Von den Bergen Jotunheimens in die Nordmarka von Oslo, meine lange Wanderung klingt langsam aus
Tag 29 Samstag 25.08.12 Spiterstulen – Leirvassbu – Gravdalen
Um mich herum ist alles bereits in Aufbruchstimmung als ich aufstehe. Die eine Hälfte der Leute will hoch auf den Berg, die andere packt zusammen und verschwindet. Der Parkplatz an der Hütte füllt sich zusehends mit Tagesausflüglern. Eine bunte Polonaise geht hier heute hoch.
Echt krass, der Strom der Leute reißt nicht ab und es werden immer mehr. Ich frühstücke und gucke mir das Schauspiel an.
Dann geht es los über die Brücke hinein in Visdalen. Lässt sich gut gehen heute. Das Wetter passt auch.
Überhole ein paar andere Wanderer, dann habe ich das Tal für mich alleine.
Ich laufe über die Brücken die die Hellstuguåe kreuzen.
Der Weg ist gut zu gehen und ich erreiche den Abzweig nach Gjedebu gegen Mittag.
Kurz danach mache ich Pause, schaue gen Talausgang zur Kyrkja, den Berg würde ich gerne besteigen, soll nicht allzu schwer sein von Leirvassbu aus.
Es wird frischer und ich ziehe weiter. Leider sind die Berge und Gletscher hier fast alle in den Wolken.
Der Visbrean kommt in Sicht und ich stapfe den Weg hoch. Jetzt beginnt es zu regnen.
Regenhülle und Softshell sind schnell klar gemacht, weiter geht’s. Treffe einen Norweger, der oben auf einem der 2000er war. Bis zur Kyrkja, die sich leider in den Wolken versteckt, gehen wir gemeinsam und unterhalten uns. Ich mache ein paar Fotos und weg ist er.
Der Regen wird mehr, nicht so toll und der Weg um den Leirvatnet hin zur Hütte zieht sich etwas, das Wetter trägt sicher dazu bei. Gegen halb vier bin ich an der Hütte, total nass und etwas unmotiviert.
Eigentlich ist es noch zu früh am Tag um hier zu bleiben. Unzählige versiffte Stiefel und Klamotten türmen sich am Eingang. Sehr einladend. Leirvassbu ist eine private Hütte, ich finde das merkt man immer sofort. So richtig gemütlich ist es hier nicht. Ich beschließe mir in der Stube einen Kaffee zu holen und mir dann die weitere Vorgehensweise zu überlegen.
Ich checke die Karte, da ich nach Skogadalsbøen gehen möchte, könnte ich auch den Fahrweg laufen, der bis zum Stausee Gravdalsvatnet führt. Der normale Wanderweg führt eh parallel dazu. Da am See würde ich mir dann einen Zeltplatz suchen und falls ich total nass werde, wartet am nächsten Tag ja auf der Hütte ein Trockenraum. Alles klar, so wird es gemacht. Bevor ich hier bei horrenden Preisen auf der Hütte rumhänge, mache ich lieber das. Schade nur um die Kyrkja, da wäre ich echt gerne hoch gelaufen.
Um 16:30 Uhr stehe ich in Regenhose und Jacke vor der Hütte und starte auf in den Regen.
Mir ist der Regen total egal und ich komme gut über den Fahrweg voran. Macht sogar richtig Spaß, schade nur, dass die Aussichten fehlen. Viel befahren ist der Weg wohl auch nicht, zumindest in diesem Jahr wäre es eher schwierig.
Um 18:00 Uhr bin ich am See und an der Hütte, die dort wohl für die Arbeiter bestimmt ist. Ist leider zu, aber egal.
Ich folge der Fahrspur, der Wasser ist etwas abgelassen, ich kann quasi der Spur über einen kleinen Damm durch den See folgen, eine kleine Abkürzung zur Staumauer. Da der normale Wanderweg auf der anderen Seeseite herführt, muss ich da jetzt irgendwie rüber.
