu wissen.

Eigentlich wollte ich ja einen Pausentag machen, aber irgendwie juckt es mich schon heute bei dem Wetter loszuziehen. Und so weh tut es heute auch gar nicht, erstaunlich. Ich überlege hin und her. Engel Links, Teufel rechts. Soll ich’s wirklich machen oder lass ich’s lieber sein? Nimm dir die Frau…äh ich schweife vom Thema ab, so schlecht kann es mir heute also gar nicht gehen, wenn ich schon wieder Lieder vor mich hin singen kann.

Alea iacta est. Ich mache es. Es sind ja nur 6h laut Karte, gestern hat es doppelt so lange gedauert. Auch ist kein großer Verschleiß von gestern zu spüren, es ist alles in Ordnung bei mir. Den Pausentag gönne ich mir dann in Arenztbu. Ich muss verrückt sein. Nun denn. Die Klamotten und Schuhe kommen zum Aufwärmen in die Sonne.

Dann Frühstück und Packen. Soll ich wirklich? Mache noch einige Fotos, das Wetter ist echt perfekt, nur schwitzen werde ich wohl wie sau, die Höhenlinien auf der Karte lassen es schon sehr gut erahnen, es geht am Anfang direkt mal 250 Meter steil den Berg hoch. Heute hab ich mir die Karte mal besser angesehen. Aus Erfahrung lernt man ja manchmal, ob man dabei klüger wird, ich bezweifele es.

Also los. Die Hütte ist aufgeräumt und wird wieder verschlossen. Dann laufe ich ein kurzes Stück den Bach bzw. den kleinen See entlang bis zum Abzweig nach Sota Sæter und Arentzbu.

Kurz den Bach überquert und los den Berg hoch. Ganz schön steil, denke ich noch als ich mich bereits total verschwitz daran mache, mich den Hang hochzuschrauben. Es gibt wieder reichlich Schneefelder zu erklimmen. Die Karte hat nicht zu viel versprochen. Es ist steil. Und es ist warm. Sobald man aus dem Schatten des Berges tritt, wird es richtig warm.

Aber ich beschwere mich besser nicht über das Wetter. Immer wieder hat man schöne Aussichten zurück zu den Hütten und auch rüber zum Jostedalsbreen. Echt super. Aber krass wie groß hier noch die Schneefelder sind.

Unfassbar, die Sonne brennt und ich laufe über riesige Schneefelder. Ich möchte allerdings nicht verhehlen, dass die Schneefelder das Vorankommen doch auch erheblich beschleunigen. Es ist oft richtig bequem über sie aufzusteigen, besser als über Blockwerk, Geröll und all diesen komischen Mist. Die Höhenmeter indes bleiben immer eine Qual für mich.

Nun erreiche ich einige kleinere Seen. Auch hier ist noch sehr viel Schnee. Dann komme ich zu dem größeren See auf 1467 m. Diesen noch umrunden und ich sollte fürs Erste die höchste Stelle erreicht haben. Nicht schlecht, aber das Wetter macht mir schon ordentlich zu schaffen. Es gibt kein Entrinnen vor der Sonne.

Dann gibt es eine Passage über viel Geröll, dem Gluggevardholet. Ich laufe dort so vor mir hin bis ich plötzlich den Blick auf das vor mir liegende Tal und die Seen habe.

Ich muss kurz tief durchatmen und mich kneifen. Guck dir das an. Wo ist der See? Das gibt es doch gar nicht. Der ist noch total bedeckt mit Schnee und Eis. Das ganze Tal besteht nur aus Schneefeldern. Wo bin ich denn hier gelandet? Ohne Worte und sehr beeindruckend. Verrückt.

Der Gluggevardvatnet ist nur zu erahnen. Es ist Mitte August und ich muss da jetzt durch das ganze schneebedeckte Tal hindurch. Na dann. Was ein Tag und was eine Tur. Zuerst noch ein wenig Fels bevor es dann über die Schneefelder geht.

An den Rändern muss man aufpassen, ein ums andere mal versinke ich oft bis zum Oberschenkel in der dünnen Eisdecke am Rand. Aber es ist mir einfach egal. Es macht einfach total viel Spaß, auch wenn mich die Sonne so langsam grillt. Schneefelder und Felspassagen wechseln sich ab als ich den See umrunde.

Der Blick zurück ist ebenso nicht von schlechten Eltern. Auf der Karte sind zwei weitere kleine Seen eingezeichnet, hier im Tal sind sie allenfalls zu erahnen. Ungläubig laufe ich weiter über die Schneefelder. So langsam merke ich die Auswirkungen der Sonne doch sehr. Es ist bald 14:00 Uhr und eine Pause samt kühlem Schatten wäre nicht schlecht.

Im Schatten eines großen Felsens mache ich schließlich dann Pause. Für heute ist Schokolade als Mittagssnack eingeplant. Ich ziehe sie aus dem Deckelfach meines Rucksacks und stelle fest, dass die Schokolade den Aggregatzustand geändert hat. Sie ist flüssig geworden. Also ab in den Schnee zum Kühlen. Ich mache ein Nickerchen und esse dann die ganze Tafel Ritter Sport. Ich komme wieder zu Kräften und es geht weiter. Wieder Schneefelder.

Dann kommt irgendwann der Abstieg hinunter zum Greindalen. Am Horizont sehe ich die gezackten Gipfel des Hurrungane Massivs. Nett anzusehen. Da bin ich dann also in zwei Wochen.

Nun wird es wieder felsiger. Ich nutze jeden Bach zum Trinken. Der Abstieg ist ganz okay, nur mein Knie macht sich wieder bemerkbar.

Kurze Zeit später stehe ich an der Greindøla. Hier mündet der große Bach in den See. Einige schöne Zeltplätze gibt es hier. Ich zucke kurz, entscheide aber dann doch weiter zu gehen.

Allerdings muss ich dann den Bach, der sich hier ganz schön breit macht, überqueren. Auf Furten habe ich keine Lust, also suche ich mir einen hübschen Weg von Stein zu Stein. Man bekommt so langsam Routine in so etwas. Irgendwann bin ich drüben. Es ist jetzt bald 16:00Uhr und es liegt noch einiges vor mir. Also weiter immer um die Seen herum und dem Fluss folgen. Keine Ahnung wie oft ich hier im Schatten großer Felsen Pause mache und etwas trinke, auf jeden Fall oft, sehr oft.

Es zieht sich etwas, die Sonne heute habe ich komplett unterschätzt, das Tempo leidet zusehends unter dem herrlichen Wetter. Irgendwie verwirrend. Ein Schneefeld muss überquert werden, dann gelange ich zum Greindalsvatnet.

Von hier aus rauschen die Wassermassen hinab zum fremsta Rausdalsvatnet. Der Weg ist hier etwas matschig, ich versenke meinen Schuh in einem Schlammloch. Der Tag wird jetzt aber doch etwas lang. Habe ich aus gestern etwa nicht gelernt? Dann kommt das weite Rausdalen.

Bis zur Hütte kann es jetzt nicht mehr weit sein. Innerlich fluche ich ganz schön, die blöde Hütte kommt und kommt einfach nicht in Sicht. Endlich gelange ich zur Brücke mit dem Abzweig nach Nørdstedalseter. Die Wassermassen rauschen hier unter der Brücke sehr beeindruckend her.

Nicht schlecht. Nun sehe ich auch die Hütte. Na endlich, wird ja auch langsam Zeit. Wieder so ein langer Tag. An der Hütte schließe ich zuerst die ältere Hütte auf, habe wieder alles für mich allein. Die Lebensmittel sind aber in der neueren Hütte.

Die gefällt mir auch sehr viel besser, also beziehe ich dort Quartier, esse Ananas und mache dann Feuer. Wasche mich und mache dann Abendessen. Es gibt Pasta mit Pizzafyll. Eine riesige Portion fällt mir zum Opfer, aber nach dem dürftigen Mahl gestern Abend war das auch dringend nötig. Morgens und während des Tages bekomme ich meist eh nicht so viel herunter. Papp satt lehne ich mich zurück und lasse den Tag Paroli laufen, wie Horst Rubesch sagen würde.

Gegen 22:00 Uhr bekomme ich dann doch noch Besuch. Ein französisches Pärchen kommt völlig fertig an. Die haben einen ziemlich fiesen Tag hinter sich, so kaputt wie sie aussehen. Sie trinken was, ich frage sie aus. Kommen vom Jostedalen aus hier her. Haben Ewigkeiten gebraucht und waren froh, dass die Hütte auf ist, sie haben keinen Schlüssel. Sie machen sich etwas zu Essen und wir unterhalten uns noch etwas. So richtig geübt in langen und schweren Touren scheinen sie nicht zu sein, eher auf Backpacking Tour mit kleinem Ausflug in die Wildnis. Nun denn. Sie erzählen, sie wären vier Wochen unterwegs da gerade Arbeitslos in Frankreich. Und Norwegen wäre so teuer. Das stimmt wohl, teuer ist es hier, aber die Landschaft ist einfach unbezahlbar. Ich gehe zu Bett und morgen wird es definitiv endlich mal einen Ruhetag geben. Versprochen.

Tag 17 Montag 13.08.12 Arentzbu

Versprochen ist versprochen. Ich penne bis 11:00Uhr. Unglaublich, was ein Luxus, endlich Urlaub. Das Wetter ist wieder überragend. Gönne mir ein ausführliches Frühstück. Bald ist es 13:00 Uhr. Meine französischen Mitbewohner ziehen los, sie brechen auf nach Fast. Nach dem Blick ins Hüttenbuch werde ich ein wenig ärgerlich. Alle Vorurteile in Bezug auf Ausländer und deren Zahlungsmoral auf norwegischen Hütten wird bestätigt. Ich sage dazu wohl besser nichts weiter. Schönen Gruß an Ann und Thomas an dieser Stelle.

Der Tag gestaltet sich kurzweilig. Ich sitze in der Sonne, trinke Kaffee und Eistee. Dann noch Wäsche waschen, Schuhe putzen. Zwischendurch gehe ich insgesamt vier Mal unten am Fluss Baden, da gibt es eine ganz fantastische Stelle, ein kleiner Nebenfluss zweigt kurz hinter dem Wasserfall ab und bildet dort eine schöne Gumpe. Fast wie im Freibad, nur sehr viel schöner (und kälter).

Was ein entspannter Tag. Rummgameln de Luxe. Gut das ich hierhin gegangen bin. Am Abend kommt dann doch tatsächlich noch jemand vorbei. Völlig verschwitzt kommt ein Däne an. Er heißt Øystein und stellt sich als Hyttevakt vor. Er ist etwas fertig, macht kurz Pause. Wir quatschen und ich lade ihn auf eine Zwiebelsuppe ein, die ich gerade koche.

Øystein erzählt, dass er die nächsten vierzehn Tage hier bleiben wird um diese und die Hütte in Fast etwas auf Vordermann zu bringen. Fast sein ganzer Rucksack scheint aus Lebensmitteln zu bestehen, sogar Mehl zum Brotbacken hat er dabei. Er bittet mich, morgen Kerzen mit nach Fast zu nehmen, die sind dort scheinbar ausgegangen, er hat es auf dem Hinweg kontrolliert.

Nach der Suppe gönne ich mir eine Dose Laks, dann gibt es Pasta mit Tomatensoße und Salamistückchen. Sehr gut.

Anschließend versuche ich mir einen groben Plan für die Tour durch Jotunheimen zusammenzuklöppeln. Der Plan sieht eine schöne Runde vor: Turtagrø – Skogadalsbøen – Olavsbu – Gjendebu – Memurubu – Gjendesheim – Glitterheim – Spitterstulen – Leirvassbu – Skogadalsbøen – Vetti Gaard

Wenn möglich möchte ich auch den Glittertind und den Galdhøpiggen erklimmen. Schauen wir mal, ob das so klappt. Aber einen Plan hab ich schon mal.

Dann lese ich noch etwas und verabschiede mich nach diesem wirklich harten Tag ab ins Bett. Wandern kann so schön sein.

Tag 18 Dienstag 14.08.12 Arentzbu – Fast

Um 8:00 Uhr ist die Nacht zu Ende. Wasche mich und frühstücke mit Øystein. Packe meine Sachen, den Abwasch will er später machen, er hat glaube ich auch die nächsten zwei Wochen sehr viel Zeit für alles Mögliche.

Dann Abmarsch in Richtung Fast. Ich nehme noch zwei Packungen Kerzen mit und verabschiede mich von Øystein. Die Etappe heute sollte eigentlich recht entspannt sein. Ich laufe eine halbe Stunde durch matschige Wiesen, immer parallel zum Heimsta Rausdalsvatnet.

Dann geht es etwas einen Bergrücken hoch. Es kommen einige wirklich tolle Wasserfälle und Brücken. Das Wasser fließt in unzähligen Kaskaden den Berg hinunter. Der Bach heißt hier Kvitene.

Ich freue mich über so viel schöne Landschaft. Dann geht es weiter Richtung Fjellsli, einem alten Seterplatz. Die Hütte ist abgeschlossen, ich mache es mir vor der Hütte bei netter Aussicht gemütlich und trinke etwas. Herrlich hier, die Hütte würde ich auch nehmen.

Nach der Pause geht es kurz den Berg hoch, nette Aussichten Richtung Mørkrisdalen hat man hier. Die Brücke über die Austra lasse ich geschwind hinter mir und mache mich auf südwestwärts gen Fast.

Es geht etwas bergan vorbei an netten Seen und schönen Zeltplätzen. Auf dem höchsten Punkt des heutigen Tages, unterhalb des Tråneklanten, mache ich Pause. Nach der Salami kommt das Nickerchen. Immer wieder schön in einer solchen Umgebung Pause zu machen, innezuhalten und wegzudösen. Ein Traum.

Das Gebimmel einiger Schafe und deren Glocken weckt mich wieder. Okay, ich gehe ja schon weiter. Nun geht es abwärts zum Åsetvatnet. Das letzte Stück ist ziemlich steil und die Alm sowie einige Ferienhäuser kommen in Sicht. Leider ziehen jetzt Wolken auf. Ein Trailrunner läuft den Berg hoch und kommt mir entgegen.

Ich steige hinab zur Åsetealm. Niemand da, nur Schafe. Also direkt weiter das letzte Stück zur Hütte. Es ist erst 15:00 Uhr, mit der langen Pause ein wirklich kurzweiliger Tag. Gut so.

Der weitere Weg zur Hütte ist schnell erledigt. Der Trailrunning Mann überholt mich. Wir reden kurz über Ultraläufe, Langturen und über seine Hütte hier. Er ist extra zum Streichen selbiger aus Oslo gekommen. So eine Hütte kann ganz schöner Ballast sein, erfahre ich. Keine Ahnung, entgegne ich, habe leider gerade keine.

Um halb vier checke ich ein. Den Schlüssel hab ich ja schon. Wie gehabt, alles für mich alleine. Wo sind denn die ganzen anderen Wanderer? Vermutlich hinter den Bergen am Horizont, in Jotunheimen. Will ich da überhaupt hin?

Richte mich ein, trinke etwas und gehe im Bach Baden, der sich in großen Bögen durch den alten Seterplatz schlängelt. Hübsch hier.

Dann sehe ich mich etwas um. Die zweite Hütte ist eine urige alte Steinhütte. Sehr schön hergerichtet und saugemütlich. Allerdings nicht mit einer so tollen Aussicht auf das Hurrunganemassiv wie von der anderen aus.

Ich hänge meine verschwitzten Sachen in den Wind. Dann gibt es Kaffee und ich gammele etwas herum und lasse den lieben Gott einen guten Mann sein.

Gegen Abend gibt es wieder Pasta, diesmal mit Tomatentunfischsauce. Die Tunfischdosen sind auch schon etwas älter, auf der aktuellen DNT Preisliste sind sie nicht mehr zu finden.

Es sind auch noch andere Leute da, wie ich feststelle. In einer der Nachbarhütten sind Großeltern mit ihren Enkeln. Der Mann kommt irgendwann vorbei und wir quatschen kurz. Ihnen gehört die Alm hier und sie machen ein paar Tage Ferien.

Die Kerzen mitzubringen war auch eine gute Idee, hier gibt es nicht mal mehr eine kleinen Stumpen. Zum Tagesausklang setze ich mich auf den Hügel neben der Hütte. Es ist so schön hier, kitschig wäre eine Untertreibung, wie am Computer zusammengebastelt. Aber ich beschwere mich besser nicht.

Als es dann kälter wird gehe ich in die Hütte, schreibe Tagebuch und lese noch etwas. Irgendwann sehe ich zwei große Glühwürmer durch die Nacht tanzen. Was ist das denn? Ich sollte weniger Harry Hole Bücher lesen wenn ich unterwegs bin, da bekommt man dann bei so etwas immer gleich komische Gedanken. Die Glühwürmer kommen näher und ich erkenne zwei Personen.

Immer wieder gefriert mir da kurz das Blut in den Adern, wenn man so abgeschieden alleine in der Hütte sitzt und plötzlich Lichter im Dunkeln sieht, plötzlich die Tür aufgeht und man nicht weiß wer kommt. Aber ich glaube das ist eher so eine körpereigen Reflexsache. Halb so wild.

Schon geht die Tür auf und Vater mit Sohn fragen mich nach Kerzen. Es gibt nirgends welche in der Steinhütte, die sie beziehen wollen. Ich reiche ihnen welche. Sie sind zum Fischen hier und etwas spät dran. Sie verabschieden sich bis zum Morgen und entschwinden in die Nacht. Ich gehe dann auch alsbald ins Bett. Bis morgen dann.

Tag 19 Mittwoch 15.08.12 Fast – Vigdalstølen

Es ist 8:15 Uhr als ich aufstehe. Ich will gerade anfangen mir das Frühstück einzuverleiben als der Nachbar auf der Matte steht. Eivind, so heißt er, lädt mich zu frisch gebratener Forelle ein. Die haben sie heute früh schon aus dem See gezogen. Och, bevor ich mich schlagen lasse, na klar, gerne.

Drüben vor der Steinhütte begrüßt mich schon Eivinds Sohn. Ein Haufen Forellen liegt im Gras und Eivind kommt gerade aus der Hütte. Eine große Pfanne mit frisch gebratenen Forellen. Mir fallen fast die Augen aus dem Kopf. Dazu wird richtiges Brot mit richtiger Butter gereicht. Essen kann also beim Wandern auch lecker sein. Wir sitzen vor der Hütte, essen ein richtig leckeres Frühstück. Mal wieder Glück gehabt würde ich sagen. Eivind erzählt, dass sie nur für zwei Tage hier sind, zum Fischen, haben sich den See samt Boot gemietet. Sie kommen aus Leikanger am Sognfjord. Er bietet mir sogar an, Sachen für mich bei sich aufzubewahren, falls ich keine Lust habe, mein Zelt und den ganzen Kram durch Jotunheimen zu schleppen. Ist och mit einem kleinen Rucksack viel angenehmer. Ich werde mal drüber nachdenken.

Eine Frage, die mir öfters gestellt wird, kommt zur Sprache: Sind eigentlich die Deutsche sauer auf Griechenland? Ich antworte, dass das Einige wohl sind, mir die Sache im Endeffekt aber etwas zu kompliziert für eine einfache Antwort ist und man das Ganze mit der Euro Rettung wohl differenziert betrachten muss. Eivind stimmt zu, merkt an, dass die Norweger sich wohl glücklich schätzen können, dass der Krug mit solchen Dingen an ihnen vorbei geht.

Er arbeite für ein Forschungszentrum, das sich mit Umfragen und Meinungsbildung zu verschiedensten Themen beschäftigt. Er meint, dass Norweger durchschnittlich nur 11% ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben und auf dem besten Wege sind, eine Art Dubai des Nordens zu werden. Einem Land, in dem die Leute unfassbar großen Wert auf Konsum legen. Ich kann das weder bestätigen noch widerlegen, dafür stecke ich da zu wenig drin, aber das manche Leute hier etwas mehr Geld verdienen und es auch gerne ausgeben, habe ich wohl schon bemerkt.

Zurück zu den wirklich wichtigen Dingen des Lebens. Eivinds Sohn hatte meinen BVB Aufnäher am Rucksack entdeckt. Er findet den BVB auch toll, insbesondere Robert Lewandowski hat es ihm angetan. So reden wir auch noch über Fußball. Da kann ich besser mitreden als bei Diskussionen über internationale Finanzkrisen. Ich erfahre wie es um die norwegische Liga bestellt ist und wie teuer die Karten für ein Championsleague Spiel von Manchester United in Oslo waren. Um die 100€ für die günstigste Kategorie. Unfassbar. Und dann noch für ManU.

Ich erzähle von Dortmund, vom Stadion, von der Atmosphäre im Stadion und von den günstigen Preisen. Ungläubiges Staunen. Ich beschließe, mich für das Frühstück zumindest mit einer Autogrammkarte von Robert Lewandowski zu bedanken, sobald ich wieder in Deutschland bin. Hoffentlich ist sie angekommen, abgeschickt habe ich sie auf jeden Fall.

Es wird langsam Zeit aufzubrechen. Ich bin fast schon spät dran. Aber ehrlich gesagt ist mir das auch ganz recht, ich habe nicht so viel Lust auf den knackigen Anstieg, der mich direkt heute Morgen erwartet. Von 856 m auf ungefähr 1400 m oder so. Keine Ahnung wie viel, ich will es gar nicht wissen. Richtig Karten lesen und so, nicht wahr? Wir erledigen gemeinsam den Abwasch, sage Tschüss und mache mich Abmarschbereit. Das Wetter ist wieder gut und verspricht einen verschwitzten Tag. Also los. Einmal quer über den Seter und über die Bachläufe.

Dann geht es auch schon hoch zum Kjervafosso. Auf den Wasserfall habe ich gestern schon oft geschaut, echt nett anzusehen, aber so hoch. Egal, ich hab heute sowieso nichts Anderes vor. Der Weg ist schon gut steil, aber jetzt auch nicht so krass. Nur etwas schlecht ausgewiesen. Ich versteige mich prompt, finde aber schnell zurück auf den Weg. Es geht schneller voran als gedacht, scheinbar macht sich das Training langsam bemerkbar. Der Blick zurück ist auch ganz nett.

Gegen 11:20 Uhr bin ich am Wasserfall oben. Ich pausiere, rufe kurz zu Hause an und genieße die Aussicht rüber nach Hurrungane und Jotunheimen.

Weiter geht es bergan hoch zum Hamarsdalsbandet. Auch hier wieder Schneefelder ohne Ende.

Aber auch der ein oder andere Zeltplatz mit Fließend Wasser vor der Tür ist hier zu finden.

Immer weiter geht es hoch, Schnee und Fels wechseln sich ab.

Dann ganz zum Schluss des Aufstieges kommt noch ein wirklich großes Schneefeld. Da kommt man aber dann schnell hoch, wäre doch gelacht.

Der Blick zurück ist immer noch ganz famos.

Oben angelangt geht es direkt wieder abwärts.

Zuerst über große Schneefelder auf denen man ganz gut beschleunigt. Treffe vier Österreicher, von denen ich später noch auf den Hütten lesen werde. Sie sind unten am Fjord gestartet und wollen bis Sota Sæter laufen. Nichts für mich, das wären mir zu viele Höhenmeter, ich laufe lieber so rum, ich faule Socke.

Es wird nun grüner. Im Schatten eines Felsens mache ich Pause und esse Schokolade. Dann folge ich dem Pfad in das Hamarsdalen hinab.

Traumhaft schön hier und super Wetter. Ich passiere den Hamarsdalsvatnet auf einem schönen Pfad, der sich hier den Berg hinunter schlängelt.

Drei Norweger kommen mir noch entgegen, kurzer Small Talk und weiter geht es zum Øystølsreset.

Dann kommt auch schon die Vigdøla in Sicht. Dem Fluss muss ich quasi bis zur Hütte folgen. Ich bin so ein Glückspilz, das Wetter ist echt ein Traum.

Ich laufe durch das Vigdalen, bald wird es sehr viel grüner, Birken und Sträucher säumen den Weg.

Die Brücke nach Vigdalstølen kommt in Sicht.

Schnell drüber und um 17:00 Uhr bin ich an der Hütte. Nett hier, klein aber fein, nur vier Betten im Schlafraum und zwei in der Stube.

Im Schlafraum sind auch noch Sachen, die Hütte war aber abgeschlossen. Da ist wohl noch wer hier in der Umgebung unterwegs. Ich gehe zum Schuppen, da ist das Essenslager. Das ist etwas geschröpft, liegt wohl daran, dass die Hütte nur eine halbe Stunde entfernt von einer Straße ist und sich die meisten Leute ihr Essen mitbringen. Ananas gibt es leider nicht mehr, aber dafür noch Fruchtcocktail.

Mal was Anderes. Ich setze mich hinter die Hütte und entspanne mich beim Fruchtcocktail. Kein Anlass zu Klage, auch heute nicht. Alles in Ordnung, quasi bestens.

Dann kommt ein älteres Ehepaar und holt seine Sachen. Sie waren zum Moltebeerenpflücken hier. Sie entschwinden und ich koche mir Spaghetti. Nach dem Abendessen wird es schnell frisch und ich schreibe noch Tagebuch. Bei einigen Seiten Jo Nesbø beschließe ich den Tag.

 Tag 20 Donnerstag 16.08.12 Vigdalstølen – Navarseter – Gaupne – Luster

Der letzte Tag der Breheimen Tur steht auf dem Programm. Das Frühstück nehme ich in der Sonne vor der Hütte ein. Die kleine Hütte ist schnell aufgeräumt und los geht es.

Zuerst zurück zum Fluss und über die Brücke. Dann über die Breidseter Alm. Ein kurzer Blick zurück und es wird ein wenig waldig.

Der erste Schweiß rinnt. Blicke zurück ins Vigdalen und Dalsdalen ergeben sich. Schön, wenn nur nicht der Aufstieg wäre.

Erst von 770 m auf 970 m zur Fivla Hütte und dann bis auf 1200m am höchsten Punkt der Etappe. Hoffentlich muss ich nicht runter bis zum Fjord nach Gaupne laufen. Muss ich später natürlich doch, aber das weiß ich ja jetzt noch nicht.

Um 11:00 Uhr bin ich bei den Fivla Hütten. Mache Pause, trinke einen ganzen Liter Wasser und schaue mir die Hütten an. Die sind echt toll, super eingerichtet. Hätte mir auch gefallen.

Nach einer halben Stunde nehme ich die letzten 250 Höhenmeter aufwärts für heute in Angriff. Erstaunlich schnell erledige ich das. Der Weg ist bequem, eine leichte Brise kommt auf und über die Umgebung mit den Aussichten muss ich ja nicht viele Worte verlieren.

Das Stongfjellet auf 1200 m ist dann erreicht und ich lasse mich wieder hinunter rollen. Ich blicke gen Westen, es ist einfach toll hier. Und ich fühle mich, als könnte ich Bäume ausreißen.

Schneller als gedacht kommt der Heggedalsvatnet auf 1025 m in Sicht. Bin ich wirklich schon hier? Es ist doch erst halb eins?

Um 13:00 Uhr laufe ich am Ufer des Sees entlang und treffe ein paar Jugendliche, die hier zelten.

Oberhalb von Heggedalen auf 791m mit seinen Hütten esse ich mein letztes Snickers bevor ich mich an den steilen Abstieg mache.

Der ist um viertel vor zwei erledigt und weiter geht es durch das Engjadalen nach Navarsete.

Kurze Pause hier zum Trinken. Ich würde schon gerne runter zum Fjord.

