Die beiden Ruhetage in Røros sind doch weniger erholsam als gedacht, zu viel gibt es zu sehen und zu tun in diesem hübschen kleinen Städtchen. Auf Einladung von Destination Røros können wir ja sogar an einer sogenannten Matsafari teilnehmen, bei der eine kleine Stadtführung gefolgt von einem Mittagessen Aufschluss über die lokalen Gerichte und Leckereien gibt. Røros ist in Norwegen eine der ersten Adressen für lokales Essen, daher genießen wir Rentierfleisch, Surpølse (mein Favorit), Molkereiprodukte, das hervorragende Eis und die Røros Limonade ganz besonders. Bei einem Burger lassen wir unseren Aufenthalt ausklingen, und ich merke, dass mein Magen nach den Turbulenzen wegen des schlechten Wassers langsam aber sicher wieder Lust zum arbeiten hat.

Wir beschließen, für den Weiterweg nach Reitan die Straße zu nehmen, der Weg übers Fjell erscheint uns zu unsicher, und zu weit. 10 Minuten nach unserem Start geht ein erfrischender Regenschauer nieder, aber eigentlich ist es viel zu warm für die Regensachen. Als wir uns aus den Klamotten schälen, trottet eine Elchkuh in ca. 100 m Entfernung über einen Forstweg, das hebt die Stimmung!

Der Womo-Verkehr hält sich hier in Grenzen, der Seitenstreifen ist ausreichend breit und wir fühlen uns fit, sodass die Kilometer nur so dahinfliegen. Die erste Pause machen wir in Glåmos im Supermarkt in einer unserer geliebten Kaffeeecken.

Und was für ein Exemplar das ist! Liebevoll wurden hier Kaffee, Wasserkocher mit allerlei Heißgetränkoptionen und sogar Waffeln mit Rømme und Marmelade drapiert. Sowas gibt’s eben nur hier. Der Rest der Strecke geht erstaunlich leicht von der Hand, bis zum steilen Anstieg zum Bahnhof Reitan.

Dort gibt es ein Klo, fließend Wasser und es ist warm und trocken. Die Entscheidung, hier die Nacht zu verbringen, fällt schnell, auch weil wir nach etwa 32 km gut geschafft sind. Um 22.45 Uhr schwingt die Tür auf, ein großer, bärtiger Mann erscheint in unserer Wartehalle. Ok das wars, denke ich, jetzt werden wir rausgeschmissen. Die Zahnbürste im Mund, wird Simon als er selbst identifiziert… Wir gucken nicht schlecht, als Morten erzählt, dass er unsere SPOT Position täglich verfolgt, und da er seine Hütte nur wenige Kilometer von hier hat, beschloss er kurzerhand vorbeizukommen und sogleich haben wir eine Tüte frische, selbstgemachte Lefse und eine Einladung für den nächsten Tag zum Mittagessen in der Tasche – Wahnsinn! Ein ums andere Mal lässt uns diese Tour vor Überraschung und Dankbarkeit für diese unglaubliche Gastfreundlichkeit der Norweger sprachlos werden.

Gütige Menschen und Norwegische Gastfreundschaft

Am nächsten Tag machen wir uns früh auf in Richtung Kjølihytta, auf dessen Weg die Hütte von Morten und Christina liegt. Doch weit kommen wir nicht, ein anderes Ehepaar überredet uns, eine kurze Pause bei ihnen auf der Veranda und ehe wir uns versehen, sitzen wir für eine ganze Stunde bei eiskalter Brause und Keksen und quatschen über Gott und die Welt. Und das alles nur, weil die Leute es gut finden, was man macht. Mit etwas Verspätung treffen wir also zur zweiten Einladung ein, machen es uns in der tollen, urigen Hütte richtig gemütlich und genießen die angenehme Gesellschaft.

Der Abschied fällt uns ein bisschen schwer. Aber bis zur Kjølihytta sind es jetzt nur noch wenige Kilometer über einen einfachen Wanderweg, der wir rasch hinter uns lassen. Die DNT Hütte ist eine echte Perle, der Blick auf die Berge von Sylan der Knüller.