Die Mauer ist mit einem Überlauf versehen, aber da besteht wohl innerhalb der nächsten Minuten keine Gefahr, dass das Wasser darüber steigt. Also gehe ich hinter der Mauer die äußerst glitschigen Felsen hinab. Das macht keinen Spaß und ich muss mich wirklich konzentrieren um nicht unsanft auf dem Bart zu landen. Aber auch das ist schnell erledigt.
Nach ein paar hundert Metern findet sich auf einem Felsrücken hoch über dem Bachbett ein netter Zeltplatz. Die Aussicht ist super, Wasser in der Nähe und das Zelt passt auch hin. Sehr gut. Ist auch schon sieben Uhr, es wird langsam Zeit.
Das Lager steht schnell und es gibt Abendessen. Lauchsuppe, Real Turmat, Kakao. Dann lese ich noch und bin auch bald in den Daunen verschwunden. Trotz des Wetters ein netter Tag.
Tag 30 Sonntag 26.08.12 Gravdalen – Skogadalsbøen
Aufstehen, Frühstück und Packen wie immer. Um 10:00Uhr geht es in Regenhose auf in mein Lieblingstal, das wird sicher wieder feucht und schwitzig.
Die Wege sind ziemlich matschig und es geht etwas mühsam los.
Nach eineinhalb Stunden steh ich dann an der Brücke zum Abzweig nach Olavsbu und Skogadalsbøen.
Noch ist der Weg nicht von Sträuchern gesäumt, das ändert sich aber schnell. Willkommen zurück im Dschungel. Ist ja heute nicht so lang, also das schwül-warme Wetter einfach ignorieren.
Kurz darauf bin ich wieder an der Brücke über die Utla und gehe weiter zum Tagesziel.
Um ein Uhr bin ich schon da. Witzig mal so eine Hütte tagsüber zu sehen. Mitarbeiter und Wirt sitzen bei Kaffee und Zeitung in der Sonne vor der Hütte. Geselle mich dazu, werde sofort erkannt.
Wir quatschen so vor uns hin. Leider habe ich es nicht zur Party gestern geschafft, muss gut gewesen sein, so wird mir berichtet. Irgendwann müssen sie alle auch noch was erledigen und ich baue mein Zelt oberhalb der Hütte auf, gehe wieder oben an der Brücke Baden.
Den Nachmittag verbringe ich lesend in der Stube. Wie ausgestorben die riesige Hütte. Zum Abendessen gibt es dann Lauchsuppe, Fischeintopf und Sahnekuchen. Ganz vorzüglich. Typisch auch das Tischgespräch. Mit mir sitzen nur fünf Norweger am Tisch. Sie unterhalten sich, ich sage zunächst nichts. Kaum habe ich kurz auf Norwegisch nach dem Wasser gefragt, schwenken Sie komplett von Norwegisch auf Englisch um, damit ich auch teilhaben kann. Den Abend verbringen wir dann am Kamin in der Stube, sehr gemütlich.
Tag 31 Montag 27.08.12 Skogadalsbøen – Ingjerdbu – Vetti Gaard
Tja, was soll ich sagen. So muss das sein. Bei bestem Wetter krieche ich aus dem Zelt.
Die Nacht war ziemlich kalt, im Schatten ist Eis auf den Pfützen, der Boden teilweise mit Reif bedeckt. Heute soll es bis Ingjerdbu gehen, ich habe Zeit genug und bin eigentlich zu schnell mit der Tour, will nicht so früh wieder in Oslo sein. Von daher wäre eine weitere kurze Etappe mit Entspannung in der Sonne am Nachmittag schön.
Das Frühstück ist auch hier super. Camilla, die mit mir beim Frühstück sitzt, möchte auch bis Ingjerdbu oder Vetti Gard gehen, je nachdem wie sie es schafft. Aber sie möchte noch unterwegs den Friken erklimmen. Bei dem Wetter sicher toll, aber ich mit meinem Rucksack habe weniger Lust darauf. Falls sie nach Ingjerdbu läuft, habe ich noch genug Essen für uns beide, sage ich zu ihr. Ingjerdbu ist unbedient und sie nur auf Hüttenbesuche eingestellt.
