Zwischen der Hardangervidda und Jotunheimen liegt ein wunderbares Fjellgebiet, das viel zu oft einfach unbeachtet bleibt: Skarvheimen! Die letzte Woche war quasi eine Wanderung der Ehrenkategorie und führte uns bis hinauf auf über 1700 moh über das Dach unserer Tour, um einen kleinen Bezug auf die aktuell beginnende alljährliche große Frankreich-Rundfahrt zu nehmen.
Es fällt schwer, Geilo und den entspannten Ruhetag hinter uns zu lassen, in Dr. Holms Hotel haben wir uns nur zu wohl gefühlt.
Arme & Beine werden zu einer rotierenden Scheibe
Die Erholung verblasst schon bald, als es immer weiter direkt bergan für uns geht, wir wollen über das Budalen hinauf zum Budalsvatnet-See gehen und von dort aus in das Dorf Hovet gelangen. Also stehen direkt einige Höhenmeter auf dem Programm, die wir aber flott bewältigen, auch wenn uns die schon am Morgen sehr kräftige Sonne tüchtig zusetzt.
Der Abstieg nach Hovet ist sehr steil, und wir sind froh über die längere Pause für die Knie im Dorfsupermarkt.
Dann geht es weiter, zuerst über die Straße und dann ungefähr 12 Kilometer über eine Schotterpiste bis in Sichtweite der Staumauer des Nedre Stolsvatnet-Sees. Ein langer Tag mit vielen Metern aufwärts und zahlreichen Kilometern geht dort zu Ende, wir sind ziemlich stolz auf uns! Fast, aber nur fast hätte uns ein Runners High erwischt, aber vorsichtshalber unterbrechen wir den Flow durch einige Pausen im Schatten der noch zahlreichen Birken.
Witzigerweise steht mitten im Nirgendwo ein deutsches Auto mit einem MK-Kennzeichen, meiner Heimat dem Märkischen Kreis. Sachen gibt’s! Leider war der Besitzer nicht zu sehen, wir haben uns trotzdem über das Stückchen Heimat in der Ferne gefreut. Das Zelt steht mit Aussicht auf das, was uns morgen erwartet.
Aussicht schlägt einfach alles
Der nächste Tag führt uns über den Grevskardnuten-Höhenzug hin zur Iungsdalshytta, einer vollbedienten Hütte des norwegischen Wandervereins DNT. Es sind heute nicht viele Kilometer, aber dafür geht es teilweise sehr steil den Berg hinauf. Als wir aber oben sind, müssen wir uns kneifen, die Aussicht ist schlicht und einfach der Wahnsinn!
Sich von solch einem Platz zu lösen fällt entsprechend schwer, aber die Annehmlichkeiten der Hütte locken uns dann doch.
Flott geht es hinab zum See und zur Hütte, wo wir uns ein Zimmer nehmen und die Dusche genießen, herrlich, und das in dieser wunderbaren Umgebung!
Wo ist das Zelt?
Heute gilt es, wir gehen die Etappe, auf der ich damals nunja, mein Zelt, ja ich weiß total doof, verloren habe. Also los, vielleicht kauert das kleine Ringstind ja irgendwo einsam und verloren hinter einem großen Stein, und wartet nur darauf, gefunden zu werden.
Wir sind also wachsam, als wir uns Meter um Meter schrauben. Der Schweiß fließt mal wieder in Strömen, die zahlreichen Salzränder auf unseren T-Shirts können das nur bezeugen.
Der Routenplaner vom DNT hat sich einiges einfallen lassen, der Weg führt nicht nur hoch, sondern zwischendurch auch mal gerne wieder viele Höhenmeter hinab, dann wieder über steile Anstiege hoch hinauf, über Schneefelder und auch lange Blockwerkpassagen finden sich. Dennoch kommen wir flott voran und genießen bald die Aussicht vom höchsten Punkt unserer NPL- Tour auf 1700 moh – und das alles bei bestem Wetter.
Nur mein Ringstind haben wir nicht gefunden, als wir auf der Bjørdalsbu-Hütte ankommen und mit Ananas und Pfirsich aus der Dose anstoßen.