Hier am Seterplatz gibt es haufenweise Ferienhütten und auch einen Fahrweg. Ich will mich zum Wanderparkplatz durchschlagen und versuchen eine Mitfahrgelegenheit zu finden.

Ich laufe über die Brücke und verliere den Weg. WTF! Verloren auf den letzten Metern. Lande auf einer großen matschigen Wiese mit viel Wollgras. Was soll das denn jetzt? Ich stelle mich wirklich selten dämlich an. Irgendwann finde ich auf den Weg zurück. Der Fahrweg ist eher eine Piste, auf Autos brauche ich hier nicht warten. Ich folge der staubigen Piste und irgendwann kommt eine richtige Straße für richtige Autos. Leider wird diese wohl eher selten von Autos benutzt und so laufe ich einfach weiter talwärts. Links und rechts gibt es reichlich Felder, Wiesen, Scheunen und Sommerhäuser.

Aber von Autos weit und breit keine Spur. Ätzend diese Asphalt Lauferei, aber ich kann mich ja jetzt schlecht hier heulend in den Staub werfen, das wird hier keinen beeindrucken. Laufe also weiter die Straße runter. Ein einzelnes Auto kommt hoch, fährt aber leider auch hoch. Hoffentlich ein Bauer der nur nach dem Rechten sieht und schnell wieder runter fährt um mich mitzunehmen. Ein kleiner Funken Hoffnung wenigstens. Weiter geht es, Serpentine um Serpentine.

Die Füße brennen, lustig ist es jetzt nicht mehr. Noch mehr Serpentinen, kurze Geraden, Serpentinen. Irgendwann dann sehe ich das erste Mal den Fjord. Juhu, das Ende ist nah. Serpentine, Serpentine oh wie mag ich dich, nicht.

Kommt quälen wirklich von Qualität oder umgekehrt? Ich weiß es nicht mehr, schalte um auf Autopilot. Unten gibt es ganz sicher einen Supermarkt. Wenn Coca Cola schlau ist, schicken sie ein Kamerateam, das dokumentiert, wie ein stinkender und staubiger Wanderertyp sich eine Cola holt und diese dann mit dem größt möglichen Genuss in sich hinein schüttet. Wer bestimmt eine super Werbung. Gleich danach könnte dann eine beliebige Biermarke kommen…

Endlich kommen die ersten Häuser von Gaupne in Reichweite. Und wie auf Kommando erscheint der Bauer von oben im Auto. Er hält an, sagt aber es lohne sich nicht mehr mich mitzunehmen, er muss woanders hin und es sind doch eh nur noch ein paar hundert Meter. Ach so, na dann, kein Problem und noch einen schönen Tag.

Dann erreiche ich tatsächlich den Supermarkt. Der Rucksack fliegt in die Ecke und eine der leckersten Colas die ich je getrunken habe versöhnt mich etwas mit dem fiesen Abstieg. Ein geiles Gesöff nach einer guten Anstrengung. Ein Bier oder Cider wäre vielleicht auch nett, später, ganz sicher.

Gaupne macht nicht so den tollsten Eindruck, vielleicht ist es in Luster auf dem Campingplatz ja schöner. Der Bus ist leider schon weg, ergo Daumentaxi. Wir sind ja nicht in Deutschland, sollte also ohne Probleme klappen.

Gehe rüber zur Hauptstraße. Da stehen allerdings schon drei Polen die heute noch bis nach Lom trampen wollen. Optimistisch. Ich möchte ihnen nicht in die Quere kommen, sie waren eher da. Ändere meine Taktik und sehe zwei deutsche Wohnmobile auf den Supermarktparkplatz rollen. Die Leute gehen einkaufen. Als sie wieder aus dem Supermarkt kommen, spreche ich sie direkt an. Kein Problem und schon bin ich an Bord und auf dem Weg nach Luster. Das war ja einfach.

Unterwegs unterhalten wir uns nett, ich merke wie sehr sich die Sicht auf das Land von Otto-Normal-Touristen und Wanderern unterscheidet. Echt krass, völlig unterschiedliche Eindrücke. Um viertel vor fünf lassen sie mich dann in Luster am Campingplatz raus. Ich bedanke mich und checke ein. Der Platz liegt direkt am Fjord, allerdings auch direkt am Sognefjellsvegen. Sei’s drum. Ich packe meine Sachen an einen Baum auf dem Platz und latsche rüber zur Bäckerei.

Die ist echt super und ich hole mir natürlich zuerst einen Boller. Die Belohnung für eine tolle Wanderwoche. Und die Bäckerei ist echt nur zu empfehlen, falls mal jemand in der Ecke ist.

Dann kaufe ich noch kurz im Supermarkt ein, auch Bier gibt es natürlich. Zurück auf dem Camper baue ich mein Zelt auf, gehe Duschen.

Was eine Wohltat. Zur Abwechslung koche ich Nudeln mit Tomatensoße, der Dolmio Mann darf auf keiner Norwegen Tour fehlen.

Zum Ausklang des Tages setze ich mich auf den Bootssteg. Chips, Nesbø, Bier und diese Aussicht nach einem solchen Tag, einer solchen Tour. Unbezahlbar.

5 Wochen lang unterwegs in Reinheimen, Tafjordjella, Breheimen und Jotunheimen

Wie fange ich bloß so einen Reisebericht an? Ich sitze jetzt wieder eine Woche zu Hause, schaue mir die Bilder an und kann es immer noch kaum fassen. Fünf Wochen in Norwegen mit unzähligen Eindrücken, unfassbaren Erlebnissen und tollen Begegnungen liegen hinter mir. So viele, dass ich sie erst langsam verarbeite und mich nur schwer wieder dem Alltag widmen kann. Es war einfach fantastisch, unglaublich schön. Aber der Reihe nach und von vorne.

Prolog und Anreise

Anfang des Jahres ging es wie immer um die Urlaubsplanung. Nach der Tour im September letzten Jahres, wollte ich gerne wieder für drei Wochen nach Norwegen. Die Absprache im Kollegenkreis klappt rasch, es wird für mich im August wieder für drei Wochen gen Norden gehen. Der Flug ist auch wieder schnell und günstig bei der Lufthansa gebucht.

Aber wohin soll es in diesem Jahr überhaupt gehen?

Mir kommt ein Thread von Ulrich (nordwärts bei ODS) in den Sinn: Breheimen, Reinheimen, Tafjordfjella. Das hört sich doch eigentlich ganz gut an. Ich könnte den Bus nach Øvre Ardal nehmen und mich von dort aus nach Norden bis zur Raumabahn durchschlagen. Klingt wie ein grober Plan, würde ich mal so sagen.

Der Alltag lässt nur wenig Zeit zur Vorbereitung, aber ich will es diesmal auch gelassen angehen und nicht zu viel Planen. Zwischendurch treffe ich mich mit Ulrich und wir reden kurz über die geplante Route und die Tour. Start- und Endpunkt stehen quasi fest, die Ausrüstung ist auch komplett, ich lasse es mal auf mich zukommen. Irgendwann ordere ich mir dann noch die entsprechenden Turkarten und überlege welche Bus- und Zugverbindungen ich buchen soll.

Per Zufall habe ich dann in diesem Sommer doch sehr viel mehr Zeit als gedacht. Ich berichte Ulrich davon, der mir von seiner geplanten Tour erzählt. Ulrich möchte auf dem Weg nach Norwegen drei kleinere Lücken (in Lübeck, Nordjütland und Ringebu) seiner Nordwärts Tur (von zu Hause aus in Etappen zum Nordkap) schließen um dann in Reinheimen eine Runde zu drehen. Hört sich verlockend an, Wildnis ohne Hütten und Wege, ganz nach meinem Geschmack.

Das Schöne an dieser Tour wäre, das diese genau in den zwei Wochen vor den von mir geplanten drei Wochen wäre. Ich überlege kurz, das wäre doch was. Und als Ulrich dann fragt, ich glaube mehr im Scherz, ob ich nicht mitkommen möchte, sage ich spontan zu. Wie geil ist das denn? Fünf Wochen Norwegen. Das kann ja was geben. Werde ich halt nach Reinheimen gen Breheimen und Jotunheimen aufbrechen und dort die restliche Zeit verbringen, der Plan steht.

Zum Glück hab ich noch keinen Bus oder Zug gebucht. Ich muss nur kurz bei der Lufthansa den Hinflug absagen und mir einen Platz auf der Fähre von Hirtshals nach Larvik buchen. Sollte ich den Hinflug nicht antreten, streicht die Lufthansa automatisch den Rückflug, wie ich durch kurze Internetrecherche erfahre.

Die Fähre ist schnell gebucht, aber beim Preis bin ich doch etwas überrascht. 60€ nur für mich als Fußgänger sind doch happig wie ich finde, aber was muss das muss. Die Lufthansa ist da noch besser.

Simon: Was passiert, wenn ich den Hinflug nicht antrete?

Hotline: Dann wir der Rückflug automatisch auch gestrichen.

Simon: Kann ich den das irgendwie umbuchen auch wenn es ein Schnäppchentarif ist?

Hotline: Das geht bei der Strecke, kein Problem, kostet 5€ extra.

Simon: Okay, das hört sich gut an, werde darauf zurückkommen

Da ich noch nicht zu 100% sicher war, warte ich noch ein paar Tage um dann Nägel mit Köpfen zu machen. Wieder Lufthansa Hotline. Aber jetzt wollen die auf einmal 45€ für die Umbuchung haben. Ich will mich kurz aufregen, aber das ändert ja auch nichts. Ich akzeptiere grummelnd und bezahle jetzt halt mehr. Statt für 99€ hin und zurück fliege ich jetzt nur zurück für 145€. So ist das halt manchmal im Leben, will man sparen, gibt man hinterher halt mehr aus. Künstlerpech (allerdings, Stand heute, hat die Lufthansa bisher dafür nur 4€ abgebucht, etwas merkwürdig).

Dann geht es bald schon an das Einkaufen. Aber wie stelle ich das an bei geplanten fünf Wochen Tour und wenig Einkaufsmöglichkeiten in den Bergen? Da wir ja jetzt eh mit dem Auto hochfahren, beschließe ich einfach mehr einzukaufen und einen Teil im Auto zu belassen. Was ich dann tatsächlich mitnehmen werde, möchte ich dann vor Ort entscheiden. Und wenn was fehlt muss ich halt improvisieren, mit dem Bus zum nächsten Supermarkt fahren, wie auch immer. Ich werde langsam entspannter bei solchen Touren und lasse doch auch gerne mal alles etwas auf mich zukommen an Stelle alles bis ins kleinste Detail durchzuplanen.

Also stapelt sich alsbald dann ein riesiger Haufen Proviant bei mir zu Hause, so langsam kann es dann losgehen. Letzte kleinere Details werden ergänzt und die Vorfreude steigt sichtlich.

Donnerstag 27.07.12

Morgen soll es losgehen. Endlich. Die Schuhe sind geputzt, noch ein paar Kleinigkeiten besorgt. Ich suche mein Zeug zusammen, aber irgendwie ist es diesmal etwas komisch. Da wir ja mit dem Auto losfahren muss ich nicht darauf achten, alles im Rucksack zu verstauen. Ich packe lediglich alles auf einen großen Haufen und verteile es grob auf diverse Packsäcke, Taschen und Beutel. Mal schauen, was ich vergessen habe, irgendwas fehlt ja immer.

Letzte Nachrichten an Freunde werden verschickt und die letzten Dinge hoffentlich geklärt. Den Alltagsballast möchte ich nur zu gerne zu Hause hinter mir lassen, der wird mir hoffentlich nicht fehlen, den vergesse ich hoffentlich schnell. Der Tüchtigkeit ade sagen wie im Buch „Doppler“ von Erlend Loe. Hoffen wir es mal.

Freitag 28.07.12

Es geht los, fast jedenfalls. Wir wollen uns am Abend bei Ulrich zum Grillen treffen und dann am nächsten Morgen ziemlich früh gen Norden aufbrechen. Ich verbummele den Tag, das Wetter ist total heiß, genieße die letzten Stunden für lange Zeit zu Hause im Garten. Schon komisch, fünf Wochen war ich schon lange nicht mehr am Stück weg. Wie das wohl sein wird? Was mich erwartet? Ich bin sehr gespannt.

Am späten Nachmittag bringt mich mein Vater dann zu Ulrich. Der guckt etwas ungläubig aus der Wäsche als ich den riesigen Haufen Zeug bei ihm auslade. Gott sei Dank fliege ich nicht mit dem ganzen Zeug, da müsste ich aber mehrmals zum Sperrgepäckschalter laufen um alles weg zubekommen oder gleich Lufthansa Cargo bemühen.

Ulrich fragt mich, was ich denn so vor hätte mit den ganzen Sachen? Ich weiß es ja selber nicht antworte ich, aber irgendwie wird es schon passen. Hoffentlich.

Wir grillen dann gemütlich und schauen noch ein wenig die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele von London. Dann geht es ins Bett, an Schlaf ist allerdings bei dem mehr als warmen Wetter kaum zu denken. Ich will endlich in den kühlen Norden

Teil 1: Die Anreise und Reinheimen

Tag 1: Samstag 28.07.12

Ich bin schon wach als um 4:15 Uhr mein Handywecker klingelt. Was eine schwülwarme Nacht. Schnell ist die Morgentoilette erledigt und dann sitzen wir schon im Auto. Endlich geht es los. Wir reißen entspannt die ersten Kilometer der Reise ab. Heute wollen wir die erste Lücke schließen und von Absalonshorst nach Lübeck laufen. Wir rollen gegen 9:30 Uhr von der Autobahn und holen uns ein paar Brötchen.

Dann wird kurz gefrühstückt und wir machen uns auf entlang der Wakenitz nach Lübeck zu laufen. Über alte Treidelpfade geht es immer am Wasser entlang. Es ist warm und länger als gedacht. In Lübeck verlaufen wir uns kurz, finden aber schnell wieder auf den richtigen Weg.

Mittags sind wir dann in Lübeck. Wir haben noch Zeit und gehen in einem netten Hinterhof Kaffee etwas trinken.

Als wir zum Boot für die Rückfahrt über die Wakenitz wollen, fängt es an zu nieseln. Aber egal. Die Rückfahrt ist kurzweilig und dauert ungefähr eine Stunde. Der Kapitän, einer dieser Ausflugskapitäne die mit sonorer Stimme und Bud Spencer Figur irgendwie immer gleich aussehen, erzählt uns souverän und nicht vom Band unterwegs die Geschichte der Wakenitz und den Gewässern umzu.

Der Mann macht das mehrmals am Tag und wahrscheinlich schon Jahrzehnte, krass, das muss man sich mal alles merken und dann jeden Tag wieder gleich erzählen. Respekt.

Gegen 14:30 Uhr sind wir wieder in Absalonshorst und am Auto. Es kann weiter nach Norden gehen. Wir entern die A7 und wollen kurz beim Scandinavian Park in Flensburg Tanken. Ich würde mal sagen, dass es nicht so das Schlaueste war, dort am Samstagnachmittag aufzuschlagen. Bilder die man sonst nur von Hamsterkäufen der Amerikaner vor einem Hurrikan kennt. Unfassbar was hier los ist und die Leute dort aus dem Supermarkt holen als würde es kein morgen geben.

Irgendwie schaffen wir es dann ohne Polizeieinsatz und Schlägerei runter vom Parkplatz, hier herrscht noch das recht des Dreisteren. Ich bin froh als wir dann wieder entspannt über die Autobahn rollen.

Wir erreichen Hirtshals und den Campingplatz gegen 21:00 Uhr. Wir sind etwas geschlaucht. Checken schnell ein, bauen die Zelte auf, holen uns was zu Essen im Supermarkt und fahren kurz zum Hafen.

Auf einer Bank am „Strand“ essen wir dann zu Abend, Der Sonnenuntergang ist fabelhaft und wunderschön. Urlaubsfeeling stellt sich langsam aber sicher ein. Morgen soll dann die zweite Lücke geschlossen werden, von Løkken nach Hirtshals am Strand entlang. Das kann was geben.

Tag 2: Sonntag 29.07.12

Gegen 7:00 Uhr beginnt der Tag. Um 8:23 Uhr fährt der Zug von Hirtshals nach Hjørring und von da dann der Bus nach Løkken. Schnell ist alles Wichtige am Morgen erledigt und dann ab mit leichtem Tagesgepäck zum Bahnhof. In Hjørring haben wir eine halbe Stunde Aufenthalt. Ich hole mir einen Kaffee und wir laufen rüber zum Bus.

Zu unserer Überraschung ist der Bus proppenvoll mit Jugendlichen. Der Fahrer hat alle Hände voll zu tun alle unterzubringen, ich komme mir vor wie in Tokio in der U-Bahn und das Sonntagmorgens in der dänischen Provinz. Aber der Fahrer regelt alles mit der gebotenen Gelassenheit und wir fahren los. Ich komme mit jemandem ins Gespräch. Er erzählt, dass er aus Malta kommt und als Jugendtrainer mit seiner Mannschaft hier am Dana Cup teilnimmt, einem großen Fußballturnier mit 850! Jugendmannschaften hier in Hjørring. Sie machen einen Ausflug und wollen ins Farup Sommerland. Wir unterhalten uns über Fußball und die Fahrt nach Løkken gerät sehr kurzweilig.

In Løkken holen wir uns dann noch schnell ein paar Brötchen und frühstücken dann an der Mole bei tollem Wetter.

Dann geht es am Strand entlang los. Super Wetter für eine solche Tour. Wir wissen nicht genau wie viele Kilometer es Ende werden, aber wir gehen einfach mal von so 30 aus. Mal sehen wie das so wird.

Kurz vor Lønstrup geht es dann eine der steilen Treppen vom Strand hoch hinauf. Die Wanderdüne Rubjerg Knude und der von Sand umzingelte alte Leuchtturm Rubjerg Fyr kommen bald.

Vorher wähnen wir uns aber in der Wüste. Die Düne ist gewaltig und eine nette Abwechslung, wenn auch eine anstrengende, es geht tüchtig hoch und runter.

Gegen Mittag sind wir am Leuchtturm und machen kurz Pause. Weiter geht es vorbei an der Mårup Kirche und einigen dem Untergang geweihten Ferienhäusern. Die werden den Herbst wohl nicht mehr überleben und sind schon aufgegeben worden.

Wir irren auf der Suche nach einem Bäcker etwas durch Lønstrup, aber am Ende finden wir doch was wir wollen. Etwas außerhalb bei einigen Ferienhäusern machen wir Pause und essen leckere Zimtschnecken.

Der Rest der Strecke zieht sich dann etwas. Es gibt eine Art Fahrweg oberhalb vom Strand, dann wieder direkt am Strand entlang. Wir machen noch mal Pause an einer Rettungsstation und gehen dann langsam etwas lädiert über zum Endspurt gen Hirtshals. Den lieben langen Tag sieht man den Leuchtturm von Hirtshals, ein schönes Gefühl als er dann immer näher kommt. Nach insgesamt 33k m sind wir dann endlich am Ziel und kommen wieder auf dem Campingplatz an. Geschafft!

Wir fahren schnell etwas einkaufen, die Geschäfte schließen schon bald. Anschließend wird geduscht und wir kochen wieder am Strand und genießen den zweiten Tag in Folge den herrlichen Sonnenuntergang.

Tag 3: Montag 30.07.12

Heute lassen wir es gemütlich angehen, die Fähre fährt erst um 11:45 Uhr ab. Aufstehen erst so um 8:00 Uhr. Nach dem Tag von gestern mit seinen 33 km auch nicht so ganz verkehrt. Wir frühstücken wieder am Stand, einfach herrlich hier. Anschließend packen wir gemächlich zusammen und trocknen die Zelte in der Sonne.

Gegen 11:00 Uhr machen wir uns dann auf Richtung Hafen und Fähre. Wir holen uns noch als Proviant Räucherlachs beim Fischladen im Hafen und stellen uns dann in die Schlange zum Check-In der Fähre nach Larvik.

Auf der Fähre setzen wir uns Achtern in die Sonne und essen unseren leckeren Fisch. Allerdings wird bald nach dem Auslaufen die Sonne ganz schön warm. Wir setzen uns rein, drehen eine Runde durch den Duty Free Shop, was man halt so macht. Später kurz vor dem Einlaufen in Larvik gehen wir wieder an Deck und genießen die Einfahrt in den Hafen bei tollem Wetter.

Die anschließende Fahrt von der Fähre und aus dem Hafen zehrt allerdings etwas an den Nerven, fast eine Stunde dauert es bevor wir richtig durchstarten können. Wir nehmen die Autobahn und fahren dann in Drammen ab um im örtlichen XXL Laden noch schnell ein paar Real Turmats zu kaufen. Außerdem muss ich mir noch eine neue Regenhülle gönnen, ich habe meine in Deutschland vergessen, hoffentlich das Einzige was fehlt. Die Sachen sind schnell besorgt und es geht weiter.

Unser eigentliches Tagesziel Fagernes werden wir allerdings nicht mehr erreichen, in Drammen war es schon bald 19:00 Uhr. Zwei weitere Stunden im Auto vergehen schnell und wir entschließen uns, auf dem Campingplatz Buttingsrud in Hallingby die Nacht zu verbringen. Schnell sind die Zelte aufgebaut und wir gönnen uns eine Erbswurst mit Leberwurstbroten. Es ist eine Erbswurstweltpremiere für Ulrich. Noch ein Feierabendbier und es geht ins Bett.

Tag 4: Dienstag 31.07.12

Wir stehen zeitig auf, heute liegt noch einiges an Straße vor uns und auch die eigentliche Tour soll heute losgehen. Wir packen unsere Sachen und auch ich mache mein Zeug wanderfertig und packe meinen Rucksack endlich auch ordentlich zusammen. Dann geht es weiter nach Fagernes.

Wir treffen Julia, reden über die Tour, holen uns Tipps und kaufen noch Lebensmittel ein. Dann frühstücken wir noch gemütlich, verabschieden uns wieder bei Julia und nehmen die letzte Strecke nach Lesja in Angriff.

Die Landschaft vor der Windschutzscheibe ist echt toll, die Vorfreude steigt. In Gjendesheim machen wir noch eine kleine Kaffeepause in der DNT Hütte bevor wir dann von Vågåmo aus die Mautstraße über die Berge nach Lesja nehmen. Das macht echt Laune so über die Schotterpiste zu düsen.

Gegen 16:00 Uhr erreichen wir den Bahnhof in Lesja, hier wollen wir das Auto stehen lassen und starten. Wir nehmen den Aufenthaltsraum im Bahnhof in Beschlag und essen etwas. Dann werden die Rucksäcke geschultert und die eigentliche Tour kann beginnen. Hoffentlich steht das Auto auch noch hier wenn wir wieder zurückkommen.

Ganz schön schwer die Rucksäcke, zum Glück haben wir keine Waage dabei. Es nieselt etwas, aber egal. Es geht wieder die Straße runter, über die wir gekommen sind. Wir gehen vorbei an der Kirche und dem Bygdmuseum und überqueren den Gudbrandsdalslågen.

Dann geht es über einen Fahrweg zu einem Bauernhof weiter bevor wir uns dann an den Anstieg hoch Richtung Avdemssetre machen. Dort auf der Alm wollen wir zelten.

Ich komme jetzt schon gut ins schwitzen, so fast ohne Training solch eine Tour zu beginnen war vielleicht doch ein Fehler. Die geschätzten 28kg auf dem Rücken tun ihr übriges und so gerät der erste kurze Weg heute schon zu einer kleinen Quälerei für mich.

Aber nach eineinhalb Stunden ist auch das überstanden und wir stehen oben auf der Alm. Ein paar Hütten sind da. In einer sitzen Vater und Töchter gerade beim Abendessen. Wir quatschen kurz und suchen uns einen Platz für die Zelte, holen Wasser am Bach.

Wir essen zu Abend. Suppe, Real Turmat und Schokopudding. Bald dann geht es ins Bett, der nächste Tag wirft bereits seinen Schatten voraus. Ich bin sehr gespannt, wie es wird nur mit Karte, GPS und Kompass loszuziehen.

Tag 5: Mittwoch 01.08.12

Heute schaffen wir es früh loszulaufen, darauf hatten wir uns bereits am Abend vorher verständigt. Um 6:00 Uhr sind wir wach und machen uns ans Frühstück. Auf der Alm gibt es innerhalb der Ruine einer Hütte ein Plumpsklo, ein Luxus den wir uns gönnen. Gegen 8:00 Uhr geht es dann los.

Zu Anfang gibt es noch Birken und ziemlich feuchtes Gelände. Eher nicht so schön zu gehen. Doch bald erreichen wir die Baumgrenze und es wird steiniger.

Wir machen eine kurze Pause, wir haben tolle Aussichten. Über reichlich Schutt und Geröll geht es bis zur Mittagspause weiter. Wir suchen uns ein nettes Plätzchen und genießen ausgiebig die Aussicht gen Rondane und Dovrefjell. Sogar ein kleines Schläfchen ist drin.

Dann erklimmen wir den 1.768 m hohen Søre Kjølhaugen. Von dort geht es hinüber zum Kjølen (1.755m) immer auf ungefähr derselben Höhe und über ziemlich viele Steine. Auch hier hat man schöne Aussichten. Wir steigen etwas ab und sehen Steine, Steine, Steine. Überall und soweit das Auge reicht. Richtig was für Blockwerkfetischisten, die können sich hier richtig austoben.

Langsam machen wir uns Gedanken über unser Nachtlager. Wir wollen noch über ein Schneefeld einen Berg umrunde und dann an einem größeren See auf 1639m schauen, ob wir einen hübschen Platz finden.

Gesagt getan, wir laufen über das Schneefeld um den Berg und finden etwa 50m entfernt vom See einen nahezu perfekten Platz zum Zelten.

Wir bleiben hier, freuen uns einen Ast ab und bauen die Zelte auf. Wir holen Wasser, ich mache eine kurze Katzenwäsche im eiskalten Wasser und dann kochen wir zu Abend. Dann kommt noch die Sonne raus, was will man mehr.

Aber bald wird es ziemlich frisch, immerhin sind wir hier auf ungefähr 1650m und sobald die Sonne weg ist, wird es schnell ungemütlich. Wir gönnen uns noch einen Schluck Aquavit in der Sonne und genießen dann die letzten Strahlen vom Schlafsack aus. Was ein toller erster richtiger Wandertag.

Tag 6: Donnerstag 02.08.12

Um 7:00 Uhr sind wir wach. Heute Nacht hatten wir leichten Nachtfrost und nun nieselt es. Na toll, was soll das denn? Wir frühstücken bei mir im Zelt, ist ja groß genug. Ulrich wundert sich, dass ich so ganz ohne Zeltunterlage unterwegs bin, aber das muss das Zelt abkönnen, außerdem schleppe ich schon genug unnützes Zeug mit mir herum.

Dann hört es kurz auf und wir ergreifen die Chance. Einpacken und Abmarsch. Die Aussicht lässt nichts Gutes erahnen. Also denn, vom Herumstehen wird es bekanntlich auch nicht besser, also los. Erst kurz über Felsbrocken geht es dann über ein riesiges Schneefeld hoch Richtung Gråhø.

Man sieht fast gar nichts und es ist echt unwirtlich hier. Zum ersten Mal kommen mir komische Gedanken hier. Was passiert wenn wir in einen White Out geraten? Das GPS versagt? Was auch immer? Egal, ich schiebe die Gedanken zur Seite, der Aufstieg auf 1800 m ist schon anstrengend genug. Wir sparen uns den Gipfel auf 1866 m, man sieht es gar nichts, die reinste Waschküche und pausieren auf ungefähr 1800 m. Irgendwie schlägt mir das Wetter aufs Gemüt, ist schon eine sehr spezielle Erfahrung hier für mich, ich bekomme eine Ahnung von Wintertouren bei schlechtem Wetter.