Camilla läuft nach dem Frühstück los, ich muss noch mein Zeug einpacken. Los geht’s gegen viertel nach zehn. Das Wetter ist perfekt. Wiege noch kurz aus Spaß meinen Rucksack und überquere den Bach oberhalb der Hütte.
Im Schatten ist es jetzt richtig kalt. Die Hütte liegt schön in der Sonne hinter mir, der Blick auf das Tal ist auch richtig gut.
Schnell über die Uradøla Brücke und den Berg hoch.
Ein russisches Pärchen hat hier ohne Zelt im Freien übernachtet. Das Mädel sieht total fertig aus, da kann die Aussicht auf Hurrungane auch nicht trösten, denke ich mir insgeheim.
Weiter gehe ich und kann mich nicht satt sehen. Womit hab ich das verdient? Es ist so toll hier. Mache Pause mit zwei älteren Norwegerinnen, die ich auch von der Hütte heute Morgen kenne. Ich will gar nicht weiter bei dem Ausblick.
Höher werde ich heute nicht mehr laufen, ab jetzt geht es abwärts, runter nach Fleskedalen.
Ziemlich steil der Abstieg, hoch möchte ich hier nicht.
Nun wird es waldig. Bäume ohne Ende. Kurz vor Vettismokri geht es über einen Bach, der sich hier in den Fels gegraben hat.
Dann kommt auch schon bald die Alm in Sicht. Ferienhäuser tauchen auf, nur der Boden ist ziemlich matschig.
Ich laufe zur Ingjerdbu Hütte. Sehr nett das Teil. Schließe auf und sehe mich um.
Es ist kein Gas zu finden. Nicht in der Küche, nicht im Haus und auch nicht in den Nebengebäuden. Setze mich in die Sonne und trinke was. Überlege, was zu tun ist, ob ich auch ohne Gas zum Kochen hier bleiben mag. Es ist noch früh am Tag, die Sonne scheint, wieso laufe ich nicht einfach weiter und übernachte in Vetti Gard? Da soll es ja nett sein und vielleicht gibt’s da ja auch was Nettes zu essen. Okay, nicht lang weiter darüber nachdenken. Ich gehe weiter. Inzwischen ist noch ein Pärchen gekommen, berichte ihnen vom fehlenden Gas. Doof, meinen sie, wollten morgen früh eigentlich reichlich Pfannkuchen machen. Also weiter für mich, quer über die Alm hin zum Vettisfossen.
Unterwegs dorthin sehe ich die toten Bäume, von denen mir bereits erzählt wurde. Scheint am sauren Regen hier zu liegen, keine Ahnung ob die große Aluminiumhütte im Tal da die Finger mit im Spiel hat.
Vom Vettisfossen sieht man nur die ersten 20 Meter der insgesamt 278 Meter freien Falls. Ist wohl der höchste unregulierte Wasserfall im ganzen Land. Der Weg führt direkt an der Kante entlang, ich halte Abstand, ist mir zu riskant, runter fallen mag ich heute nicht mehr.
Ich passiere das alte Tor zur Alm und mache mich an den steilen Abstieg hinab nach Vetti Gard.
Es ist teilweise gut steil, es gibt ab und an Geländer und Seile zum festhalten.
Gegen fünf tauchen die ersten Häuser auf und bald schon bin ich da.
Ein Bier wäre jetzt genau richtig. Ab zum Haus. Gehe rein und frage nach.