Der wärmste Tag des Jahres steht an, in Oslo sind 34 Grad vorhergesagt und auch wir brutzeln ordentlich auf dem einfachen Wanderweg und der anschließenden Straßenpassage zur Væktarstua.

In der Luft liegen Rauch und Feuer, die Waldbrände im nahen Schweden scheinen sich bemerkbar zu machen. In dem großen Hotel können Norge på langs Läufer umsonst übernachten, also beziehen wir dankbar noch früh am Tage eine einfache Hütte, kaufen ein und lümmeln im Schatten.

Es läuft, manchmal auch in Gesellschaft

Auch der Weg zur Nedalshytta wird uns dank Schotterstraße einfach gemacht, entsprechend gut kommen wir voran und sind schon gegen 15 Uhr auf der Hütte. Starke Windböen lassen uns über die Straße torkeln wie zwei betrunkene an der Trinkhalle. Da für den Abend und die Nacht weiterhin starker Wind und Regen angesagt sind, bleiben wir hier, während eine Front nach der anderen draußen durchzieht.

Am nächsten Tag stehen 24 km nach Storerikvollen an. Über wunderschönes Fjell laufen wir hoch über dem riesigen Nesjøen See zu dessen Ende. Die Nähe zum Nachbarland macht sich bemerkbar, denn der Weg ist, ganz Norwegen-untypisch, über weite Teile mit Holzplanken ausgelegt und wir fliegen nur so dahin, benötigen keine 6 Stunden für die 24 Kilometer der Etappe. Wir sind einfach richtig gut drauf heute.

Nach der erholsamen Nacht in Storerikvollen wartet mit der Etappe nach Teveltunet wieder mal Terra inkognita auf uns. Im Vorfeld konnte uns niemand wirklich sagen, wie der Weg und seine Markierungen beschaffen sind, widersprüchliche Kilometerangaben und die schiere Länge der Strecke ließen uns zweifeln.

Doch bereits auf den ersten Kilometern zeigte sich mal wieder wie sich unsere Körper der täglichen, stundenlangen Belastung angepasst haben.

Nach etwa 10 Stunden und über 30 km werden wir am Abend letztendlich zur Teveltunet Fjellstue gelangen – der Weg ist wunderbar ausmarkiert, abwechslungsreich und richtig schön, zudem ist es mal nicht sengend heiß.

Als Sahnehäubchen wissen wir außerdem, dass wir Åste, eine andere NPLerin, heute treffen werden, da sie von der Bjørneggen Hütte aus Teveltunet ansteuert. An einem kleinen See sitzt sie nun und ist schon ziemlich im Eimer, als wir sie einholen, doch gemeinsam meistern wir die letzten Kilometer des Tages.

Da auf dem Hof keine Menschenseele anzutreffen ist, bleibt uns nichts anderes übrig als nach Meråker zu trampen und uns dort zu dritt ein kleines Hotelzimmer zu suchen. Gesagt getan, wir kaufen Pizza, Cola und Chips – was der Weitwanderer eben so braucht, und lassen den Abend bei langen Gesprächen ausklingen. Da unser Versorgungspaket aber noch in Teveltunet liegt und wir nach dem Ruhetag sowieso von hier zur Angeltjønnhytta starten, teilen wir uns nach dem gemeinsamen Frühstück das Taxi nach Teveltunet und nehmen uns eine gemütliche und geräumige Hütte, die uns perfekten Schutz vor der Hitze bietet.

Wie geht’s uns so?

Nun wo wir den dicken Teil Norwegens hinter uns gelassen haben und rasanter nach Norden gelangen, wird die Stimmung immer besser, man ist zuversichtlicher, hat immer mehr Spaß an der Sache. Im Süden war ich oft am Kämpfen und Zweifeln, all dies scheint nun der echten „Turglede“ zu weichen, wie ich es mir so sehr gewünscht habe.