Nach der kurzen Pause geht es weiter über grobes Blockwerk, aber daran gewöhnt man sich mit der Zeit ja. Der Skartind kommt in Sicht. Eigentlich ein netter Berg zum Erklimmen, aber auch hier gilt, bei Mistwetter irgendwie ohne Sinn. Also orientieren wir uns an dem Berg und suchen uns den passenden Weg weiter durch das endlose Blockwerk und Geröll.

Zwischendurch zur Abwechslung noch ein paar riesige Schneefelder, was mache ich hier bloß? Aber irgendwie macht es auch riesig Spaß sich hier durchzuquälen und die Herauforderung anzunehmen.

Gegen 13:00 Uhr finden wir ein nettes Plätzchen am Vesleskardet mit schöner Aussicht und machen Pause. Der Blick geht ins Tal hinab und wir genießen die Pause richtig. Nach 45 Minuten, Pausentee und Minisalamis erklimmen wir den Minisattel zwischen Rygghøi und Skartind am Talende und laufen auf großen Schneefeldern rund um den Skartind. Die reinste Wanderautobahn, es macht richtig Spaß. Das Wetter wird auch besser, was will man mehr.

Gegen 15:30 Uhr machen wir dann wieder Pause. Die Anstrengungen des Tages hinterlassen kleine Spuren. Aber wir sind ja nicht auf der Flucht, von daher genießen wir auch hier den perfekten Ausblick auf das Tal. Unglaublich, so einen Wandertag habe ich noch nicht erlebt.

Nach einer Stunde Pause machen wir uns an den Abstieg zum Råkåvatnet See. Hier wollen wir Zelten. Der Abstieg gestaltet sich kurzweilig, wenn auch etwas matschig. Aber egal, das Ziel ist vor Augen und das Ende in Sicht. Wir überqueren einige Bäche und einen etwas größeren, den Storgrovi. Unseren Plan direkt am See zu zelten verwerfen wir als wir an einen tollen Zeltplatz am Bach finden. Am See sind zwar ein paar Hütten und man sieht auch ein Boot auf dem See, aber es reicht für heute und besser wird es vermutlich auch nicht mehr. Der Zeltplatz ist perfekt, die Sonne kommt raus, etwas Wind vertreibt die Mücken.

Schnell sind die Zelte aufgebaut und wir gönnen uns ein kurzes, aber erfrischendes Bad. Nicht schlecht, aber zumindest mich trifft beim Baden in diesen kalten Bächen fast immer der Schlag, daran werde ich mich nie gewöhnen.

Dann gibt es gemütlich Abendessen und wir freuen uns richtig über den gelungen Tag und den tollen Zeltplatz. Manchmal muss man die Herausforderung einfach annehmen und dem Wetter eine Chance geben.

Tag 7: Freitag 03.08.12

Was ein Wetter. Zum Helden zeugen. Unfassbar. Wir krabbeln morgens um 7:00 Uhr aus dem Zelt und es ist toll, einfach toll. Eine leichte Brise trocknet die Zelte, Handtücher, Schlafsäcke. Ein Frühstück in der Sonne wartet. Wir machen noch ein paar Fotos und raffen unser Zeug zusammen.

Um 9:30 Uhr sind wir am Start und es geht wie schon gewohnt über reichlich Blockwerk los. Wir wollen gen Westen laufen und dann die alte nicht mehr gepflegte Strecke von Rippen nach Nysætri nehmen.

Gesagt getan. Wir durchqueren eine tolle Ebene und genießen die Weite. Wir treffen auf eine weitere alte Strecke, die zur Storhøhytta führt. Riesige alte Steinmarkierungen sieht man hier. Ein perfekt ausgeschilderter Weg. Zu gerne wüssten wir, wie alt diese Zeichen sind, aber sie scheinen schon immer dort zu stehen. Faszinierend.

Das Wetter wird frischer. Wir machen eine Pause mit Blick bis hinunter zum Ausjoen See. Nach der Pause geht es dann gen Nord-Westen bis wir auf die alte Strecke nach Nysætri treffen. Sie wird zwar nicht mehr gepflegt, ist aber trotzdem gut zu finden und wir folgen ihr Problemlos. Ein Weg, ein richtiger Weg, angenehm nach all dem Blockwerk.

Vorbei an kleineren und größeren Seen geht es dann zum Fellingvatnet. Dort müssen wir einen größeren Bach überqueren. Wir machen Pause, sind ja schließlich nicht auf der Flucht. Soll ja Urlaub und Erholung sein. Also Pausentee, Minisalami, Nüsse. Ich schlafe sogar ein bisschen. Es könnte einem schlimmer gehen würde ich mal so sagen.

Langsam allerdings wird das Wetter schlechter. Na toll. Plötzlich sehen wir vier Gestalten in der Ferne. Wo kommen die denn jetzt her? Dann geht es weiter um den See, die Leute bleiben immer in Sichtweite, scheinen Tagesausflügler ohne großen Rucksack zu sein. Dann fängt es an zu regnen. Egal, ist ja nicht mehr weit.

Plötzlich sehen wir jemanden vor uns mit einer Rettungsdecke herumfuchteln. Wilde Gedanken zu möglichen Unfällen und Hilfeleistungen schwirren durch meinen Kopf. Der Typ verschwindet, nur ein Teil der Rettungsdecke fliegt durch das Fjell. Wir denken nur so: Hä? Was soll das denn jetzt!?!

Wir laufen weiter und sammeln die Reste der Decke ein, der Typ ist weg. Mal schauen was das für ein Vogel ist, falls wir ihn denn unten am Parkplatz in Nysætri antreffen. Dann geht es langsam abwärts runter ins Tal, zum schwülen Regenwetter gesellen sich jetzt noch unzählige Mücken. Was eine Schei*e

Langsam geht es steil den Berg runter ins Loradalen. Ziemlich glitschig. Irgendwann vertrete ich mir das Knie, meine Stimmung schlägt um und ich bin genervt.

Unten am Parkplatz treffen wir tatsächlich den Rettungsfolientypen. Sieht ziemlich Deutsch aus. Ich bin etwas genervt, wegen dem Knie und der Folie und überhaupt. Spreche ihn absichtlich etwas rüde auf Englisch an und frage ob er Norwegisch oder Englisch spricht. Eigentlich etwas gemein, ich weiß, tut mir leid. Er verneint und ich frage ihn auf Deutsch, ob das die Reste seiner Rettungsfolie sind. Etwas ertappt sagt er, er habe sich vor dem Regen schützen wollen. Aber er schwört Stein und Bein, dass er sie wieder mitgenommen hat. Sie liegt im Auto. Er stürzt hin und präsentiert uns eine halbe Rettungsdecke. Ups, er hat keine Ahnung wie das passieren konnte. Ist ja nicht schlimm, er entschuldigt sich und wir bieten ihm an, unseren Müll, den wir jetzt schon ein paar Tage mit uns herumschleppen, mit zum nächsten Mülleimer im Tal zu nehmen. Geht doch.

Der Parkplatz ist direkt an der Lora und in der Nähe ist die Nyætri Alm. Man hat hier einige Erklärungstafeln zum Reinheimen Nationalpark aufgestellt und einen Unterstand für Wanderer und Rentierjäger errichtet. Ein wenig schade nur, dass wir den Tafeln so wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben. Aber Morgen dann.

Da das Wetter etwas ungemütlich ist, machen wir es uns im Unterstand gemütlich und beraten die weitere Vorgehensweise. Wir beschließen mal auf gut Glück zur Alm zu gehen, vielleicht können wir ja ein Brot, Käse und einen schönen Zeltplatz abstauben. Zeit haben wir eh genug, also los. Und schnell wieder zurück. Mehr als Sightseeing ist nicht drin. Niemand da. Also bauen wir unsere Zelte am Unterstand auf und verbringen den Rest des Tages mit Kochen, Lesen, Rumgammeln und der Planung der nächsten Tage.

Tag 8:Samstag 3+1.08.12

Um 7:30 Uhr schälen wir uns aus den Schlafsäcken. Das Wetter ist eher so mittel. Irgendwie kommen wir nicht so recht in die Pötte. Ein kleines Tief scheint uns ereilt zu haben, nicht nur bei Wetter. Wir tun uns die Ruhe an und packen nach dem Frühstück langsam zusammen. Gerade als wir starten fängt es an zu nieseln. Also wieder den Rucksack ab, Regenhülle drüber, die Softshelljacke aus, ab in die Regenjacke. Dann über die Brücke und kurz einigen Schafen den Vortritt gelassen.

Wir folgen dem Fahrweg und dann einem Pfad bis zur Saubua. Da kann man schön drin übernachten, reichlich Holz da und ziemlich urig.

Weiter geht es, nur wir verpassen irgendwie den Weg, alles sieht auf einmal aus wie ein Weg. Wir steigen durch die Gegend, sind etwas genervt. Statt zum Fluss runter versuchen wir es den Berg hoch. Irgendwann finden wir den Weg dann doch, unten am Fluss natürlich. Ein Schwebebalken führt uns über einen Bach und dann weiter über einen schmalen Weg weiter hoch den Fluss folgend. Der Weg führt nun auf eine kleine Anhöhe etwas weg vom Fluss.

Am Morgen haben wir die Schilder am Unterstand etwas näher in Augenschein genommen. Da ist doch tatsächlich eine offene Hütte etwa 6 bis 7km den Fluss hoch eingezeichnet gewesen. Da hätten wir auch gestern noch hingehen können, dachten wir da noch.

Gegen 10:00 Uhr erreichen wir dann die Bergebua. Das Wetter ist immer noch nicht so der Bringer. Wir schauen uns die Hütte mal näher an. Ist ziemlich gemütlich, so circa dreieinhalb mal dreieinhalb Meter groß. Zwei Betten, Ofen, Gasherd und Tisch, alles da. Und so wie es aussieht einfach so zur unentgeltlichen Benutzung.

Wir grübeln. Ein Ruhetag wäre zwar auch schön, aber eigentlich wollten wir heute so nah wie möglich bis an die Gråhoi wandern, um uns dann den Aufstieg so angenehm wie möglich zu gestalten. Ich schaue Ulrich an und weiß sofort was er denkt. Der Morgen war irgendwie komisch, es war ein wenig bei uns beiden die Luft raus und das Wetter tut heute sein übriges. Ich bin kurz skeptisch aber dann sprechen wir es beide aus, hier in der kleinen netten Hütte wäre ein dreiviertel Ruhetag gar nicht so schlecht. Wir müssen morgen den Fluss furten und wollen dann Richtung Gråhøi, da sind wir dann ausgeruht und haben uns nicht den ganzen Tag durch den Nieselregen gequält. So sei es. Wir diskutieren nicht lange herum und nehmen die Hütte in Beschlag.

Wir machen mal so richtig Feuer, waschen Wäsche und auch uns. Der Tag vergeht wie im Schlaf, jedenfalls bei mir. Trotz gefühlten und auch gemessenen 28°C zwischendurch in der Hütte, verschlafe ich nahezu den ganzen Tag. Wie ein Bär im Winterschlaf, herrlich. Abends dann noch gekocht und dann erst mal ne Runde schlafen.

Tag 9: Sonntag 05.08.12

Ziemlich verschlafen wache ich gegen 6:30 Uhr auf. Moin zusammen. Irgendwie hab ich wohl etwas zu viel Schlaf gehabt, ich bin scheinbar überschlafen. Aber egal. Heute steht ja so einiges auf dem Programm. Alles was richtig Spaß macht. Breite und eiskalte Flüsse furten, Höhenmeter mit einem schweren Rucksack ohne Ende. Das was wir halt Urlaub nennen.

Ich versuche heute mal Porridge zu kochen, klappt eher mäßig, die Routine fehlt. Um 8:00 Uhr ist die Hütte aufgeklart und wir nehmen Abschied. Wir müssen unsere Stiefel eigentlich gar nicht richtig schnüren, nach 100m müssen wir die Lora überqueren. Wir suchen uns eine nette breite Stelle aus. In der Mitte ist eine Insel, das sieht machbar aus.

Ulrich geht voran und wartet auf der Insel. Immer wieder schön so ein eiskalter Fluss am Morgen. Ich komme nach und gehe direkt weiter über die Insel und die zweite Flusshälfte. So haben wir nette Fotos von uns Beiden bei der todesmutigen Furt. Eigentlich halb so wild, nur einmal wird es bei mir etwas tiefer bzw. das Wasser steigt mir bis zum Oberschenkel. Aber kein Problem, der große und schwere Rucksack verhilft zu ausreichend Anpressdruck. Wenigstens ein Vorteil.

Auf der anderen Seite ziehen wir uns wieder an und schnüren die Stiefel. Allerdings ist das etwas schwierig. Es stehen einige Kühe von der Alm auf der Seite und haben scheinbar gefallen an unseren Schuhen gefunden. Keine Ahnung, vielleicht stehen sie ja auf stinke Schuhe, aber sie versuchen eben diese abzulecken. Vielleicht mögen sie einfach das Salz, dass vom Schweiß auf den Schuhen über bleibt. Aber grau ist alle Theorie, wie man hier ja im Pott so sagt.

Wir laufen den Kühen einfach davon und machen uns auf, die Bergflanke hoch in Richtung Løyfthøene zu erklimmen. Quer zum Hang geht es bergan. Bald schon komme ich tüchtig in Schwitzen. Wie ich es manchmal hasse, Berge und viele Höhenmeter. Ich und Wandern, ich muss doch total blöd sein, Ulrich muss sich vorkommen wie Hannibal der mit einem Elefanten über die Alpen zieht.

Gegen 11:00 Uhr machen wir Pause und blicken zurück. Halb so wild bisher denke ich, auch wenn bei mir der Schweiß in Strömen fließt und Ulrich mich ein wenig skeptisch anguckt. Aber wenn ich was kann, dann ist es sich bei solch einer Tour zu quälen. Und das macht mir sogar Spaß, auch wenn es nach Außen hin vielleicht anders aussieht. Wir haben tolle Aussichten auf das Tal der Lora.

Über Schneefelder steigen wir immer weiter auf. Eine leichte Euphorie macht sich breit. Wir werden oder können das heute tatsächlich schaffen und das Wetter spielt auch mit. Langsam rücken die Seen im Skarvedalen ins Blickfeld. Hier wollten wir eigentlich gestern hin. Gut, dass wir das nicht gemacht haben, denke ich nur, ist eher nicht so toll da zum Zelten. Die Aussicht ringsherum und zur Gråhøi hinüber sind echt toll, die Quälerei scheint sich zu lohnen.

Immer weiter herum über Schneefelder und reichlich Geröll um die Løyfthøene erreichen wir gegen 14:15 Uhr den Gipfelanstieg auf circa 1830 m. Echt krass, wir haben es fast geschafft und echt viele Höhenmeter mit dem dicken Rucksack gemacht.

Ich zolle uns selbst Respekt und Anerkennung – wir müssen total Wahnsinnig sein denke ich gleich danach. Ich so als gefühlter kleiner Wanderanfänger inmitten einer solchen Tour, komisches Gefühl, aber auch ein wenig Stolz obwohl wir noch gar nicht ganz oben sind.

An einem großen Felsen lassen wir bis auf einen Rucksack mit etwas zu Essen und warmen Jacken alles zurück und steigen die letzten Höhenmeter zum Gipfel über ein großes Schneefeld hoch. Allein die Aussichten beim Aufstieg hinüber zum Storbreen, dem See und der ganzen Umgebung sind spektakulär.

Um 15:00 Uhr sind wir dann bei gutem Wetter oben. Was eine tolle Aussicht und wir haben es tatsächlich geschafft. Ich kann es kaum fassen, das hätte ich vor der Tour nie gedacht, unglaublich. Wir machen viele Fotos, sind total euphorisch und freuen uns riesig.

Jemand hat ein Rentiergeweih zurück gelassen, wir albern herum, genießen einfach alles um uns herum. Es gibt Schokolade und Tee. Nach 45 Minuten machen wir uns dann wieder an den Abstieg. Was ein Erlebnis, was eine Landschaft. In diesem Moment ist alles, wirklich alles vergessen, nur das hier und jetzt zählt. Krasses Gefühl.

Wir rennen das Schneefeld fast herunter und sind schnell wieder beim Gepäck. Wir nehmen es wieder auf und laufen los. Wir wollen irgendwo Søre Grønvatnet zelten.

Aber der Weg dahin bietet noch einige Hindernisse, der direkte Weg funktioniert nicht, da es dort sehr steil abfällt, die Schneefelder sind zu steil und zu gefährlich um sie direkt in Angriff zu nehmen. Wir werden einen netten Bogen laufen müssen. Aber egal, wir sind vom Gipfelerfolg noch völlig aus dem Häuschen und überbieten uns in Vorstellungen an ein tolles, eiskaltes Bier am Abend an einer Schneebar.

Bald haben wir den Løyfthøene zu dreiviertel umrundet, es geht über Schnee schnell voran. Irgendwann ergibt sich die Möglichkeit vielleicht doch ohne Umweg abzusteigen. Ein großes Schneefeld führt hinunter zum See. Ist zwar immer noch steil aber anscheinend machbar. Wir einigen uns darauf, das sollte einer von uns sich bei der Aktion nicht wohl fühlen, abzubrechen und den längeren Weg zu nehmen.

Gesagt getan. Wir näheren uns über ein steile Geröllband dem Schneefeld. Ulrich ist schon fast auf dem Schnee als ich irgendwie den Boden unter mir verliere und das Geröll unter mir anfängt weg zufließen. Ich muss aussehen wie Goofy als ich versuche mir etwas Halt zu verschaffen. Ich lande auf dem Hosenboden und gewinne schnell wieder die Kontrolle. Allerdings habe ich einen ziemlich großen Stein das Schneefeld hinunter geschickt.

Die Spur, die dieser hinterlässt sieht ziemlich imposant aus. Also wohl besser vorsichtig den Hang queren und aufpassen. Ulrich steht belustigt etwas abseits und macht Fotos. Jaja, Spott und dafür sorgen und so. Aber auch ich fange an zu lachen nach dem kleinen Schreck, was für große und verwegene Abenteurer wir doch sind und ich mir bei so etwas fast in die Hose mache. Im Nachhinein betrachtet war es dann aber auch halb so wild und eher eine lustige Anekdote.

Wir laufen also quer zum Hang das Schneefeld runter und von unten betrachtet sieht es auch gar nicht so schlimm aus. Also beim nächsten Mal einfach auf dem Hosenboden runter. Wir laufen um den See und blicken immer wieder auf den Abhang zurück. Nett. Etwas oberhalb vom Søre Grønvatnet finden wir einen perfekten Zeltplatz mit einer Aussicht zum Niederknien auf den Storbreen und die Gråhøi. Was will man nach einem solchen Tag noch mehr. Unglaublich.

Wir schlagen die Zelte auf und begeben uns an das Abendessen. Zur Feier des Tages gib es vorweg Elchsalami. Dann lassen wir den Abend gemütlich bei einem Dram Aquvit ausklingen. Perfekt, mehr fällt mir zu heute nicht ein. Einfach perfekt.

Tag 10: Montag 06.08.12

Stehen um 7:00 Uhr auf, packen und ziehen los. Es ist zwar recht frisch, aber die Sonne scheint.

In der Nähe soll es eine unverschlossene Hütte geben, die Grønbu zwischen Nordre und Sødre Grønvatnet. Dort wollen wir frühstücken. Wir laufen östlich um den südlichen See und überqueren den breiten Ablauf.

Die Hütte ist dann doch verschlossen, vielleicht weil sie gerade frisch renoviert ist. Egal, wir sitzen in der Sonne und lassen es uns gut gehen. Herrlich. Wir besprechen das weitere Vorgehen.

Nach Abwägung aller Möglichkeiten entschließen wir uns, den nördlichen Schlenker, Schlenker sein zu lassen und den direkten Weg zur Torsbu Hütte zu nehmen. Zwei Hüttentage in Torsbu und in der Veltdalshytta erscheinen uns doch recht verführerisch. Scheint auch gar nicht so weit zu sein auf der Karte und das Wetter ist perfekt. Warum nicht.

Wir wollen den Nordre Grønvatnet westlich umrunden, dann auf den Kollvatnet zuhalten und diesen Südwestlich über das große Schneefeld in Richtung Diggerkampen umrunden. Klingt wie ein Plan, also los. Wir halten auf ein Schneefeld zu. Oben auf dem Hang trohnt ein Felsen, den man scheinbar ohne weiteres hinunter schubsen könnte. Ulrich hat wohl zu viel Energie, er macht sich auf das mal auszuprobieren. Ich schüttele nur mit dem Kopf und beobachte entspannt.

Oben angekommen ist der Stein doch etwas zu groß, keine Chance. Lachend laufe ich weiter über Schneefelder um den See um Ulrich dann wieder zu treffen.

Wir laufen gemeinsam weiter und amüsieren uns köstlich über diesen Versuch. Immer weiter über Schnee. Eigentlich wollten wir direkt hoch über den Bergrücken zur Kjelkehøene laufen, aber die Schneefelder sind zu verführerisch.

Wir umrunden den Bergrücken am See und laufen dann das als Gletscher gekennzeichnete Schneefeld hoch. Spektakulär und sehr eindrucksvoll würde ich mal so sagen. Andere würden sagen: Geil!

Oben machen wir Pause, die Sonne brennt. Anschließend geht es weiter Richtung Digerkampen und Digerkampvatnet.

Wir steigen über ein Schneefeld ab, queren einen Fluss, über die Schneebrücken trauen wir uns nicht. Aber nichts desto trotz ein toller Anblick.

Dann geht es durch das Knie-Tal. Es gibt keine Fotos, es war einfach nur ein Tal randvoll mit Blockwerk. Wir brauchen eine geschlagene Stunde dafür, auf der karte mag es vielleicht ein Kilometer sein. Die Sonne brennt, mein Knie tut weh und dann noch das blöde Blockwerk. Als wir endlich am See ankommen, suchen wir Schutz im Schatten eines Felsens und machen schon wieder Pause. Ich bin total fertig und penne ne Runde.

Ein Rettungshubschrauber fliegt über uns hinweg, die müssen eine Aussicht haben und wir quälen uns hier so zu Fuß durch. Nach der Pause umrunden wir den See und laufen weiter über ein Schneefeld in Richtung Ryggjehøi.

Wir nehmen das Quertal mit viel Blockwerk, was sonst. Aber oben am See hat man dann den Blick auf ein faszinierendes großes Schneefeld. Der See leuchtet grün und blau, einfach unbeschreiblich toll. Irgendwie sind heute an jeder Ecke tolle Ausblicke. Bloß nicht weitersagen, wie schön es hier ist.

Wir schießen Fotos und gehen weiter wieder über Schnee. Oben angekommen haben wir einen Ausblick auf den Storvatnet See.

Unglaublich wie viel Eis noch auf dem See ist. Und dann erst die Schneefelder drum herum. Was soll man dazu noch sagen? Ein Traum. Was für ein Wandertag.

Wir machen uns auf den See Nordwestlich zu umrunden. Es ist allerdings schon nach halb vier. Wir checken die Karte und machen Pause, essen etwas, es wird noch ein gutes Stück zu laufen sein.

Da uns die Mücken nerven, geht es weiter. Wir laufen am Ufer des Storvatnet auf den Søre Bolla zu. Wir passieren die zwei kleinen Seen südlich über große Schneefelder.

Es zieht sich langsam. Wir gehen stracks auf die 18:00 Uhr zu und haben noch gut was vor der Brust. Es zieht sich jetzt schon länger. Beim Blick auf die Karte essen wir lieber noch ein weiteres Snickers, es sind bestimmt noch 5 oder 6 Kilometer.

Dann durchqueren wir die Spongflyi Ebene, bis wir einen Fluss überqueren müssen, den Kvibottelvi. Na toll, uns bleibt auch nichts ersparte. Es zieht sich jetzt schon eine ganze Weile. Wir laufen den Fluss hoch, auf Furten haben wir heute keinen Bock mehr. Aber auch das klappt dann schlussendlich, trockenen Fußes schaffen wir auch das.

Irgendwann, ich habe wirklich überhaupt keinen Bock mehr, sehen wir Steinmännchen und kurz darauf einige Leute beim Abendspaziergang. Na endlich, dann sind wir ja bald da.

Aber die letzten zwei, drei Kilometer geben mir dann fast denn Rest. Als wir die Hütte endlich erreichen, haben wir 27 km durch wegloses, brockiges Gelände mit viel Sonne auf dem Tacho. Es ist bald 19:30 Uhr, aber wir haben es echt geschafft. Wir stolpern in die Hütte. Ulrich holt Wasser und ich mache den Ofen an.

In der älteren Hütte sind wir alleine, in der anderen ist noch eine norwegische Familie. Wir richten uns ein und stellen ein Menü zusammen. Zuerst gibt es den Laks aus der Dose und dann noch ganz viel Nudeln für uns beide. Zum Dessert noch Dosenpfirsiche. Wow, was ein Ritt heute. Wir sind echt gut fertig.

Der Sonnenuntergang zaubert dann noch einige tolle Farben, nett hier, und der See ist echt noch voller Eis. Wir lesen noch etwas und dann geht es ab in Bett, ich denke wir können heute auch trotz des Vollmondes gut schlafen.

Tag 11: Dienstag 07.08.12 Torsbu – Veltdalshytta

Ich steh um 8:00 Uhr auf, Ulrich ist schon länger wach. Wir frühstücken sehr ausführlich, heute lassen wir uns richtig Zeit.

Dann klaren wir die Hütte auf und erst gegen 11:00 Uhr geht es los zur Veltdalshytta.

Wir laufen am See entlang bis zum Ablauf und überqueren die Sommerbrücke. Alles easy soweit. Wir blicken zurück zur Hütte und laufen leicht den Berg hoch.

Vorbei am Kupevatnet dann geht es hinab zum Fremste Veltdalsvatnet. Es geht heute entlang von zwei größeren Seen zur Hütte. Nebel zieht auf und der Weg wird rutschig. Kurz vor dem See treffen wir auf eine Gruppe Angler, aber in der Waschküche hier sieht man fast gar nichts.

Wir folgen dem Weg am Ufer und machen dann am Ende des ersten Sees Pause. Tee und Riegel machen das Wetter erträglich. Und viel Zeit, die wir heute auf dieser kurzen Etappe haben.

Entlang des Heimste Veltdalsvatnet sieht dann die Welt schon anders aus. Es müssen einige Bäche überquert werden. Dann ist die Wegführung etwas komisch. Es geht teilweise etwas steiler hoch und runter. Der Weg ist schlammig und rutschig. Auf einem nicht so kritischen Stück vollführt Ulrich eine perfekte Judorolle. Das sollte hier besser nicht so oft passieren. Der Weg führt steil etwa 20m oberhalb des Sees her, besser nicht runterfallen oder ausrutschen.

Irgendwann kommt dann auch die Hütte in Sicht. Jetzt muss teilweise auch noch etwas geklettert werden, sofern man Wandern mit Hand am Fels so bezeichnen möchte. Aber auch das lassen wir stoisch über uns ergehen und überqueren noch schnell den letzten Bach auf dem Weg zur Hütte. Wir haben viereinhalb Stunden gebraucht. Schnell wird das Zimmer bezogen und wir waschen uns und ein paar Klamotten.