Ein junger Pole begrüßt mich. Tja, was soll er sagen, Bier ist aus, vergessen zu bestellen und die Lieferung kommt immer nur ein Mal die Woche. Grummel, aber egal. Nehme dann halt ne Cola und Waffeln. „Wie viele Waffeln denn?“ fragt er mich. Ja, das was halt auf der Karte steht, würde ich mal sagen. „Aber wie viele?“ Ja woher soll ich das wissen, wie viele immer bei einer Portion dabei sind. Etwas merkwürdig. Irgendwann macht er mir einfach zwei Stück und wir beide sind zufrieden. Frage noch nach dem Abendessen, aber mit Käse überbackenes Hähnchen und Reis lassen bei mir nicht gerade die Geschmacksknospen explodieren.
Nachdem ich die Waffeln in der Sonne verzehrt habe, sage ich ihm, dass ich nur Zelten mag. Er ist kurz verwirrt, aber es scheint ihm auch egal zu sein. Gehe hoch über dem Haus auf dem einzig möglichen Fleck mein Zelt aufbauen. Laufe kurz los, um zum Vettisfossen zu laufen, überlege es mir aber anders, bin genug gelaufen heute. Zu Abend gibt es dann wie gehabt Real Turmat.
Abends gehe ich in die Stube. Nur Camilla und ein älteres Paar aus Bergen sitzen da. Das Essen war wohl in Ordnung aber nicht so das, was man für den Preis erwarten könnte. Selbst für die Norweger. Wir reden lange und erzählen von unseren Touren. Der Junge Pole verabschiedet sich kurz, er möchte kurz eine Runde Joggen gehen, nach Ardal und zurück. Zwanzig Kilometer oder so. Na denn, viel Spaß. Mit Camilla quatsche ich noch bis 24:00 Uhr und wir schauen uns noch fast alle Bilder, die ich unterwegs gemacht habe, an. Morgen früh wollen wir dann gemeinsam zum Vettisfossen gehen.
Tag 32 Dienstag 28.08.12 Vetti Gaard – Øvre Ardal – Oslo
Bin so gegen acht Uhr wach, es regnet. Esse etwas im Schlafsack und packe mein Zeug ein, gehe runter in die Stube und bezahle. Anschließend mache ich mich zusammen mit Camilla auf zum Vettisfossen. Sie möchte heute Nachmittag den Bus nach Oslo nehmen und ich will eigentlich nur bis zum Campingplatz weiter unten im Tal. Wir haben beide also reichlich Zeit.
Zwanzig Minuten später stehen wir am Wasserfall. Hätte ich mir ehrlicherweise spektakulärer vorgestellt. Ich möchte Fotos machen, aber na toll, der Akku ist alle. So gibt es leider keine Fotos von mir vom Vettisfossen. Schade, aber zurück laufen wollte ich nicht. Wir machen uns nach kurzem Aufenthalt wieder auf zurück.
Das Wetter ist nicht so der Bringer, so wirklich habe ich keinen Bock auf den Campingplatz in Hjelle bei Regen und Waschküche. Eigentlich wollte ich dort versuchen meine Sachen zu Waschen. Überlege mit Camilla nach Øvre Ardal zu laufen und gemeinsam den Bus zu nehmen. Wäre dann zwar heute erst spät in Oslo, aber vielleicht bekomme ich noch ein Bett im Anker Hostel. Alles klar, so wird es gemacht, Pläne sind ja dazu da geändert zu werden. Dann kann ich noch zwei oder drei Tage in die Nordmarka, auf Oslo und den ganzen Trubel habe ich irgendwie keinen Bock.
Wir laufen los über die bequeme Straße und unterhalten uns über Jotunheimen, Camilla kennt sich hier gut aus und kennt fast jeden Stein. Bei Avdalen machen wir kurz Pause. Ein toller Wasserfall und direkt oberhalb befindet sich eine Alm.
Weiter gehen wir bis zum Utladalen Naturhus. Das hat leider zu, aber wir finden her Unterschlupf da es plötzlichziemlich kräftig anfängt zu regnen und zu stürmen. Nach einer längeren Pause laufen wir weiter nach Hjelle.