In Kooperation mit Visit Norway

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7 Kommentare

  1. Und wieder ein interessanter und ausführlicher Wanderbericht von euch – vielen lieben Dank! Es ist sehr schön zu lesen, dass es euch insgesamt wieder besser geht und dass ihr in den letzten Tagen so gut voran gekommen seid. Wunderbar auch, dass es weiter immer wieder zu schönen Begegnungen mit netten und hilfsbereiten Menschen kommt! 🙂
    Gut, dass es Suchmaschinen gibt, denn so konnte ich mir die Bedeutung des Begriffs “Turglede“ erschließen! Ich wünsche euch von Herzen das Empfinden der Turglede an jedem weiteren Tag. Genießt es, bleibt behütet und kommt weiter gut voran. Herzliche Grüße vom – nur abschnittweise gegangenen – Kerry Way aus Irland von Helge

  2. Ruth Baumann Antwort

    Eure Berichte sind ein Genuss. Sie inspirieren und lüften meinen Kopf, ich wandere gleich mit beim Lesen. Bin selber gerne in den Bergen unterwegs, könnte nicht leben ohne wandern. Allerdings suche ich im Moment eher Schluchten auf wegen den Hitze, denn auch oberhalb der Baumgrenze ist es sehr heiss. Lustig eure Sonnenstreifen an Beinen und Armen. Ich bin ein grosser Fan von Norwegen und den Norwegern. Habe eine kleine (!) Wanderung dort auf meiner Bucketlist. Herzliche Grüsse aus der Schweiz. Ruth

  3. Inge Euchner Antwort

    Hallo Anni und Simon,
    wie schön, euch mit euren beeindruckenden Berichten begleiten zu dürfen. Meine größte Bewunderung und Hochachtung.
    Wir lieben Norwegen, dieses fantastische Land mit seinen unzähligen Facetten.
    Dein Buch habe ich schon, mit der Landkarte neben mir, verschlungen.
    Jetzt, mit den vielen Bildern, ist man fast live dabei. Vielen Dank und euch noch spannende Erlebnisse bis zum Nordkap.
    Cool – dass du ein BVB Logo dabei hast. 🙂
    Ich hoffe, das wir im November in Stuttgart die Gelegenheit haben, in deinen Vortrag zu kommen.
    Euch alles Gute
    Inge Euchner

  4. Hallo Simon,
    Respekt! Schon wieder auf Langtour mit vielen positiven Überraschungen und kleinen Downs,die wohl einfach dazu gehören.
    Wann seid ihr denn voraussichtlich im Saltfjellet bzw Sulisfjell? Wir werden dort ab nächster Woche bis Ende August an verschiedenen Ecken verweilen.
    Wäre klasse, wenn wir uns im dritten Anlauf, nach Olafsbu 2012 und Sulitjelma bei deinem ersten Norge pa langs, diesmal im Fjell begegnen. Bei einem deiner ersten Vorträge in München hatten wir kurz miteinander gesprochen.

    Weiterhin god tur bei jetzt endlich niedrigeren Temperaturen.

    Beste Grüße, Tilman

    • Hei Tilman, entschuldige die verspätete Antwort. Wir sind jetzt in Umbukta und werden die nächsten 9 Tage durchs Saltfjell nach Sulitjelma laufen. Am 4.9. wollen wir in Sulitjelma sein, vielleicht sieht man sich. Dir auf jeden Fall god tur videre!

      • Hallo zurück. Knapp vorbei ist leider auch daneben. Wir waren bis heute westlich vom Virvassdalen und müssen mit morgen wieder die Rückreise antreten. Ich wünsche euch weiterhin eine gute Tour mit wohlgesonnenem Wetter. Nach einigen recht windigen und nassen Tagen wird es ja jetzt endlich besser. Für uns zu spät, für euch hoffentlich lang anhaltend.

        • Schade, ich hoffe ihr konntet eure Tour trotzdem genießen. Das Wetter macht halt was es will 😉 gute Heimreise!

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