Die Hütte ist echt riesig und relativ neu. Das Essenslager ist proppenvoll und bietet alles was das Herz begehrt, so etwas hab ich noch nicht gesehen.

Der Wahnsinn. Wir beschließen Pfannkuchen zu machen. Langsam füllt sich die Hütte, das Wetter draußen ist die reinste Waschküche.

Die Pfannkuchen schmecken vorzüglich. Dann geht es weiter mit Entspannung, Buch und Kartenstudium und irgendwann gibt es dann auch Abendessen. Wanderer was willst du mehr.

Der letzte Abend zusammen auf Tur, schon komisch nach den tollen letzte Tagen. Wir kommen noch mit einem Deutschlehrer ins Gespräch. Er ist schon älter und wir berichten ihm von unserer Tur. Wir unterhalten uns angeregt den ganzen Abend lang gemütlich bei einem Schluck Norwegischem Lebenswasser über alles Mögliche und viele Turen.

Tag 12: Mittwoch 08.08.12 Veltdalshytta – Billingen – Lesja – Toftemo

Irgendwie doof, heute müssen wir in Billingen den Bus um 16:00 Uhr erreichen. Willkommen zurück im Leben nach der Uhr. Egal, wir stehen um 7:00 Uhr auf. Frühstück und packen, die ewige Routine. Das Wetter ist heute besser, mal sehen, vielleicht bekommen wir ja heute mehr von der schönen Umgebung mit. Ein bisschen Respekt vor den Kletterstellen schwingt allerdings zum Start schon mit.

Aber irgendwie geht es heute besser als gestern noch gedacht. Der Weg ist bis zum Kupevatnet derselbe wie gestern. Nur mein Knie zickt ein wenig rum. Das Auf und Ab ist heute trotzdem irgendwie besser zu laufen. Warum auch immer. Die Landschaft hier ist in der Tat schön, nur die Wolken behindern die Sicht auf die Gipfel. Wir liegen gut in der Zeit und machen Pause am See. Bis hier hin eigentlich ganz relaxed.

Ab dem Kupevatnet folgen wir leicht bergan den Weg nach Billingen.

Der Blick ins Torddalen ist super, ein richtig tolle Tal. Das macht Lust auf mehr. Allerdings ist jetzt bei mir richtig Leben im Knie. Das wird nicht so spaßig den Abstieg zu bewältigen.

Wir steigen ab bis zur Tverråhytta, etwas oberhalb der Brücke über die Torda. Ulrich ist eher da, ich humple etwas hinterher. Die Hütte liegt unbeschreiblich schön auf halber Höhe im Tal, Aussichten in zwei Richtungen. Toll. Zwei Zelte stehen an der Hütte. Scheinen Leute da zu sein. Ulrich geht rein, die Hütte ist offen.

Wir wollten hier Pause machen, jetzt ist die Hütte offen und drinnen spielt eine Frau mit der Tochter Uno. Sie lassen uns in die kleine Stube. Wir quatschen, die Tochter hat heute Geburtstag. Na dann Gratulerer med dagen! Sie haben die Hütte gemietet und machen ein paar Tage Ferien. Die Männer der Familie sind zum Angeln unterwegs. Wir machen uns dann wieder auf. Es ist bald 13:30 Uhr und der Bus wartet nicht. Immer dieser Stress. Wir empfehlen uns und wünschen noch einen schönen Geburtstag.

Wir überqueren die Brücke und folgen dem Fluss. Die Aussicht macht echt Spaß, mein Knie nicht.

Da wir den Bus bekommen müssen, eilt es etwas und der Weg macht es einem manchmal nicht leicht. Es zieht sich, ist teilweise sumpfig und nimmt für mich echt kein Ende.

Gegen 15:30 Uhr ist es dann doch fast geschafft. Wir erreichen Billingen und die Grenze zum Nationalpark. Na endlich.

Ich hab mich ganz schön gequält. Leichte Zweifel kommen auf, wie das wohl noch drei Wochen mit dem Knie so klappen soll. Für Samstag hab ich mir dazu noch die Marathon Etappe von Skridulaupbu nach Slæom vorgenommen. Aber egal, heute ist heute und morgen nicht wichtig.

Wir haben es in der Zeit geschafft, was wollen wir mehr. Wir trotten runter zur Straße, packen unser Zeug buskompatibel und warten.

Wir wollen mit dem Bus nach Otta und von dort mit der Bahn über Dombås nach Lesja zurück. Soweit der Plan. Wir entern den Bus und nehmen Platz. Ich traue mich zuerst nicht die Stiefel auszuziehen, mache es dann aber doch. Meine Güte! Goretex Stiefel, Gamaschen und keine Merino Socken. Eine unglückselige Kombination und nichts für empfindliche Nasen.

Der Bus ist etwas zu früh in Otta. Macht aber gar nichts. Wir laufen direkt zum Bahnsteig und haben Glück, irgendein Zug gen Dombås steht gerade zu Abfahrt bereit. Perfekt, das spart uns 90 Minuten Warterei. Von Dombås noch kurz die Raumabahn bis Lesja genommen und wir stehen gegen 19:30 Uhr wieder am Auto. Lustig die ganzen Touristen in der Raumabahn die uns ansehen als wären wir vom Mond. Sie zeigen staunend auf die Berge von Reinheimen und wir denken nur, wenn ihr wüsstet wir schön es da oben ist.

Tatsächlich ist das Auto noch genau da wo wir es abgestellt haben. Das wäre es noch gewesen, ist es ja aber zum Glück nicht. Wir räumen unser Zeug ein und fahren Richtung Otta. Wir kaufen ein und suchen uns einen Campingplatz. Die Wahl fällt auf die Toftemo Turiststation. Ganz nett hier. Gute Duschen, wir verwandeln den Waschraum in eine Dampfsauna. So eine Dusche kann manchmal der Himmel auf Erden sein. Ich werfe meine dreckigen Sachen in die Waschmaschine und wir kochen Nudeln. Dazu ein zwei oder auch drei Biere auf die gelungene Tur. Leider fängt es irgendwann an zu regnen und wir gehen zu Sack.

Tag 13: Donnerstag 09.08.12 Toftemo – Ringebu – Sota Sæter

Der letzte Tag gemeinsam. Heute möchte Ulrich noch eine kleine Lücke in Ringebu schließen. Er möchte von Kvitfjell bis Ringebu hinunter laufen. Nur eine kleines Stück, aber auch das möchte gelaufen werden. Wir raffen unser Zeug zusammen und machen uns auf. Frühstücken wollen wir unterwegs irgendwo. Wir fahren dann bis Ringebu und frühstücken oben in Kvitfjell auf der Terrasse eines der Skihotels.

Im Winter steppt hier der Bär im Kettenhemd und jetzt im Sommer fehlen nur noch die aus Western bekannten Steppenläufer die durch die verlassenen Hotelanlagen wehen.

Ulrich läuft los und ich fahre mit dem Auto nach Ringebu hinunter um dort auf ihn zu warten. Ich streife durch die Stadt und mache mir Gedanken wo ich am nächsten Tag starten möchte. Davon wird dann auch die übrige Tagesplanung abhängen.

Als Ulrich am Bahnhof erscheint ist meine Entscheidung gefallen. Ich werde mir die Skridulaupbu –Slæom Etappe ersparen und stattdessen von Sota Sæter aus durch Breheimen bis runter zum Lustra-Fjord laufen um dann mit dem Bus hoch nach Turtagrø zu fahren. Von dort aus solles eine grobe acht durch Jotunheimen werden. Die Busverbindung finde ich im gelben Conrad-Stein-Verlag Buch Jotunheimen, dem aktuellen Fahrplan lasse ich mir im Turistbüro ausdrucken. Soweit der Plan.

Also wieder ins Auto und los. In Lom kaufe ich mir noch ein paar Merinosocken gegen die Fußstinkerei und wir kehren in der weitbekannten Bäckerei auf einen Kaffee mit Gebäck ein.

Trotz Regen eine willkommene Abwechslung und ich kann meinem Boller und Zimtschneckenfetisch frönen. Dann fahren wir weiter nach Sota Sæter.

Dort ist rein gar nichts los. Wir wollen im Schlafsaal übernachten bekommen aber ein Doppelzimmer. Wir sagen dreimal wir würden gerne den Schlafsaal nehmen, man verweist uns auf das Doppelzimmer. Okay, ein Upgrade, vielleicht weil so wenig los ist. Nun gut, wir beziehen das Zimmer und Essen draußen zu Abend, wir haben noch mehr als genug zu Essen und ein frisches Brot aus Lom dabei.

Anschließend überlege ich, was ich an Lebensmittel für den zweiten Teil der Tur mitnehmen möchte. Auch fliegen einige Sachen wie das zweite Paar Hosen, die Gamaschen oder auch die Zeltlaterne raus. Meine Güte, das wird trotzdem ganz schön viel. Bei einem Bier in der Stube beschließen wir den Tag.

Allerdings kommt uns da noch eine Idee. Ulrich fährt morgen sowieso in Gjendesheim vorbei, vielleicht kann er da für mich einen Teil der Lebensmittel deponieren, dann brauche ich nicht so viel schleppen. Ich rufe in der Hütte an. Kein Problem sagt man mir. Das hört sich gut an. Ich lasse mir noch einen großen Müllbeutel geben, darauf schreibe ich meinen Namen und meine Handynummer, dann kann Ulrich den morgen in Gjendesheim deponieren. Ein guter Einfall mit dem Depot.

Bald geht es weiter, dann werde ich Breheimen unter die Füße nehmen! Eine wunderbare Gegend, die nicht viel begangen wird und dementsprechend ruhig ist!

Weiter geht es – im zweiten Teil steht Breheimen auf dem Programm! 

Tag 14 Freitag 10.08.12 Sota Sæter – Slæom

Komisch. Gleich bin ich alleine unterwegs, denke ich beim Aufstehen. Merkwürdig. Ich packe mein Zeug zusammen und teile das Essen auf, nur noch halb so viel zu schleppen. Anschließend frühstücken und bezahlen wir. Aber nicht den Schlafsaal sondern das Doppelzimmer. Wir wollen diskutieren, aber man gibt uns zu verstehen, dass wir uns ja hätten beschweren können. Danke für nichts, wir haben ja nur drei Mal auf den Schlafsaal verwiesen. Aber davon wollen wir uns den Urlaub nicht vermiesen lassen.

Wir nehmen den Mautweg bis Mysubytta, das erspart mir den Fahrweg, den zu laufen macht selten Spaß. Gegen 11:00Uhr heißt es Abschied nehmen. Echt blöd, wir schon im letzten Jahr gehe ich nun alleine meinen Weg. Da hockt man so lange 24 Stunden am Tag aufeinander, hat zusammen eine tolle Zeit, unterhält sich gut und dann geht man alleine los. Irgendwie macht das keinen Spaß, aber ich hab es mir ja so ausgesucht. Das Ganze ist schwer zu beschreiben, aber Lust hab ich heute kaum. Wir machen es kurz, schießen noch ein paar Fotos und dann mache ich mich auf über die Brücke und auf in drei Wochen Abenteuer alleine. Nun denn.

Etwas missmutig trotte ich los Richtung Mysubyttdalen. Der Weg schlängelt sich durch Birkenwald. Es nieselt, mir ist zu warm, ich schwitze wie blöd und überhaupt. Was soll das eigentlich? Wieso tue ich mir den Mist an?

Ich bin genervt, zum Glück ist es heute eigentlich nur ein Katzensprung. Ich befreie mich grummelnd von meiner Schwitzejacke und sehe zwei schöne Wasserfälle, aber auch die vermögen es nicht meine Stimmung zu heben.

Das Gelände wird offener, die Birken verschwinden gänzlich und gegen 13:00Uhr erreiche ich den Mysubyttvatnet. Das Wetter bessert sich zusehends. Am Ende des Sees etwas oberhalb müssen die Hütten liegen. Ein kleiner Lichtblick. Am See entlang wird das Ufer etwas steiler und ich muss ein wenig aufpassen, keine große Sache, aber heute halt doof.

Dann erreiche ich die Hütte. Unterwegs habe ich noch zwei, drei Wanderer getroffen, ich bekomme die ersten Wasserstandsmeldungen zu den Wegverhältnissen in Breheimen. Ich schließe die große Hütte auf und werfe mein Zeug in eines der Zimmer, trinke etwas und mache eine kurze Pause. Ist noch früh am Tag und meine Stimmung ist immer noch bewölkt, würde ich mal so sagen.

Von Ulrich weiß ich, dass man das Tal hinter der Hütte bis zum Sygneskarsbreen Gletscher hinauf laufen kann. Wenn ich schon mal da bin und das Wetter einigermaßen passt, kann ich es ja auch probieren und mir den Gletscher aus der Nähe ansehen. Der Durst kommt beim trinken oder wie war das. Also los, bevor ich hier heute auf der Hütte noch einen depressiven Anfall bekomme.

Ich ziehe ohne Gepäck los. Erst geht es über den Bach hinterm Haus und dann kurz steil hoch. Ich kann auf der anderen Talseite sehen, was mich morgen erwartet. Juhu, steiles wegloses Gelände, ich kann meine Vorfreude kaum verbergen.

Ich laufe also das Tal hoch, vereinzelte Steinmarkierungen geben die Richtung vor, Blockwerk und Schneefelder sind zu bewältigen. Nach eineinhalb Stunden komme ich zum Blankebergtjønne. Eigentlich müsste ich nur noch um den See, aber es zieht sich zu und ich habe keine Lust mehr.

Also geordneter Rückzug, ich hab es wenigstens probiert. Es wird etwas dunkler im Tal durch die tiefe Wolkendecke. Irgendwie nehme ich die Stimmung als etwas bedrohlich war. Die Talseiten ragen steil auf und über die Schneefelder sieht man gut, wo einzelne Steinabgänge ihre Spuren im Schnee hinterlassen haben.

Wie dem auch sein, gegen 18:00 Uhr bin ich wieder an der Hütte und das Wetter ist sehr viel besser geworden. Sollte der Wetterbericht von yr.no der in Sota Sæter hing ausnahmsweise Recht behalten? Eine Woche stabiles gutes Wetter war angekündigt, aber nach allgemeinem Konsens liegt yr.no in diesem Jahr wohl immer ziemlich daneben mit seinen Prognosen. Egal, die Stimmung bekommt wieder leicht einen Schubser in Richtung „Gut“.

Nanu denke ich, doch noch wer gekommen, die Hütte ist offen. Drinnen ist ein Spanier so denke ich erkennen zu können. Wir quatschen kurz. Er stellt sich dann als ein Israeli vor, heißt David. Er möchte von Grotli aus bis runter nach Stavanger laufen, hat dafür vier Wochen Zeit und die Route vom DNT zusammengebastelt bekommen. Vorher aber war er schon vier Wochen in Spanien unterwegs. Respekt, coole Sache, noch einer, der so lange unterwegs ist.

Allerdings ist er nicht ganz so an die hiesigen Wetterverhältnisse angepasst. Er hatte nicht gedacht, dass hier überhaupt noch Schnee liegt und es so feucht ist. Er hat nicht mal wasserdichte Schuhe und zu allem Überfluss ist er dann gleich zu Anfang die wohl längste und schwerste Etappe hier in weitem Umkreis gelaufen. Von Skridulaupbu aus hier hin. Und Überraschung, er fragt noch, wo er eine Karte her bekommt, in Grotli waren sie aus und er ist nur mit der Planungskarte vom DNT losgezogen. Daumen hoch für so viel Optimismus.

Ich schleppe einen ganzen Stapel Karten samt Kompass, ein GPS mit Ersatzakkus und einen PLB mit mir herum. Naja, er hat gerade seinen Militärdienst in Israel hinter sich, vielleicht ist er da ja Härteres gewöhnt, aber ich halte diese Herangehensweise an Turen in Norwegen doch ein klitzekleines Bisschen fahrlässig. In Sota Sæter, sage ich zu ihm, auf die Frage wo er eine Karte her bekommt.

Inzwischen sind auch noch Ingrid und Einar, zwei Norweger gekommen. Sie ziehen nebst mitgebrachtem Hund in die andere Hütte. Dann koche ich Frokost Kaffee für alle, die Packung lag angebrochen in der Hütte herum.

Beim Kaffee kommen wir nett ins Gespräch und alsbald nimmt das Abendliche Hüttenprogramm gestalt an. Ich koche mir Nudeln mit Pizzafyll, gar nicht schlecht, probiere es das erste Mal, aber Mamas Bolognese ist es halt dann auch nicht. David kocht auch Nudeln. Er hat ein großes GLAS Nudelsoße dabei. Er ist Jude, wie er sagt und ernährt sich eigentlich Koscher. Das macht die Sache hier irgendwie auch nicht leichter. Ingrid und Einar kochen sich auch noch was, ich glaube es gab Chilli Con Carne oder so. Dann spülen wir ab und sitzen gemütlich beisammen.

Wir teilen Schokospezialitäten aus Norwegen und Deutschland, versuchen dann Davids Route zu optimieren, einige Teile sind uns bekannt und wir tun unser Bestes. David fängt dann auf ein Mal an, etwas hektisch zu werden. Füllt schnell die Bezahlvollmacht aus, wäscht sein Zeug ab.

Was denn nun los? Ach ja, der Groschen fällt langsam. Mit einem kleinen jüdischen Backround versehen kommt es mir in den Sinn: Es ist Freitagabend und morgen Sabbat

Alles klar, da müssen noch schnell ein paar Dinge geregelt werden bevor es zu spät ist. Aber auch das ist alsbald erledigt und wir sitzen noch etwas zusammen und quatschen gemütlich.

Tag 15 Samstag 11.08.12 Slæom – Sprongdalshytta

Der Tag der Tage, die Königsetappe, eine kleine Grenzverschiebung meiner Leistungsfähigkeit oder auch nur eine schwachsinnige Aktion. Ich hätte einfach zuhören und auf die Karte gucken sollen. Das weiß ich jetzt, aber noch nicht beim Aufstehen morgens um 8:00Uhr. Da war noch alles gut.

Nach dem Frühstück packe ich mein Zeug. Ingrid und Einar sind schon etwas spät dran für ihre lange Etappe, David hat Sabbat und will nur nach Sota Sæter. Gegen 10:20Uhr laufe ich endlich und nur mäßig motiviert los. Aber der Wetterbericht hat recht, blauer Himmel und brennende Sonne werden mich den ganzen Tag lang begleiten.

Ich stapfe schwer bepackt los. Hinter der Hütte geht es heute die westliche Talseite hoch Richtung Kupløyftet. Ich laufe quer zum Hang ein großes Felsband hoch und überquere den Bach, der das Wasser von den Seen oben zu Tal führt.

Dann nehme ich ein großes und relativ steiles Schneefeld. Langsam kommt mein Gemüt wieder zu Kräften, der Blick zurück ist überaus lohnend und ich weiß auch wieder warum ich hier bin. Der Tag beginnt ziemlich gut.

Als ich oben bin stockt mir fast der Atem. Ich muss mich kneifen, so krass sieht es hier oben aus. Nur Schneefelder rund um die Seen. Geil. Und der Kupbreen sieht auch toll aus in der Sonne. Ich mache mich daran den See über die großen Schneefelder zu umrunden.

Ich bekomme das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht, Ulrich hat nicht zu viel versprochen, das wird wohl eine Traumtur heute.

Als ich den See umrundet habe kommt auch schon der Kupvatnet samt Austdalsbreen in Sicht. Entschuldigt die Sprache, aber Alter, was geht denn hier ab? Was ne fette Aussicht! Der Hammer!

Darunter muss ich jetzt. Alles voller Schneefelder und die Seen scheinen auch noch von Eis bedeckt zu sein. Woho. Ich gönne mir bei dem Ausblick das erste Snickers des Tages und kann es echt kaum fassen. Was das Wetter angeht hab ich echt den Papst in der Tasche.

Dann mache ich mich daran einen Weg hinunter zu den Seen zu finden. Klappt eigentlich ganz gut, die Schneefelder erleichtern das Vorankommen erheblich.

Ich laufe über einen Felsen, glitschige schwarze Algen sollten mir eigentlich Warnung genug sein. Aber ich bin ja jetzt gut drauf und der mega coole Wanderer mitten in der Wildnis hier – sprich ich bin kurz unkonzentriert. Die Quittung erhalte ich stante pede in Form einer netten Knieprellung die das Knie beim Aufschlagen auf dem Fels an alle verfügbaren Rezeptoren weitergibt. Ich sehe kurz Sterne und nicht druckreife Flüche hallen durch das Tal. Verfluchter Mist, willkommen zurück auf dem Boden der Tatsachen.

Aber Rumheulen ist nicht. Wenn ich hier lange herumstehe und mich selbst bemitleide wird es nur schlimmer. Also Zähne zusammen und weiter geht’s. Über große Schneefelder laufe ich um den Kupvatnet, einen See der für die Stromerzeugung genutzt wird.

Man erkennt gut wie hoch der Wasserstand hier sein kann. Der See ist noch mit Eis bedeckt, aber der Ausblick auf den Sygneskarsbreen und den Rundeggi sind ohne Worte. Mit offenem Mund stehe ich auf dem großen Schneefeld und kann mein Glück kaum fassen. Ich hier – unfassbar.

Es geht weiter voran über das Schneefeld. Es wird steiler und ich möchte den Sattel zwischen Kupvatnet und Austdalsvatnet überqueren. Mich trifft fast der Schlag als ich oben bin und den Austdalsbreen erblicke. Unwirklich und wie im Traum. Ohne Worte. Blauer Himmel und es liegt alles wie gemalt vor mir. Ich weiß schlagartig wieder, warum ich mir den ganzen Mist antue. Genau dafür.

Ich stehe auf einem großen Schneefeld, die Aussichten ringsherum sind unbeschreiblich und der Gletscher zieht mich in seinen Bann. Was will ich mehr? Ich suche mir ein nettes Plätzchen, es ist ungefähr 14:00 Uhr, genau richtig für eine ausgedehnte Pause, soweit ist es ja nicht mehr. Ich haue mir eine ganze Packung Minisalamis rein und trinke ordentlich, die Sonne brennt ganz schön.

Und wie ich so vor mich hin pausiere, sehe ich, wie eine Herde Rentiere auf den Gletscher läuft. Kurz darauf traue ich meinen Augen kaum. Ein Typ erscheint am Rande des Gletschers und hantiert an einer Kiste herum. Wo kommt der denn jetzt her?

Ich beobachte weiter und entdecke dann lauter weitere Leute. Und wo um alles in der Welt kommen die jetzt her? Zu Fuß etwa? Ich kann keine Boote oder so erkennen, aber die werden ja nicht so doof sein wie ich und den ganzen See per pedes umrunden. Egal, sie ziehen scheinbar Steigeisen und Gurte an. Kurz darauf kommen auch auf der anderen Ufer bzw. Gletscherseite Leute in mein Sichtfeld.

Insgesamt drei Gruppen machen sich auf, den Gletscher zu überqueren. Das würde mir bei dem Wetter auch gefallen, aber mein Tag war bis hier hin ja auch nicht so schlecht. Das Tagesziel heißt Sprongdalshytta. Geschwind um den See gelaufen kurz über oder um den Sprangdalseggi und ich bin da. Keine große Sache soweit. Ulrich war das ja im letzten Jahr auch gelaufen.

Also los. Ich suche mir einen Weg etwas oberhalb der Wasserlinie. Ich weiß, es ist ein Gletschersee und wenn der Gletscher kalbt, kann es ordentliche Wellen geben. Das Warnschild spricht von 50 – 70 m das Ufer hoch.

Ich gehe das Risiko ein, es ist einfach zu verführerisch. So langsam wird mir auch das Ausmaß meiner Nachmittagsbeschäftigung klar. Der See ist ja doch etwas größer als ich gedacht habe.

Und es ist ziemlich warm, ich bin ununterbrochen am Trinken. Ich laufe und laufe. Schöne Blicke zurück.

Es ist 16:30 Uhr. Soll ich hier vielleicht schon zelten? Ach nee, ist ja nicht mehr weit und was soll ich hier in der Sonne liegen. Ich sehe ein Motorboot auf dem See. Insgeheim hoffe ich auf eine Mitfahrgelegenheit zur Staumauer. Unterhalb des Austadalsnosi merke ich, dass das hier wohl doch länger als gedacht werden wird. Es ist nun schon 17:30 Uhr und die Staumauer noch in weiter Ferne.

Verdammte Hacke, das wird unschön. Ich laufe Stunde um Stunde, Kilometer um Kilometer und trinke Liter um Liter. Kann es sich jetzt nicht mal langsam bewölken? Sonne ist ja schön, aber gleich so viel. Okay, dieser Tag wird wohl im Kopf entschieden und ich möchte jetzt unbedingt zur Sprongdalshytta. Die Staumauer sieht man jetzt gut, der See heißt jetzt hier Styggevatnet. Da werde ich echt noch gut zu tun haben, bevor ich an der Mauer bin.

Eine Reihe größerer Bäche muss überquert werden, ich laufe mittlerweile auf dem Zahnfleisch. Die Sonne und der lange Tag machen mir zusehends zu schaffen. Hat Ulrich nicht etwas von einem Damm durch den See zur Staumauer erzählt? Davon sehe ich leider nichts, vermutlich kann man den nur nutzen wenn der See zur Staumauerwartung abgelassen wird. Na toll.

Ich sehe den Bereich, wo die Styggevasshytta sein soll. Verdammt steil fällt dort das Ufer ab und ich muss da irgendwie hoch. Dann sehe ich die Hütte über mir. Von ihr aus führt ein markierter Weg zum Damm. Also hoch. Ich quäle mich den steilen Berg hoch, der See glitzert tief unter mir, jetzt bloß keinen Flaschen Schritt, sonst bekomme ich ein Eisbad und einen 20 Meter Freiflug.

Ich versuche mich zusammenzureißen und finde irgendwann die Markierung und, nun ja, den Weg. Aber der ist für die schon späte Stunde und meinen Zustand eher von der fortgeschrittenen Sorte. Meine Güte, muss das jetzt noch sein? Hoch über dem See, etwas oberhalb der steilen Kante, geht es erst durch Blockwerk und dann über äußerst glitschige Felsen und sehr sulzige Schneefelder Richtung Staumauer. Vereinzelt breche ich durch die Schneedecke. Ich funktioniere nur noch und habe auf Autopilot gestellt. Keine Ahnung wie viele ätzende Kilometer das heute bisher waren, aber der Weg um den See herum ist einfach Quälerei und auch der schöne Morgen ist schon mehr als verblasst. An welcher Stelle hab ich denn vergessen zuzuhören?

Irgendwann gegen 19:00 Uhr oder so bin ich dann endlich auf dem letzten Stück zur Staumauer. Dort angekommen bin ich völlig alle aber auch glücklich es geschafft zu haben. Ein Freudenschrei hallt in Richtung Sprongdalen. Ich lasse die Mauer Mauer sein. Ein letzter Blick zurück und ich laufe hinunter zum Parkplatz für die Aussichtstouristen, die wohl gerne hier hoch fahren um die Aussicht auf den See und den Gletscher zu genießen.

Mit Genuss ist es aber bei mir nicht weit her, nicht mehr heute. Irgendwie hab ich wohl die Karte nicht richtig interpretiert oder gelesen, jedenfalls bin ich der Meinung, dass der Weg über den Sprangdalseggi sehr viel länger und beschwerlicher ist als mit der Straße und einer Mitfahrgelegenheit etwas abzusteigen und dann die eine Stunde, die in der Karte eingezeichnet ist, den Weg von Viva aus zur Hütte hoch zulaufen.