Der Campingplatz sieht wenig einladend aus und ich bin doch froh heute noch nach Oslo zu kommen.Da wir entlang der Straße durch den Regen laufen zieht es sich ganz schön. Trampen ist aussichtslos. Nur zwei Busse kommen uns entgegen, aber das bringt uns ja auch nicht so viel. Aber kurz vor Tronteigen haben wir doch noch Glück. Einer der Busse ist zurückgekommen und nimmt uns kostenlos mit nach Ardal. Sauber! Wir gehen in ein Kaffee und wärmen uns auf. Ich rufe im Anker Hostel an und reserviere ein Bett. Bei Tee und Kaffee kommen wir wieder zu Kräften und sortieren unser Zeug.
Der Bus fährt erst um 16:40 Uhr, wir haben Zeit. Irgendwann holen wir uns noch Proviant für die Fahrt und laufen zur Skyss Station wo wir auf den Bus warten. Wir reden noch mit einem Paar aus Denver/Colorado die hier Pause von ihrem Road Trip machen. Der Bus kommt und es geht ab nach Oslo.
Der erste Teil der Strecke führt spektakulär den Berg hoch, Turtagrø und der Sognefjellsvegen lassen grüßen. Die Aluminiumhütte präsentiert sich in ihrer vollen Pracht. In Fagernes will ich noch kurz die Touristinfo besuchen, hat aber leider schon zu. Sehr Schade. Aber der Supermarkt hat noch auf, da gibt es wenigstens ein Wegbier. Der Rest der Fahrt gerät kurzweilig, bekomme Unterricht in Norwegisch. Furu, Bjørk, Eik, Gran. Die Bäume habe ich schnell drauf. Unsere Wege trennen sich in Sandvika. Gegen 22:00 Uhr bin ich dann in Oslo und laufe zum Hostel. Was eine Umstellung nach all der Zeit, habe das Gefühl, dass alle mich im Hostel wie einen Außerirdischen anstarren. Mir aber total egal, wenn die wüssten wo ich überall war…
Tag 33 Mittwoch 29.08.12 Oslo – Tømtehytta
Die Nacht war wie immer im Anker Hostel unruhig und kurz. Gehe in diesem komischen Laden nebenan frühstücken, der irgendwie zum Hostel gehört, morgens Frühstück macht und ab mittags dann ein Kebab Restaurant ist.
Oslo möchte ich heute ja wieder hinter mir lassen, also stehe ich pünktlich um zehn Uhr beim DNT auf der Matte. Kaufe mir eine Wanderkarte der Nordmarka und lasse mich kurz hinsichtlich der Hütten beraten. Heute soll es zur Tømtehytta und morgen nach Fjellvang gehen. Kaufe noch kurz ein, checke aus. Wider aller Vernunft reserviere ich für die Nacht von Freitag auf Samstag im Hostel ein Bett, ich lerne es einfach nicht. Mit der Bahn fahre ich dann raus bis nach Snippen und laufe los.
Sieht aus wie im Sauerland hier. Mal breit, mal schmal und mal über Fahrwege. Ich verlaufe mich kurz, es zieht sich ein wenig, ich schleppe noch Essen und Getränke in einer Plastiktüte mit mir herum.
Dann endlich komme ich zur Hütte. Kurz vorher geht es über glitschige Planken, auf denen ich mich fast hinlege.
Etwas peinlich, direkt vor den Hütten. Vor der kleineren Hütte sitzen vier Mädels bei Kaffee und Wein und halten ein Büromeeting ab, wie sie mir hinterher erzählen. Das Flipchart unterstreicht das etwas. Sieht wirklich sehr wichtig und ernst aus 😉
„Nice weather today – so we thought we could go to a cabin for socialising instead of sitting in the office!”
Die Letzten, die das bei uns auf der Arbeit vorgeschlagen haben, wurden gelinde gesagt für etwas verwirrt gehalten. Andere Länder halt.