Der Sonnenuntergang zeigt uns dann noch mal kurz, warum es uns immer wieder so sehr in diese Abgeschiedenheit weit weg vom Alltag zieht.
Ein kurzer Hüttenurlaub
Der Abstieg nach Breistølen am Tag darauf gelingt rasch, langsam aber sicher droht uns nur die Sonnencreme auszugehen, Luxusprobleme! Nur leider sehen wir in ganz Skarvheimen keine Rentiere, der ganze Bestand wurde hier im letzten Winter geschossen, da sich eine rätselhafte Krankheit unter den Tieren ausgebreitet hatte, von der keiner so recht weiß, woher sie kommt und wie die Tiere sich infiziert haben. Nun ist das betroffene Gebiet frei von Rentieren und eingezäunt, keiner kann sagen, wann erneut wilde Rentiere hier angesiedelt werden.
Nach knapp 4 Stunden Abstieg kehren wir in Breistølen ein und lassen uns Waffeln mit selbstgemachter Marmelade schmecken. Hier in der privaten Unterkunft hat man mich damals nach dem Zeltverlust getröstet, mich wieder aufgebaut und mir so sehr geholfen, ich komme nur zu gerne zurück und sage erneut Danke! Witzigerweise war die ehemalige Nachbarin der Betreibern hier bei einem meiner Vorträge in Dortmund, sie haben hinterher miteinander telefoniert, so klein ist mal wieder die Norwegen-Welt!
Wir quartieren uns dann nur einen Steinwurf entfernt in der neuen Breistølbu-Hütte des DNT ein. Hier gibt es neben Duschen auch Strom, dazu einen fantastischen Sonnenuntergang gratis dazu, was will man mehr?
Es geht immer noch weiter und höher
Als hätten wir die letzten Tage nicht schon genug geschwitzt, erwandern wir uns heute eine der bisher schönsten, aber auch anstrengendsten Etappen hin zur Sulebu-Hütte. Wieder stehen viele, viele Höhenmeter auf und ab in der Bilanz am Ende des Tages. Es ist zwischendurch sau anstrengend, immer wenn man denkt, dass das nun doch endlich der Wegweiser am höchsten Punkt der Etappe ist, geht es ganz sicher noch höher. Ganz sicher! Aber hei, die Aussicht auf die zackigen Berge des Hurrungane-Massivs ist gewaltig!
Es wäre heute super Wetter zum Zelten, aber wir ziehen dann doch lieber die schattige Hütte vor. Es ist total verrückt, wenn man erzählt, dass einem ein paar Wolken am Himmel und ein paar Grad weniger auf dem Thermometer gefallen würden, insbesondere in Norwegen, aber es ist tatsächlich so. Überall ist Sonnencreme ausverkauft, die Seen weit unter dem normalen Niveau und die Waldbrandgefahr nach wie vor extrem hoch.
Der Ruhetag ruft
Die höchsten Berge des Landes immer vor Augen, geht es dann innerhalb von zwei Tagen über Tyinkrysset nach Fondsbu.
Ein paar Wolken sorgen auf dem Weg dorthin tatsächlich für eine kurze Sonnencreme-Pause, wir genießen die Kühle auf der Haut und schlagen unser Zelt direkt an der Hütte auf.
Und dann, nach der formidablen Dusche schlagen wir zu, wir ordern uns jeder den Fondsburger – und der schmeckt einfach nur super gut! Alles hausgemacht und das Fleisch vom Erzeuger direkt aus der Nachbarschaft, wie lecker das ist!
Die große Überraschung kommt aber erst noch, denn pünktlich zum Abendessen bekommen wir unerwarteten Besuch. Bernd und seine Frau Anja waren unterwegs auf Tour am Lysefjord, das Wetter spielte mit, so dass sie die übrige Zeit für einen Abstecher zu uns genutzt haben. Die Freude ist auf beiden Seiten groß, wir schreiben uns schon länger E-Mails und trafen uns beim Fernwandern- Camp im letzten Jahr das erste Mal richtig. Bernd ist sogar schon mal mit einem alten AWO-Motorrad von der Lausitz aus zum Nordkap und zurück gefahren! Und nun treffen wir uns hier, wieder schließt sich ein Kreis, wir haben uns viel zu erzählen.
In Kooperation mit Visit Norway