Auf dem Parkplatz sind allerdings überhaupt keine Autos, nur ein Wohnmobil. Ich ahne schon, dass ich laufen muss. Ich esse zur Stärkung mein letztes Balisto für heute und schlendere rüber zum Wohnmobil. Eine Deutsche Familie sitzt beim Abendessen. Sie fahren heute definitiv nicht mehr runter und wollen hier übernachten. Sie bieten mir ein Bier an, ich bin kurz versucht es anzunehmen, aber wenn ich das mache, wird es mich wohl direkt aus den Latschen hauen. Also lehne ich freundlich ab, ich muss wirklich fertig sein.

Dann sehen ich zwei Autos das Tal hoch fahren. Hoffnung macht sich breit. Als sie oben sind, ist das eine Auto leider voll mit fünf Personen. Das andere Auto ist ein deutsches, nichts wie hin. Aber leider erklärt mir das Pärchen, dass sie keinen Platz haben. Toll. Also laufen. Es geht jetzt stark auf die 20:00 Uhr zu. Ich nehme also die Straße und laufe die Serpentinen runter.

Zwei Autos kommen mir noch entgegen, aber ich will jetzt nur noch voran kommen. Nach ein paar Serpentinen sehe ich einen Landcruiser die Straße runter kommen. Etwas angeranzt und mit Outdoor Aufklebern und dem ganzen Zeug verziert. Ich probiere mein Glück, bin kurz verwirrt, ist ein englischer Wagen, laufe zuerst auf die falsche Seite. Die Tür geht auf: „Howdie mate? How are you doing?“ Ich erkläre kurz meine Lage und schon kann ich meinen Rucksack in den Kofferraum werfen. Der ist voll gepackt mit Skiern und Ausrüstung. Schnell dann eingestiegen und los geht es. Andy ist von Icetroll Tours und war auf dem Gletscher zum Skifahren unterwegs. Nur so zum Spaß versteht sich. Er war es auch, der mit dem Boot auf dem See war. Eine seiner Gruppen übernachtet heute auf dem Rundeggi. Ein wenig Neid kommt auf. Er fragt mich, wo ich her komme. Die Antwort: „Oh man, that’s only awful walking around the lake, I did it once with a customer and was just carrying a daypack but it was no fun at all!“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Kurz berichtet er noch, dass im Winter die große Sprongdalshytta einen kleinen Unfall hatte. Ach ja, das hatte ich doch irgendwo schon gehört. Der Wind hat die 20t Hütte einfach angehoben und um 90° gedreht wieder abgesetzt. Die daumendicken Stahlseile zur Verankerung wurden einfach aus dem Fels gerissen.

DNT Website: Sprogndalshytta er stengt for sesongen !!! Sprongdalshytta er stengt med bakgrunn i at orkanen Dagmar i vinter snudde hytta ca 90 grader og flytta den 10 meter fra opprinnelig fundament. Byggearbeider starter mandag 3. september, og vi ønsker velkommen til ny hytte sommeren 2013.

Mittlerweile ist sie aber wohl wieder repariert: http://www.gd.no/nyheter/article6252195.ece

In Viva schmeißt er mich raus und ich verabschiede mich. Danke fürs Mitnehmen Andy. Nun denn, ein letztes Mal für heute den Rucksack geschultert und los geht’s. Die eine Stunde schaffe ich auch noch. Ich denke, die Hütte liegt nicht so sehr hoch und ich muss nur über einen kleinen Bergrücken und bin da. Ich sollte dringend mal zum Kurs „Kartenlesen für Anfänger“ gehen.

Ich schraube mich den Berg hoch Richtung Sprongdalsreset. Im Schneckentempo. Wo ist bloß die verdammte Hütte, die muss doch bald zu sehen sein. Höher und höher geht es. Es dämmert langsam und auf eine Ankunft in der Dunkelheit mir Stirnlampe auf dem Kopf habe ich echt keinen Bock. Jetzt wird es zu einer Geduldsprobe, der Wille siegt über den Körper, aber zwischendurch bin ich kurz davor, mich das erste Mal in meinem Leben vor Anstrengung zu übergeben. Schmerz musst du genießen, habe ich mal beim Sport gesagt bekommen. Die Worte von Udo Bölts zu Jan Ulrich bei der Tour de France 1997 kommen mir in den Sinn: „Quäl dich, du Sau!“

Also quäle ich mich. Morgen mache ich auf jeden Fall einen Ruhetag, keine Widerrede. Wenn ich an der Hütte ankomme, gibt es auf jeden Fall zuerst ne Dose Ananasscheiben mit viel Zuckerwasser und ganz viel Solbærtoddy. Einfach alles mit ganz vielem Zucker. Die Fantasie fängt jetzt an komische Stilblüten zu treiben, aber ich laufe weiter wie ein Roboter, allerdings wie einer auf Reserve. Dann sehe ich die Hütten hoch oben vor mir, wie eine Fatamorgana in der Wüste. Ich gelange zu einem Betonwehr, das hier das Bachwasser für die Stromgewinnung abfängt.

Ein letzter kurzer steiler Anstieg und ich sitze endlich um 21:45Uhr fix und alle vor der kleineren Hütte. Die andere sieht in der Tat etwas komisch aus. Sie liegt etwas schräg, hat quasi Schlagseite und der Giebel zeigt nicht mehr hinunter zum Tal sondern um 90° gedreht zu mir herüber.

Ich schließe die Hütte auf. Im Vorraum hat jemand wohl die Lebensmittel aus der großen Hütte geholt und hier aufgestapelt. Ich schnappe mir eine Dose Ananas, das Ablaufdatum „Best Before 2002“ lasse ich mal außen vor, das ist mir völlig egal. Ich sitze auf der Türschwelle, haue mir die Dose rein. Bin total groggy, aber auch stolz es geschafft zu haben. Der Ausblick entschädigt dafür und die Lebensgeister kehren langsam zurück. Was ein Tag.

Schnell ist der Ofen an und ich mache mir etwas zu Essen. Allerdings nur Kleinigkeiten, zu mehr bin ich nicht mehr im Stande. Gegen 23:00 Uhr falle ich in einen traumlosen und fast komatösen Schlaf. Morgen mache ich hier einen Ruhetag, ganz sicher, komme was wolle.

Tag 16 Sonntag 12.08.12 Sprongdalshytta – Arentzbu

Ich wache gegen 8:30 Uhr total groggy auf. Draußen scheint die Sonne, es ist keine Wolke am Himmel, Kaiserwetter ist angesagt. Wuchte mich aus dem Bett. Trotz des gestrigen Tages, habe ich ein leichtes Grinsen im Gesicht, hab ich es trotz allem geschafft. Wieder um eine Erfahrung reicher. Wenn man denkt, man ist am Ende, geht immer noch sehr viel mehr. Jedenfalls bei mir, ich scheine in dieser Hinsicht ziemlich robust zu sein. Aber jeden Tag brauche ich das nicht, es ist aber beruhigend das zu wissen.

Eigentlich wollte ich ja einen Pausentag machen, aber irgendwie juckt es mich schon heute bei dem Wetter loszuziehen. Und so weh tut es heute auch gar nicht, erstaunlich. Ich überlege hin und her. Engel Links, Teufel rechts. Soll ich’s wirklich machen oder lass ich’s lieber sein? Nimm dir die Frau…äh ich schweife vom Thema ab, so schlecht kann es mir heute also gar nicht gehen, wenn ich schon wieder Lieder vor mich hin singen kann.

Alea iacta est. Ich mache es. Es sind ja nur 6h laut Karte, gestern hat es doppelt so lange gedauert. Auch ist kein großer Verschleiß von gestern zu spüren, es ist alles in Ordnung bei mir. Den Pausentag gönne ich mir dann in Arenztbu. Ich muss verrückt sein. Nun denn. Die Klamotten und Schuhe kommen zum Aufwärmen in die Sonne.

Dann Frühstück und Packen. Soll ich wirklich? Mache noch einige Fotos, das Wetter ist echt perfekt, nur schwitzen werde ich wohl wie sau, die Höhenlinien auf der Karte lassen es schon sehr gut erahnen, es geht am Anfang direkt mal 250 Meter steil den Berg hoch. Heute hab ich mir die Karte mal besser angesehen. Aus Erfahrung lernt man ja manchmal, ob man dabei klüger wird, ich bezweifele es.

Also los. Die Hütte ist aufgeräumt und wird wieder verschlossen. Dann laufe ich ein kurzes Stück den Bach bzw. den kleinen See entlang bis zum Abzweig nach Sota Sæter und Arentzbu.

Kurz den Bach überquert und los den Berg hoch. Ganz schön steil, denke ich noch als ich mich bereits total verschwitz daran mache, mich den Hang hochzuschrauben. Es gibt wieder reichlich Schneefelder zu erklimmen. Die Karte hat nicht zu viel versprochen. Es ist steil. Und es ist warm. Sobald man aus dem Schatten des Berges tritt, wird es richtig warm.

Aber ich beschwere mich besser nicht über das Wetter. Immer wieder hat man schöne Aussichten zurück zu den Hütten und auch rüber zum Jostedalsbreen. Echt super. Aber krass wie groß hier noch die Schneefelder sind.

Unfassbar, die Sonne brennt und ich laufe über riesige Schneefelder. Ich möchte allerdings nicht verhehlen, dass die Schneefelder das Vorankommen doch auch erheblich beschleunigen. Es ist oft richtig bequem über sie aufzusteigen, besser als über Blockwerk, Geröll und all diesen komischen Mist. Die Höhenmeter indes bleiben immer eine Qual für mich.

Nun erreiche ich einige kleinere Seen. Auch hier ist noch sehr viel Schnee. Dann komme ich zu dem größeren See auf 1467 m. Diesen noch umrunden und ich sollte fürs Erste die höchste Stelle erreicht haben. Nicht schlecht, aber das Wetter macht mir schon ordentlich zu schaffen. Es gibt kein Entrinnen vor der Sonne.

Dann gibt es eine Passage über viel Geröll, dem Gluggevardholet. Ich laufe dort so vor mir hin bis ich plötzlich den Blick auf das vor mir liegende Tal und die Seen habe.

Ich muss kurz tief durchatmen und mich kneifen. Guck dir das an. Wo ist der See? Das gibt es doch gar nicht. Der ist noch total bedeckt mit Schnee und Eis. Das ganze Tal besteht nur aus Schneefeldern. Wo bin ich denn hier gelandet? Ohne Worte und sehr beeindruckend. Verrückt.

Der Gluggevardvatnet ist nur zu erahnen. Es ist Mitte August und ich muss da jetzt durch das ganze schneebedeckte Tal hindurch. Na dann. Was ein Tag und was eine Tur. Zuerst noch ein wenig Fels bevor es dann über die Schneefelder geht.

An den Rändern muss man aufpassen, ein ums andere mal versinke ich oft bis zum Oberschenkel in der dünnen Eisdecke am Rand. Aber es ist mir einfach egal. Es macht einfach total viel Spaß, auch wenn mich die Sonne so langsam grillt. Schneefelder und Felspassagen wechseln sich ab als ich den See umrunde.

Der Blick zurück ist ebenso nicht von schlechten Eltern. Auf der Karte sind zwei weitere kleine Seen eingezeichnet, hier im Tal sind sie allenfalls zu erahnen. Ungläubig laufe ich weiter über die Schneefelder. So langsam merke ich die Auswirkungen der Sonne doch sehr. Es ist bald 14:00 Uhr und eine Pause samt kühlem Schatten wäre nicht schlecht.

Im Schatten eines großen Felsens mache ich schließlich dann Pause. Für heute ist Schokolade als Mittagssnack eingeplant. Ich ziehe sie aus dem Deckelfach meines Rucksacks und stelle fest, dass die Schokolade den Aggregatzustand geändert hat. Sie ist flüssig geworden. Also ab in den Schnee zum Kühlen. Ich mache ein Nickerchen und esse dann die ganze Tafel Ritter Sport. Ich komme wieder zu Kräften und es geht weiter. Wieder Schneefelder.

Dann kommt irgendwann der Abstieg hinunter zum Greindalen. Am Horizont sehe ich die gezackten Gipfel des Hurrungane Massivs. Nett anzusehen. Da bin ich dann also in zwei Wochen.

Nun wird es wieder felsiger. Ich nutze jeden Bach zum Trinken. Der Abstieg ist ganz okay, nur mein Knie macht sich wieder bemerkbar.

Kurze Zeit später stehe ich an der Greindøla. Hier mündet der große Bach in den See. Einige schöne Zeltplätze gibt es hier. Ich zucke kurz, entscheide aber dann doch weiter zu gehen.

Allerdings muss ich dann den Bach, der sich hier ganz schön breit macht, überqueren. Auf Furten habe ich keine Lust, also suche ich mir einen hübschen Weg von Stein zu Stein. Man bekommt so langsam Routine in so etwas. Irgendwann bin ich drüben. Es ist jetzt bald 16:00Uhr und es liegt noch einiges vor mir. Also weiter immer um die Seen herum und dem Fluss folgen. Keine Ahnung wie oft ich hier im Schatten großer Felsen Pause mache und etwas trinke, auf jeden Fall oft, sehr oft.

Es zieht sich etwas, die Sonne heute habe ich komplett unterschätzt, das Tempo leidet zusehends unter dem herrlichen Wetter. Irgendwie verwirrend. Ein Schneefeld muss überquert werden, dann gelange ich zum Greindalsvatnet.

Von hier aus rauschen die Wassermassen hinab zum fremsta Rausdalsvatnet. Der Weg ist hier etwas matschig, ich versenke meinen Schuh in einem Schlammloch. Der Tag wird jetzt aber doch etwas lang. Habe ich aus gestern etwa nicht gelernt? Dann kommt das weite Rausdalen.

Bis zur Hütte kann es jetzt nicht mehr weit sein. Innerlich fluche ich ganz schön, die blöde Hütte kommt und kommt einfach nicht in Sicht. Endlich gelange ich zur Brücke mit dem Abzweig nach Nørdstedalseter. Die Wassermassen rauschen hier unter der Brücke sehr beeindruckend her.

Nicht schlecht. Nun sehe ich auch die Hütte. Na endlich, wird ja auch langsam Zeit. Wieder so ein langer Tag. An der Hütte schließe ich zuerst die ältere Hütte auf, habe wieder alles für mich allein. Die Lebensmittel sind aber in der neueren Hütte.

Die gefällt mir auch sehr viel besser, also beziehe ich dort Quartier, esse Ananas und mache dann Feuer. Wasche mich und mache dann Abendessen. Es gibt Pasta mit Pizzafyll. Eine riesige Portion fällt mir zum Opfer, aber nach dem dürftigen Mahl gestern Abend war das auch dringend nötig. Morgens und während des Tages bekomme ich meist eh nicht so viel herunter. Papp satt lehne ich mich zurück und lasse den Tag Paroli laufen, wie Horst Rubesch sagen würde.

Gegen 22:00 Uhr bekomme ich dann doch noch Besuch. Ein französisches Pärchen kommt völlig fertig an. Die haben einen ziemlich fiesen Tag hinter sich, so kaputt wie sie aussehen. Sie trinken was, ich frage sie aus. Kommen vom Jostedalen aus hier her. Haben Ewigkeiten gebraucht und waren froh, dass die Hütte auf ist, sie haben keinen Schlüssel. Sie machen sich etwas zu Essen und wir unterhalten uns noch etwas. So richtig geübt in langen und schweren Touren scheinen sie nicht zu sein, eher auf Backpacking Tour mit kleinem Ausflug in die Wildnis. Nun denn. Sie erzählen, sie wären vier Wochen unterwegs da gerade Arbeitslos in Frankreich. Und Norwegen wäre so teuer. Das stimmt wohl, teuer ist es hier, aber die Landschaft ist einfach unbezahlbar. Ich gehe zu Bett und morgen wird es definitiv endlich mal einen Ruhetag geben. Versprochen.

Tag 17 Montag 13.08.12 Arentzbu

Versprochen ist versprochen. Ich penne bis 11:00Uhr. Unglaublich, was ein Luxus, endlich Urlaub. Das Wetter ist wieder überragend. Gönne mir ein ausführliches Frühstück. Bald ist es 13:00 Uhr. Meine französischen Mitbewohner ziehen los, sie brechen auf nach Fast. Nach dem Blick ins Hüttenbuch werde ich ein wenig ärgerlich. Alle Vorurteile in Bezug auf Ausländer und deren Zahlungsmoral auf norwegischen Hütten wird bestätigt. Ich sage dazu wohl besser nichts weiter. Schönen Gruß an Ann und Thomas an dieser Stelle.

Der Tag gestaltet sich kurzweilig. Ich sitze in der Sonne, trinke Kaffee und Eistee. Dann noch Wäsche waschen, Schuhe putzen. Zwischendurch gehe ich insgesamt vier Mal unten am Fluss Baden, da gibt es eine ganz fantastische Stelle, ein kleiner Nebenfluss zweigt kurz hinter dem Wasserfall ab und bildet dort eine schöne Gumpe. Fast wie im Freibad, nur sehr viel schöner (und kälter).

Was ein entspannter Tag. Rummgameln de Luxe. Gut das ich hierhin gegangen bin. Am Abend kommt dann doch tatsächlich noch jemand vorbei. Völlig verschwitzt kommt ein Däne an. Er heißt Øystein und stellt sich als Hyttevakt vor. Er ist etwas fertig, macht kurz Pause. Wir quatschen und ich lade ihn auf eine Zwiebelsuppe ein, die ich gerade koche.

Øystein erzählt, dass er die nächsten vierzehn Tage hier bleiben wird um diese und die Hütte in Fast etwas auf Vordermann zu bringen. Fast sein ganzer Rucksack scheint aus Lebensmitteln zu bestehen, sogar Mehl zum Brotbacken hat er dabei. Er bittet mich, morgen Kerzen mit nach Fast zu nehmen, die sind dort scheinbar ausgegangen, er hat es auf dem Hinweg kontrolliert.

Nach der Suppe gönne ich mir eine Dose Laks, dann gibt es Pasta mit Tomatensoße und Salamistückchen. Sehr gut.

Anschließend versuche ich mir einen groben Plan für die Tour durch Jotunheimen zusammenzuklöppeln. Der Plan sieht eine schöne Runde vor: Turtagrø – Skogadalsbøen – Olavsbu – Gjendebu – Memurubu – Gjendesheim – Glitterheim – Spitterstulen – Leirvassbu – Skogadalsbøen – Vetti Gaard

Wenn möglich möchte ich auch den Glittertind und den Galdhøpiggen erklimmen. Schauen wir mal, ob das so klappt. Aber einen Plan hab ich schon mal.

Dann lese ich noch etwas und verabschiede mich nach diesem wirklich harten Tag ab ins Bett. Wandern kann so schön sein.

Tag 18 Dienstag 14.08.12 Arentzbu – Fast

Um 8:00 Uhr ist die Nacht zu Ende. Wasche mich und frühstücke mit Øystein. Packe meine Sachen, den Abwasch will er später machen, er hat glaube ich auch die nächsten zwei Wochen sehr viel Zeit für alles Mögliche.

Dann Abmarsch in Richtung Fast. Ich nehme noch zwei Packungen Kerzen mit und verabschiede mich von Øystein. Die Etappe heute sollte eigentlich recht entspannt sein. Ich laufe eine halbe Stunde durch matschige Wiesen, immer parallel zum Heimsta Rausdalsvatnet.

Dann geht es etwas einen Bergrücken hoch. Es kommen einige wirklich tolle Wasserfälle und Brücken. Das Wasser fließt in unzähligen Kaskaden den Berg hinunter. Der Bach heißt hier Kvitene.

Ich freue mich über so viel schöne Landschaft. Dann geht es weiter Richtung Fjellsli, einem alten Seterplatz. Die Hütte ist abgeschlossen, ich mache es mir vor der Hütte bei netter Aussicht gemütlich und trinke etwas. Herrlich hier, die Hütte würde ich auch nehmen.

Nach der Pause geht es kurz den Berg hoch, nette Aussichten Richtung Mørkrisdalen hat man hier. Die Brücke über die Austra lasse ich geschwind hinter mir und mache mich auf südwestwärts gen Fast.

Es geht etwas bergan vorbei an netten Seen und schönen Zeltplätzen. Auf dem höchsten Punkt des heutigen Tages, unterhalb des Tråneklanten, mache ich Pause. Nach der Salami kommt das Nickerchen. Immer wieder schön in einer solchen Umgebung Pause zu machen, innezuhalten und wegzudösen. Ein Traum.

Das Gebimmel einiger Schafe und deren Glocken weckt mich wieder. Okay, ich gehe ja schon weiter. Nun geht es abwärts zum Åsetvatnet. Das letzte Stück ist ziemlich steil und die Alm sowie einige Ferienhäuser kommen in Sicht. Leider ziehen jetzt Wolken auf. Ein Trailrunner läuft den Berg hoch und kommt mir entgegen.

Ich steige hinab zur Åsetealm. Niemand da, nur Schafe. Also direkt weiter das letzte Stück zur Hütte. Es ist erst 15:00 Uhr, mit der langen Pause ein wirklich kurzweiliger Tag. Gut so.

Der weitere Weg zur Hütte ist schnell erledigt. Der Trailrunning Mann überholt mich. Wir reden kurz über Ultraläufe, Langturen und über seine Hütte hier. Er ist extra zum Streichen selbiger aus Oslo gekommen. So eine Hütte kann ganz schöner Ballast sein, erfahre ich. Keine Ahnung, entgegne ich, habe leider gerade keine.

Um halb vier checke ich ein. Den Schlüssel hab ich ja schon. Wie gehabt, alles für mich alleine. Wo sind denn die ganzen anderen Wanderer? Vermutlich hinter den Bergen am Horizont, in Jotunheimen. Will ich da überhaupt hin?

Richte mich ein, trinke etwas und gehe im Bach Baden, der sich in großen Bögen durch den alten Seterplatz schlängelt. Hübsch hier.

Dann sehe ich mich etwas um. Die zweite Hütte ist eine urige alte Steinhütte. Sehr schön hergerichtet und saugemütlich. Allerdings nicht mit einer so tollen Aussicht auf das Hurrunganemassiv wie von der anderen aus.

Ich hänge meine verschwitzten Sachen in den Wind. Dann gibt es Kaffee und ich gammele etwas herum und lasse den lieben Gott einen guten Mann sein.

Gegen Abend gibt es wieder Pasta, diesmal mit Tomatentunfischsauce. Die Tunfischdosen sind auch schon etwas älter, auf der aktuellen DNT Preisliste sind sie nicht mehr zu finden.

Es sind auch noch andere Leute da, wie ich feststelle. In einer der Nachbarhütten sind Großeltern mit ihren Enkeln. Der Mann kommt irgendwann vorbei und wir quatschen kurz. Ihnen gehört die Alm hier und sie machen ein paar Tage Ferien.

Die Kerzen mitzubringen war auch eine gute Idee, hier gibt es nicht mal mehr eine kleinen Stumpen. Zum Tagesausklang setze ich mich auf den Hügel neben der Hütte. Es ist so schön hier, kitschig wäre eine Untertreibung, wie am Computer zusammengebastelt. Aber ich beschwere mich besser nicht.

Als es dann kälter wird gehe ich in die Hütte, schreibe Tagebuch und lese noch etwas. Irgendwann sehe ich zwei große Glühwürmer durch die Nacht tanzen. Was ist das denn? Ich sollte weniger Harry Hole Bücher lesen wenn ich unterwegs bin, da bekommt man dann bei so etwas immer gleich komische Gedanken. Die Glühwürmer kommen näher und ich erkenne zwei Personen.

Immer wieder gefriert mir da kurz das Blut in den Adern, wenn man so abgeschieden alleine in der Hütte sitzt und plötzlich Lichter im Dunkeln sieht, plötzlich die Tür aufgeht und man nicht weiß wer kommt. Aber ich glaube das ist eher so eine körpereigen Reflexsache. Halb so wild.

Schon geht die Tür auf und Vater mit Sohn fragen mich nach Kerzen. Es gibt nirgends welche in der Steinhütte, die sie beziehen wollen. Ich reiche ihnen welche. Sie sind zum Fischen hier und etwas spät dran. Sie verabschieden sich bis zum Morgen und entschwinden in die Nacht. Ich gehe dann auch alsbald ins Bett. Bis morgen dann.

Tag 19 Mittwoch 15.08.12 Fast – Vigdalstølen

Es ist 8:15 Uhr als ich aufstehe. Ich will gerade anfangen mir das Frühstück einzuverleiben als der Nachbar auf der Matte steht. Eivind, so heißt er, lädt mich zu frisch gebratener Forelle ein. Die haben sie heute früh schon aus dem See gezogen. Och, bevor ich mich schlagen lasse, na klar, gerne.

Drüben vor der Steinhütte begrüßt mich schon Eivinds Sohn. Ein Haufen Forellen liegt im Gras und Eivind kommt gerade aus der Hütte. Eine große Pfanne mit frisch gebratenen Forellen. Mir fallen fast die Augen aus dem Kopf. Dazu wird richtiges Brot mit richtiger Butter gereicht. Essen kann also beim Wandern auch lecker sein. Wir sitzen vor der Hütte, essen ein richtig leckeres Frühstück. Mal wieder Glück gehabt würde ich sagen. Eivind erzählt, dass sie nur für zwei Tage hier sind, zum Fischen, haben sich den See samt Boot gemietet. Sie kommen aus Leikanger am Sognfjord. Er bietet mir sogar an, Sachen für mich bei sich aufzubewahren, falls ich keine Lust habe, mein Zelt und den ganzen Kram durch Jotunheimen zu schleppen. Ist och mit einem kleinen Rucksack viel angenehmer. Ich werde mal drüber nachdenken.

Eine Frage, die mir öfters gestellt wird, kommt zur Sprache: Sind eigentlich die Deutsche sauer auf Griechenland? Ich antworte, dass das Einige wohl sind, mir die Sache im Endeffekt aber etwas zu kompliziert für eine einfache Antwort ist und man das Ganze mit der Euro Rettung wohl differenziert betrachten muss. Eivind stimmt zu, merkt an, dass die Norweger sich wohl glücklich schätzen können, dass der Krug mit solchen Dingen an ihnen vorbei geht.

Er arbeite für ein Forschungszentrum, das sich mit Umfragen und Meinungsbildung zu verschiedensten Themen beschäftigt. Er meint, dass Norweger durchschnittlich nur 11% ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben und auf dem besten Wege sind, eine Art Dubai des Nordens zu werden. Einem Land, in dem die Leute unfassbar großen Wert auf Konsum legen. Ich kann das weder bestätigen noch widerlegen, dafür stecke ich da zu wenig drin, aber das manche Leute hier etwas mehr Geld verdienen und es auch gerne ausgeben, habe ich wohl schon bemerkt.

Zurück zu den wirklich wichtigen Dingen des Lebens. Eivinds Sohn hatte meinen BVB Aufnäher am Rucksack entdeckt. Er findet den BVB auch toll, insbesondere Robert Lewandowski hat es ihm angetan. So reden wir auch noch über Fußball. Da kann ich besser mitreden als bei Diskussionen über internationale Finanzkrisen. Ich erfahre wie es um die norwegische Liga bestellt ist und wie teuer die Karten für ein Championsleague Spiel von Manchester United in Oslo waren. Um die 100€ für die günstigste Kategorie. Unfassbar. Und dann noch für ManU.