Hänge mein Zelt zum Trocknen auf und schreibe Tagebuch, das habe ich die letzten Tage etwas schleifen lassen. Gegen Nachmittag kommen noch zwei Mütter mit ihren Babys an, der eine Vater kommt später mit dem Rad aus dem Büro nach. Scheinbar bekomme ich heute den Norwegischen Lifestyle mit dem Holzhammer verpasst. Der Abend klingt dann am Lagerfeuer bei Dosenbier aus. Auch schön.
Tag 34 Donnerstag 30.08.12 Tømtehytta – Fjellvang
Als ich aufstehe sind die Mütter samt Kinder schon fast weg, die Mädels in der anderen Hütte auch. Die müssen ja schließlich zur Arbeit. Später laufe ich nach Tømte, dorthin führt eine Straße.
Über Schotterstraßen und matschige Wege gelange ich nach Movatn. Fühle mich heimisch, könnte auch in Brilon oder Iserlohn hier sein. In Movatn widerstehe ich kurz der Versuchung, den Zug in die Stadt zu nehmen.
Wieder Fahrwege, schlammige Abschnitte, ziemlich warm.
Aber irgendwann höre ich Kindergeschrei. Stutze kurz bevor ich kapiere was los ist. In der Nachbarschaft der Fjellvang Hütte befindet sich ein Waldkindergarten.
Ich schließe die Hütte auf und mache es mir bequem. Es ist noch Gepäck mit einem Zettel da, scheinbar bekomme ich heute Abend noch Besuch.
Nach Nickerchen auf dem Sofa, Wäschewaschen, Kaffeetrinken, Lesen in der Sonne usw. gibt es dann Abendessen.
Gegen halb acht kommt noch ein Paar aus Israel, sie wohnen hier ein paar Tage und fahren tagsüber nach Oslo rein. Die Hütten in der Nordmarka sind für DNT Mitglieder unter 26 Jahren umsonst. Ihnen gehört das Gepäck.
Netter Bericht in der Fjell of Vidde – die Hütte kommt mir bekannt vor 😉
Wir unterhalten uns ein bisschen, sie sind den kompletten Jotunheimstien gegangen, aber nur mäßig begeistert, zu viel Wald. Gemütlich in der Stube klingt der Abend aus.
Tag 35 Freitag 31.08.12 Fjellvang – Oslo
Die Nacht war merkwürdig. Mitten in der Nacht höre ich draußen Stimmen, eine Zauntür scheppert. Die Stimmen kommen näher, entfernen sich. Dann geht die Haustür auf. Scheinbar kommen jetzt noch Gäste. Na gut, versuche das zu ignorieren, an Schlaf ist aber dennoch kaum zu denken. Liegt vielleicht auch am Vollmond, keine Ahnung. Morgens packe ich schnell mein Zeug und gegen neun bin ich unterwegs.
Es geht wieder durchs Sauerland zurück nach Snippen.
Dort dreht der NRK gerade, ich finde mich direkt in einem Filmset wieder. Etwas verwirrt warte ich am Bahnsteig auf den Zug.
Im Hostel kann ich leider nicht vor 15:00Uhr in mein Zimmer, schade, eine Dusche wäre schon nett. Egal, lasse mein Gepäck da und gehe zuerst zum DNT und bezahle die Übernachtungen der letzten zwei Tage. Anschließend schlendere ich durch die Stadt bevor ich am Mittag bei Pepe’s Pizza das Mittagsbuffet in Anspruch nehmen. Für umgerechnet 16€ All-You-Can-Eat. Ich schaue mir noch ein paar Flieger am Hafen an, am Wochenende ist große Oslo Air Show.
Im Hostel schicken sie mich zuerst in ein falsches Zimmer, fällt natürlich erst auf, nachdem ich das Bett bezogen habe und Duschen war. Also ziehe ich wiederum, zum Glück, das andere Zimmer sah aus wie man es nur einer Dokumentation über Messis kennt.
Ich laufe hoch nach Grünaløkka und genieße einfach die Atmosphäre. Es ist Freitagnachmittag, das Wetter ist gut und alle sitzen beim Feierabendbier vor den Restaurants und Kaffees. Beim Kaffee im Park kommt mir noch die Idee, nachzusehen, ob nicht heute noch zufällig ein Fußballspiel in Oslo stattfindet. Irgendwie bin ich auf Entzug. Und Bingo, in der Zeitung steht, das Vålerenga heute im Ullevaal Stadion gegen Sandnes spielt. Na dann, los geht’s. Schnell im Hostel etwas fußballfreundlicher angezogen und bald schon sitze ich in der Bahn zum Stadion. Immer den Schals und Trikots hinterher. Endlich wieder Fußball live im Stadion, mal sehen wie das hier so läuft.
Laufe am Bahnhof einfach den Leuten zum Stadion hinterher. Ziemlich familiär hier. Kein Stress und alle sind entspannt. Gehe zum Fanshop. Komisch hier, in Dortmund gibt es ausschließlich BVB Sachen zu kaufen und nichts anderes. Hier bekommt man Trikots aus aller Welt und Souvenirs von jedem erdenklichen englischen Premier League Club. Bei den Karten kann ich wählen, es gibt noch welche für alle Tribünen. Ich entscheide mich gegen den Familien- und für den Supportersblock.
Da es schon kurz vor sieben ist gehe ich direkt rein ins Stadion. Nett hier und auch im Stadion sehr entspannt. Schaue kurz bei der Getränkebude vorbei. Wie befürchtet gibt es nur Hot Dogs, Chips, Kaffee und Cola. Was ist mit der guten alten Stadionwurst und einem Bier? Ach ja, ich bin in Norwegen. Suche mir einen Platz und harre der Dinge die da kommen. Der Auswärtsblock besteht aus ungefähr fünfzig Personen. Wird wohl heute eher keine Ausschreitungen geben. Das Spiel beginnt und Vålerenga führt recht schnell mit 3:0.
Die paar Gästefans werden jetzt reichlich durch den Kakao gezogen und die Stimmung ist echt ziemlich gut. Macht echt Spaß. Zur Halbzeit sprechen mich meine Nachbarn an. Wer ich denn sei und was ich hier mache. Erkläre meine Situation und ernte Kopfschütteln. Wie bekloppt muss man sein, hier alleine zum Spiel zu kommen? Keine Ahnung, sage ich, Fußball ist doch immer nett, egal wo. Wir unterhalten uns über Fußball aber auch die Griechenland Frage kommt wieder zur Sprache.
Das es kein Bier im Stadion gibt ist für die Umstehenden nicht weiter schlimm, ich entdecke wie kleine Schnapsfläschchen Kreisen und auch beim Unterhalten entdecke ich die ein oder andere Fahne. Aha, also wird hier vorher tüchtig aufgeladen. Auch ein Weg. Wie heißt das noch gleich auf Norwegisch? Ach ja richtig, „Vorspiel“. Passt ja heute.
Das Spiel verflacht, Vålerenga schießt noch das 4:0. Man lädt mich ein ins Pub. Der Sieg will gefeiert werden und es scheint die vaterländische Pflicht meiner Nachbarn zu sein, den komischen Typen aus Deutschland einzuladen. Kurz überlege ich mitzukommen, aber so wie ich das kenne endet das bestimmt übel. Eigentlich ist das nicht wirklich das Problem, aber ich muss morgen wirklich früh raus. Also siegt die Vernunft. Ich bedanke mich herzlich für die Einladung, verweise auf die Umstände. Schade, hätte bestimmt Spaß gemacht. Wir sehen uns wenn ich wieder komme.
Nach dem Spiel nehme ich die Bahn zurück in die Stadt, laufe kurz zum Hostel und hole meine Kamera. Ich beschließe den Tag bei einem herrlichen Vollmond auf dem Dach der Oper. Ich werde leicht wehmütig, morgen geht es nach Hause. Was eine Tour, das wird mich noch lange beschäftigen.