Ich erzähle von Dortmund, vom Stadion, von der Atmosphäre im Stadion und von den günstigen Preisen. Ungläubiges Staunen. Ich beschließe, mich für das Frühstück zumindest mit einer Autogrammkarte von Robert Lewandowski zu bedanken, sobald ich wieder in Deutschland bin. Hoffentlich ist sie angekommen, abgeschickt habe ich sie auf jeden Fall.

Es wird langsam Zeit aufzubrechen. Ich bin fast schon spät dran. Aber ehrlich gesagt ist mir das auch ganz recht, ich habe nicht so viel Lust auf den knackigen Anstieg, der mich direkt heute Morgen erwartet. Von 856 m auf ungefähr 1400 m oder so. Keine Ahnung wie viel, ich will es gar nicht wissen. Richtig Karten lesen und so, nicht wahr? Wir erledigen gemeinsam den Abwasch, sage Tschüss und mache mich Abmarschbereit. Das Wetter ist wieder gut und verspricht einen verschwitzten Tag. Also los. Einmal quer über den Seter und über die Bachläufe.

Dann geht es auch schon hoch zum Kjervafosso. Auf den Wasserfall habe ich gestern schon oft geschaut, echt nett anzusehen, aber so hoch. Egal, ich hab heute sowieso nichts Anderes vor. Der Weg ist schon gut steil, aber jetzt auch nicht so krass. Nur etwas schlecht ausgewiesen. Ich versteige mich prompt, finde aber schnell zurück auf den Weg. Es geht schneller voran als gedacht, scheinbar macht sich das Training langsam bemerkbar. Der Blick zurück ist auch ganz nett.

Gegen 11:20 Uhr bin ich am Wasserfall oben. Ich pausiere, rufe kurz zu Hause an und genieße die Aussicht rüber nach Hurrungane und Jotunheimen.

Weiter geht es bergan hoch zum Hamarsdalsbandet. Auch hier wieder Schneefelder ohne Ende.

Aber auch der ein oder andere Zeltplatz mit Fließend Wasser vor der Tür ist hier zu finden.

Immer weiter geht es hoch, Schnee und Fels wechseln sich ab.

Dann ganz zum Schluss des Aufstieges kommt noch ein wirklich großes Schneefeld. Da kommt man aber dann schnell hoch, wäre doch gelacht.

Der Blick zurück ist immer noch ganz famos.

Oben angelangt geht es direkt wieder abwärts.

Zuerst über große Schneefelder auf denen man ganz gut beschleunigt. Treffe vier Österreicher, von denen ich später noch auf den Hütten lesen werde. Sie sind unten am Fjord gestartet und wollen bis Sota Sæter laufen. Nichts für mich, das wären mir zu viele Höhenmeter, ich laufe lieber so rum, ich faule Socke.

Es wird nun grüner. Im Schatten eines Felsens mache ich Pause und esse Schokolade. Dann folge ich dem Pfad in das Hamarsdalen hinab.

Traumhaft schön hier und super Wetter. Ich passiere den Hamarsdalsvatnet auf einem schönen Pfad, der sich hier den Berg hinunter schlängelt.

Drei Norweger kommen mir noch entgegen, kurzer Small Talk und weiter geht es zum Øystølsreset.

Dann kommt auch schon die Vigdøla in Sicht. Dem Fluss muss ich quasi bis zur Hütte folgen. Ich bin so ein Glückspilz, das Wetter ist echt ein Traum.

Ich laufe durch das Vigdalen, bald wird es sehr viel grüner, Birken und Sträucher säumen den Weg.

Die Brücke nach Vigdalstølen kommt in Sicht.

Schnell drüber und um 17:00 Uhr bin ich an der Hütte. Nett hier, klein aber fein, nur vier Betten im Schlafraum und zwei in der Stube.

Im Schlafraum sind auch noch Sachen, die Hütte war aber abgeschlossen. Da ist wohl noch wer hier in der Umgebung unterwegs. Ich gehe zum Schuppen, da ist das Essenslager. Das ist etwas geschröpft, liegt wohl daran, dass die Hütte nur eine halbe Stunde entfernt von einer Straße ist und sich die meisten Leute ihr Essen mitbringen. Ananas gibt es leider nicht mehr, aber dafür noch Fruchtcocktail.

Mal was Anderes. Ich setze mich hinter die Hütte und entspanne mich beim Fruchtcocktail. Kein Anlass zu Klage, auch heute nicht. Alles in Ordnung, quasi bestens.

Dann kommt ein älteres Ehepaar und holt seine Sachen. Sie waren zum Moltebeerenpflücken hier. Sie entschwinden und ich koche mir Spaghetti. Nach dem Abendessen wird es schnell frisch und ich schreibe noch Tagebuch. Bei einigen Seiten Jo Nesbø beschließe ich den Tag.

 Tag 20 Donnerstag 16.08.12 Vigdalstølen – Navarseter – Gaupne – Luster

Der letzte Tag der Breheimen Tur steht auf dem Programm. Das Frühstück nehme ich in der Sonne vor der Hütte ein. Die kleine Hütte ist schnell aufgeräumt und los geht es.

Zuerst zurück zum Fluss und über die Brücke. Dann über die Breidseter Alm. Ein kurzer Blick zurück und es wird ein wenig waldig.

Der erste Schweiß rinnt. Blicke zurück ins Vigdalen und Dalsdalen ergeben sich. Schön, wenn nur nicht der Aufstieg wäre.

Erst von 770 m auf 970 m zur Fivla Hütte und dann bis auf 1200m am höchsten Punkt der Etappe. Hoffentlich muss ich nicht runter bis zum Fjord nach Gaupne laufen. Muss ich später natürlich doch, aber das weiß ich ja jetzt noch nicht.

Um 11:00 Uhr bin ich bei den Fivla Hütten. Mache Pause, trinke einen ganzen Liter Wasser und schaue mir die Hütten an. Die sind echt toll, super eingerichtet. Hätte mir auch gefallen.

Nach einer halben Stunde nehme ich die letzten 250 Höhenmeter aufwärts für heute in Angriff. Erstaunlich schnell erledige ich das. Der Weg ist bequem, eine leichte Brise kommt auf und über die Umgebung mit den Aussichten muss ich ja nicht viele Worte verlieren.

Das Stongfjellet auf 1200 m ist dann erreicht und ich lasse mich wieder hinunter rollen. Ich blicke gen Westen, es ist einfach toll hier. Und ich fühle mich, als könnte ich Bäume ausreißen.

Schneller als gedacht kommt der Heggedalsvatnet auf 1025 m in Sicht. Bin ich wirklich schon hier? Es ist doch erst halb eins?

Um 13:00 Uhr laufe ich am Ufer des Sees entlang und treffe ein paar Jugendliche, die hier zelten.

Oberhalb von Heggedalen auf 791m mit seinen Hütten esse ich mein letztes Snickers bevor ich mich an den steilen Abstieg mache.

Der ist um viertel vor zwei erledigt und weiter geht es durch das Engjadalen nach Navarsete.

Kurze Pause hier zum Trinken. Ich würde schon gerne runter zum Fjord.

Hier am Seterplatz gibt es haufenweise Ferienhütten und auch einen Fahrweg. Ich will mich zum Wanderparkplatz durchschlagen und versuchen eine Mitfahrgelegenheit zu finden.

Ich laufe über die Brücke und verliere den Weg. WTF! Verloren auf den letzten Metern. Lande auf einer großen matschigen Wiese mit viel Wollgras. Was soll das denn jetzt? Ich stelle mich wirklich selten dämlich an. Irgendwann finde ich auf den Weg zurück. Der Fahrweg ist eher eine Piste, auf Autos brauche ich hier nicht warten. Ich folge der staubigen Piste und irgendwann kommt eine richtige Straße für richtige Autos. Leider wird diese wohl eher selten von Autos benutzt und so laufe ich einfach weiter talwärts. Links und rechts gibt es reichlich Felder, Wiesen, Scheunen und Sommerhäuser.

Aber von Autos weit und breit keine Spur. Ätzend diese Asphalt Lauferei, aber ich kann mich ja jetzt schlecht hier heulend in den Staub werfen, das wird hier keinen beeindrucken. Laufe also weiter die Straße runter. Ein einzelnes Auto kommt hoch, fährt aber leider auch hoch. Hoffentlich ein Bauer der nur nach dem Rechten sieht und schnell wieder runter fährt um mich mitzunehmen. Ein kleiner Funken Hoffnung wenigstens. Weiter geht es, Serpentine um Serpentine.

Die Füße brennen, lustig ist es jetzt nicht mehr. Noch mehr Serpentinen, kurze Geraden, Serpentinen. Irgendwann dann sehe ich das erste Mal den Fjord. Juhu, das Ende ist nah. Serpentine, Serpentine oh wie mag ich dich, nicht.

Kommt quälen wirklich von Qualität oder umgekehrt? Ich weiß es nicht mehr, schalte um auf Autopilot. Unten gibt es ganz sicher einen Supermarkt. Wenn Coca Cola schlau ist, schicken sie ein Kamerateam, das dokumentiert, wie ein stinkender und staubiger Wanderertyp sich eine Cola holt und diese dann mit dem größt möglichen Genuss in sich hinein schüttet. Wer bestimmt eine super Werbung. Gleich danach könnte dann eine beliebige Biermarke kommen…

Endlich kommen die ersten Häuser von Gaupne in Reichweite. Und wie auf Kommando erscheint der Bauer von oben im Auto. Er hält an, sagt aber es lohne sich nicht mehr mich mitzunehmen, er muss woanders hin und es sind doch eh nur noch ein paar hundert Meter. Ach so, na dann, kein Problem und noch einen schönen Tag.

Dann erreiche ich tatsächlich den Supermarkt. Der Rucksack fliegt in die Ecke und eine der leckersten Colas die ich je getrunken habe versöhnt mich etwas mit dem fiesen Abstieg. Ein geiles Gesöff nach einer guten Anstrengung. Ein Bier oder Cider wäre vielleicht auch nett, später, ganz sicher.

Gaupne macht nicht so den tollsten Eindruck, vielleicht ist es in Luster auf dem Campingplatz ja schöner. Der Bus ist leider schon weg, ergo Daumentaxi. Wir sind ja nicht in Deutschland, sollte also ohne Probleme klappen.

Gehe rüber zur Hauptstraße. Da stehen allerdings schon drei Polen die heute noch bis nach Lom trampen wollen. Optimistisch. Ich möchte ihnen nicht in die Quere kommen, sie waren eher da. Ändere meine Taktik und sehe zwei deutsche Wohnmobile auf den Supermarktparkplatz rollen. Die Leute gehen einkaufen. Als sie wieder aus dem Supermarkt kommen, spreche ich sie direkt an. Kein Problem und schon bin ich an Bord und auf dem Weg nach Luster. Das war ja einfach.

Unterwegs unterhalten wir uns nett, ich merke wie sehr sich die Sicht auf das Land von Otto-Normal-Touristen und Wanderern unterscheidet. Echt krass, völlig unterschiedliche Eindrücke. Um viertel vor fünf lassen sie mich dann in Luster am Campingplatz raus. Ich bedanke mich und checke ein. Der Platz liegt direkt am Fjord, allerdings auch direkt am Sognefjellsvegen. Sei’s drum. Ich packe meine Sachen an einen Baum auf dem Platz und latsche rüber zur Bäckerei.

Die ist echt super und ich hole mir natürlich zuerst einen Boller. Die Belohnung für eine tolle Wanderwoche. Und die Bäckerei ist echt nur zu empfehlen, falls mal jemand in der Ecke ist.

Dann kaufe ich noch kurz im Supermarkt ein, auch Bier gibt es natürlich. Zurück auf dem Camper baue ich mein Zelt auf, gehe Duschen.

Was eine Wohltat. Zur Abwechslung koche ich Nudeln mit Tomatensoße, der Dolmio Mann darf auf keiner Norwegen Tour fehlen.

Zum Ausklang des Tages setze ich mich auf den Bootssteg. Chips, Nesbø, Bier und diese Aussicht nach einem solchen Tag, einer solchen Tour. Unbezahlbar.

Den ersten Teil zu dieser Tour findest du hier!

3. Woche Trollheimen & Oslo

Tag 16 Sonntag 18.09.11 Oppdal – Gjevilvasshytta

Guten Morgen! Nee, doch nicht, keine Lust. Das Leeren von Jørns Aquavit Resten gestern hat bei mir zu leichtem Unwohlsein am Morgen geführt. Es ist 7:00 Uhr und ich hab keinen Bock. Aber was soll´s, Jørns Zug nach Oslo wird nicht warten. Draußen ist es richtig kalt, auf dem Zelt hat sich Raureif gebildet. Da wir gestern Abend schon die Sachen sortiert haben, geht es heute Morgen recht schnell zu.
Ich gebe Jørn die Sachen mit, die ich nicht mehr brauche. Wir haben ja gestern für 8:00 Uhr ein Taxi geordert, von daher brauchen wir gleich nicht noch zum Bahnhof latschen. Pünktlich kommt das Taxi und fünf Minuten später sind wir dann in Oppdal am Bahnhof.

Wir lassen unsere Rucksäcke im Wartesaal und gehen Frühstücken. Leider hat wohl bis auf die Tankstelle an diesem Sonntag noch nichts auf. Zurück am Bahnhof erfahren wir, dass es heute auf der Strecke von Oppdal nach Dombås einen Schienenersatzverkehr gibt, die Strecke wird wohl gewartet. Jørns Puls beschleunigt sich leicht, die Zeit vom Zug zum Flug war auch so schon recht knapp bemessen. Naja, Augen zu und durch, wird schon

Wir versuchen noch eine Möglichkeit für mich zu finden, in Richtung Trollheimen bzw. Gjevillvasshytta zu kommen. Da ich mir die 100€ für ein Taxi ersparen möchte, werde ich wohl bis 13:00 Uhr auf den Bus in Richtung Sundalsøra warten. Der kann mich bis Festa bringen, wo die Mautstraße zur Hütte beginnt. Um 10:00 Uhr sitzt Jørn im Bus und ist auf dem Weg nach Oslo. Ein wenig Wehmut kommt auf.

Ich versuche noch Mal mein Glück einzukaufen und finde den Bunpris Supermarkt, der zwar teurer ist, aber auch sonntags offen hat. Nachdem ich mir ein paar Leckereien für die nächste Woche besorgt habe, gehe ich zurück zum Bahnhof und schlage die Zeit bis zum Bus Tod.

Dann kommt endlich der Bus. Ich zahle mein Ticket und kaum 20 Minuten später stehe in an der Mautstraße von Festa aus zur Hütte. Sehr gut, jetzt muss ich nur noch die 12km zur Hütte kommen.

Ich laufe los, passiere den kleinen Kaufmannsladen und die Mautschranken. Das Wetter ist toll und beschließe erst mal nicht zu Trampen sondern mich der Herausforderung zu stellen und zu laufen. Bald kommt der Gjevilvatnet in Sicht. Das Boot, auf das ich insgeheim gehofft hatte, liegt natürlich schon an Land. Wäre ja auch noch schöner gewesen mit dem Boot zur Hütte zu kommen.

Ich mache eine kurze Pause, trinke Tee und gönne mir ein Kvikk Lunsj. Die Aussicht ist echt super, die Vorfreude auf die nächste Woche steigt wieder ein bisschen. Wäre da nicht die Mautstraße. Ich setze mich wieder in Bewegung und sehe mir von der Straße aus die unzähligen Hütten hier an. Teilweise sind sie echte Kleinode, teilweise aber auch von automatischen Schranken gesichert.

Der Weg zieht sich wie Kaugummi und die Wegweiser mit den Kilometerangaben tragen nicht gerade zur Motivation bei. Nach circa 2h bin ich dann da. Gar nicht schlecht denke ich, ging ja doch schneller als gedacht. Aber für den Rückweg muss etwas anderes gefunden werden, ich bin nicht so erpicht darauf die 12km wieder zurück zu laufen.

An der Hütte treffe ich auf ein paar andere Wanderer. Sie haben gerade die klassische Trekanten-Tur (Gjevillvasshytta – Jøldalshytta – Trollheimshytta – Gjevillvasshytta) hinter sich gebracht. Wir unterhalten uns kurz, dann gehe ich zur Selbstbedienungshütte und quartiere mich für die Nacht ein.

Schnell den Ofen angemacht und dann sehe ich mir den tollen Sonnenuntergang an. Ich erfahre von Jørn, dass es zwar knapp war, er aber wohlbehalten zu Hause In Deutschland angekommen ist.

Später kommt noch ein zweiter Gast in die Hütte, Erwin ist ein Deutscher der schon 30 Jahre in Norwegen wohnt und seinen Urlaub hier verbringt. Wir unterhalten uns und Essen gemeinsam. Danach schreibe ich noch kurz mein Tagebuch und es geht ins Bett

Tag 17 Montag 19.09.11 Gjevilvasshytta – Jøldalshytta

Es ist 8:00 Uhr und ich sitze mit Erwin beim Frühstück. Ich hab schon Wasser geholt und Holz aufgefüllt. Irgendwie fühlt es sich ohne Jørn heute komisch an, ich muss mich ein wenig selbst in den Allerwertesten treten um in die Pötte zu kommen. Dann wieder Packen usw..

Abschied von Erwin und um 10:00 Uhr lasse ich die Hütte hinter mir und mache mich auf ins Gjørdøldalen. Bis zur Rolvsjordsætra gibt es noch eine Autopiste, der ich folge. Eine Schäferin fragt mich nach Schafen, sie sammeln auch hier die letzten Tiere ein. Es geht dann durch Birkenwald bergan. Ich komme ganz schön ins Schwitzen bis ich endlich oben bin.

Der Weg lässt sich gut gehen, keine Probleme. Nur der Wind hier oben macht mir etwas zu schaffen. Vorbei am Høgjøtjønna Sees führt der sehr schlammige Weg um Schlammlöcher herum wieder leicht den Berg hoch. Das Wetter ist nicht gerade berauschend aber es geht noch, immerhin regnet es nicht.

Schon bald geht es dann wieder steil bergab zur Brücke über die Minnilla. Schöne Aussichten auf die Berge im Zentrum Trollheimens ergeben sich.

Aber wo es runter ging, muss man meist auch wieder hoch. So auch hier. Es geht ein schönes Stück wieder hoch aus dem Minnilldal. Mit stoischer Ruhe und Ausdauer mache ich mich daran. Mittlerweile ist der Wind stärker geworden. Die Hälfte der Strecke von heute liegt hinter mir. Ich beschließe bald Pause zu machen. Gesagt getan. An einem großen Felsen auf dem nun folgenden Hochplateau raste ich und trinke eine Kanne Tee und esse ein Kvikk Lunsj.

Die Kälte und der Wind zwingen mich aber bald schon wieder zum Aufbruch. Echt ungemütlich hier oben. Der Weg an sich ist ganz gut, aber das Wetter quält mich doch ein wenig. Ich überquere zwei Bäche und sehe in einiger Entfernung eine Art Sammel- und Sortiergatter für Rentiere. Plötzlich höre ich ein aufgerecktes und aggressives Fiepen direkt bei mir. Was ist denn das? Ich gucke zu Boden und entdecke einen Lemming. Scheinbar bin ich aus Versehen fast auf ihn drauf getreten. Jetzt macht er mich doof von der Seite an und markiert hier mal den dicken Macker. Not in my house! Na gut, du hast ja recht, ich trolle mich und gehe weiter.

Beim Blick zurück sehe ich noch einige Rentiere, kann aber leider aus der Entfernung nicht sehen, ob es wilde sind.

Jetzt geht es wieder bergab ab, gut steil, aber kein größeres Problem. Schnell noch einen Bach überquert, leicht wieder hoch und auf einmal sehe ich eine Herde Rentiere direkt vor mir auf dem Weg. Es sind zwar keine wilden, eines trägt einen Sender, aber egal. Ich kann mich bis auf 30m näheren und schieße einige Fotos. Die Herde macht keine Anstalten zu verschwinden, erst als ich weiter auf sie zu gehe, laufen sie fort. Cooles Erlebnis.

Langsam kommen wieder einige Almen in Sicht. Es kann nicht mehr weit sein bis zur Hütte. Irgendwann komme ich auch auf die Versorgungsstraße der Hütte und bin dann auch bald da.
Wie zu erwarten war, ist die bediente Hütte schon geschlossen und für den Winter hergerichtet. Ich gehe zur Winterhütte, sehe mich um und entschließe mich dann an der großen Hütte zu Zelten. Wozu schleppe ich auch sonst meinen grünen Palast alleine durch die Gegend. Gesagt getan. Schnell steht das Zelt.

Ein tschechisches Paar kommt noch. Wir quatschen, sie tun es mir mit dem Zelten gleich. Dann hole ich mir Wasser und koche Kaffee. Der Blick auf die Berge ist echt super. Zu Abend gibt es Real Turmat. Der Wind ist kalt, so ziehe ich mich gegen 19:30 Uhr ins Zelt zurück. Ich lese, trinke Solbær Punsch und esse Brunost. Sehr gut.

Tag 18 Dienstag 20.09.11 Jøldalshytta – Trollheimshytta

Der Morgen beginnt wie immer. Nächtens war es ziemlich stürmisch, aber mein Zelt steht wie immer wie eine eins. Ein rasches Frühstück und dann wieder alles im Rucksack verstauen. Das Wetter ist nicht schlecht.

Der Weg über den Trollhøtta ist mir zu lang und bei den Wetteraussichten auch nicht unbedingt die erste Wahl. Ich will unterwegs entscheiden, ob ich durch das Svartådalen oder über den Geithøtta gehen möchte. Also los, bis zur Hosesætra geht es über Almfahrwege. Es fängt kurz an zu Regnen, aber nicht dramatisch, es verzeiht sich schnell wieder. Es geht hinter der Alm über den Bergrücken oberhalb der Schotterpiste zu den anderen Almen weiter hinten im Tal.

Das Wetter wird merklich besser, die Sonne kommt raus. Der Gedanke verfestigt sich, es über den Geithøtta zu probieren, auch wenn dies bedeutet reichliche Höhenmeter zu bewerkstelligen. Egal, das Wetter ist gut, die Etappe auch so nicht besonders lang, was sind da schon 650hm mit dem schweren Rucksack.
Schnell komme ich zu den letzten Almen im Tal, muss einmal den Fluss Svartåa über eine Brücke queren. Komme dann zur Retåssætra Alm. Ich plausche kurz mit einem Jäger und gehe dann weiter bis zur Brücke über den Litlsvartåa. Ziemlich viel Wasser kommt hier runter, ein schöner Wasserfall kommt in Sicht. Kurze Pause hier, schnell noch Wasser aufgefüllt, dann fällt die Entscheidung.

Ich weiß nicht wieso, aber ich als eigentlich faulster Mensch der Welt, entscheide mich für die Bergvariante. Keine Ahnung was mich dabei reitet. Schnell geht es einen steilen Anstieg hoch, dann wird es flacher. Gar nicht so schlimm, schnell sind die ersten 200hm überwunden. Der Blick zurück weiß zu gefallen. Schön hier, aber doch gut anstrengend.

Dann geht es durch eine Art kleines Plateau, leider wieder etwas abwärts, na toll. Auch schlammig ist es hier, aber man kann gut herüber zum Trollhøtta sehen.

Weiter geht es, es wird steiler, ich gewinne weiter an Höhe. Langsam zehrt es doch ganz schön. Aber wie so oft entschädigen die Aussichten rundum für die Anstrengungen. Viele Steine Pflastern hier wieder den Weg. Immer höher geht es, es ist total still hier, unfassbar toll.

Dann mache ich total ausgepumpt Pause. Ich leere eine ganze Thermoskanne Tee und esse ein Kvikk Lunsj.
Die Lebensgeister kehren langsam zurück. Nach der Pause scheint sich das Wetter zu ändern. Ich steige weiter auf und stehe bald ganz oben. Der Blick ist überwältigend, ich kann zurück bis zum Start am See heute Morgen sehen. Was ein Panorama. Sämtliche Qualen sind vergessen, ich bin total happy und kann es kaum fassen. Wie geil ist das denn.

Ich sammle noch einen Stein als Andenken für zu Hause ein. Dann mache ich mich wieder auf. Man kann die zentralen Berge von Trollheimen sehen, wunderschön.

Auch der Gråsjøen See und die Trollheimshytta kommen bald in Sicht, nur eben gute 800 Meter weiter unten. Hoch habe ich ungefähr drei Stunden gebraucht, mal sehen wie lange der Abstieg dauert.

Aber ausgerechnet jetzt ziehen Wolken auf, es fängt an zu Nieseln. Ja super, genau das Wetter, das man sich für so einen steilen Abstieg wünscht. Ich verfluche alles um mich herum, es haut mich mehr als einmal fast hin, die Stöcke werden zu meinen allerbesten Freunden, es ist zum kotzen. Erst geht es über Geröllhalden runter, dann über schlammig, rutschige Weg. Ein Traum in grau, braun, grün.

Wär ich doch mal durchs Tal gelaufen. Na wenigstens geht der Abstieg schnell, aber bei dem Runterrutschen hier auch kein Wunder. Dann kommt die Stettåa in Sicht. Der Fluss fließt steil und spektakulär den Berg hinab.

Von hier aus kann man dann auch die Hütte sehen, wenigstens etwas. Der Weg ist jetzt total ausgewaschen, nicht besonders toll, aber mangels Alternative nimmt man, was man bekommt. Bald schon bin ich dann an der Hütte. Insgesamt hab ich für den Abstieg circa 1,5h gebraucht, gar nicht schlecht, wenn man an die Umstände so denkt.

Es ist jetzt 16:30 Uhr und ich bin total fertig. Das Wetter ist auch nicht so toll und die Hütte steht direkt vor mir. Also geht es in die Hütte für die Nacht. Ich bin nicht der einzige Gast hier, zwei Finninnen sind auch da. Ich beziehe mein Bett und gehe mich mit heißem Wasser und der Badeschüssel duschen. Das tut nach dem Tag ziemlich gut. Der Resttag vergeht dann bei Kochen und Klönen. Auf der gesamten Tour ist dies die erste Hütte, mit dem expliziten Hinweis, aufgrund der Lemmingschwemme das Wasser abzukochen. Wir unterhalten uns lange über Gott und die Welt, echt entspannt. Gegen 22:00 Uhr gehen dann die Lichter aus. Gute Nacht.

Tag 19 Mittwoch 21.09.11 Trollheimshytta – Vassendsetra

Man oh man, wie die Zeit rast. Tag 19 schon, ist ja schon fast Arbeit, aber nur fast. Schnell sind alle Sachen wieder im Rucksack, das Frühstück ist auch schnell abgehandelt, ich empfehle mich. Da ich ja noch einige Tage Zeit habe, geht es für mich nicht auf dem direkten Weg zurück zur Gjevilvasshytta. Ich will entlang der Folda gehen und bis Vassendsetra kommen. Ist zwar vielleicht nicht so spektakulär, aber dafür soll es laut Karte wohl umso schlammiger werden.

Nun denn, auf geht’s, schnell die Brücke über die Stettåa genommen und dann weiter immer Richtung Folda. Erst geht es durch ein wenig sehr lichten Wald, dann kommen die ersten Schlammflächen.

Alter Schwede, da hab ich mir aber etwas vorgenommen. Es ist super schlammig und der Weg muss oft verlassen werden um überhaupt voran zu kommen.

Bald schon komme ich zur Løsetsetra Alm. Hier ist schon alles dicht. Ich folge dem Weg durch Birkenwald, echt schön hier, wenn man den Schlamm mal außen vor lässt.

Bald geht der Weg direkt am Fluss entlang. Der Schlamm nagt langsam an mir, es ist echt anstrengend sobald man geht, allerdings auch genauso toll wenn man stehen bleibt und die Natur um einen herum genießt.

Immer weiter geht es am Fluss entlang durch Schlamm und Moder. Ein ums andere Mal sinke ich tief ein, fluche, die Stiefel laufen voll. Vom Hochwasser früher im Jahr ist der Weg teilweise arg ramponiert, manchmal muss ich mühevoll Nebenflüsse überqueren. Aber egal, es ist einfach toll hier, keine Menschenseele ist im Tal. Der Weg scheint nicht oft begangen zu sein, frische Fußspuren sehe ich jedenfalls nicht.

Das Tal verjüngt sich nun, der Fluss wird reißender. Jetzt kommt ein schöner, steiler aber auch kurzer Anstieg. Durch Birkenwald geht es steil hoch. Ich komme ganz schön ins Schwitzen, bin genervt und merke die Anstrengungen des bisherigen Tages. Von Oben hat man einen schönen Blick zurück, wieder einmal verblasst das Negative schnell.

Ich mache Pause, leere wieder eine ganze Kanne Tee. Ich muss aufpassen, nicht einzuschlafen, aber ich bin total zufrieden mit mir und der Welt drum herum. Ist schon okay, wir vertragen uns wieder.
Nach der wohltuenden Pause geht es weiter. Es ist ein wenig nervig hier durch die Büsche zu turnen, aber dann wird es wieder lichter, dafür aber auch wieder schlammig.

Aber was soll mich das jetzt noch nach zweieinhalb Wochen stören. Weiter, immer weiter. Das Tal öffnet sich wieder weiter, es schlägt mich richtig in den Bann. Das Vorankommen fällt wieder leichter, ich merke wie ich mich entspanne und es einen heiden Spaß macht, es ist einfach wunderschön. Es geht nun immer leicht bergan, aber das macht nicht aus, im Gegenteil, es macht Spaß, immer wieder zurück zu blicken.

Dann geht es in das Hyttdalen, hier gibt es einige Seen und jede Menge feuchte Wege.

Dann kommt die Abzweigung zu den Wegen übers Mellomfjellet und in Richtung Bårdsgarden.

Der Blick über den Gjevillvatnet ist einfach nur super. Man kann sich gar nicht satt sehen. Toll.

Ich mache mich an den Abstieg zur Vassendsetra Hütte. Nicht ganz ohne, ziemlich steil und rutschig. Aber auch das meistere ich, bevor es wieder durch Birken hindurch zu der Hütte geht.

Eine gute halbe Stunde hat der Abstieg gedauert. Ich schließe die Hütte auf und sehe mich um. Ich entscheide mich wieder, einfach vor der Hütte zu zelten, sollte hier kein Problem sein, ich bin alleine und laut Hüttenbuch war auch seit Anfang September keiner mehr hier. Auch hier gibt es einen Hinweis, das Trinkwasser abzukochen. Ich baue das Zelt auf, stärke mich und esse zu Abend. Gegen 21:00 Uhr liege ich wieder einmal auf der Matte und schlafe.

Tag 20 Donnerstag 22.09.11 Vassendsetra – Gjevilvasshytta – Opddal

Na toll, als ich um 8:00 Uhr wach werde, regnet es. Egal, penne ich halt bis 9:00 Uhr weiter, heute soll es ja nicht so lang sein. Und wie bestellt hört es dann auf zu regnen. Ich frühstücke in Ruhe und packe dann meine Sachen. Schnell noch den Aufenthalt bezahlt und dann geht es los.
Es soll die ganze Etappe lang quasi nur am See entlang gehen. Ich ahne was mich erwartet. Die bisherigen Erfahrungen lassen auf viel Schlamm mit noch mehr Schlamm schließen.

Na dann los. Gleich am Anfang geht es über Holzplanken. Habe wohl gestern etwas viel gegessen, ich sinke teilweise mitsamt der Planken im Matsch ein. Naja, wäre ich eine Elfe könnte ich ja auch fliegen. Wenigstens das Wetter zeigt sich von seiner guten Seite.

Ich quäle mich durch Sumpf, Matsch, Sumpfwald und Matschwald. Elendig das Ganze. Zwischendurch gibt es trockene Passagen. Ich passiere den Glupbekken Wasserfall und trinke etwas.

Dann weiter bis zum Rensbekken Wasserfall bei der Rensbekksætra Alm. Wieder wird was getrunken, echt nett hier.

Der Weg wird aber hier besser, er zieht sich aber wie Gummi. Es scheint kein Ende zu nehmen. Irgendwie ist die Stimmung kurz vor dem Kippen. Langsam rückt das Ende der Tour in den Fokus. Gedankenspiele schwirren mir durch den Kopf, wie ich wohl nach Oppdal und dann weiter nach Oslo kommen soll. Ich überlege mir Pläne, Möglichkeiten, Ausweich und Notfallpläne. Ein wenig werde ich melancholisch, was war das nur für eine geile Zeit. Es geht durch Birkenwald, dann durch Nadelwald. Ich erreiche die Häuser bei Håmmårsætra. Geschafft, drei Stunden hab ich bisher gebraucht. Gar nicht schlecht. Was eine Tortur dies ansonsten so harmlose Etappe bis hierher war.

Jetzt nur noch 3km die Straße runter bis zur Hütte. Da will ich Pause machen und überlegen, wie es weiter geht.
Das Stück über die Straße wird echt zu einem Geduldsspiel. Es nervt mich und dauernd fahren schwere LKWs an mir vorbei, die hier wohl irgendwas abkippen.

An der Hütte trinke und esse ich etwas. In der Sommerhütte scheint wer zu sein. Ich gehe rein, tatsächlich, sie haben für eine private Feier geöffnet. Schnell ne Cola auf die Hand und nachgefragt, ob sie mich eventuell mit nach Oppdal nehmen könne. Leider Negativ, sie raten mir, es mit LKW zu probieren. Alles klar. Ich geh runter zur Straße und werfe mich in Tramperpose.
Der dritte LKW nach 20 Minuten hält dann an. Ich fass es nicht, total super, ich komme hier ohne die 12km zur Straße zu laufen raus. Hervorragend. Schnell noch den schweren Rucksack hoch in Fahrerhaus gewuppt und dann kann die Fahrt losgehen. Beim Einsteigen fällt mir auf, dass der LKW aus Oppdal zu kommen scheint, die Beschriftung lässt darauf schließen. Ich frage, ob auch Oppdal als Ziel möglich wäre. Ja klar, kein Ding, meint der Fahrer. Super, Jackpot! Um 15:00 Uhr bin ich in Oppdal und freu mich riesig, dass das geklappt hat.

Ich laufe rüber zum Bahnhof, hole mir ein Zugticket nach Oslo für den nächsten Tag. Dann noch zum Rema 1000 etwas einkaufen und dann wandere ich wieder zum geschlossenen Campingplatz vom letzten Mal. Man kennt mich ja schon, ich kann wieder bleiben. Baue das Zelt auf, dusche, koche Nudeln. Esse soviel Nudeln, bis mir fast schlecht ist, aber egal, habe mordsmäßigen Hunger. Dann fängt es an zu regnen und ich geh ins Zelt.

Tag 21 Freitag 23.09.11 Oppdal – Oslo

Um 7:00 Uhr klingelt der Wecker. Ich will nicht, aber ich muss. Also raus aus den Federn bzw. Daunen. Draußen ist es kalt und feucht, es hat Frost gehabt. Ich trotte zum Waschhäuschen und widme mich der Morgentoilette. Danach wird das Zelt abgebaut und ich packe alle meine Sachen im Waschhäuschen zusammen. Der Zug soll gegen 10:00 Uhr gehen. Das Frühstück fällt aus, das will ich mir in Oppdal besorgen. Gegen 8:00 Uhr mache ich mich auf den Weg zum Bahnhof der 2km entfernt ist.

Diesmal gehe ich durch die Siedlung an der Straße und 20 Minuten später bin ich am Bahnhof. Dann geht es noch einmal etwa für die 5 Stunden Zugfahrt einkaufen. Die Wartezeit auf den Zug vergeht schnell.

Scheinbar hat wer in der Nacht ins Tourimusbüro eingebrochen, ich werde nett vom CSI Team Oppdal unterhalten. Dann kommt der Zug, ich suche meinen Platz.

Total krass ist es, wie lange es bis Ringebu dauert, von wo aus wir gestartet waren. Um 15:15 Uhr bin ich dann in Oslo.

Ich laufe zum Ankerhostel. Aus Schaden sollte man ja klug werden, ich nicht. Will es wieder dort probieren, kann ja nicht immer so schlimm sein wie letztes Jahr. Ich bekomme ein Bett im 8er Zimmer und fahre mit dem Fahrstuhl hoch. Sehr gut, das Zimmer ist leer, ich kann mir das Bett aussuchen und mich ausbreiten. Das nutze ich auch aus und hänge erst mal das Zelt zum trocknen auf. Das sollte funktionieren

Anschließend gehe ich raus in die Stadt. Sightseeing wartet. Lustig ist nur, dass als ich am Abend in das Zimmer zurückkehre, mein Zelt noch hängt, es auch trocken ist, aber alle anderen Betten belegt sind. Aber die anderen nehmen es mit Humor.

Tag 22 Samstag 24.09.11 Oslo

Nach dem Unschlagbar günstigen Anker Hostel Frühstück im Italiener zwei Häuser weiter, gibt es den ganzen Tag Oslo Sightseeing. Es ist am Nächsten Tag Oslo Marathon, dementsprechend ist viel los.

Abend ist bei mir auf dem Zimmer Kochparty. Sehr lustig. Die Leute bei mir auf dem Zimmer kennen sich von einem gemeinsamen Sprachurlaub in Australien. Nun treffen sie sich jedes Jahr im Heimatland eine anderen. Ein Deutscher ist darunter. Er ist ein wenig verwundert über die Norwegischen Preise, hatte sich nicht vor dem Trip darüber informiert.

Zwei Norwegerinnen kochen für alle, sie wollen in den Geburtstag der einen Norwegerin rein feiern. Um 0:00 Uhr ist dann großes Hallo. Ich gratuliere und sage, dass ich auch Geburtstag habe. Noch größeres Hallo! Dann entschwinden sie zum Feiern in die Nacht

Tag 23 Sonntag 25.09.11 Oslo – Düsseldorf – Iserlohn

Um kurz vor 8:00 Uhr ist die kurze Nacht zu Ende. Ich dusche und packe dann meinen Krempel zusammen. Passt alles irgendwie viel besser in den Rucksack als bei der Anreise. Ich lasse meinen Rucksack im Gepäckraum, checke aus und mache mich auf zum Frühstück im Restaurant ein paar Meter weiter die Straße runter. Dort treffe ich auf Markus von der Sprachgruppe. Wir unterhalten uns noch über meine Tour und ich zeigen ihm noch schon leicht wehmütig ein paar Bilder auf meiner Kamera.

Dann empfehle ich mich, ich will mir den Marathon und den Volkslauf heute angucken. Um 10:30 Uhr ist der Start, ich schlendere durch die Stadt und die Strecke entlang. Gute Stimmung hier, ganz Oslo scheint im Lauffieber zu sein. Alle tragen Laufklammotten und das Ganze ist ein riesiges Volksfest.

Irgendwann ist meine Zeit gekommen. Der Rucksack ist schnell im Anker Hostel abgeholt und ich nehme den normalen Zug zum Flughafen. Schnell den Rucksack aufgeben und durch die Security. Der arme Mann fordert mich doch tatsächlich auf, meine Stiefel auszuziehen. Na gut, wenn er will. Als er die Schuhe nimmt und sie auf das Band zum Röntgen stellt, sehe ich wie toll er den Geruch findet. Der Job kann wohl manchmal schon ätzend sein

Dann entspann ich noch bei zwei leckeren 89NOK Bieren und freue mich auch schon auf zu Hause. Mal sehen, was mich da noch so erwartet. Irgendwie haben sich heute ein paar Leute nicht wie erwartet gemeldet. Komisch, sind doch sonst die Jahre nicht so gewesen.

Nach dem kurzweiligen Rückflug und der Autofahrt nach Hause weiß ich auch warum. In der Einfahrt stehen völlig überraschend ca. 35 Leute und warten schon auf mich. War ja klar. Auch die Presse vom lokalen Werbewochenblatt ist da. Dass kann ja was geben. Aber egal, ich freu mich schon aufs Fegen in meinen äußerst stinkigen Klamotten. Der Abend wird noch feucht fröhlich und irgendwann gegen Mitternacht falle ich dann auch immer noch stinkend ins Bett.

Fazit

Was eine tolle Tour. Das Wetter und die Ausrüstung haben super mitgespielt. Na gut, die Stiefel haben es sich trotz einer vorher extra gemachten Neubesohlung hinter sich und werden aufs Altenteil wandern. Sie haben ihre Pflicht erfüllt und auch bis zum Ende durchgehalten. Die Neuen stehen bereits hier.
Auch die Strapazen und nicht so tollen Momente verblassen schnell. Es hat eigentlich fast immer eine Menge Spaß gemacht und war eine weitere tolle Erfahrung mit Norwegen und seinen Menschen. Ich möchte keinen Moment missen und freu mich schon wieder auf die nächste Tour im Norden. Vi sees – ha det bra!

2. Woche Dovrefjell

 

Tag 9 Sonntag 11.09.11 Hjerkinn – Reinheim

Der Tag beginnt wie solle s auch anders sein mit Frühstück und Kaffee. Dann wird schnell das Zelt verstaut und der Rucksack geschultert. Das Wetter ist kühl und Nebelig. Wir zahlen die Nacht, kaufen noch Schokolade und Käse, die Belehrung über die Gefahren im Umgang mit den Moschusochsen bekommen wir kostenlos.

Wir folgen dem Weg hinter der Fjellstue hoch zum Hjerkinnshøe. Wir folgen dem Olavsweg hier durch den Nebel. Auf der höchsten Stelle sind vile Steinhaufen von Pilgern errichtet worden. Auch steht dort ein Kreuz mit der Entfernung von 208km zum Nidarosdom zu Trondheim.

Die umliegenden Berge hüllen sich in Nebel. Wir treffen noch einige Reiter, die die letzten Sauen (Schafe) des Jahrs einfangen zu gedenken. Der Weg ist breit und gut und so erreichen wir zügig die E6. Wir folgen der Straße ein Stück bis Grønbakken, wo wir die Straße und den Fluss überqueren. Ein paar Häuser befinden sich hier direkt an der Bahnlinie nach Oppdal. Eine kleine Unterführung hilft uns die Bahnlinie zu überwinden und schon stehen wir im Reich der Moschusochsen.

Es gibt zwei Wege durch das Tal zur Reinheim Hütte, einen südlich und einen nördlich des Kaldvella Flusses. Wir nehmen die südliche Route und machen uns auf. Hoffentlich sehen wir Moschusochsen, das wäre echt ein Traum. Die Lichtstimmung im Stroplsjødalen ist echt der Hammer, es könnte jede Tageszeit sein, man kann es einfach nicht ausmachen. Der Weg ist gut zu gehen und steigt stetig etwas an, immer dem Fluss folgend.

Zwischendurch fällt mir noch ein sehr beweglicher Felsen auf, ich stutze und wundere mich, zweifele kurz an mir und merke dann, dass es ein ziemlich gut getarnter Rentierjäger ist. Nun gut, man gewöhnt sich an alles, auch an Jäger die man nicht sieht. Hauptsache sie halten uns nicht für ein Pärchen komisch gefärbter Rentiere. Wir kommen ein wenig ab vom Fluss und es wird ein wenig steiler. Matschige Löcher wollen umgangen werden aber es geht ganz gut voran.

Kurz vor dem Kolldalen machen wir Pause. Das wird auf jeden Fall ein langer Tag, das Wetter wird langsam schlechter, es nieselt, wird kalt. Nach Pausentee und Salami geht es in Richtung Kolldalen, von wo der Weg auf wieder ansteigt. Dort sehen wir dann auch etwas entfernt auf der anderen Flussseite den ersten Moschusochsen. Weiter geht es durch das weite Tal. Der Boden ist teilweise sandig, aber es geht weiterhin gut voran immer entlang des Stropla Flusses.

Dann wird das Tal wieder enger und wir kommen direkt zum Fluss. Bald schon entdecken wir weitere Moschusochsen, sind aber froh nicht den Weg auf der anderen Flussseite genommen zu haben. 400kg Beef die im Gelände bis zu 60km/h schnell sind, wollte ich nicht auf meinem Weg finden (am Abend auf der Hütte berichtet uns Dag genau davon, er musste einen schönen Umweg gehen).

Wir machen Fotos, freuen uns über das tolle Erlebnis und weiter geht es. Langsam wird der Tag lang, aber was soll es, wir wollen zur Hütte. Mittlerweile wird das Wetter immer schlechter und zu allem Übel macht der Weg einen guten Schwenk wieder bergan über grobes Blockwerk. Na Glückwunsch, schon über 20km gelaufen und dann noch mal über glitschige Felsen steigen.

Aber auch das meistern wir mehr oder weniger stoisch. Die Hütte kommt langsam in Sicht, wir kommen näher und näher. Dann noch über die Brücke und wir sind da. Gut, dass wir einen DNT Schlüssel haben, die Hütte ist abgeschlossen.

Wir gehen rein, ziehen die nassen Sachen aus und machen alle drei Öfen an um die Hütte aufzuheizen. Von weitem sehen wir noch einige andere Wanderer kommen, wir werden nicht die einzigen bleiben.

Das Zimmer ist schnell bezogen, wir breiten uns aus und trocknen unsere Sachen. Nach und nach trudeln die anderen ein, unter anderem auch der Hüttenwart. Zu Abend kochen wir eine große Portion Nudeln mit dem guten Fleisch aus der Dose, Knoblauch und einer auf der Hütte gefundenen Zwiebel.

Herrlich, die Bäuche schlagen wir uns voll und die Entspannung nach dem anstrengenden Tag setzt ein. Es folgt die übliche Hüttenroutine bevor wir dann erschöpft ins Bett fallen.

Tag 10 Montag 12.09.11 Reinheim – Åmotsdalshytta

Weiter geht es. Gegen 8:00 Uhr stehe ich auf. Dag und Jørn haben schon das Holz aufgefüllt, ich komme zum Frühstück dazu. Wir unterhalten uns mit Dag, er sagt, wir lägen nach Touretappen 3:0 vorne, wir sind schneller als er. Schnell ist die Hütte endgültig aufgeräumt und gefegt. Unsere Sachen und das Zelt sind auch trocken, es kann weiter gehen.

Heute soll es auf direktem Weg ohne Schnickschnack zur Åmotsdalshytta gehen. Die Berge rundherum sind in Wolken gehüllt, wir sparen uns einen Aufstieg in die Wolken und gehen bis zum Talende.

Dort geht es über Blockwerk zur Leirpullskardet Scharte. Schon sehr viel Fels, man muss ein wenig aufpassen, aber wir überwinden das Hindernis rasch.

Auf der anderen Seite geht es dann wieder etwas steil herunter.

Dann folgen wir dem Weg immer weiter an der Flanke der Berge entlang. Das Tal ist weit und schön anzusehen, schon verwunderlich, dass man sich scheinbar an den unendlich vielen Steinen nicht satt sieht, scheint süchtig zu machen.

Nach 2,5 Stunden kommt dann die Hütte in Sicht und gegen 13:00 Uhr sind wir da. Eine recht kurzweilige Etappe, richtig entspannend nach dem letzten Tag. Einige Jäger scheinen die Hütte als Basis zu nutzen, überall liegen Knochen, Rentierfelle und sonstige Jagdreste rum. Im Toilettenhäuschen hängen diverse Einzelteile von Rentieren und Vögeln ab. Nun ja, wer’s mag.

Schnell beziehen wir eines der noch freien Zimmer, dann kommt Dag an und wir essen zusammen ein paar Pfannkuchen mit Zimt und Zucker, trinken einen Kaffee. Das muss Urlaub sein.

Schnell waschen wir mal unsere Socken. Echt lecker was sich da so ansammelt.

Jetzt gibt es für alle Teilnehmer Freizeit, in Zweiergrüppchen dürfen wir zum Angeln. Der nahe See lockt, es gibt sogar ein Boot zu Mieten und im Lebensmittelraum liegen einige richtig kapitale Forellen, die Jørn vor Neid erblassen lassen. Hier muss es doch mal klappen. Also los, auf zur Jagd. Aber was soll ich sagen, Angeln entspannt schon sehr, man darf sich halt nicht aufregen, wenn Aufwand und Ertrag in einem unglücklichen Verhältnis stehen.

Aber das gelingt uns gut, wir sind wohl eher Entspannungsangler, die Landschaft umzu trägt ihr übriges dazu bei. Irgendwann kehren wir zurück zur Hütte, langsam trudeln die anderen Mitbewohner ein. Bis auf Dag und uns sind es alle Jäger, die Rentieren nachstellen. Bald stehen fast überall Gewehre und Jagdutensilien herum. Mit Dag zusammen kochen wir uns Kartoffelpüree mit Rentierklößchen und Dosenerbsen.

Die Norweger hängen alle am Radio, es sind Wahlen, die ersten nach dem unglückseeliegen Vorfall in Oslo, und alle sind gespannt auf den Ausgang. Wir unterhalten uns lange mit Dag, er ist gerade in Rente gegangen und zur Feier dessen auf einer dreiwöchigen Hüttentour. Er zeigt uns Bilder auf seinem Telefon von den Trauermärschen und Bekundungen in Oslo. Auch von einem Opfer, das er persönlich kannte berichtet er uns. Schon komisch, dass hier in dieser wundervollen Umgebung mit diesen tollen Menschen hier zu sehen. Auch das Ganze aus erster Hand und nicht aus dem Fernsehen oder dem Internet zu sehen, gibt dem Ganzen noch einmal eine andere Qualität.

Am Abend bereiten sich noch zwei Jäger aus Tromsö ein opulentes Gulasch aus Rentierherz und Leber zu. Es ist wohl das Einzige vom Tier, welches man ohne Abhängen sofort Essen kann. Uns läuft das Wasser im Munde zusammen. Frischer Lauch, frische Zwiebeln, das wär doch mal was. Und tatsächlich, sie habe viel zu viel gekocht. Wir bekommen eine ordentliche Portion ab. Ein Gedicht, echt lecker. Vielen Dank noch mal dafür.

Später noch sehen wir zwei Stirnlampen durch die Nacht tanzen und auf die Hütte zu kommen. Es sind zwei Jäger, die auf der anderen Seite des Sees ein Ren geschossen haben und es nur mit dem Boot über den See rudern um es dann zur Hütte zu bringen. Der eine Jäger ist schon weit über 70 Jahre alt und sie schleppen da gerade etwa 80kg Fleisch im Rucksack durch die Nacht. Respekt und Anerkennung. Wir gucken uns noch das Tier an, ich werde dabei noch kurz auf der Toilette eingesperrt. Ein Norweger meint, das wäre ja nicht so schlimm, es gäbe da ja noch einen anderen Ausgang für das Plumpsklo. Danke, vielleicht beim nächsten Mal. Um halb elf sind wir dann im Bett.

Tag 11 Dienstag 13.09.11 Åmotsdalshytta – Loennechenbua

Um 8:00 Uhr sitzen wir beim Frühstück. Wir stärken uns und klaren dann die Hütte auf. Die meisten Jäger haben sich schon verdrückt, der frühe Norweger fängt das Ren. Für die nächsten Tage nehmen wir noch ein paar Lebensmittel mit, da wir in Loennechenbua einen Ruhetag einlegen wollen. Von Dag nehmen wir Abschied, er nimmt eine andere Route.

Über den breiten Ablauf des Åmotsvatnet Sees machen wir uns auf. Es ist ziemlich rutschig und glatt, auf einmal liege ich, laut Jørn wild mit den Armen rudernd, quer in der Luft, kann aber mit Hilfe der Stöcke und viel Mühe wieder das Gleichgewicht halten und mich ohne Sturz retten. Gut gegangen, aber nur knapp.

Es geht leicht den Berg hoch aus dem Tal hoch zum Langvatnet. Am Ufer steht eine Hütte, vermutlich ist der Besitzer gerne auf der Jagd.

Dann geht es hoch über den Gråhøin. Das Wetter wird schlechter, Nebel zieht auf und es nieselt.

Zum ersten Mal auf der Tour hab ich so etwas wie keinen Bock mehr, keine Ahnung wieso. Vielleicht weil der BVB heute gegen Arsenal spielt und ich nicht im Stadion sein kann. Die Aussicht auf einen Ruhetag morgen und eine kurze Etappe heute motivieren dann aber doch.

Weiter also, wieder abwärts hinunter zum Urdvassbekken. Wir überqueren den Fluss über Blockwerk. Die Steine sind enorm glitschig, aber mittlerweile kommen wir damit ja gut zurecht. Einige Hütten kommen in Sicht und wir laufen entlang des Urdvatnet Krokåtjønna Sees. Am Ende des Sees müssen wir noch einen Bach über rutschige Felsplatten überqueren, danach geht es steil, wirklich steil über einen rutschigen Steig den Berg hoch. Oben angekommen ist der Blick zurück gut, aber wir halten uns damit nicht lange auf. Weiter zur Hütte. Der Weg hinab ist wieder steil und sehr rutschig, aber nach ein paar Augenblicken kommt die Hütte in Sicht. Oh man, was ein Platz für eine Hütte.

Traumhaft direkt am Litlvatnet gelegen, nur der Nebel weiß nicht zu gefallen. Egal, schnell sind wir dann direkt an der Hütte und gehen rein, oder besser gesagt wir machen dies in einer Art Limbo.

Die Hütte ist winzig, fast wie ein Puppenhaus und die Eingangstür vielleicht 1,40m hoch. Wir staunen Bauklötze und freuen uns wie die Kinder, war es doch ein erklärtes Ziel vor der Reise gewesen, hierhin zu kommen. Schnell richten wir uns auf den dreieinhalb mal dreieinhalb Metern ein. Zwei Betten, ein Tisch, zwei Bänke Ofen und Küche, alles da, fast wie auf einem U-Boot. Bald hängt überall Ausrüstung herum, hier muss man sich gut organisieren. Aus dem Hüttenbuch erfahren wir, das vor kurzem hier sechs Leute übernachtet haben, unvorstellbar für uns.

Da es noch früh am Tag ist, gehen wir raus zum Angeln. Ist zwar richtig kalt und ungemütlich, aber was tut man nicht alles für ein Abendessen. Und siehe da, nach kurzer Zeit fängt Jørn tatsächlich etwas. Die Freude kennt keine Grenzen, endlich sind die Mühen belohnt worden.

Nach diesem Erfolg gibt es Kaffee und wir wärmen uns auf. Der Fisch soll heute Abend gebraten auf einem Bett aus Kartoffelpüree an Linsen gereicht werden. Das wird lecker. Jørn ist angefixt und startet einen weiteren Versuch. Dieser ist auch von Erfolg gekrönt, das gibt es doch gar nicht, ein Festmahl für uns. Es wird nebelig, wir kochen und freuen uns auf den Fisch.

Er ist köstlich und war alle Angelmühen wert. Nach dem Abwasch machen wir es uns bei einem Kaffee gemütlich, hoffentlich kommt nicht noch ein weiterer Gast, es ist auch so schon recht gemütlich. Alles ist perfekt, es könnte nicht besser sein, die Welt um uns herum ist ganz, ganz weit weg.