Tag 36 Samstag 01.09.12 Oslo – Düsseldorf – Iserlohn
Was eine Nacht zum Abschluss. Dieses Hostel treibt mich echt in den Wahnsinn. Jedes Mal bisher habe ich hier schlecht geschlafen. Auch in dieser Nacht mache ich kaum ein Auge zu. Um 5:30 Uhr reicht es mir. Ich stehe leise auf und nach der kurzen Morgentoilette mache ich mich auf zum Bahnhof.
Der Mond ist immer noch gut zu sehen, ebenfalls die Reste der Nacht. Es ist kühl und irgendwie macht es Spaß so durch die schlafende Stadt zu laufen. Alles ist so ruhig und frei von Trubel. Am Bahnhof hole ich mir am Automat das Ticket für den Zug zum Flughafen. Um 7:21Uhr fährt dann der Zug gemütlich ab. Irgendwie schon komisch zu wissen, dass jetzt das Ende der so langen Reise gekommen ist. Irgendwie unwirklich, nicht zu greifen. Ich glaube, ich muss das erst mit etwas Abstand alles realisieren, momentan ist es so komisch, ich hab kein rechtes Gefühl dazu. Merkwürdig. Eigentlich will ich gar nicht, dass es aufhört.
Ich checke ein und bringe den Rucksack zum Sperrgepäck. Schnell durch die Sicherheitskontrolle und dann möchte ich noch kurz zum Tax Free Refund um mir ein bisschen Geld zurückzuholen. Der war im letzten Jahr noch innerhalb des Sicherheitsbereiches. War sie doch im letzten Jahr oder nicht? Ja, war sie, wie ich nach einem kurzen Gespräch mit einem Sicherheitsmann erfahre. Und nun? Ich muss wieder komplett raus in den Check-In Bereich, dort ist der Tax Free Refund seit diesem Jahr. Gut zu wissen. Grummelnd und etwas sauer mache ich mich also auf dorthin. Das heißt allerdings, dass ich dann ein zweites Mal durch die Sicherheitskontrolle muss. Ich ermahne mich zu Gelassenheit und bringe auch das alles ein zweites Mal hinter mich. Einatmen, Ausatmen und immer entspannt bleiben.
Am Flugsteig sehe ich beim Einladen in den Flieger meinen Rucksack, gut zu wissen, werde ich ihn wohl in Düsseldorf wieder sehen. Dann ab in den Flieger, schön einen Einzelplatz am Notausgang. Das Versöhnt mich dann doch. Im Flieger lese ich das erste Mal wieder seit Ewigkeiten eine deutsche Zeitung. Ein netter Artikel zu Oslo findet sich da, er trifft es ganz gut.
Ein Bier später landen wir dann auch schon gegen 11:30 Uhr in Düsseldorf. Das Gepäck lässt sich ordentlich Zeit. Einige Mitreisende sind schon ungehalten, ich bleibe ruhig, irgendwie scheine ich etwas gelassener geworden zu sein. Man muss es halt immer so nehmen wie es kommt, ändern kann man es meist sowieso nicht. Und warum dann aufregen, wenn man keinen Einfluss darauf hat?
Kurzes Nachwort
Danke an Ulrich, das er mich mitgenommen hat, es war einfach toll zusammen loszuziehen. Sehr gerne jederzeit wieder. Aber jetzt ist dann hoffentlich auch alles über die Tour geschrieben. Die Worte können allerdings einfach nicht das wiedergeben, wie es war, eine solche, für mich, unfassbar tolle Tour selbst zu erleben. Mit allen Hochs und Tiefs, den ganzen Eindrücken und Begegnungen. Ich bin froh es gemacht zu haben und jeder, der die Chance bekommt, sollte vielleicht auch einfach mal losziehen. Einfach der Bambule und Randale des Alltags für eine Zeit lang entfliehen und das machen, was einem richtig Spaß macht. Der Alltag holt einen sowieso wieder schnell genug ein.
Ich würde am liebsten direkt wieder los… es könnte so einfach sein…