Tag 12 Mittwoch 14.09.11 Loennechenbua

Ein Ruhetag, wie schön. Ausschlafen bis in die Puppen, toll so was. Wir frühstücken, trinken Kaffee, gehen Angeln, reparieren das Radio, üben Knoten, aber eigentlich Gammeln wir rum, herrlich, Urlaub. Zu doof für Pfannkuchen sind wir auch noch, rühren das Pulver mit heißem Wasser an, versuchen den Teig zu retten, geben irgendwann auf, au backe, wie blöd kann man sein.

Das ganze Entspannen kostet ganz schön viel Kraft, wir kochen zwei Pfund Spagetti mit einer Soße aus Tomatensuppe, Knoblauch, Minisalamis und Makrelenfilets in Tomatensoße. Ordentlich Paprika und Chilli drauf, ein Traum. Allerdings schaffen wir nur zwei Drittel des Topfes, den Rest gibt es dann morgen zum Frühstück.

Abends dann geht auf einmal die Tür auf. Wir gucken und verdutzt an, einem Gewehrlauf folgt ein total durchgefrorener Rentierjäger. Wir rücken zusammen, er wärmt sich mit reichlich Kakao und Schokolade auf. Der gute Mann ist seit 5:00 Uhr morgens unterwegs zur Rentierjagd. Um kurz nach 21:00 Uhr bauen wir die Hütte um zum Dreibettzimmer und gehen zu Sack. Nur Jørn hat echt den schwarzen Peter. Er liegt im oberen Bett, der Jäger hat kurz vorm zu Bett gehen den Ofen noch bis oben hin vollgemacht. Da ihm kalt ist kann Jørn vor Wärme da oben kaum schlafen. Na wenigstens frieren wir nicht.

Tag 13 Donnerstag 15.09.11 Loennechenbua – Gammelsetra

Der Ofen bollert schon, um 8:00 Uhr luken alle aus ihren Kojen. Geordnetes Aufstehen ist befohlen, ansonsten wird es hier schnell unspaßig auf dem knapp bemessenen Raum. Der Waidmann mag nicht so recht zur Jagd aufbrechen. Über Nacht hat geschneit und gefroren.

Man kann nicht besonders weit sehen, Jagen macht wohl nicht so viel Spaß bei dem Wetter.
Dann gibt es Frühstück für uns, er versucht doch sein Glück. Godt jakt!

Die Hütte ist schnell aufgeräumt und gereinigt. Gegen 10:00 Uhr sind wir dann draußen im Schneesturm. Das wird eine Herausforderung. Es ist überall ziemlich glitschig und kalt, Schnee liegt, respekteinflößend. Aber was muss das muss. Über Blockwerk geht es direkt am See entlang, ziemlich fiese Geschichte bei dem Wetter, bald schon sehen wir von der Hütte nichts mehr.

Am Ende des Litlvatnet kommt die Sonne raus. Alles glitzert und funkelt. Dann geht es ziemlich steil runter zum nächsten größeren See, dem Storvatnet. Es haut mich kurz mal richtig schön hin, voll auf das Knie. Ein Indianer kennt kein Schmerz, weiter am See entlang geht es.

Das Wetter ist jetzt richtig gut, aber der Wind bläst einem kalt ins Gesicht, man muss auf die Eisplatten auf dem Weg aufpassen. Ein letzter Blick zurück und weiter geht es.

Die Stimmung erinnert mich plötzlich an Weihnachten, Schneeflocken fallen und das Licht ist irgendwie besonders.

Zügig geht es nun abwärts durch das Flatskirådalen bis zur Gammelbua, wo wir eine Pause einlegen. Das Wetter lädt aber nicht zu längerem Verweilen ein, der Nieselregen treibt uns weiter.

Es geht weiter ins Tal hinab, bis runter zum Fluss im Skirådalen. Die Stimmung ist gut, dann geht es wieder einen Anstieg hoch zum Skiråranden. Nun gibt es auch wieder Bäume, wir laufen durch Birkenwald und kommen zu einem Parkplatz bei Middagshjellan. Hier stehen reichlich Auto, scheinbar alle von Rentierjägern.

Wir folgen der Schotterstraße, überqueren die Linndøla und laufen zur Gammelsetra rein ins Linndalen. Wir beziehen das Haupthaus der alten Alm. Insgesamt gibt es vier Gebäude, alle sehr urig.

Nachdem alles eingerichtet ist und wir unsere Sachen zum trocknen an den offenen Kamin gehängt haben, gibt es was zu Essen. Die Speisekammer ist schon arg geplündert, so gibt es dann Erbswurst mit Bockwürsten. Der Rest des Tages wird Urlaub vor dem Kamin gemacht.

Lesen, Tee trinken, Lesen, Tee trinken. Unterbrochen nur vom Abendessen, Butternudeln mit sehr viel Chilli und sehr viel Knoblauch. Alter Schwede, das gibt ordentlich Power für morgen. Dann Lesen, Tee trinken, Lesen…

Tag 14 Freitag 16.09.11 Gammelsetra – Dindalshytta

Nach der üblichen Morgenroutine geht es gegen 10:00 Uhr los. Wir folgen eine ganze Weile einem Autofahrweg durch das Tal bis Hilderhjellen. Soweit alles sehr entspannt heute. Die Landschaft ist schön, die Berge sind angezuckert.

Dann geht es über schmale Wege entlang des Linndalsvatna und Storvatnet Sees. Einfach herrlich hier. Man kann richtig die Seele baumeln lassen. Ziemlich züging sind wir dann an der Veggasætra Alm. Da wir schnell unterwegs sind und die Etappe heute auch nicht so lang ist, lassen wir alle fünfe gerade sein und machen ausgiebig Pause am See. Die Hälfte für heute ist geschafft.

Ich sehe mich ein wenig um, die Alm ist verlassen, die Schafe scheinbar schon ins Tal getrieben.

Die heutige Etappe führt meist über Schotterpisten für Autos. So geht es also weiter über eben diese ins Dindalen.

Es zieht sich wie Kaugummi, wir müssen öfters den Fluss überqueren, kommen aber auch schnell voran. Irgendwann treffen wir dann auf die ersten Hütten und einen Schäfer, der gerade seine letzten Sauen einsammelt. Von den zweitausend Stück im Tal sind wohl nur noch wenige über geblieben, die aber machen wohl am meisten Arbeit. Er läuft mit den Tieren direkt vor uns her, wir unterhalten uns, Norwegisch ist gar nicht so schwer wie man immer denkt, und an der Hütte verabschieden wir uns.

Die Hütte ist echt gemütlich, wir heizen den Ofen an, somit bleiben wir für Nacht hier. Es ist noch früh am Tag, wieder gibt es Erbswurst, dann Kaffee und ich erfahre auch endlich das Ergebnis vom BVB Spiel am Dienstag. Sauber, unentschieden gegen Arsenal, Traumtor von Perisic.

Wir sitzen in der Sonne, trinken Kaffee und Tee, Lesen wieder mal. Gut das ich auf der Gammelsetra Hütte noch ein Buch von Anne Holt auf Deutsch gefunden hab, so langsam geht uns der Lesestoff aus. Nachdem die Sonne hinter den Bergen verschwunden ist machen wir uns an das Abendessen. Auch in dieser Hütte sieht es mit Lebensmitteln mau aus, viele Sachen sind abgelaufen und die Auswahl doch sehr beschränkt. Für uns gibt es heut Pasta mit Dosenschinken und Kidneybohnen.

Gar nicht mal schlecht. Der Abend klingt dann am gemütlichen Kamin aus

Tag 15 Samstag 17.09.11 Dindalshytta – Fossem – Oppdal

Man ist das kalt denke ich am Morgen. Scheint ganz schön angezogen zu haben heute Nacht, erst mal das Fenster zu machen. Der letzte gemeinsame Wandertag steht an. Bereits gegen 9:00 Uhr soll es heute los gehen. Draußen zeigt das Thermometer -6°C an und auf der Scheibe vom Klohäuschen finden sich Eisblumen.

Schnell machen wir uns nach dem Frühstück auf und nehmen den Anstieg hoch in Richtung des Pershøa.

Wir folgen für circa 300hm den Treckerweg um dann gen Osten den Weg nach Fossem über das Soløfjellet zu nehmen. Das Wetter ist traumhaft, wir schwitzen elendig und es macht einfach nur riesig Spaß. Der Weg ist auf der Karte nicht als Sommerroute eingezeichnet und wird wohl auch nicht sehr viel begangen.

Wir haben etwas Mühe den Weg hoch zu finden, bekommen es dann aber doch irgendwann auf die Kette. Mit jedem Meter mehr hoch steigt die Stimmung. Es ist ziemlich anstrengend die ganzen Höhenmeter zu überwinden, aber Wetter und Aussicht machen das mehr als wett.

Es findet sich keine Wolke am Himmel. Auf ca. 1300 Metern machen wir kurz Pause für ein paar Fotos.

Dann geht es den Rest hoch. Auf den Pfützen und Bächen finden sich teils noch dünne Eisplatten. Oben auf 1400 Metern strahlt die Sonne. Was für eine tolle Etappe zum Abschluss unserer gemeinsamen Reise.

Am Horizont kann man schon Oppdal erahnen, man sieht die ersten Handymasten. Nach einer Weile auf dem Hochplateau geht es wieder abwärts in das Tronddalen.

Wir halten kurz inne, machen Pause und unterhalten uns über die letzten zwei Wochen. Freude kommt auf, so weit kann es eigentlich nicht mehr sein bis zum Ziel. Eigentlich.

Am Anfange geht es ziemlich steil runter zum Fluss. Schon hier fällt es uns schwer einen Weg auszumachen. Wir studieren Karten und Topo auf dem GPS, aber wir finden es einfach nicht. Egal, wir folgen einfach dem Fluss, wird schon passen. Gesagt, getan, die nächsten eineinhalb Stunden quälen wir uns einen mit Sträuchern zugewucherten Weg. Flüche und unflätige Wörter hallen durch das Tal. So ein „Dritt“!

Dann kommen auch noch Birkenwälder, die wohl von den winterlichen Schneemassen unwirklich verbogen wurden. Weiter Fluchen und Suchen, die Sonne brennt und der Frust steigt. Wir kommen nur mühsam voran, haben keinen Bock mehr. Endlich kommen wir nach Fossemssætra.

Kann ja jetzt nicht mehr weit sein. Pustekuchen, bis zur Straße ist es noch weit und einiges an Höhenmeter. Das Feierabendbier rückt in weite Ferne. Immerhin gibt es jetzt eine Art Treckerweg der aber ziemlich steil und Ausgefahren ist. Keine Ahnung wie man da überhaupt noch hochkommt, vielleicht mit einem Pistenbulli. Wir folgen dem Weg abwärts und Jørns Knie fangen an zu zicken. Langsam geht es voran. Doch leider verpassen wir an einer Stelle den eigentlichen Weg und gehen dem Treckerweg nach. Ein kleiner Umweg resultiert daraus.

Schließlich kommen wir zu einer Hüttensiedlung bei Sætrin, hier gibt es auch eine Straße die zur Hauptstraße nach Oppdal führt, unserem Ziel für heute Abend. Wir gehen auf der Asphaltstraße in Richtung Fossem, die Strapazen des Tages kommen langsam zum Vorschein, die Stimmung sinkt.

Da müssen wir jetzt durch, auch wenn es schwer fällt. Alsbald kommt der Fluss Driva mit seinen eindrucksvollen Stromschnellen in Sicht. Wir überqueren die Autobrücke und stehen bald an der E6 nach Oppdal. Was ein zähes Ende dieses schönen Tages. Aber noch nicht vollends zu Ende. Morgen geht Jørns Zug zurück nach Oslo, wir wollen es heute noch nach Oppdal schaffen und uns dort einen Campingplatz suchen.

Nun gut, wir wollen Trampen, es zumindest probieren. 12km on Top entlang der Straße zu Wandern würden uns dann doch eher weniger gefallen. Los also, immer entlang der E6 schlurfen und möglichst mitnahmewürdig aussehen. Aber leider scheint uns das Glück heute nicht hold zu sein.
Niemand hält oder macht wenigstens Anstalten. Weiter, immer weiter, wir lassen uns (noch) nicht entmutigen. Immerhin sind wir dann bald schon beim ersten Campingplatz vor Oppdal, dem Smegarden Camping. Wir sind ein wenig ratlos, haben keine Lust weder heute noch morgen in aller Frühe die restlichen 10km nach Oppdal zum Bahnhof zu laufen. Was nun, sprach Zeus?

Kurze Pause und Kräfte sammeln auf dem Campingplatz. Wir trinken was. Keine Ahnung warum, aber als ein Golf vorbei fährt, springe ich einfach auf, laufe auf das Auto zu, vielleicht haben wir ja Glück und wir bekommen eine Freifahrt. Tatsächlich hält der Golf, eine nette ältere Norwegerin ist ein wenig irritiert. Ich schildere unsere Miesere, sie kommt zu uns, sagt sie müsse kurz telefonieren. Jørn und ich gucken uns ein wenig verwirrt an, vielleicht geht da ja was.

Die Frau kommt zu uns, sagt, sie könne uns nicht fahren, aber ihr Enkel sitzt gerade noch beim Essen, würde uns aber gleich danach abholen und selbstredend gerne nach Oppdal bringen. Wir gucken uns verdattert an, bedanken uns überschwänglich. Super, mal wieder mehr Glück als Verstand gehabt.

Der eine Golf rollt vom Hof, der andere kommt auf uns zu. Ein Jugendlicher in Arbeitsklamotten steigt aus, begrüßt uns, stellt sich als Enkel und unserer Fahrer vor. Hey super. Wir stopfen seinen Wagen mit unserem Gepäck voll und los geht es.
Es stellt sich heraus, dass er uns wirklich gerne nach Oppdal bringt. Andernfalls müsste er nämlich gerade bei der Kartoffelernte auf dem Feld helfen, von daher doch lieber Deutsche durch die Gegend fahren.
Ein wenig Small-Talk über Rosenborg Trondheim und das Spiel von Leverkusen dort im letzten Jahr, ein wenig BVB und schon sind wir in Oppdal am REMA 1000 Supermarkt. Herzlichen Dank noch einmal an dieser Stelle, das war wirklich mehr als wir erwartet hatten. Wir verabschieden uns und freuen uns einen Ast, dass es wieder einmal geklappt hat.

Jetzt zuerst in den Supermarkt. Bald eine Woche nun haben wir uns ausgemalt, was wir uns als erstes zu trinken und zu essen kaufen würden. In unseren dreckigen Klamotten sehen wir seltsam deplatziert im Supermarkt aus. Die Fülle an Waren überfordert uns, zuerst gibt es ein Bier und eine Cola für uns beide.

Welch ein Genuss. Dann geht es zum Bahnhof, wollen herausfinden, wo der nächste Campingplatz ist. Am Bahnhof ist auch die Taxizentrale, die Chauffeure geben uns Tipps. Super, wir lassen unsere Rucksäcke bei ihnen, wir wollen noch kurz im Supermarkt Abendessen einkaufen und uns dann zur Feier des Tages mit dem Taxi zum Platz bringen lassen. So kommt es dann auch, eine halbe Stunde später sind wir beim Solly Campingplatz 2km außerhalb von Oppdal an der E6. Der hat zwar schon Saisonende, aber egal. Wir dürfen bleiben, das Sanitärgebäude ist offen, das reicht uns ja. Ein deutsches Pärchen zeltet auch da, sie wollen morgen in Richtung Rondane aufbrechen.

Wir genießen die heiße Dusche, den Komfort. Wir kochen Nudeln mit viel Soße, schlagen uns den Bauch noch mit Chips voll, schreiben Postkarten.

Gegen 21:00 Uhr wird es dann empfindlich kalt, wir kriechen ins Zelt. Wir stoßen ein letztes Mal auf die tolle und erlebnisreiche Tour an. Wahnsinn!

Prolog

Norwegen_2011_0899

Nachdem der letzte Urlaub in Norwegen so richtig gut war und auch die norwegischen Sprachkenntnisse dank der VHS immer besser wurden, stellte sich alsbald die Frage: Wohin in Norwegen soll es in diesem Jahr im großen Sommerurlaub gehen?

Anfang des Jahres sollte die Urlaubsplanung eingereicht werden. Beim Blick auf den Kalender kam mir die Idee einer dreiwöchigen Tour Ende August / Anfang September in den Sinn. Schnell alles auf der Arbeit abgeklärt und bald schon war der Flug gebucht. Dank der frühen Buchung auch zum Supersparpreis von 99€ mit der Lufthansa. Ein richtiger Schnapper.

Jetzt musste noch geklärt werden, wohin es gehen sollte. Zuerst standen Jotunheimen und die angrenzenden Gebiete im Raume. Nach Studium einiger Reiseberichte und der Turkarten sollte es dann aber eine Tour beginnend in Rondane werden. Im weiteren Verlauf sollte es dann immer weiter nach Norden in Richtung Dovrefjell und Trollheimen gehen.

Irgendwann dann meldete sich noch Jørn, ein Kumpel. Er würde gerne mitkommen. Gesagt, getan. Schnell einen Flug gebucht, für ihn noch einen schönen WM Antelope Schlafsack geordert und dann konnte es auch mit den weiteren, detaillierteren Planungen losgehen. Da man in den ersten zwei Wochen wohl nichts an Lebensmitteln, außer denen, die man auf den selbstbedienten Hütten bekommt, nachkaufen kann, werden wir wohl einiges mitzunehmen haben. Aber das wird schon, denken wir uns so insgeheim.

 

Donnerstag 01.09.11 Einkaufen

Wir haben die Tage vorher eingekauft. Jetzt stapeln sich 15kg Nahrungsmittel in einer Klappbox im Wohnzimmer. Mein Respekt wächst. Ist doch schon ein guter Haufen und dazu soll auch noch in Oslo Gas und einige gefriergetrocknete Real Turmats kommen. Oh je, das wird schwer.

Los geht es dann mit dem Sortieren und Abpacken der gesamten Ausrüstung und der Lebensmittel. Paket um Paket, Gegenstand um Gegenstand verschwindet in den Rucksäcken. Bis auf einige Kleinigkeiten für das Handgepäck scheint alles rein zupassen. Aber beim Kontrollieren auf der Waage reizen wir das Lufthansa Limit von 23kg voll aus. Mal sehen was die am Flughafen dazu sagen.

Freitag 02.09.11 Packen

Die Vorfreude steigt. Wie immer vergeht der letzte Arbeitstag vor dem Urlaub wie im Fluge. An solchen Tagen dreht sich die Uhr doppelt so schnell. Gegen 14:30 Uhr fällt der Hammer und ich bin auf dem Weg nach Hause. Ein fettes Grinsen im Gesicht macht sich breit, drei Wochen Urlaub am Stück hatte ich schon lange nicht mehr.
Zu Hause werden noch die letzten Handgriffe getätigt. Da wir das Meiste Gestern schon gepackt haben, bleibt nicht mehr viel übrig. Der Urlaub kann beginnen.
Auch die aktuelle „Fjell og Vidde“ Ausgabe vom DNT ist noch rechtzeitig aus Oslo gekommen. Das passt, ist doch ein Moschusochse aus dem Dovrefjell auf dem Titel.

Später kommt noch Jørn vorbei. Wir quatschen noch ein wenig über die Tour und was uns wohl so erwartet. Herrlich ist die Aussicht auf das, was vor uns liegt. Wir lassen den Abend gemütlich beim 6:2 Sieg der Deutschen gegen die Österreicher ausklingen. Die Vorfreude und Aufregung steigt. Es kann jetzt endlich losgehen, alle Vorbereitungen liegen hinter uns und wir sind gut gerüstet. Hoffentlich.

 

1. Woche Rondane

 

Tag 1 Samstag 03.09.11 Iserlohn – Düsseldorf- Oslo – Venabu

Um 4:30 klingelt der Wecker. Ich will weiterschlafen, der Sieg gestern war wohl allzu köstlich. Doch Moment, nicht weiterschlafen, fällt es mir ein, da war ja was. Schnell raus und unter die Dusche, gleich steht Jörn mit seinen Eltern auf der Matte. Der Flughafen ruft. Noch einen Kaffee auf die Hand und los geht`s. Wir machen es uns im Fond des Autos bequem und die Fahrt nach Düsseldorf vergeht zügig.

Gegen 5:30 Uhr stehen wir beim Lufthansa Check-In auf der Matte. Nur noch drei Mal den Check-In Automaten verflucht und schon stehen wir beim Sperrgepäckschalter und geben unsere wertvolle Fracht ab. Die Gepäckgrenzen der Lufthansa haben wir ein wenig überschritten, 23,8KG sind es bei meinem Rucksack, aber Jörn hat eine Vielfliegerkarte. Die erspart uns unnötigen Ärger.

Nach einem kurzen Frühstück geht es dann in den Flieger. Im Bus dahin kommen wir noch mit einem Pärchen ins Gespräch, die mit demselben Zug wie wir Richtung Rondane unterwegs sein werden. Ein kurzer Plausch, ein wenig Fachsimpelei und schon sind wir im Flieger. Kaum sitzen wir drin, erfahren wir, dass wir noch eine dreiviertel Stunde warten müssen, Stau auf der Startbahn. Egal, wir haben Urlaub und in Oslo genug Zeit zum Einkaufen.

Nur der Rocker auf dem Nachbarsitz ist ein wenig ungehalten. Er hat Flugangst, er hat Bierdurst und die Lufthansa hat nicht gerade das größte Flugzeug geschickt. Sehr amüsant. Die Stewardess beruhigt ihn mit einer Sprite und dem Versprechen, ihn gleich als ersten nach dem Start mit dem lebensnotwendigen Bier zu versorgen. Noch mal gut gegangen. Die Stewardess hält ihr Versprechen nach dem Start, aber da wir irgendwie ja in derselben Reihe sitzen, zwingt uns der Gruppenzwang auch zu einem morgendlichen Kaltgetränk.

Der kleine Flieger scheint weniger Luftwiederstand zu haben, wir landen einigermaßen pünktlich in Oslo Gardermoen. Schnell sind auch die Rucksäcke bei uns, wieder eine kleine Sorge weniger. Wir laufen rüber zum Flytoget Schnellzug und kaum 20 Minuten später sind wir in Oslo. Wir lassen unsere Rucksäcke im Schließfach am Bahnhof, wo wir auch schnell noch unsere vorbestellten Zugtickets am Automaten einsammeln. Im XXL und im G-Sport besorgen wir uns noch Gaskartuschen und einen Haufen Real Turmat Gerichte. Wir schlendern noch ein wenig durch Oslo und nehmen unsere „Henkersmahlzeit“ im Restaurant mit den goldenen Bögen ein.

Dann besorgen wir uns noch ein paar Pilsetten für die Zugfahrt und machen uns auf dem Weg zum Zug. Am Bahnhof treffen wir das Deutsche Pärchen wieder. Wir packen unsere Rucksäcke ein wenig um und besteigen dann den 14:17 Uhr Zug in Richtung Trondheim bzw. für uns nach Ringebu. Wir machen es uns gemütlich, lauschen den Gesprächen der anderen Fahrgäste und gegen 17:00 Uhr sind wir dann in Ringebu.

Das Wetter ist nicht schlecht, so lange man nicht in Richtung der Höhenzüge guckt. Nicht, das wir die nächsten zwei, drei Wochen da unterwegs wären. Augen zu und durch.
Das telefonisch vorab georderte Taxi steht schon bereit. Wir wuchten unser Gepäck in den Kofferraum und los geht es Richtung Rondevegensenter. Der Taxifahrer spricht nur ein wenig Englisch, ich probiere es in meinem rudimentären Norwegisch, aber auch das hilft nicht. Ist scheinbar nicht so der Small-Talk Mensch. Macht aber nichts. Es geht steil den Berg hoch und das Wetter wird immer nebeliger. Nach einigen Windungen der Straße weiter sieht man quasi gar nichts mehr. Es ist so neblig, dass man kaum 20m weit sieht. Ein wenig gespenstisch. Mir kommt der Gedanke, was wenn es nun die nächsten zwei Wochen so bleibt? In was hab ich da meinen Kumpel bloß reingeritten?

Wir erreichen den Campingplatz am Rondevegensenter. Sieht einladend aus in der Suppe. Nur Dauercamper, das kann ja was geben.

Der Taxifahrer wird schnell noch bezahlt und wir gehen in den Shop. Der Check in ist schnell erledigt. 100 NOK in kleinen Scheinen wechseln ohne jegliche Formalitäten den Besitzer und das war es. Ein wenig Ratlos gehen wir rüber zum Platz und suchen 10 Minuten lang den am wenigsten schlechten Platz um unser Zelt aufzuschlagen. Gar nicht so einfach. Einige Norweger gucken ein wenig komisch, sie scheinen zwischen Mitleid und Fassungslosigkeit zu schwanken.

Was zum Henker machen die da?

Egal, wir finden ein Plätzchen und bauen auf. Wir wollen ein wenig die Gegend erkunden und laufen die Straße runter. Aber im Nebel sieht man so ungefähr gar nichts. Wir laufen noch bis zum nächsten Landhandel und kehren dann um. Anschließend holen wir uns noch ein Bier und ein bisschen frisches Gemüse im Shop, keine Ahnung wann es wieder etwas geben wird.

Wir beschließen im kleinen Küchenraum zu kochen und uns aufzuwärmen. Es gibt Erbswurst und das Bier. Nach dem Abwasch sortieren wir uns ein wenig und dann geht es schon in die Falle.

Tag 2 Sonntag 04.09.11 Venabu – Eldåbu

Der Tag beginnt wie der vorherige aufgehört hat. Regen und Nebel. Zu allem Überfluss scheinen wir unser Zelt in einer kleinen Senke aufgestellt zu haben, wir liegen also in einem kleinen See. Na toll. Wir schälen uns aus den Daunentüten und begutachten die Ausgangslage. Das Resultat ist, dass wir wieder im Küchenraum frühstücken und dort auch unsere Rucksäcke packen wollen. Gesagt, getan.

Wir packen unser Zeug zusammen, frühstücken, sortieren unsere Rucksäcke. Im dichten Nebel gehen wir die Straße entlang bis kurz vor den Landhandel. Da gibt es eine Schotterstraße mit Schranke zu einigen Hütten. Wir folgen ihr eine Weile, ungefähr für 1,5 Stunden. Das Wetter ist ein wenig gespenstisch. Alle Geräusche werden geschluckt und wir sehen rein gar nichts.

Der Weg ist bald zu Ende, jetzt geht die Wanderrute los. Eldåbu ist auf dem Wegweiser angeschlagen und wir stiefeln über sehr, sehr matschige Wege los. Wir kommen zum ersten zu querenden Bächlein, dann geht es einen kleinen Anstieg hoch. Oben haben wir die erste Begegnung mit einem toten Lemming, es sollte bei Leibe nicht der letzte sein.

Weiter geht es durch überflutete Wege durch Birkenwälder. Wir checken die Karte und kommen bald zu einer Ansammlung von Hütten in Venassaeter.

Der Weg ist jetzt durch Trecker und schwere Fahrzeuge sehr ausgefahren. An einer Hütte machen wir es uns auf der kleinen überdachten Veranda gemütlich. Es gibt wärmenden Tee, Bananen und Müsliriegel. Das tut nach dem ganzen Nieselregen und Matsch gut.

Dann geht es teils über Schotterpisten durch das Hüttengebiet bis zum ersten reißenden Fluss Svartäa. Wir überqueren ihn über eine Hängebrücke. Ganz schön viel Wasser.

Auf der anderen Seite geht es steil den Berg hoch. Langsam machen s